Freiheit ist mehr als Gesundheit

Nach langer Zeit beginnt endlich eine Debatte um das Verhältnis von Freiheit und Infektionsschutz.

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Endlich, nach quälend langen Wochen, gibt es eine Diskussion zu dem Mantra, der „Schutz von Leben und Gesundheit“ sei oberstes Prinzip allen Denkens und Handelns. Der alte Fuchs Wolfgang Schäuble hatte das angezweifelt; auch ökonomische, soziale und psychologische Auswirkungen der drastisch alle Grundrechte und Grundfreiheiten beschneidenden Maßnahmen des staatlichen Krisenmanagements beim Corona-Virus müssten viel stärker berücksichtigt werden. Außerdem laufe der Staat mit seinen immensen Wirtschaftshilfen und der entsprechenden Nettoneuverschuldung Gefahr, sich zu übernehmen. Wichtiger noch als Leben und Gesundheit sei die als „absoluter Wert“ im Grundgesetz verankerte „Würde des Menschen“.

Eine Güter- und Werteabwägung ist vorzunehmen

Von der ehem. EKD-Ratsvorsitzenden und Bischöfin Margot Käßmann erhielt Schäuble Flankenschutz. In der aktuellen Debatte um den Lockdown erinnerte sie an die Würde von einsam Sterbenden und Beerdigungen mit nur wenigen Angehörigen, die nachhaltige Beschädigung von Kinderseelen, zunehmende Depressionen, die Sorgen der Menschen um Arbeitsplätze und die eigene Existenz, die Gefahr von Suiziden und die Bedrohung von Familien durch mehr Konflikte. Es gebe aber eine Güter- und Werteabwägung. Auch das Sterben gehöre zum Leben. Während die Politik posaunt, dem Infektionsschutz müsse „alles Andere untergeordnet“ werden, erinnern Schäuble und Käßmann daran, dass auch der Staat die Menschen nur bedingt vor Krankheit und Leiden und nicht vor dem Sterben schützen kann. Richtig ist auch, dass Freiheit bedeutsamer als Gesundheit ist und Gesundheit auch weit mehr als nur Infektionsschutz beinhaltet.

Lautes Schweigen der katholischen Kirche

Wie schon bei der von Muslimen beim Bundesverfassungsgericht erwirkten Aufhebung des generellen Verbots von Gottesdiensten als grundrechtswidrig herrscht aber auch beim Thema Werte- und Güterabwägung zwischen Grundfreiheiten und dem Schutz vor Infektionen auf katholischer Seite bedrückend lautes Schweigen. Wenn es für die Politik schlicht „um Leben und Tod geht“, ist die DBK einfach nur dankbar, dass in Aussicht gestellte Lockerungen „erste Schritte zur Wiederaufnahme von Gottesdiensten möglich machen“ und hält das Gottesdienstverbot für „vernünftig und verantwortungsvoll“.


Dieser Beitrag von Richard Schütze erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur, der wir für die freundliche Genehmigung zur Übernahme danken.

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Kommentare ( 14 )

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Digenis Akritas
3 Jahre her

Katholische Kirche und Freiheit, das ist ohnehin ein Oxymoron!
Grundsätzlich: Freiheit ist nie einfach so da, sie ist immer zuerst etwas Geistiges, das in die Welt der Notwendigkeiten und der Endlichkeit gebracht werden muss. Freiheit ist somit immer auch Befreiung. Der Tod ist als Ausgang aus dieser Welt der Notwendigkeiten /Endlichkeit ein Garant einer totalen Freiheit (die erst einmal Angst macht).
Das alles ist leicht gesagt!
Zudem ist Gesundheit die Grundvoraussetzung für die Erlangung und den Genuß von Freiheit!!

eviamara
3 Jahre her

Wenn ich in diesen Tagen etwas von Kirche höre, muss ich immer an folgendes denken:
‚Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm: „Halt‘ du sie dumm, ich halt‘ sie arm!“ ‚
Lied Reinhard May: Seid wachsam!
https://www.youtube.com/watch?v=CnZR32sVZ9c

Andreas aus E.
3 Jahre her

Was die Milliarden betrifft, die das alles kostet – da sollten sich die Damen- und Herrschaften Käßmann und Schäuble mal Gedanken machen, was so an Geldern für sogenannte „Flüchtlingshilfe“ kostet – die wird uns allen weit teurer zu stehen kommen, auch nicht nur finanziell. Auch ohne Coronaausgangsverbote wurden schon Gebiete gemieden, wo sich schutzbedürftige Kinderlein tummeln. Was Kosten bei Krankheit und Leiden betrifft sollten sich gerade die beiden ohnehin nicht gar zu weit aus dem Fenster lehnen. Trinker und Behinderte – zumal im fortgeschrittenem Alter – könnten durchaus ins Visier kostenorientierter Politiker geraten. Aber die sind gewiß privatversichert, müssen sich… Mehr

H. Priess
3 Jahre her

Das Schweigen der Gottesdiener bedeutet nur, daß sie nichts zu sagen haben. Sie haben schon soviel von ihrer einstigen Substanz, ihrer Verantwortung für ihre Schäfchen aufgegeben und sich als Diener der Politik geoutet. Daß sie jetzt nicht mal mehr den Anstand haben wenigstens so zu tun als trügen sie Verantwortung für das Seelenheil ihrer Schützlinge, spricht eine eindeutige Sprache. Die Bischöfe und ihre Mitarbeiter treten mit Samtpfoten durch das Dickicht der Verantwortlichkeiten nur um nicht irgendwem auf die Füße zu treten. Sie sind allesamt Links oder linksgrün und ihre Göttin ist Merkel. Somit haben sie sich auch in vorauseilendem Gehorsam… Mehr

Elli M
3 Jahre her
Antworten an  H. Priess

„ihrer Verantwortung für ihre Schäfchen aufgegeben und sich als Diener der Politik geoutet.“ Bis auf einzelne Ausnahmen, die froh sein können, wenn ihnen ihre Amtskirche nicht in den Rücken fällt (falls Sie jemanden kennen, den Sie für einen guten Pastor halten: befragen Sie den mal ganz nachdrücklich), war das noch NIEMALS anders in der Geschichte der Kirchen. Oder ist da was an mir vorübergegangen?

Montesquieu
3 Jahre her

Die ganze Haltung der „Leben retten um jeden Preis, wie ist egal“-Fraktion ist verlogen und heuchlerisch. 1. Ein wesentlich effektiveren Schutz vor einem COVID-19 verursachten Tod als den allgemeinen gesellschaftlichen lockdown hätten spezielle Schutzmaßnahmen für die über 80jährigen und die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen geboten. 2. Durch die getroffenen Maßnahmen kommt es gerade in dieser Hochrisikogruppe zu einer deutlich gesteigerten Sterblichkeit, da Vereinsamung bei alten Menschen zu Resignation und Resignation zur fehlenden Medikamenteneinnahme, fehlenden Blutzuckerkontrollen, fehlenden Arztbesuchen bei akuten Beschwerden und schlichtweg fehlendem Überlebenswillen führt. Dass Frau Merkel solches nicht nachvollziehbar ist („reduzieren Sie ihre sozialen Kontakte“, „fühlen Sie… Mehr

DerElfer
3 Jahre her
Antworten an  Montesquieu

Die Lösung des Wegsperrens der Risikogruppe ruft seinerseits wieder den Gleichheits-Grundsatz auf. Die Leute werden quasi isoliert, obwohl sie nicht krank sind, während die (potentiellen) Überträger weiter alle Freiheiten genießen dürfen. Ebenso würden dann die Kinder der Alten diese wegen Ansteckungsgefahr nicht mehr besuchen dürfen. Ebenso wären dann die betroffen, die diese Gruppe betreuen dürfen/müssen. Die wären dann auch in Quarantäne, obwohl keine Risikogruppe. Und was macht man mit denen, die nicht Ü50 sind, aber Herzprobleme, schwaches Immunsystem, Adipositas, Diabetes usw. haben? Also auch Risiko? Bei Kindern können diese dann nicht in die Schule. Was amcht man mit deren Eltern?… Mehr

StefanB
3 Jahre her

Müssen wir nach dem noch recht jungen Begriff „Öko-Faschismus“, nun auch noch den des „Gesundheits-Faschismus“ in den allgemeinen Sprachgebrauch einführen? Mit Blick auf die zugrundeliegende Parteienpolitik würde er ja systematisch zu hundert Prozent passen.

Montesquieu
3 Jahre her
Antworten an  StefanB

Corona ist ein viel besserer Hebel zur Durchsetzung von Allerlei, als die Klimaapokalypse. Zeitnah, direkt und bildlich vorstellbar (langsames Ersticken ohne Hilfe durch die völlig überforderten Gesundheitseinrichtungen).
Da geht viel, man muss sich nur ein bißchen beeilen, ehe doch noch vielen der Schwindel auffällt.

Lavinia
3 Jahre her

Hätte nicht geglaubt, dass ich Frau Käßmann einmal loben würde, aber sie hat Recht.

Peter Gramm
3 Jahre her

Es fing mit der Flüchtlingskrise an und wird jetzt fortgesetzt. Das Grundgesetz soll ausgehebelt werden. Unsere politische Kaste macht fröhlich mit. Sie wähnen sich unangreifbar für das was sie tun. Die illegale Grenzöffnung war nur der erste Schritt. Die jetzt angedachte Zwangsimpfung und der angedachte Impfausweis erinnern an die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte. Das Volk rannte damals auch mit (allerdings waren die ökonomoschen Bedingungen ganz andere) und rannte in sein Verderben.

WandererX
3 Jahre her

Bei zu früher Kritik konnte man sich nur das Maul verbrennen, also schwieg man. Das ist aber feige gewesen – man hätte sich entscheiden müssen, was man mittragen kann und will und was nicht. Selbst die Würde hat die deutsche kathol. Kirche wegen unfähiger Spitzenleute inzwischen verloren. Diese Leute sehen sich eben mehr als Politiker und kaum als Diener, Theologen und Priester.

Vulkan
3 Jahre her

Pater Klaus Mertes hat die Corona-Regelungen in einem Artikel kritisiert, aber leider hat dieser es nicht in den Mainstream geschafft:
https://www.katholisch.de/artikel/25276-wir-kapitulieren-vor-dem-tod
Außerdem ein Interview im Deutschlandfunk:
https://www.deutschlandfunk.de/grundrechtsdilemma-in-der-coronakrise-kinder-werden.886.de.html?dram:article_id=475730