Deutschland zahlt alles, bis es nicht mehr kann

Am Ende sind die selbsternannten Retter der europäischen Ideale ihre wahren Totengräber. Das käme dem letzten Akt der griechischen Tragödie gleich, in der Deutschland seit Jahren die Hauptrolle spielt.

© LUDOVIC MARIN/AFP/Getty Images

Nach der historisch langen Hängepartie bis zu ihrer Bildung steht die neue Bundesregierung vor einer ersten Mammutaufgabe: Wie geht es weiter mit Europa? Die Vorschläge der Europäischen Kommission liegen seit dem vergangen Nikolaustag auf dem Tisch. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat seine Vorstellungen von einem neuen Europa bereits kurz nach der Bundestagswahl vorgestellt.

Im Kern geht es bei beiden Vorstößen um die Umwandlung der Stabilitätsunion zu einer Transferunion – in Vollendung. De facto haften die haushalterisch solider aufgestellten Staaten der Wirtschafts- und Währungsunion bereits heute in einem gigantischen und historisch noch nie dagewesenen Ausmaß für die Länder mit Weichwährungstradition. Die Kanäle und Töpfe, über die die Transfers vor allem von Nord nach Süd geleitet werden, haben sich mittlerweile selbst für Insider zu einem undurchsichtigen Geflecht verfilzt. KfW, EFSM, EFSF, ESM, IWF, Target, QE, ELA, ANFA – den deutschen Haftungsanteil auf den Euro genau zu beziffern, ist nur eingeschränkt möglich. Allein das Target 2-Saldo beläuft sich auf über 900 Milliarden Euro zuungunsten der Deutschen Bundesbank.

Die im Zuge der Euro-Krise im Frühjahr 2010 ergriffenen ad hoc-Maßnahmen haben sich nicht nur verstetigt. Die Kommission und eine Phalanx südeuropäischer Länder wollen sie nun endgültig institutionalisieren. So soll zum Beispiel der Europäische Stabilisierungsmechanismus (ESM) in einen Europäischen Währungsfonds (EWF) umgewandelt werden. Bislang hatten die Vertreter der Mitgliedsstaaten hier den Hut auf, jetzt soll die Verantwortung auf die Europäische Kommission übergehen – inklusive eines eigenen europäischen Finanzministers mit eigenem Haushalt.

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Juncker, Macron & Co. geben vor, das Dach der Wirtschafts- und Währungsunion wetterfest machen zu wollen. Das ist Camouflage, sie streben nach mehr Macht und mehr Geld für sich selbst. Das haben jüngst auch Irland, die Niederlande, Dänemark, Schweden, Finnland sowie die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland erkannt. Deren Finanzminister haben in einem offenen Brief ihre Stimme gegen die Vorstöße aus Brüssel und Paris erhoben. Denn die Rechnung geht von dort zwar zum Großteil nach Berlin – aber eben nur zum Großteil. Den Rest müssen die anderen stabilitätsorientierten Staaten begleichen – und die möchten wenigstens vorab gefragt werden.

Die gemeinsame Erklärung der acht EU-Mitgliedstaaten aus dem nördlichen Europa offenbart eine Zeitenwende. Bislang brauchten diese Staaten nicht ihre Stimme zu erheben, weil sie ihre Interessen von Deutschland (und auch von Großbritannien) vertreten sahen. Die Bundesregierung zieht aus dem Brexit die falschen Schlüsse. Sie versucht nicht, die Briten mit einer Rückkehr zu mehr Eigenverantwortung und Subsidiarität vielleicht doch noch in der Europäischen Union zu halten. Viel schlimmer: Sie lässt sich in die offenen Arme von Macron fallen. Der Europateil des Koalitionsvertrags nährt schlimmste Befürchtungen: Von Solidität ist keine Rede mehr, jetzt geht es um Solidarität um jeden Preis.

Und der Preis ist hoch. Das gilt nicht nur für das das Geld der deutschen Steuerzahler. Die europäische Idee wird über kurz oder lang an der womöglich gut gemeinten, aber letztendlich falschen deutschen Solidarität zerbrechen. Nimmt man die vier mittelosteuropäischen Staaten der Visegrád-Gruppe, Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn, hinzu, die eine europäische Verteilung von muslimischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten als deutsches Oktroi auffassen, hat die Bundesregierung inzwischen zwölf (!) Mitgliedstaaten gegen sich aufgebracht. Berechtigt oder nicht – diese zwölf Staaten betrachten die deutsche Solidarität als (höchst) unsolidarisch gegenüber sich selbst. Bevor die Bundesregierung Macrons vorausgefüllten Aufnahmeantrag im Club Med unterschreibt, sollte sie sich besinnen!

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Aus dieser verzwickten Situation gibt es nämlich nur einen Ausweg: Jeder muss sich strikt an das vereinbarte Regelwerk halten. Die Regeln sind gut. Unsere besten Leute haben sie seinerzeit ausgearbeitet. Die Einhaltung ist das Problem. Und auch die neuen Regeln werden nicht eingehalten. Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass man fiskalische Disziplin nicht von außen durchsetzen kann. Und selbst wenn dies im Einzelfall kurzfristig gelingt, gibt es keine Nachhaltigkeit, weil die innenpolitischen Kosten hierfür sehr hoch sind. Deutschland darf hier keinesfalls dauerhaft einspringen. Während wir hierzulande um eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags ringen, führen wir ihn auf europäischer Ebene ein. Eine gemeinsame europäische Einlagensicherung wird zum Albtraum der deutschen Sparer werden. Im europäischen Bankensystem schlummern faule und bereits verfaulte Kredite in Billionenhöhe. Keine Versicherung dieser Welt würde für einen Schadensfall eintreten, der bei Vertragsschluss bereits eingetreten ist. Aber genau darauf läuft es bei der Bankenunion hinaus.

Einer Vertiefung der Europäischen Union sollten und müssen wir dort offen gegenüberstehen, wo es der Gemeinschaftscharakter der Aufgabe erfordert. Das ist zum Beispiel beim Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union der Fall. Die Bundesregierung muss die ausgestreckte Hand des französischen Präsidenten ergreifen, darf sich von Macron aber auf gar keinen Fall über den Tisch ziehen lassen. Danach sieht es derzeit leider aus. Und am Ende sind die selbsternannten Retter der europäischen Ideale ihre wahren Totengräber. Das würde dem letzten Akt der griechischen Tragödie gleichkommen, in der Deutschland seit Jahren die Hauptrolle spielt.

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Kommentare ( 120 )

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Peter Müller
6 Jahre her

Wenn die bundesbürger billionen auf ihren konten vor sich hingammeln lassen, dann ist das pure dummheit die zum himmel stinkt. Gestank lockt aasgeier an.
Und genauso war es dummheit, nochmal eine zweite groko zusammen zu wählen.
Die deutschen, das dümmste volk der welt, bekommen das, was sie verdienen.
Wenn wir alle die kohle von € in edelmetalle tauschen würden, wär das für den € bei der größenordnung nicht ungefährlich. Aber solange es an der tanke noch bier und schnapps auch um 3 h morgens gibt ist ja alles in butter.

volki
6 Jahre her

Die Finanzkrise 2008…..wurde nicht genutzt. Die Superreichen haben aber die Politik benutzt und gesagt ihr müsst unsere Vermögen retten….auch auf Kosten der Masse, des Volks.

Hermann
6 Jahre her

Wir leben seit 1914 in einem schier endlosen Krieg und seit 100 Jahren sind wir Tribut-pflichtig. Dabei fühlen wir uns ganz normal und verstehen alles was uns aufgelastet wird. Wir helfen fremden Ländern wie kein anderes Land. Wir zahle jede Summe, dagegen ist das Geld von Soros nicht mal eine Unze Blei wert. Nicht er lenkt etwas, es sind unsere Übernahmen von Geldern, von Zahlungen und Zahlungsversprechen, die dieses System am Laufen halten. In China fährt ein Zug ohne Räder, verschenkt, Raketen der Sieger, gestohlen und verschenkt. Deutsche wären längst auf dem Mars, sie hätten Techniken die ihresgleichen nicht finden.… Mehr

Andre Vesely
6 Jahre her

Der letzte Akt des Dramas wird bald eingeläutet werden. Die Haftung, und damit die Plünderung der Reserven deutscher Banken, verkauft als gemeinsame Einlagensicherung, hier auch in erster Linie die soliden Sparkassen, Volks/-Raiffeisenbanken. Durch die Nullzinspolitik wurden die Sparer ja schon „kalt“ enteignet, tja nun gibt es den Rest obendrauf. Aber da das noch lange nicht reicht, wird auch die Arbeitslosenversicherung vergemeinschaftet, hier vor allem die Deutschen Überschüsse in der Arbeitslosenversicherung, und beim Leistungsniveau ALG 1 in DE natürlich nach unten im Rahmen der europäischen „Harmonisierung“. Der europäische Finanzminister mit eigenen Resort, und Budgetrecht über die nationalen Finanzen der Mitgliedsstaaten der… Mehr

Wolfgang Lang
6 Jahre her
Antworten an  Andre Vesely

Das Desaster ist im Anrollen. Wann es kommt, der Tag, die Stunde weiß man nicht. Aber dass es bald kommt, ist gewiss. Und bis zum Tag, da der windschiefe Laden zusammenkracht, wird das Volk vom Finanzsystem, von der Politik, von den Medien angelogen.

Johannes Witt
6 Jahre her

Das ist in der Weltgeschichte wohl einmalig, dass eine Regierung so unverhohlen gegen eigene Interessen handelt. Zusammen mit dem selbst geschaffenen Problem der Masseneinwanderung arbeitet man mit Genuss am Untergang des eigenen Staates. Es ist absurd und eigentlich kaum zu glauben. Täglich reibt man sich die Augen und denkt: das kann doch nicht sein, oh je, es kann nicht schlimmer kommen. Bis man täglich eines besseren belehrt wird: doch, es kann immer noch schlimmer kommen.

peer emil müller
6 Jahre her
Antworten an  Johannes Witt

das deutsche volk hat so gewählt! was gibs da zu meckern?

Ewald K.
6 Jahre her
Antworten an  Johannes Witt

diese „Regierung“ geht doch permanent gegen das eigene Volk vor, und das mit Unterstützung anderer Regierungen in Europa, die ähnliches tun. Wer steuert die allee, die Schwden, Franzosen, Engländer?

Falls Qanon recht hat und nicht ein Riesenfake ist, sortiert Trump das noch alles aus; Europa soll als letzes dran sein, da dort die Mischung am diffizielsten zu lösen sei.

Oberbayer80
6 Jahre her

Tragödie trifft es nicht ganz – bei den Mitgliedern dieses EU-Ensembles (hier vor allem den Deutschen) muss man fast vom letzten Akt einer Tragik-Komödie sprechen – und ich dachte immer wir Deutschen könnten nicht lustig sein.

Klartext
6 Jahre her

Schönes Titelfoto, sehr symbolisch, beide zeigen ihre leeren Hände. Der eine weiß es und die andere will es nicht wissen…

Sebastian Gumbach
6 Jahre her

Leider hat man nicht auf de Gaulle gehört, der von einem Europa der Vaterländer sprach, sondern auf Juncker, hinter dem ziemlich finstere Psychopathen stehen. Deren Interesse ist die Zerstörung der Familie, ein Krieg in Europa, die Dezimierung der Völker und die Abschaffung der Nationalstaaten. Dann kann man die Blöcke – EU, Amerika (jetzt ggf. ohne USA), Australien, China inkl. Restasien (aber ohne Russland) und Afrika – zusammenschieben und bekommt die Weltregierung. Verschwörungstheorie? Mitnichten! Das wäre vermutlich schon früher passiert, wenn es in Russland in den 90er Jahren nicht den Wechsel zu Putin gegeben hätte. Seitdem blockiert Russland das Gott sei… Mehr

Wolfgang Lang
6 Jahre her
Antworten an  Sebastian Gumbach

Bravo, sie haben es erkannt. Ob es hilft? In Deutschland leben die meisten in einer Scheinwelt, wohlstandsverwahrlost, mit obergrenzenloser Naivität gesegnet.

Axel Jung
6 Jahre her

„Jeder muss sich strikt an das vereinbarte Regelwerk halten. Die Regeln sind gut. Unsere besten Leute haben sie seinerzeit ausgearbeitet. Die Einhaltung ist das Problem. “ Mir Verlaub, das waren sicher nicht unsere „besten Leute“, sonst hätten die nämlich vorausgesehen, dass das Regelwerk in der Realität nicht einzuhalten ist (selbst wenn es alle noch so wollen), weil der politische Preis (zB Arbeitslosigkeit) dafür zu hoch ist. Ich erinnere mich, dass auch Deutschland zu gegebener Zeit sich einen feuchten Dreck um die Regeln geschert hat, als es opportun erschien. Auch erscheint es mir wenig sinnvoll, ökonomische Fragestellungen mit fundamentalistischen juristischen Argumenten… Mehr

Klaus Müller
6 Jahre her

Es ist eine Wonne, so völlig off-topic: was oder wer macht eigentlich Herr Lindner & Co.? Man landet wie Drehhofer. Gebrüllt, aber nichts dahinter. Nach dem Platzen von Jamaika, wähnte man sich auf der Überholspur. Leider nur ist der Karren viel mehr im Dreck als es sich die FDP erdenken könnte. Schaue man sich die aktuellen Bundestagsdebatten an, um zu ermessen, daß der Absturz dieses Landes und des Kontinents so nah ist, das die gemeine Masse die Ausmaße nicht zu erkennen vermag. Gottesfürchtigkeit wird wieder eine Tugend werden und wieder einmal kam es für die Masse überraschend.