„Deutschland sind wir alle“ – aber wer sind „wir alle“?

„Deutschland sind wir alle“, schloss Merkel ihre Regierungserklärung. Die Kanzlerin sagt gerne „wir“ („wir schaffen das“). Aber wer sind denn „wir alle“?

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Diese Frage stellt auch Jasper von Altenbockum in seinem lesenswerten Kommentar auf der ersten Seite der FAZ: „Bemerkenswert war der Satz Angela Merkels, weil zu ihrer Rechten im Parlament auch die Abgeordneten der radikalen Gegenbewegung zur moralischen Identitätshysterie im Linksliberalismus saßen. Gehören auch sie zu ‚Wir alle’? Wäre es so, dann könnte diese Koalition doch noch eine segensreiche Wirkung entfalten.“

Diese Frage ist gut, obwohl ich den Begriff „Linksliberalismus“ nicht mag (das ist wie eine quadratischer Kreis). Und die Frage ist gut, obwohl die Hoffnung auf eine segensreiche Wirkung dieser Koalition aus meiner Sicht keine größere Berechtigung hat als die, dass aus Merkel noch mal eine gute Kanzlerin wird.

Aber in der Tat: Wer sind „wir alle“? Merkel erklärte sich schon einmal in einem TV-Interview für alle in Deutschland lebenden Türken „zuständig“, also auch für all jene, die keinen deutschen Pass haben wollen (und von denen manche selbst eher der Meinung sind, Erdogan sei für sie „zuständig“). Merkels Begründung damals: Sie hätten ja die gleichen Rechte und Pflichten wie die Deutschen (was natürlich nicht stimmt, man denke beispielsweise an das Wahlrecht).

„Wir alle“, das umschließt für Merkel und die politische Linke selbstverständlich auch jeden, der an der deutschen Grenze das Wort „Asyl“ ausspricht.

Wer nicht dazu gehört

Spannender ist die Frage: Wer aber gehört denn nicht dazu? „Rechtspopulisten“ und überhaupt all jene, die irgendwie „rechts“ sind, gehören nach Meinung der „anständigen Deutschen“ auf jeden Fall nicht dazu. Machen diese irgendwo in Deutschland von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch, dann sind die anständigen Deutschen stolz, wenn sie eine solche Veranstaltung mit Blockaden und „Nazis raus“-Rufen verhindern. Man mag fragen: „Raus“ – aber wohin denn? Raus aus der Stadt? Dann ertönt der gleiche Ruf in einer anderen Stadt. „Raus aus Deutschland“? Ich kenne das noch aus meiner linken Zeit, da sagten uns die Konservativen: „Geht doch nach drüben“. In dem linken Portal TELEPOLIS heißt es heute schon mal bei den Leserkommentaren: „Geht doch nach Ungarn“.

Das Gefasel vom „Zusammenhalt“

Und wer gehört noch nicht zu dem „Wir alle“? Ständig faseln Politiker vom „Zusammenhalt“ der Gesellschaft. Ich kann das abgedroschene Wort schon nicht mehr hören. Die, die besonders laut vom „Zusammenhalt“ reden, hetzen gegen alle, denen es irgendwie besser geht.

Das fängt beim Privatpatienten an, der nicht dazu gehört, weil er so frech ist, als Gegenleistung für höhere Gebühren ungebührliche Privilegien (= kürzere Wartezeiten) für sich in Anspruch zu nehmen – und damit seit Monaten Zielscheibe des in moralischer Gleichheitsempörung verkleideten Neides ist.

Das geht weiter bei Managern, die, wenn sie auf die Einhaltung von Verträgen bestehen, vorzugsweise mit dem Zusatz „maßlos“ versehen werden und deren Gehälter als „obszön“ gelten, wenn der „Normalverdiener“ sie nicht verstehen kann. Dass sie überwiegend „unfähig“ sind, versteht sich dabei fast von selbst, auch wenn ihre Produkte auf der ganzen Welt gefragt sind.

Es hört auf beim Feindbild des „raffgierigen Bankers“, der als Sündenbock für alle Krisen dieser Welt verantwortlich gemacht wird. Und dem man es besonders übel nimmt, dass er statt einem Fixgehalt den größten Teil seines Gehaltes als erfolgsabhängige Vergütung („Boni“) ausgezahlt bekommt.

Sie alle sind aus dem „Zusammenhalt“ ausgegrenzt, sie haben guten Grund, den Eindruck zu gewinnen, dass sie mit „Wir alle“ ganz bestimmt nicht gemeint sind. Sie haben kaum noch öffentliche Fürsprecher und für sie alle gilt eben nicht, dass man sie nicht „ausgrenzen“ darf. Es gilt auch nicht der Satz, dass man sie nicht „unter Generalverdacht“ stellen dürfe. Im Gegenteil: es sind „die Rechten“, „die Manager“, „die Superreichen“, „die Banker“, über die von all jenen, die so stolz darauf sind, keinerlei Vorurteile zu hegen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit abfällige Pauschalurteile gefällt werden. „Generalverdacht“ ist mit Blick auf diese Gruppen keineswegs schlimm, sondern geradezu erste Bürgerpflicht.

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Kommentare ( 154 )

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Peter Greif
6 Jahre her

Meine Eltern sind aus der DDR geflohen. Ich werde jetzt Merkeldeutschland verlassen. Ich werde mit den Füßen wählen, nachdem es mit dem Stimmzettel nicht klappt. Diese Enge , Unsicherheiten und Fremdheiten muß ich mir nicht mehr antun. Gottseidank gibt es noch andere und freie Länder.

Dr. Joachim Stoffel
6 Jahre her

Ja, und es ist auch ungerecht jetzt unter dem meist Richtigen einen „Denkfehler“ herauszugreifen: wenn ca. 80% der Bevölkerung 20% des Besitzes teilen – und umgekehrt, dann müsste dies, wenn unser menschliches Bedürfnis nach Gerechtigkeit erfüllt und damit eine Grundvoraussetzung für Zusammenhalt gegeben sein sollte, bedeuten: die reichsten 20% arbeiten 16-mal soviel oder so „wertschöpfend“ wie die anderen 80%. ich glaube, dass jedem, auch wenn er Chancengleichheit nicht mit Ergebnisgleichheit verwechselt, schnell klar wird: da kann etwas nicht stimmen, das kann nicht gerecht sein und Zusammenhalt wird so ziemlich schwierig. Dr. J. Stoffel, Sonthofen

Jedediah
6 Jahre her

Hinter dem Permanent-„Wir“ steckt gar nicht viel. Es ist einfach typischer Frauensprech. Es wird aber nur bei bestimmten Frauen penetrant. Solche wie Merkel eben. Typ „starrsinnige Oberschwester“. Also der Typ, der absolut nicht verstehen kann, dass es Patienten gibt, die außerhalb der beschränkten Oberschwester-Welt stehen. Wobei diese Analogie auch klar macht, dass die Oberschwester / Merkel nicht der Kopf ist. Das sind die Oberärzte. Die großmächtigen Globalisierungs-Herren, denen Merkel unbedingt gefallen will.

k. arouet
6 Jahre her

Ich habe das mit Interesse gelesen bis es losging mit angeblichem „Neid“ auf Privilegierte.
Privilegien bei der Gesundheitsversorgung sind eine Sauerei. Punkt.

Es ist schade dass TE auch so funktioniert dass man immer das ideologische Gesamtpaket nehmen muss: Gegen linksgrüne Ideologen + Islam(isten) + für PKV + gegen Steuern für Vermögende wie noch zu Kohlzeiten selbstverständlich+ gegen Klimahysterie, usw..
Einiges ist ok, anders überhaupt nicht, aber es ist immer unter einem Label: marktliberal- konservativ, so etwa.
Merkt Ihr eigentlich wie eng das auch ist?

Erwin2016
6 Jahre her
Antworten an  k. arouet

Ist erst in letzter Zeit so geworden, leider. Deswegen auch so viel negative votes.

Farbauti
6 Jahre her
Antworten an  k. arouet

Ich glaube nicht das sie es merken, bzw. überhaupt in Frage stellen. Ist halt wie beim essen, nehmen sie das was ihnen gut tut.

Beobachter
6 Jahre her

Ich habe mir gerade den Nachmittag verdorben, indem ich gelesen habe, wer demnächst sonst noch so alles „wir alle“ in Deutschland sein soll: Bei Telepolis berichtet Elke Halefeldt über die Pläne zu UN-Vereinbarungen, welche die Haltung zu Flüchtlingen und Migration regulieren und in diesem Jahr noch beschlossen werden sollen. Zahlreiche Organisationen, höchstwahrscheinlich nur in Ausnahmefällen demokratisch legitimiert, arbeiten zusammen mit den UN an globalen Abkommen, die neben anderem das festschreiben sollen, was die Autorin euphemistisch mit „Bestandserhaltungsmigration“ übersetzt, im englischen Original aber „Replacement“ heißt: Der millionenfache Zuzug in die europäischen Staaten aus anderen Teilen der Welt, in erster Linie aber… Mehr

k. arouet
6 Jahre her
Antworten an  Beobachter

Link?

Beobachter
6 Jahre her
Antworten an  k. arouet

Ich habe den Artikel mit Absicht nicht direkt verknüpft, da dies der Moderation hier möglicherweise mehr Arbeit aufbürdet und es auch nicht besonders fein ist, Leser so auf eine andere Seite zu leiten. Zudem dachte ich, dass es mittels der Angaben jedem leicht möglich sein sollte, den Artikel zu finden. Aber gut – wenn TE dies gestattet:

https://www.heise.de/tp/features/Vereinte-Nationen-bereiten-weltweite-Pakte-zu-Fluechtlingen-und-Migration-vor-3995024.html?seite=all

Ali
6 Jahre her
Antworten an  Beobachter

Danke für den Link. Die UN spielt nach Gutsherrenart Schach mit den souveränen Völkern Europas. Der Inhalt ist eine Skandal, es ist ein totalitärer Angriff auf die generationsererbten Vaterländer europäischer Nationen und er ist eine Täuschung.

Nicht Europa stirbt aus, sondern die Länder der Dritten Welt platzten selbstverschuldet aus allen Nähten. Das was die da Vorgaben ist genau der Stoff für vorprogrammierte, großflächige ethnische Bürgerkriege im EUropa. Das ist ein Verbrechen.

Leonor
6 Jahre her

Danke für diesen schönen Artikel Herr Zitelmann!
Im Berufsleben gibt es einen Begriff “innere Kündigung“. Ich glaube die Regierung dieses Landes schafft es tatsächlich, dass immer mehr Bürger diesem Land innerlich kündigen.
Man kann nicht von oben verordnen, dass Islam zu Deutschland gehört.
Das kann die Kanzlerin zu Hause in ihrem Schlafzimmer durchsetzen.
Und wer rechnen kann, der weiß welchen Beitrag die Reichen leisten und wer den Sozialstaat finanziert.
Ich will nicht zusammen halten. Und wenn schon, dann mit denjenigen, die ich mir aussuche. Und nicht von oben verordnet.

Ali
6 Jahre her

Also lieber Rudi das erschließt sich mir nicht. Was haben Sie denn an dem Artikel konkret auszusetzten?

Martin Landvoigt
6 Jahre her

Der Graben, der zwischen Helldeutschland und Dunkeldeutschland wird immer tiefer. Ich sehe hier keine Brückenbauer, vor allem nicht seitens der Fraktion der Kartellparteien und der Mainstream-Medien. Was da das Gerede der Kanzlerin soll, bleibt ein wenig unklar. Würde es ihr wirklich um Zusammenhalt gehen, könnte sie jederzeit auf jene zugehen, die da auch von ihr selbst ins Abseits geschoben worden sind. Aber das sehe ich nicht, sondern den Wunsch nach Ausgrenzung. Darum erscheint das Wort vom Zusammenhalt schlicht unaufrichtig.

Gisela Müller
6 Jahre her
Antworten an  Martin Landvoigt

Welcher „Graben“ zwischen ‚Hell- und Dunkeldeutschland“ (diese Definition erscheint mir schon höchst fragwürdig; was genau soll das aussagen? Wie ist das definiert?) soll das sein? Wer definiert denn derzeit, was „hell“ und was „dunkel“ sein soll? Woran erinnert mich das nur? Das ist eine einerseits völlig nichtssagende, undefinierte, schwabbernde, inhalts- und substanzlose „Definition“, andererseits eine Diffamierung nicht „näher“ bezeichneter Individuuen. Ich habe Sie nicht verstanden: sehen Sie das so? Oder kritisieren Sie diese Kategorisierung?

Riffelblech
6 Jahre her

Wir Alle – sind jene die zum wirtschaftlichen Überleben dieses Staates beitrugen und beitragen . Ganz sicher nicht die sich ohne Pss und Asyl stammelnd nach D. einschleichen und dann gepämpert werden mit Kindergeld und Sozialleistungen ohne jemals eine Minute dafür in D. tätig gewesen zu sein . Und jawohl ,ich schließe auch die politischen Köpfe des Mainstraems unter Rot-Grün -Schwarzrot aus,die unser erarbeitetes Geld mit Schneeschaufen aus dem politischen Fenster werfen . Veruntreuung von Volksvermögen in diesem Zusammenhang ist überigens ein Straftatbestand . Fehlt nurnoch ein Staatsanwalt mit einem breiten Rücken ! Wir alle sind auch diejenigen ,denen das… Mehr

Sherry
6 Jahre her
Antworten an  Riffelblech

Bravo! Könnte ich mehr als 1 Damen hoch vergeben, ich täte es.

Augias
6 Jahre her

Ganz einfach – alle selbst denkenden kritischen Bürger die nicht obrigkeitshörig vor der Glotze hocken gehören nicht zum WIR und es werden täglich mehr. Hoffen wir jedenfalls, sonst gute Nacht Deutschland!