Deutschland: Zwischen Zukunftsverweigerung und Staatsversagen

Nach fast zehnjähriger Boomphase dürfte sich 2019 die Konjunktur hierzulande deutlich abkühlen. Ist Deutschland wirtschaftspolitisch und strukturell auf diese Entwicklung vorbereitet? Hat die GroKo ihre Hausaufgaben gemacht?

© Carsten Knall/Getty Images

Mit gemischten Gefühlen ist Deutschland in das neue Jahr gestartet. Die konjunkturelle Abkühlung ist unübersehbar. Nach Ansicht der Deutschen Bank könnte Europa bereits 2020 in eine Rezession abgleiten. Stichworte wie Brexit, Handelskrieg, EZB-Geldpolitik und EU-Wahlen stehen für explosive internationale Risiken.

Aus nationaler Sicht bereiten die sinkende Wettbewerbsfähigkeit, die Zukunftsverweigerung der Politik und das zunehmende Staatsversagen in existenziellen Bereichen wie Migration, Infrastruktur, Arbeitsmarkt, Verkehr, Rentensicherheit und Justiz Sorgen. Das ifo-Institut hat seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft in 2019 auf 1,1 % gesenkt. Die Wirtschaftsweisen und der BDI rechnen (noch) mit einem BIP-Anstieg um 1,5 %.

Eine merkwürdige Grundstimmung liegt wie Mehltau über dem Land. Die Unfähigkeit der GroKo, sich mit dringenden Zukunftsaufgaben statt mit parteipolitischem Schaulauf zu befassen, lähmt die Kräfte zur überfälligen Erneuerung. Man hat sich wohlig eingerichtet im satten Gefühl der vermeintlichen wirtschaftlichen Sicherheit und Stärke. Der Begriff „Reform“ erscheint in dieser Atmosphäre einer Puppenstube als Bedrohung des lieb gewonnenen Ist-Zustands. Selbst die Wirtschaftsverbände erwachen nur allmählich aus der Phase der passiven Erstarrung. Erst jetzt fordern sie von der Bundesregierung „eine vernünftige Wirtschafts- und Bildungspolitik“. Die Koalition stelle – so die Kritik – „ungedeckte Schecks auf die Zukunft“ aus, die sich als „Hypothek für unsere Kinder und Enkel“ erweisen würden.

„Selbstgefälligkeit“ statt Reformen

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Das International Institute for Management Development (IMD) untersucht regelmäßig die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern und veröffentlicht die Ergebnisse im „World Competitiveness Yearbook.“ Danach ist die Bundesrepublik in den letzten vier Jahren vom sechsten auf den 15. Platz abgestürzt. Deutschland neige zur Selbstgefälligkeit, einer typischen Krankheit erfolgreicher Länder, heißt es im Bericht. Malte Fischer kommentiert in der „Wirtschaftswoche“: „Statt die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern, die Kosten für das Produzieren und Arbeiten in Deutschland zu senken und das Land auf die Alterung der Bevölkerung vorzubereiten, hat Berlin die Abgaben in die Höhe getrieben und das Geld, das der Konjunkturboom hereinbrachte, munter für soziale Wohltaten ausgegeben. Das Abrutschen Deutschlands ist daher vor allem eine Folge der überbordenden Steuer- und Abgabenlast. Bei den Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer liegt die Bundesrepublik auf Platz 59 von 63 Ländern. Knapp 20 Prozent des Pro-Kopf-Einkommens müssen Arbeitnehmer im Schnitt an die Sozialkassen abführen, mehr als doppelt so viel wie im Durchschnitt aller Länder. Bei der Einkommen- und Körperschaftssteuer zählt Deutschland ebenfalls zu den unattraktivsten Destinationen (Platz 57 beziehungsweise 53). Insgesamt entzieht der deutsche Staat den Steuerzahlern fast 38 Prozent des im Inland erwirtschafteten Einkommens – im Schnitt aller Länder sind es nur 27 Prozent.“

Abnehmende Wettbewerbsfähigkeit

METZGERS ORDNUNGSRUF 01-2019
Ist Reformpolitik nur in der Krise politisch durchsetzbar?
Deutschland ist dabei, den Kampf um Zukunftstechnologien endgültig zu verlieren. Wer hier die Nase vorn haben will, muss bei Künstlicher Intelligenz, Robotik und Sensorik Maßstäbe setzen. Tatsächlich aber bewegt sich die Bundesrepublik hier im innovatorischen Mittelfeld. Sven Afhüppe merkt dazu im „Handelsblatt“ an: „Den vielen politischen Ankündigungen ist bisher kaum etwas gefolgt. Funklöcher gehören in der viertgrößten Wirtschaftsnation der Welt ebenso zur Tagesordnung wie ein schleppender Ausbau schneller Internetverbindungen. Unter solchen Voraussetzungen kann die Bundeskanzlerin noch so oft davon reden, dass es der Anspruch Deutschlands sein müsse, Weltspitze bei Zukunftstechnologien zu werden – es gelingt einfach nicht.“ Zunehmend bedroht sieht sich offensichtlich auch die deutsche Automobilindustrie. Der VW-Chef hat die Chance, dass seine Branche auch in zehn Jahren noch zur Weltspitze gehört, auf nur noch 50 % eingeschätzt. China nutzt konsequent jede Möglichkeit, um die Claims von morgen abzustecken. In Berlin scheint man den Weckruf allerdings noch immer nicht vernommen zu haben.

Absurde EU-Grenzwerte

ARD ungewohnt kritisch
Pleite: Wie der Staat Unternehmen vernichtet
Die öffentliche Diskussion um die Feinstaubbelastung in deutschen Städten zeigt beispielhaft auf, wie ein noch führender Industriestandort systematisch ruiniert wird. Renommierte Lungenfachärzte zweifeln an den von der EU festgelegten Grenzwerten und bezeichnen Fahrverbote für Diesel- Fahrzeuge als „Hysterie“ sowie „unsinnig und schädlich für die Klimapolitik“. Biologische Grundtatsachen würden dabei missachtet. Die Absurdität der Debatte zeigt sich an der Tatsache, dass der Grenzwert pro Kubikmeter Luft im Freien bei 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid liegt, während im Büro und in Produktionsbetrieben, wo sich die Beschäftigten wöchentlich bis zu 40 Stunden aufhalten, 60 bzw. sogar 950 Mikrogramm zugelassen sind. Hinzu kommt, dass die Messverfahren im Straßenverkehr häufig beanstandet werden, weil sie zu nahe an Kreuzungen und der Fahrbahn aufgebaut sind. Die gerichtlich angeordneten Fahrverbote für Dieselautos beruhen also zumindest teilweise auf nicht objektiv gesicherten Messergebnissen. Wissenschaftler weisen außerdem darauf hin, dass die pauschale Verteufelung des Diesels kontraproduktiv sei im Sinne einer vernünftigen Klimapolitik, die vor allem auf die Reduzierung der CO2-Emmissionen setzen müsse. Hier seien Diesel-Antriebe um ein Vielfaches emissionsärmer als Benzinmotoren. Dieser enorme Vorteil gehe völlig verloren.

Ökobilanz mit Schlagseite

Mehr Sozialismus wagen
"Entlastungen, Investitionen" - die aktuellen Fake-News der Bundesregierung
Auch beim Elektroauto bleiben wissenschaftliche Fakten oft unter der öffentlichen Wahrnehmungsgrenze. Hier werden politisch-weltanschauliche Ziele zu moralisch zwingenden Vorgaben manifestiert, ohne sich der Mühe zu unterziehen, auch die vielfältigen Konsequenzen und Interdependenzen zu prüfen. Wenn „störende“ Tatsachen aus ideologischen Gründen vernebelt oder unterdrückt werden, reduziert sich die Debatte auf Selbstbestätigung. Dazu gehört, dass immer noch 60 % der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen stammt. Bei der Umweltbilanz von Elektroautos werden häufig auch die Emissionen der Batterieproduktion unterschlagen. Die politisch gewollten EU-Vorgaben zielen auf eine sachlich nicht haltbare, einseitige Förderung von e-mobile. Selbst wenn in ferner Zukunft der Strom vollständig aus regenerativen Quellen kommen sollte, wären reine Elektro-Fahrzeuge auf Kurzstrecken wegen der CO2 -Emissionen der Batterieproduktion in vielen Fällen weniger umweltfreundlich als zum Beispiel ein Plug-in-Hybrid. Vieles spricht dafür, neben Elektro- und Hybrid-Fahrzeugen je nach Verwendungszweck und Fahrstrecke auch weiterhin saubere Verbrennungsmotoren zu nutzen. Erfolgreiche Klimapolitik ist zu wichtig, um ideologischem Wunschdenken untergeordnet zu werden.

Immense Folgekosten

Angesichts der bevorstehenden Diesel-Fahrverbote hat der Deutsche Städtetag vor einem Verkehrskollaps gewarnt. Ohnehin sei die Verkehrspolitik nicht mehr zeitgemäß. Fahrverbote dürften auch 2019 nur das letzte Mittel bleiben. Welche Dimension hier betroffen ist, zeigt das Beispiel Stuttgart: Dort sind rund 72.000 ältere Diesel der Abgasnorm Euro 4 aus der Stadt und dem Umfeld von der Sperre tangiert. Weitere Fahrverbote auch für Autos der Euronorm 5 sollen später hinzukommen. Die Größenordnung der volkswirtschaftlichen Folgekosten einer bundesweiten Umsetzung ist derzeit auch nicht annähernd zu beziffern. Nicht zu vergessen: Die Deutschen sind dabei, mit der Automobilindustrie eine ihrer letzten weltweit führenden Wirtschaftsbranchen nachhaltig zu schwächen. Die Konsequenzen für Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung sind unabsehbar.

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Kommentare ( 40 )

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MG42
5 Jahre her

Vergrssen wir nicht die Milliarden für Scheinasylanten und Illegale, das kann sich kein Land der Erde leisten, ohne an der eigenen Bevölkerung zu sparen. Heute kam ne Meldung im Videotext beim ZDF: Deutschland erzielt 11Mrd.€ Überschuss und führt das der Rücklage zur Lösung der Flüchtlingskrise zu.
Statt damit Steuern zu senken und die Innovation in der Wirtschaft zu fördern.
>>>> Venezuela 2.0 lässt grüßen!!!

Karl Napf
5 Jahre her

Die deutschen Fehlleistungen werden hier hinreichend dikutiert
Schlimmer ist nur noch die USA, die sich einen Shutdown der Regierung leisten.
Der Westen ist de facto in eine Dekadenz verfallen, die seine Existenz bedroht.

Und in der Zwischenzeit fliegt China zum Mond, baut die Seidenstrasse und baut Inseln im Pazifik als Flugzeugtraeger-Ersatz.

Sonia.B.
5 Jahre her

Es wäre auch mal allerhöchste Zeit den Ausgaben mal kritischer nachzugehen. Da werden Milliarden verpulvert für sinnlose Bauprojekte z.B. oder laufen bei unsinnigen oder aufgrund mangelhafter Qualität nutzlosen Bildungsmaßnahmen für Arbeitslose ins leere. Sinmvolle Hilfe wird oft verweigert weil zu teuer. Die Tendenz gutem Geld schlechtes hinterherzuwerfen ist gruselig. Anstatt Reformen straff zu planen und umzusetzen oder bei fehlender Wirkung einfach mal zurückzuziehen werden teure Berater eingestellt die in erster Linie ihre eigene Notwendigkeit sichern statt zu sagen: das geht halt nicht also lasst es sein!

Marc Hofmann
5 Jahre her

Ich verstehe die Aufregung nicht. Die Merkel CDU/CSU ist doch genau für diese gruensozialitische Klima/CO2/Kernenergie Verbotspolitik gewählt worden. Merkel hat doch schon als damalige Umwelt Ministerin ganz klar gesagt wo die Reise hingeht…in eine CO2 und Kernenergie freie Zukunft..einer gruensozialitischen Mangel und ARMUT Gesellschaft. Merkel will die Volkswirtschaft von uns Deutschen dem Erdboden gleich machen..und das macht sie mit einen strategisch fast perfekten lächeln…dem immer das Gute ausstrahlt..obwohl es zutiefst böse ist. Man(n) hat sich halt von der weichen freundlichen Art einer Frau Merkel einwickeln lassen… jetzt lässt Merkel halt einfach nur ihre Maske mit der DUH fallen..mit ihren Rückzug… Mehr

Nibelung
5 Jahre her

Da müssen sie sich keine großen Gedanken machen, die Krake Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat schon alles im Griff und somit sind wir längst nicht mehr frei in der öffentlichen Meinung und andere wollen dadurch nicht heineingezogen werden, das ist Selbstschutz, aber zum Preis des Schleifens der Meinung, soweit ist es halt bereits.

Nibelung
5 Jahre her

Das größte Staatsversagen der Regierungskoalition ist die staatszersetzende Asylpolitik, insbesondere die überbordende Einwanderung von Muslimen mit allen Problemen die daraus erwachsen und vor einiger Zeit habe ich in einer südchinesischen Tageszeitung gelesen, daß die indische Regierung in Kürze ein Gesetz verabschieden will, daß man Muslime in Indien keine Staatsangehörigkeit mehr gewähren will mit der Begründung, des grenzenlosen Hasses zwischen dieser Glaubensgemeinschaft und den Hindus und vermutlich wollen sie verhindern, daß keine erneute Landesspaltung mehr erfolgt, denn Pakistan und Bangladesch als abtrünnige Gebiete sind ja Warnung genug und die Regierung handelt aus der gebotenen Verantwortung heraus und da könnte sich unsere… Mehr

giesemann
5 Jahre her

KI ist ein Popanz, der nicht viel bringt, bei Robotik, wo sinnvoll, sind die Deutschen gut aufgestellt, Sensorik sowieso. Mit Funklöchern und lahmem Internet hat das nichts zu tun, bitte nicht alles durcheinander werfen. Abenteuerliche Grenzwerte sind kein technisches Problem, sondern ein politisches. Wo wir dringend was machen müssen, ist die Stromerzeugung: Wir werden AKW mittlerer Leistung so um die 500 MW bauen oder, wenn zu doof, dann eben kaufen – mit Brütertechnologie. Das ist die Zukunft, die hierzulande noch nicht erkannt worden ist, dann machen es eben Andere. Solche AKW sind leichter zu kühlen, falls mal was schief geht… Mehr

Pitt Arm
5 Jahre her

Schlechte Nachrichten bzgl. Deutschland sind gute Nachrichten! Der Abschwung muss möglichst hart werden, sonst lernt es der Michel nicht. Die Bürger haben diese Versager an der Macht gewählt und es nicht anders verdient. Noch immer zollen viele Merkel trotz Vollkatastrophenbilanz Respekt. Ich warte auf … die nächste Migrationswelle mit Bildern wie 2015, massive Stromausfälle, den Eurocrash. Wir brauchen eine heilsame Zäsur. Momentan regiert noch die Wohlstandsverwahlosung. Erst wenn sie Grünen wieder Richtung 5% gehen, ist der turnaround nah.

Mindreloaded
5 Jahre her
Antworten an  Pitt Arm

Ich habe das Gefühl,.dass immer mehr aufwachen. Aber sie haben Recht, die Schmerzen sind nicht hoch genug. Ich hatte gestern eine interessante Diskussion dazu. Man weiß zwar, dass etwas nicht mehr stimmt und es Alternative Medien gibt. Man holt sich aber dennoch die Nachrichten von der Tagesschau. meiner Meinung nach will man die Wahrheit nicht wirklich kennen, da dies einen schockieren

Mindreloaded
5 Jahre her
Antworten an  Pitt Arm

…würde und seine eigene heile Welt zusammenbrechen. Also duckt man sich lieber und wartet ab, ob der Kelch nicht doch vorübergeht.
Was er aber nicht tun wird.

Keineangstvorniemand
5 Jahre her

Ich denke es ist Absicht, daß die deutsche Industrie zerstört wird. Die Grünen wollen einen Bürgerkrieg und schaffen schrittweise die Voraussetzungen dafür: Verteilungskämpfe um ein geschrumpftes BSP zeichnen sich am Horizont deutlich ab. Es ist auch kein Zufall, daß sie dafür sorgen, daß Kriminelle nicht abgeschoben werden können. Sie wollen im Fall eines Blackouts oder Bürgerkriegs maximales Chaos und Blutvergießen. Es wird schlimmer werden als 45.