Das „Unwort des Jahres“ ist Unsinn

„Klimahysterie“ sei das „Unwort des Jahres 2019“, melden alle Medien. Kaum ein Medium setzt sich kritisch mit dem Unsinn des „Unwortes“ auseinander.

imago images / Christian Ohde

Mit dem Wort „Klimahysterie“ würden „Klimaschutzbemühungen und die Klimaschutzbewegung diffamiert und Debatten diskreditiert“, begründete eine Jury aus Sprachwissenschaftlern der Technischen Universität Darmstadt ihre Auswahl. „Der Ausdruck pathologisiert pauschal das zunehmende Engagement für den Klimaschutz als eine Art kollektiver Psychose“, hieß es weiter. Der Begriff sei im vergangenen Jahr gleich von mehreren Vertretern von Politik, Wirtschaft und Medien benutzt worden. Als Beispiel nannte die Jury AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, der gesagt hatte: „Die Klimahysterie der anderen Parteien wird die AfD nicht mitmachen.“ Damit, so die Jury, würden auch „wissenschaftsfeindliche Tendenzen“ gestützt.

Das „Unwort“ des Jahres 2019 steht in einer üblen Tradition: Mit dem „Unwort“-Begriff werden meist Andersdenkende diskreditiert, die den Geboten der linken Sprachpolizei nicht folgen wollen. Dieses Jahr wird suggeriert, dass jeder, der kritisch vor einer Klimahysterie warnt, auch gegen Klimaschutz sei. Demnach gibt es angeblich gar keine Klimahysterie – alles nur eine Erfindung und eine üble Masche von Rechten. Meine Meinung: „Klimaleugner“ wäre als Unwort des Jahres passender gewesen, da Bürger, die nicht unkritisch in den Chor der herrschenden Meinungen einstimmen, damit kriminalisiert werden.

Mit „Sprachwissenschaft“ hat das alles nichts zu tun

Untersucht man die Begriffe, die in früheren Jahren als Worte bzw. Unworte des Jahres gekürt wurden, dann wird deutlich, dass sich darin die Weltsicht der Linksintellektuellen verdichtet. „Unworte“, die von politisch Linksstehenden verwendet werden, gibt es nach dieser Lesart nicht. „Unworte“ sind vorwiegend Begriffe, die – tatsächlich oder vermeintlich – von Liberalen, Konservativen oder Rechten verwendet werden. Mit „Sprachwissenschaft“, wie es unkritisch in Medien heißt, haben all die Worte, Unworte usw., die jährlich von einer linken Jury als solche bestimmt werden, nicht das Geringste zu tun. Hier wollen sich Linksintellektuelle ihrer Deutungshoheit versichern und Andersdenkende lächerlich machen und diffamieren.
Beispiele: „Anti-Abschiebeindustrie” war vor einem Jahre das “Unwort des Jahres”.

Damals hieß es zur Begründung der Entscheidung, der Begriff “Anti-Abschiebeindustrie”, den Alexander Dobrindt von der CSU verwendet hatte, zeige, “wie sich der politische Diskurs sprachlich und in der Sache nach rechts verschoben hat und sich damit auch die Sagbarkeitsregeln in unserer Demokratie auf bedenkliche Weise verändern.”

Der Unsinn mit den “Unworten”

2017 war “alternative Fakten” das Unwort des Jahres. Die Bezeichnung „alternative Fakten“ sei, so begründete die Jury damals ihre Entscheidung, „der verschleiernde und irreführende Ausdruck für den Versuch, Falschbehauptungen als legitimes Mittel der öffentlichen Auseinandersetzung salonfähig zu machen“. „Alternative Fakten“ war ein Begriff, der von Kellyanne Conway, einer Beraterin von Donald Trump, verwendet wurde, um die (falsche) Behauptung zu stützen, dass zur Amtseinführung von Trump mehr Zuschauer gekommen seien, als bei früheren Amtseinführungen anwesend waren. Natürlich ist „alternative Fakten“ ein unsinniger Begriff, der jedoch überhaupt nicht in die Sprache eingegangen ist – weder in die deutsche noch in die englische. Er wurde allenfalls von politisch Korrekten verwendet, um Andersdenkende lächerlich zu machen und als Lügner oder Idioten darzustellen – nach dem Motto: Jeder Andersdenkende ist ein kleiner Trump. Die Behauptung der Jury, „alternative Fakten“ sei auch in Deutschland zum Sinnbild für besorgniserregende Tendenzen im öffentlichen Sprachgebrauch geworden, war abwegig.

“Gutmensch” und “freiwillige Ausreise” waren auch “Unworte”

Das Unwort 2015 lautete „Gutmensch“. Warum eigentlich? Ich finde den Begriff „Gutmensch“ gut. Dass er zum „Unwort“ erklärt wurde, ist bezeichnend, denn der Begriff wendet sich meist kritisch gegen Linke und Grüne, die sich für moralisch überlegen halten.

Das Unwort 2013 lautete „Sozialtourismus“. Der Begriff wurde zum „Unwort“, weil Politiker und Medien damit „gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa“ machten. Indem die Jury den Begriff zum „Unwort“ erklärte, sollte offensichtlich geleugnet werden, dass es eine Zuwanderung in die Sozialsysteme gibt (dies zu bestreiten, nenne ich wiederum postfaktisch).

2006 wurde „freiwillige Ausreise“ als „Unwort des Jahres“ gekürt. Der Begriff suggeriere, so hieß es zur Begründung, abgelehnte Asylbewerber kehrten vor einer Abschiebung „freiwillig“ in ihre Heimat zurück. Tatsächlich hätten sie jedoch, so die Jury, keine andere Wahl. Daher sei der Begriff ein „Unwort“. Es wurde also damit kritisiert, dass ein abgelehnter Asylbewerber die Entscheidung eines deutschen Gerichtes in letzter Instanz akzeptiert und ihr folgt, statt sich ihr zu widersetzen und illegal in Deutschland zu bleiben.

Manche Begriffe, die zum „Unwort des Jahres“ gekürt wurden, finde auch ich kritikwürdig, so etwa „Lügenpresse“ (2014), „Wohlstandsmüll“ (1997), „ausländerfrei“ (1991) usw. Auffallend ist jedoch, dass niemals Begriffe und Worte mit einer linken oder grünen Konnotation zum „Unwort“ gekürt werden. Im Gegenteil. Solche Begriffe haben eine gute Chance „Worte des Jahres“ zu werden.

„Worte des Jahres“ – was ins linke Weltbild passt

Zum „Wort des Jahres“ werden dagegen gerne Begriffe gekürt, die in das linke Weltbild passen. Das erste „Wort des Jahres“ war 1971 „aufmüpfig“, also etwas, das damals im linksgrünen Denken eindeutig positiv belegt war. „Aufmüpfig“ so hieß es, habe sich anfangs vor allem auf die 68er-Bewegung bezogen und sei 1970/71 im allgemeinen Sprachgebrauch neu aufgekommen. Heute würde „aufmüpfig“ sicher nicht mehr zum Wort des Jahres gekürt, weil längst nicht mehr nur politisch Linksstehende „aufmüpfig“ sind.

1982 wurde der Begriff „Ellenbogengesellschaft“ gekürt, ebenfalls ein linker Kampfbegriff. Gemeint war damit der Vorwurf linker Politiker an die neue schwarz-gelbe Regierung, sozial Schwache zu benachteiligen und den Egoismus in der Gesellschaft zu fördern.

1993 war „Sozialabbau“ das „Wort des Jahres“. Auch das ist ein polemischer Begriff, der sich gegen marktwirtschaftliche Reformen des Sozialstaates wendet.

1998 war das Wort des Jahres „Rot-Grün“, 2007 „Klimakatastrophe“ („die Folgen unkontrollierter globaler Erwärmung“). 2015 wurde dann „Flüchtlinge“ zum „Wort des Jahres“, obwohl man gerade diesen Begriff wegen mangelnder Differenzierung durchaus kritisch sehen kann. Denn in Politik und Medien wird er oft pauschalisierend und generalisierend für Einwanderer verwendet, auch wenn diese nicht vor Kriegen und Bürgerkriegen auf der Flucht sind, was ja die ursprüngliche Bedeutung des Wortes ist. Inzwischen muss man ja aus unerfindlichen Gründen “Geflüchtete” sagen und “Flüchtling” soll falsch sein.

Die Jury kürt auch einen „Satz des Jahres“. Schon zwei Mal hat Angela Merkel den „Satz des Jahres“ gesagt, nämlich 2011 („Fukushima hat meine Haltung zur Kernernergie verändert“) und 2015 („Wir schaffen das“).

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Kommentare ( 56 )

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merkelinfarkt
4 Jahre her

Das deutsche Unwort des Jahrhunderts lautet „Unwort“. Mehr muss man zu seinen Protagonisten nicht sagen, dies aber offensichtlich jährlich wiederholen.

Ursula Schneider
4 Jahre her

Wie verträgt sich diese links-grüne Tendenz der GfdS eigentlich mit ihrer Anerkennung als „gemeinnütziger“ und damit steuerbegünstigter Verein?
Der Bundesfinanzhof urteilte 2011: „Ein als gemeinnützig anerkannter Verein ist nicht gem § … von der Körperschaftssteuer befreit, wenn seine tatsächliche Geschäftsführung nicht nur auf die ausschließliche … Erfüllung seines satzungsmäßigen Zwecks gerichet ist, sondern … daneben auch allgemeinpolitische Ziele verfolgt.“

Eugen Karl
4 Jahre her

Einmal, ein eiziges Mal gabe es ein Unwort, das sich kritisch auf die herrschende Politik und deren Repräsentanten bezog und nicht diesen den Steigbügel hielt. Das war 1995, damals hieß das Unwort „Diätenanpassung“. Solch ein Begriff hätte heute wohl keine Chance mehr.

Piet L.
4 Jahre her

Für mich ist Klimahysterie nicht das Unwort sondern das Wort des Jahres.
Wenn ich daran denke wie deutsche Politker und Unternehmer 2019 vor den hysterischen unsachlichen Argumenten von jugendlichen Schulschwänzern mit hoher CO2 Bilanz und ohne Flugscham gekuscht haben und das letzte bißchen Vernunft in diesem Land offensichtlich verloren geht, dann hoffe ich auf den Blackout 2021.
Die Welt lacht zurecht über das Land der linksgrünen Deppen und Hysteriker (früher mal das Land der Dichter und Denker).
Mein Dank geht auch an den ÖR und die Staatsmedien.

Coco Perdido
4 Jahre her

„Unwort“ ist selber zum Unwort geworden, weil Kür und Begründungen mittlerweile der Unterdrückung notwendiger Auseinandersetzungen dienen (sollen), während die Worte das damit Auszudrückende zutreffend auf den Punkt bringen. „Klimahysterie“ diffamiert keine Klimaschutzbemühungen und diskreditiert auch keine Debatten zum Klimaschutz, wie die „Gesellschaft für deutsche Sprache“ ihre Wahl begründet, sondern greift gegenstandslose Übertreibungen an (Greta: „Ich will, dass ihr in Panik geratet“), die vernünftige Debatten überlagern und Nachrichten beherrschen. Beim gegenwärtigen Tempo ist die 1,5°C-Marke erst in 75 Jahren erreicht, die 2°C-Marke in weiteren 60 Jahren (basierend auf Daten des IPCC von 2019: 0,88°C globale Temperaturerhöhung bis jetzt; 0,08°C in den… Mehr

Gerro Medicus
4 Jahre her

„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt!“
Zitat von Ludwig Wittgensetin, österreichisch-englischer Philosoph

Dann weiß man auch, warum jemand die Sprache eingrenzen will, indem er Begrifflichkeiten ächten oder verbieten will, nach dem Motto „Was man nicht benennen kann/darf, das existiert auch nicht (mehr).

Gerro Medicus
4 Jahre her

Sehr geehrter Herr Zitelmann, Sie haben in Vielem, was Sie in Ihrem Artikel geschrieben haben, recht. Das Unwort des Jahres ist Unsinn, ja. Aber das Wort Unwort ist eigentlich selber Unsinn! Es sei denn, es wird im Lichte seiner Instrumentalisierung betrachtet! Mein Ansatz ist daher ein anderer. Worte und Wortkreationen sind die Essenz unserer Sprache und Sprache wiederum ist das Mittel, unsere Welt in von uns fassbaren Kategorien zu benennen. Insofern kann kein einziges Wort irgendein Unwort sein. Es mag sein, dass Worte, die Beleidigungen von spezifischen Personen bedeuten, strafrechtlich relevant sind – UNworte sind sie deshalb nicht. Viele der… Mehr

Hosenmatz
4 Jahre her

„Der Ausdruck pathologisiert pauschal das zunehmende Engagement für den Klimaschutz als eine Art kollektiver Psychose“

Wenn man sich aber kritisch mit der Integrationsfähigkeit und -willigkeit von Zuwanderen auseinandersetzt, dann darf man pauschal als xenophob, islamophob und krankhaft nationalistisch pathologisiert werden?

Für mich ist „Aktivist“ ein Unwort des Jahres, weil damit vor allem linksextremistische Gewattäter, Schläger und Brandstifter euphemistisch tituliert werden.

Wie schreibt ein bekannter Blogger immer wieder: „Nicht die Maßstäbe kotzen mich an , sondern die doppelten Maßstäbe!“

Regina Lange
4 Jahre her

Jedes Jahr das gleiche Spiel und jedes Jahr amüsiert es mich aufs Neue! Warum überrascht mich nicht, dass die sehr linke ökoradikale Sprach-Gesinnungs-Polizei aus Darmstadt wieder ein „böses Wort“ gewählt hat, das nicht ihr rotgrünes Weltbild passt? Wen juckt eigentlich das „Unwort des Jahres“? Mein Unwort lautet anders und das meines Nachbarn wieder anders, aber wir lachen gemeinsam über diesen merkwürdigen Haufen von „Sprachwissenschaftlern*innen“, deren Erziehungsversuche auch diemal wieder vergebens sind!

Wolfgang Richter
4 Jahre her

Dieses Co2 basierte Klimagedöns ist eine nationale und linksgrün mediale Psychose. Daß entsprechende Kandidaten ihre psychischen Probleme ausblenden, gehört zum Syndrom. Das ist wie mit dem Geisterfahrer, der sich nach der Warnmeldung im Radio über nicht nur eines, sondern nahezu alle entgegen kommenden Fzge. wundert. Ich will hier gar nicht den CO2-Unsinn als Wärme speichernde Schicht in 6 Km Höhe -frei nach dem alten Schweden Svante Arrhenius- etc. auswalzen, sondern einfach nur auf die Organisatoren zur Gründung des IPCC als selbst ernannten Weltklimarat hinweisen, wie Rockefeller u. Ford Foundation, Chefetage der Chase Manhattan Bank, Umfeld von Mr. Al Gore, dem… Mehr