Warum hat der Landeswahlausschuss nicht die Nominierung auf die erste Stufe für ungültig erklärt und die zweite Stufe akzeptiert? War das eine hochwillkommene Willkürentscheidung zu Lasten der AfD?

Die AfD selbst hat die schlafenden Hunde geweckt. In Sachsen wird am 1. September 2019 ein neuer Landtag gewählt. Auch wenn man Wahlumfragen mit der gebotenen Skepsis gegenübersteht, so zeichnet sich doch ab, dass vor allem die CDU und die SPD des Freistaates dramatische Verluste erleiden wird, die AfD hingegen auf dem Wege ist zweitstärkste Partei im Landtag zu werden.
Wie alle Parteien hat auch die AfD ihre Landesliste aufgestellt und beim Landeswahlleiter eingereicht. Weil dabei Probleme auftraten, aus welchen Gründen auch immer, hat sie ihre Liste vorsorglich ein zweites Mal eingereicht. Das musste den Landeswahlausschuss misstrauisch machen. Hinzu kam, dass die AfD-Landesliste in zwei verschiedenen Versammlungen der Delegierten aufgestellt wurde. Auf der ersten wurden die Plätze 1 bis 18 vergeben und auf der zweiten der Rest, d.h, die Plätze 19 bis 61.
Diese Zwei-Stufen-Wahl ließ der Landeswahlausschuss nicht gelten. Er akzeptierte nur die erste Stufe mit der Nominierung von 18 Listenbewerbern der AfD. Die zweite Stufe der Nominierung für die Plätze 19- 61 erklärte das Gremium jedoch für ungültig. Der Landtag hat im Regelfall 120 Sitze. Das Land ist in 60 Wahlkreise eingeteilt, in denen mit der Erststimme eine Person unmittelbar in den Landtag gewählt wird. Der Rest der Abgeordneten wird nur indirekt, und zwar über die Landeslisten der Parteien gewählt.
Ein gefundenes Fressen
Sämtliche Vertreter von Presse und Medien zückten augenblicklich ihre Bleistifte und berechneten die Folge dieser Entscheidung für die AfD. Mit großer Häme wurde überall kolportiert, die AfD könne nur 18 Listenplätze erreichen, obwohl ihr nach den Umfragen, in denen die AfD bei 27 Prozent der Zweitstimmen ein sehr viel größerer Anteil an den regulär 120 Sitzen zustünde. Wenn die AfD nur 25 Prozent der Zweitstimmen erreichen würde, stünden ihr 30 Listenplätze zu. Das war für die Konkurrenzparteien natürlich „ein gefundenes Fressen“.
Doch wird nirgend so heiß gegessen wie gekocht. Das ist auch hier der Fall. Denn Rechenspiele sind das eine, die Rechtslage das andere. Die AfD brauchte nicht lange, um anzukündigen, sie werde den Rechtsweg einschlagen. Die Entscheidungen des Landeswahlausschusses könnten vor der Wahl nicht angefochten werden, so hieß es im Lager der AfD-Gegner, bevor man bis drei zählen konnte. Von der Staatsrechtslehre wurde das nicht bestätigt.
Außerdem ist allgemein bekannt, dass keine Partei ihre Bewerber für die Listenwahl in einem Zuge aufstellt. Das würde ja bedeuten, dass über die Landeslisten in einer sog. Sammelwahl entschieden wird. Das wäre schön und wünschenswert, wird aber nirgends praktiziert. Alle Parteien bestimmen die sog. „sicheren“ Plätze ganz oben auf der Landesliste schrittweise in Einzelwahl. Danach kommt eine Blockwahl über die weiteren Plätze, die mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich sind. Über den verlorenen Haufen der sog. „Zählkandidaten“ auf den aussichtslosen Plätzen wird dann in Sammelabstimmung entschieden. Das ganze ist zwar ungesetzlich. Die Stufenwahl wird aber so allgemein praktiziert. Und was allen Parteien erlaubt wird, kann der AfD nicht verboten werden. Es gibt keine Gleichbehandlung im Unrecht. Aber wenn man von der AfD die Sammelwahl in einem Zuge verlangt, dann kann man die anderen Parteien nicht davon befreien.
Dann kommt sofort Wind auf
Der Wahlgesetzgeber hat sich für den Bund und 13 von insgesamt 16 Bundesländern für eine Wahl mit zwei Stimmen entschieden. Danach werden die Personenwahl in den Wahlkreisen mit der Verhältniswahl über die Listen der Parteien miteinander verbunden. Diese Verfahrensweise mit zwei Stimmen wird allgemein als „personalisierte“ Verhältniswahl bezeichnet und findet auch in Sachsen Anwendung. Sinn und Zweck des ganzen ist es, dass die Zweitstimme durch die Erststimme personifiziert wird, die Bewerber nicht anonym bleiben sondern ein Gesicht bekommen. Die Wähler müssen also nicht „die Katze im Sack wählen“. Vielmehr wissen sie Bescheid, wem sie ihre Stimme geben.
Wird die AfD von den anderen Parteien bei der Landtagswahl in die Enge gedrängt, dann fallen alle Hemmungen, die aus irgendwelchen Nützlichkeitserwägungen bisher noch im Wege standen. Dann hat die AfD nichts mehr zu verlieren und wird die Gültigkeit der Landtagswahl in Sachsen anfechten. Und dafür gibt es viele gute Gründe. Die Zahl der 60 Wahlkreise bleibt hinter der Zahl der 120 Sitze im Landtag weit zurück. Man kann sich also leicht ausrechnen, dass höchstens 60 Listenplätze durch die Erststimme personalisiert werden können. Der Rest kommt allein über die Zweitstimmen in den Landtag. Die Erst-und die Zweitstimme sind nicht deckungsgleich. Es gibt also zwei verschiedene Wege in das Parlament. Und das ist mit dem Grundsatz der gleichen Wahl, der in Art. 28 GG auch für die Länder garantiert wird, unvereinbar.
Das ist aber nicht alles. Ob es bei der Landtagswahl in Sachsen auch zu „negativen“ Stimmengewichten kommen wird, wie das z.B. in Bayern und in NRW zu beobachten war, muss man abwarten. In Bayern kam es zu 10 Überhängen und 15 Ausgleichsmandaten. Auch in NRW war der Ausgleich größer als der Überhang: Bei der letzten Landtagswahl fielen in NRW 12 Überhänge und 18 Ausgleichsmandate an. Im Bund kam es 2017 bei der SPD zu 3 Überhängen, die Sozialdemokraten erhielten aber selbst 19 Ausgleichsmandate. Bei der Bundestagswahl von 2013 wurde die CDU durch 4 Überhänge begünstigt und erzielte selbst 13 Ausgleichsmandate. Ob das auch in Sachsen eintrifft, muss man abwarten.
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112 Kommentare auf "Die Entscheidung des Landeswahlausschusses gegen die AfD hat Haken und Ösen"
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Sie denken nicht einfach zu einfach… sondern genau richtig.
Die AfD ist die einzige Partei in Deutschland für die die Schweiz in Sachen direkter Demokratie Vorbild ist. Das ist unter anderm auch ein Grund, warum sie von den konkurrierenden Parteien so gehaßt wird…
Wir Deutsche sind zum Glück ein Rechtsstaat. Ihr Schweizer seid ja nicht mal in der EU. Bei uns kann nicht einfach so jede Partei eine Liste abgeben. Und schon gar nicht die AfD. Bei uns hat alles seine Ordnung. Ausnahmen machen wir nur, wenn die Humanität auf dem Spiel steht. Für die europäischen Werte rammen unsere diversen Amazonen sogar Patrouillenboote feindlicher Staaten… das ist normal bei uns.
Wenn die AFD schon weiß das sie unter genauester Beobachtung stehen, dann klopfe ich das Verfahren doch zig mal ab und Rückversichere mich ebenso oft schriftlich. Zumal es schon einen ähnlich gelagerten Vorfall in der Vergangenheit gab. Es war vielleicht auch die sichere Arroganz einer vermeintlich gewonnen Wahl.
Jetzt muss man wieder viel Zeit und Prozesse aufwenden um das halbwegs gerade zu biegen.
Da rollen jetzt hoffentlich auch Köpfe. Wer sich derart sicher fühlt und Abmahnungen in den Wind schlägt, hat als Wahlverantwortlicher nichts in der Partei zu suchen. Nach außen gibt sich die AfD Sachsen natürlich geschlossen.
Aber ich möchte nicht wissen, wer da alles einen Satz rote Ohren kassiert, wenn es um die Verantwortung dieses Wahldebakels geht.
Was das beste Wahlrecht ist, das ist die eine Frage. Wie geheuer es bei den Vorgängen in Sachsen ist, das ist eine andere. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man bei den „Altparteien“ sich im vergleichbaren Fall anders verhalten hätte.
Das ist ‚mal so sicher wie das ‚Allah u akbah‘ beim Freitagsgebet.
Wenn sie nicht daran zugrunde geht, wird sie härter. Das aber tut dem gesellschaftlichen Frieden auch nicht gut. Ich sehe den Fanatismus in den Augen so vieler in diesem Land mit Argwohn. Wer zu früh abhaut, macht sich lächerlich. Wer zu spät…. eben.
Deutschland wird zum Land der vielen kleinen Putschs. Erst kleinerer und größerer Wahlbetrug zu Lasten der AFD. Dann das Verweigern politischer Ämter, die der Partei eigentlich zustehen. Als nächstes der Putsch gegen den Verfassungsschutz. Dann die Ignoranz eigener Regeln ohne jede Konsequenz im Bundestag (Hammelsprung). Und nun die Sache in Sachsen, bei der unsere Demokratie droht, endgültig ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren.
@lucretia: Sie haben noch die geänderte Parteienfinanzierung, das kindische „wir wollen nicht neben denen sitzen“, die Änderung bei der Bestimmung des Alterspräsidenten und die Verweigerung eines Vizepräsidentenpostens vergessen.
Diese Liste könnte man vermutlich endlos weiterführen.
Der Landeswahlausschuss wäre gut beraten, der AfD die Gelegenheit zur Nachbesserung zu Geben! Ansonsten könnte es wirklich dazu kommen, dass sich die Bürger in Sachsen endgültig wieder in die DDR zurück versetzt fühlen (siehe Artikel von Vera Lengsfeld).
…“wieder in die DDR zurück versetzt fühlen“, meines Erachtens sind wir inzwischen dort
längst wieder angekommen…
Jedes dieser Schiffe, das auf europäischem Boden anlandet treibt einen weiteren Keil durch Europa….
Sorry! Habe diesen Kommentar versehentlich unter dem falschen Artikel gesetzt! Galt eigentlich dem Artikel „Einfahrt in Hafen verweigert: Malta lehnt „Alan Kurdi“ ab“…
Naja, doppelt hält besser…!
Möglicherweise gab es aber gar keinen Hinweis des Landeswahlleiters.
Das der Feind sich wie der Feind verhält kann man ihn natürlich „demokratietheoretisch“ vorwerfen, aber doch kaum wirklich, Millionen von Menschen sind existentiell von ihrer Drohnenexistenz im erweiterten Parteienstaat abhängig.
Das die AfD allerdings mit einer derartigen Naivität, auch bei formal juristischen Fragen vorgeht, ist unfaßbar und selbst wenn es keine U-Bootsabotage sein sollte, wie sollen solche Typen es „besser machen“?
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Sie wollen also den besten Bürokraten? Mh, vielleicht hat der Schonklod noch Zeit. Aber Sie haben ja Recht. Wie kann man bei formalen Fragen bloß Fehler machen, wo es doch viel cooler ist, das materielle Recht in die Tonne zu treten.
Die AfD sollte Schlägertruppen finanzieren, Diffamierungskampagnen durchziehen, und das Gesetz bei Bedarf einfach ignorieren.
Andererseits, vielleicht finden es die Bürger ja einfach schon besser, daß die AfD eben nicht(!) genauso ist wie alle anderen, und verzeihen deshalb kleine Formfehler?
„Spitzenkräfte “ wie in Bayern, NRW….schaden der Sache nur, es gab genug patriotische Bewegungen die mit Trotteln als Abgeordnete, dem System wieder einmal Jahre der Ruhe verschafft haben…
Wenn man es nicht kann und jede Tierschutzpartei konnte es, dann soll man es lassen und Besseren das Feld überlassen, anstatt es zu verwüsten.
Mag ja sein das alles gut wird (und ich wünsche es vom Herzen), aber wenn sich eine starke sächsische Fraktion als unfähig erweisen sollte, dann war es dann auch in Mitteldeutschland und es bleiben nur noch die „gallischen Dörfer“ am Polarkreis.
Mit genau diesen Haken und Ösen wird das Korsett von den kungelnden Altparteien immer enger und fester geschnürt werden, das der AfD die Luft zum Atmen nehmen soll. In Sachsen wäre es schon brenzlig geworden mit der AfD als vielleicht stärkste Kraft im Landtag. Auch im Kontext Rundfunkstaatsvertrag. Ich weiss nicht was passiert wenn ein Bundesland hier aussteigen sollte. Hallo GEZ, wie geht’s?
Es steht Spitz auf Knopf (schon wieder Textiles), weitere Massnahmen dieser Kategorie und entsprechende Impacts werden uns alle noch überraschen.
Ja – gut möglich! Nur mit Demokratie haben diese Maßnahmen nichts mehr zu tun. Hoffentlich verstehen das die Leute endlich mal!
Dank des Falles der Rackete hat es jetzt schon ganz Italien kapiert. In Ostdeutschland brauchen die Leute etwas länger. Und hier im Wessiland… ach vergiss es!