Der Gerichtshof der EU stellt sich selbst in Frage

Das Gericht der EU urteilt zum zweiten Mal gegen die Pressefreiheit.

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Der „Gerichtshof der EU” soll unabhängig sein. Auffällig jedoch ist, dass das Gericht der EU in der Tendenz, wie es euphemistisch heißt, eher „europafreundlich“ entscheidet, zugunsten der EU-Institutionen, ob EU-Parlament oder EZB. So wies das Gericht der EU die Klage einer Journalistin der Nachrichtenagentur Bloomberg ab, die sich im Sommer 2010 an das Gericht gewandt hatte, um zwei Studien, die im Zusammenhang mit dem Schuldenstand Griechenlands standen, einsehen zu können. Die Einsicht wurde ihr von der EZB verweigert. Es ging um sehr komplizierte Swap-Geschäfte und um die Zweckgesellschaft Titlos, die von der griechischen Nationalbank gegründet wurde und zweifelhafte Kreditpapiere herausgegeben hatte.

Im Zusammenhang mit der Griechenlandkrise und zur Klärung, wie Griechenland die Kriterien für den Euro schließlich erfüllte, sind diese Studien aussagekräftig. Der Kieler  Wirtschaftsprofessor Kai Carstensen vermutet: „Goldman Sachs hat offenbar kräftig bei der kreativen Buchführung geholfen“.

Das Gericht der EU entschied gegen Transparenz und gegen das Recht der EU-Bürger auf Information. Bedenkt man, wie viel Milliarden der EU-Steuerzahler für die Griechenlandrettung gezahlt hat, stellt das Urteil ein Hohn dar.

Nun hat das Gericht der EU eine andere Klage abgewiesen, wo es wieder um die Schaffung von Transparenz geht. Jedem der 751 Mitglieder des EU-Parlaments stehen zusätzlich zu den ca. 6.700 Euro netto an Diäten und einem Tagegeld für jeden Sitzungstag von 304 Euro als allgemeine Kostenvergütung monatlich 4.416 Euro zu. Diese allgemeine Kostenvergütung soll eigentlich für Aktivitäten der Abgeordneten im Wahlkreis dienen, für Ausstellungen, Büromieten und Telefonrechnungen, wie die FAZ schreibt. Als sich das EU-Parlament weigerte, die allgemeine Kostenvergütung offenzulegen, klagten Journalisten 2015 vor dem Gericht der EU. Wen wundert es, dass die EU-Richter die Klage abwiesen und den Journalisten den Zugang zu den Dokumenten verweigerte?

Ist das Gericht der EU wirklich unabhängig oder ist der Gerichtshof der EU als Institution der EU den Institutionen der EU nur allzu nahe? Bedenkt man, dass EU-Recht nationales Recht sticht und der Gerichtshof der EU den höchsten nationalen Gerichten übergeordnet ist, wird hier ein Mangel an demokratischer Kontrolle deutlich, könnte sogar die Beschränkung demokratischer Rechte gerichtlich abgesichert werden.

Die Kompetenz des Gerichtshofs der EU muss eingeschränkt und das Recht der Mitgliedsländer der EU gestärkt werden. Ein Gericht, das gegen das demokratische Recht auf Transparenz, auf Bürgerkontrolle urteilt, stellt sich selbst in Frage.

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Kommentare ( 14 )

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rainer niersberger
5 Jahre her

Der EuGH ist genauso „ unabhängig“ wie das BVerfG. Man schaue sich das Nominierungsverfahren an und weiß, was hier abläuft. Hier wird ähnlich dem BVerfG nicht Recht gesprochen, sondern gewollt Politik gemacht. Siehe dazu die juristisch fundierten Ausführungen des Herrn Schachtschneider. Das System sorgt hierzulande wie in der EU für seine Unangreifbar – und Haltbarkeit. Die „utopische“ Lösung : Diese Richter dürfen nicht von den politischen Machthabern nominiert werden.Das schließt zwar die ein- oder andere vorzugsweise universitär gestützte ideologische Abhängigkeit der Damen und Herren nicht ganz aus, würde aber den unmittelbaren Einfluss der Politik reduzieren. Ein „Paradebeispiel“ von vielen dürfte… Mehr

Heinrich Niklaus
5 Jahre her

Dieses „Gericht“ ist ein Lobbyverein für EU-apologetische Strömungen jedweder Art:

„Die Reihe der richterlichen Anmaßungen lässt sich für fast alle Bereiche des europäischen Lebens fortführen. Schon 2008 stellte Altbundespräsident Roman Herzog die schlimmsten Verfehlungen des EuGH in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zusammen. Am Schluss rief Herzog: „Stoppt den Europäischen Gerichtshof!“ Doch sein Donnerhall verklang.“

https://www.welt.de/debatte/kommentare/article162005945/Dieses-Plaedoyer-ist-eine-Katastrophe-fuer-die-Fluechtlingspolitik.html

IJ
5 Jahre her

Ein sehr wichtiger Artikel. Wie kann ein Gerichtshof, der keinerlei demokratischer Kontrolle unterliegt, vorrangiges Recht gegenüber demokratisch legitimierten nationalen Regierungen und Gerichten setzen? Er kann und darf es nicht. Am EuGH wird die gesamte demokratische Legitimationskrise der EU-Institutionen sichtbar. Entweder dies wird schleunigst geändert oder die EU-Institutionen inkl EuGH degenerieren zu einem totalitären System, das nur noch durch Abwanderung (Großbritannien), durch Verweigerung bzw. zivilen Ungehorsam (Ungarn, Polen) oder durch Gewalt (bisher zum Glück noch kein Präzedenzfall) beseitigt werden kann.

Meruem
5 Jahre her

Leider ist das nicht im Interesse von Beamten und Politikern, die sich am Konstrukt EU eine goldene Nase verdienen. Da liegt die Quelle aller Uebel. Dieses Geld wird den Steuerzahlern in den Mitgliedsländern abgepresst….

bkkopp
5 Jahre her

Die Verallgemeinerung Ihres Kommentars ist eine ziemliche Frechheit. Es gibt natürlich Stimmvieh das Ihrer Beschreibung entspricht, dies aber mit ‚Rentner und Frauen‘ gleichzusetzen ist absolut unzulässig. Zur EU-Wahl in 2019 vermute ich, dass die Wahlbeteiligung europaweit sehr niedrig sein wird. Nichtwählen ist auch ein Protest. Darüber hinaus werden die bestehenden Protestparteien weiter dazugewinnen. Es ist zu hoffen, dass sie mit zunehmendem Alter klüger werden, und dann differenziertere Kommentare Schreiben.

W aus der Diaspora
5 Jahre her

Solange es Menschen gibt, werden sie immer wieder versuchen Macht über andere Menschen zu erhalten. Die EU wurde nie als demokratische Organisation, sondern immer als diktatur geplant. In einer Diktatur hat der „Kaiser“ nun einmal mehr Macht als heute ein Kanzler oder Präsident. Somit hoffen Menschen wie Merkel, Macron und sogar Kurz darauf, „Kaiser“ der EU zu werden.

bkkopp
5 Jahre her

Das europäische Recht ist weitgehend fragwürdig und so ist da EuGH, alles auf Grund einer Vielzahl von Gründen. Man kann das nicht in ein paar Sätzen begründen, aber die EU ist kein Staat, und wird auch für die Menschen nie einer sein. Staats- und Rechtstraditionen, einschliesslich aller Unzulänglichkeiten, sind ein Teil der Kultur, die nicht durch ein demokratisch nicht legitimiertes und keiner parlamentarischen Kontrolle und Verantwortlichkeit unterliegendes Pfründesystem der Parteien überlagert werden darf. Wenn wir mit der EU nicht konzeptionell umsteuern, und eine Konföderation souveräner Mitgliedsstaaten machen, dann zerstören wir die grossartige europäische Einigungsidee.

Delion Delos
5 Jahre her

Bis zur Entstehung der heutigen EU hat der EuGH verschiedene Differenzierungen erfahren. Man darf wohl getrost davon ausgehen, dass – wenn auch hinter vorgehaltener Hand – die Marschrichtung bereits feststand, als man dem EuGH seine heutigen Aufgaben übertrug. Die Marschrichtung hieß damals wie heute: Vereinigte Staaten von Europa und natürlich die vorherige Auflösung der Nationalstaaten. So, wie es aussieht, soll dieses Ziel um jeden Preis durchgesetzt werden, egal, ob die einzelnen Nationalstaaten damit einverstanden sind oer nicht. Ein probates Mittel der Durchsetzung ist die Verschuldung, siehe das Beispiel Griechenland, wo das gewählte Parlament inzwischen fast nichts mehr zu entscheiden hat.… Mehr

Protestwaehler
5 Jahre her

„Ist das Gericht der EU wirklich unabhängig oder ist der Gerichtshof der EU als Institution der EU den Institutionen der EU nur allzu nahe?“ …ist die Frage mit dem Urteil nicht längst beantwortet :-/

LaLicorne
5 Jahre her

Offen gesagt verstehe ich nicht, wie man so naiv sein kann zu erwarten, dass der EU-Gerichtshof nicht alles täte, um die Institutionen der europäischen Technokratur zu schützen. Die Richter sind doch Profiteure dieses gigantischen Ausbeutungs- und Umverteilungsmechanismus, wieso sollten sie Kritik daran begünstigen?