Die Lüge mit dem Spitzensteuersatz

Bundesfinanzminister Olaf Scholz fordert eine höhere Besteuerung von Besserverdienern. Ein Anstieg des Spitzensteuersatzes um drei Punkte auf 45 Prozent wäre „gerecht“, sagte Scholz der "Zeit". Der Spitzensteuersatz habe zu Zeiten des Kanzlers Kohl bei 56 Prozent gelegen, heute seien es nur noch 42 Prozent, argumentierte Scholz.

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Das Argument, der Spitzensteuersatz habe zu Helmut Kohls Zeiten bei 56 Prozent gelegen, während er heute nur bei 42 Prozent liege, gehört zu den Lieblingsargumenten von Sahra Wagenknecht. Es vergeht keine Talkshow, in der über Steuerthemen diskutiert wird, in der sie dieses Argument für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes nicht wiederholen würde. Bei Sahra Wagenknecht ist das vielleicht verständlich, sie lobte ja auch die Politik von Hugo Chávez als vorbildliches ökonomisches Modell für Deutschland.

Jetzt trägt der Bundesfinanzminister das gleiche falsche Argument vor, wider besseres Wissen. Tatsache ist:

  1. Früher hieß der Spitzensteuersatz auch Spitzensteuersatz. Später haben sich die Politiker andere Begriffe ausgedacht – Orwell lässt grüßen. Bereits 2007 erhöhten sie faktisch den Spitzensteuersatz, nannten den jedoch jetzt anders, und zwar „Reichensteuer“. Die „Reichensteuer“ liegt bei 45 Prozent. Dazu kommt jedoch noch eine andere Steuer, für die sich die Politiker ebenfalls einen Euphemismus ausgedacht haben: der „Soli“. Er beträgt 5,5 Prozent. „Reichensteuer“ plus Soli ergeben den tatsächlichen Spitzensteuersatz, und dieser liegt nicht bei 42 Prozent, wie Politiker gerne behaupten, sondern bei 45 Prozent plus 2,475%, also bei knapp 47,5 Prozent. Dass Politiker dem Kind neue Namen gegeben haben, ändert nichts für die, die diese Steuern zahlen.
  2. Zu Zeiten Kohls zahlten die wenigsten Spitzenverdiener den nominalen Höchststeuersatz. Damals gab es zahlreiche Ausnahmetatbestände im Steuerrecht. Verlustausgleich durch Bauherrenmodelle, geschlossene Immobilienfonds, Schiffsbeteiligungen usw. führte dazu, dass sehr viele Spitzenverdiener weitaus weniger Steuern zahlten als heute. Manch einer reduzierte seine Steuern sogar auf Null. Diese Steuersparmöglichkeiten wurden jedoch bereits 1999 abgeschafft, und zwar durch die Paragrafen 2 Abs. 3 EStG („Mindeststeuer“) und 2b EStG. Sahra Wagenknecht sollte das wissen, denn ihr heutiger Ehemann hatte diese Paragrafen damals als SPD-Finanzminister ins deutsche Steuerrecht eingefügt. Später wurde mit § 15b EStG allen Steuersparmodellen der Garaus gemacht. Auch deshalb ist es falsch, den Spitzensteuersatz zu Zeiten Kohls mit dem heutigen Spitzensteuersatz zu vergleichen, denn die Bemessungsgrundlage auf die er erhoben wurde, war für viele Spitzenverdiener deutlich niedriger.

Übrigens: AKK sprach sich schon 2012 ebenfalls für die Erhöhung des Spitzensteuersatzes aus. Bei der Steuersenkung, so meinte sie, sei die frühere rot-grüne Bundesregierung zu weit gegangen“. „Über eine moderate Anhebung sollte man deshalb reden“, so AKK. Genau dies tut Scholz jetzt.

Ich meine: Die Steuereinnahmen des Staates sind so hoch wie niemals zuvor in der deutschen Geschichte. Gleichzeitig sind die Ausgaben des Staates für Zinsen durch die Nullzinspolitik der EZB ausgesprochen niedrig. Dass der Staat nicht zu wenig Geld hat, sondern zu viel, sieht man daran, dass fast keine Woche vergeht, wo nicht neue massive und völlig unsinnige Ausgaben beschlossen wurden. Erst vor wenigen Tagen wurden 40 Mrd. Euro Ausgaben für den rein ideologisch motivierten Kohleausstieg beschlossen. Die Forderung nach Erhöhung des Spitzensteuersatzes ist eine reine Neiddiskussion. Scholz, der gerne Kanzlerkandidat der SPD werden möchte, will sich damit bei den linken Genossen in seiner Partei beliebt machen, damit er für diese auch akzeptabel wird. Er weiß, dass Parolen gegen Reiche in der SPD immer gut ankommen.

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Kommentare ( 51 )

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Regenpfeifer
5 Jahre her

Ich bin nach CH ausgewandert. Mein durchschnittlicher Steuersatz bei der Einkommenssteuer liegt hier bei 15%. Und das bei einem Gehalt, das knapp doppelt so hoch ist, wie es in DE wäre.
-Wer eine gute Ausbildung hat, daher einen guten Job mit guter Bezahlung hat und ob solcher sozialistischer Anwandlungen immer noch nicht daran denkt, aus DE auszuwandern, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen: Jeder ist seines eigenen (Un)Glückes Schmied! Wandert aus, denn: „Etwas besseres als Muttis GroKo findet sich überall!“

horrex
5 Jahre her

Nicht nur, dass der Spitzensteuersatz zu hoch ist und dass eine ganze Reihe von Abzugsmöglichkeiten ausgeschlossen wurden, sondern es sind – auf der anderen Seite – erhebliche Transferleistungen NEU entstanden. Dinge die finanziert werden müssen. Ob zielführend effizient oder nur „Beschäftigung“ schaffend scheint keinerlei Rolle zu spielen. HAUPTSACHE, es wird „Klientel“ bedient. Und – im Namen angeblicher(!) Gerechtigkeit – Leistungsfähige angeblich „REICHE“ geschröpft. Der Faktor DEMOTIVIERUNG Leistungsfähiger spielt dabei keine Rolle. – Wohin AUCH und nicht nur diese Form von „Demontage“ führt, SOLLTE eigentlich Jedem einleuchtend sein. – Ist es aber offensichtlich nicht!!! – Selbst dem „Ursozi“ Willi Brandt war… Mehr

U.M.
5 Jahre her

Nur den spitzensteuersatz anheben? Nein, das wird nicht reichen!! Der Diesel wird höher besteuer, evtl. das Benzin mit und vielleicht noch die Mwst. Denn bei einer sinkendernKonjunktur werden natürlich die Steuereinnahmen nicht mehr so sprudeln. Aber die Ausgaben werden, besonders im Bereich des Sozialen durch die hereinströmenden „Fachkräfte“ und dem Familiennachzug ins unermessliche steigen. Wir werden vor Steuern und Abgaben bei den Kommunen noch an Krücken gehen.

Wolfgang M
5 Jahre her

Der Punkt, an dem der „Spitzensteuersatz“ liegt, ist fast genau an dem Punkt, an dem er vor 60 Jahren lag: 120.000 DM. Das war damals das 20-fache des mittleren Einkommens. Heute erreicht das ein Mittelstandsarbeitnehmer.
Natürlich könnte der Spitzensteuersatz erhöht werden. Er müsste nur viel später beginnen. Dafür müsste der Mittelstandbauch abgeschafft werden. Das könnte am Ende auf dieselbe Steuersumme hinauslaufen.
Da überlegen sich Politiker, was man gegen Jahresgehälter von über 1 Mio Euro machen kann. Man könnte sie stärker besteuern.

H.H.
5 Jahre her

40 Mrd. € für den Kohleausstieg. Das ist der Ablaßhandel um sich ein gutes=grünes Gewissen zu erkaufen.

Sonny
5 Jahre her

Ab einem jährlichen zu versteuernden Einkommen von 55.961 Euro greift der Spitzensteuersatz. Dies bedeutet, dass jeder Euro, der über dieser Grenze liegt, zu 42% versteuert wird. Wer also durchschnittlich 4.663,- EUR im Monat verdient ist „reich“.
So kann man die Menschen auch verarschen. Für mich müssen ganz andere Verdienste hereinkommen, als dass ich Menschen als reich bezeichnen würde.
Das ist die versteckte Abzocke aller mittelständischen Arbeiter und Angestellten.

CIVIS
5 Jahre her

HALLO Herr Zitelmann,
und gleich behaupten Sie noch, dass die Forderung von Herrn Scholz populistisch sei!
Eine Unverschämtheit wäre dies. Populistisch in diesen Land können nämlich NUR Rechte und die AfD sein. So,… basta !

jboese2
5 Jahre her

Außerdem setzt dieser Tage der Spitzensteuersatz bei etwa 25.000 Euro ein. Der Staat entwickelt sich zum Faß ohne Boden. Und dann wundert man sich, warum z.B kluge Asiaten nicht in Deutschland arbeiten wollen. Ist doch klar, das Brutto sieht toll aus aber netto bleibt etwa dasselbe wie in Karatschi übrig.

Old-Man
5 Jahre her

Das der kleine Olaf ein kleiner linker Wadenbeisser ist wissen wir alle doch nicht erst seit heute. Aber nicht nur der Olaf sondern die gesamte linksrotgrüne Brut ist auf Neid aboniert,da ja aus eigener Arbeit nichts zustande gebracht wird.Und das linksverdrehte gerne lügen,auch das wissen wir nicht erst seit heute. Ein kleiner Trost für alle „Beneideten“ : Neid muß man sich erarbeiten,Mitleid bekommt man geschenkt! Man stelle sich folgendes vor : durch die beständigen Neidattacken wegen ihres erarbeiteten Vermögens verlieren die Unternehmer die Lust an der Arbeit,verkaufen oder schließen ihre Firmen und gehen mit ihrem Geld ins Ausland um neidischen… Mehr

Olivia
5 Jahre her

SPD Kanzlerkandidat?….Wozu????