Befreites Aufatmen: Endlich diese SPD verlassen

Die Basis der SPD murrt über die einsamen Entscheidungen der SPD-Minister und des Parteivorstands. Jetzt hat Giovanni Deriu die Konsequenz gezogen und die SPD verlassen. Hier seine Begründung.

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Der Autor dieser Zeilen hat seine Entscheidung bisher keine Sekunde bereut. Befreit von einer Last, an der Basis mit Ideen und Warnungen ignoriert worden zu sein, schickte er nach gut fünf Jahren seiner Mitgliedschaft das rote Parteibuch ans Willy-Brandt-Haus nach Berlin zurück. Warum? Die Basis dient nämlich nur dazu, den Bundesvorstand zu stützen, Mitgliedsbeiträge zu entrichten (in letzter Zeit wird gar um Zusatzspenden gebeten; besonders in BaWü), und den Bundesvorstand samt seiner missratenen Politik nach draußen zu verteidigen – trotz besserem Wissen der Alltagsrealität.

Es bedarf auch keinerlei Beweise mehr, wie trend- und ideenlos die SPD in Berlin agiert, wie selbstständig und ohne Rücksprache Minister in den Ländern, aber besonders im Bund, Entscheidungen treffen, über die die Leute nur noch mit dem Kopf schütteln. Von der SPD-Basis aus ist aber öffentlich geäußerte Kritik unerwünscht. Man kann selbstbewusst festhalten: hätte der Bundesvorstand verstärkt auf die Basis, mit ihren Genossinnen und Genossen gehört und danach gehandelt, die SPD wäre nicht in diesem Abstiegssog. Ein wahrer Strudel ist dabei, die SPD nach unten zu ziehen.

Alle Mühen sind vergebens

Nichts, wirklich nichts gelingt. Nicht die Änderungen der Agenda-2010, Sanktionen sollten gelockert werden im ALG-2-Bezug, warum so plötzlich, fragten sich viele Bürger und Betroffene? Eine Erklärung, von einem Jobcenter-Abteilungsleiter rund um Stuttgart bestätigt, aufgrund der vielen „hinzugezogenen“ anerkannten Flüchtlinge. Man habe, so der Fachmann, der sich im Leistungsbezug des zweiten Sozialgesetzbuches auskennt, bei anerkannten Flüchtlingen gar nicht „die gleichen Forderungen wie bei unserer Kundschaft“ stellen und daher auch „kaum“ Sanktionen verhängen können. Allein die mangelnden Sprachkenntnisse sowie die kaum vorhandenen Zeugnisse und Qualifikationen. Aber die Mitwirkungspflicht generell? Die Pünktlichkeit bei Terminen? „Oh je“, stöhnt der Jobcenter-Stellenleiter auf. Man wolle Stress mit den zumeist männlichen Flüchtlingen vermeiden. Den habe es ganz oft gegeben. Gelder streichen? Besser nicht.

Bigott und scheinheilig verkauft nun der Arbeitsminister und die SPD diese „positiven“ Veränderungen als Entgegenkommen für die, die seit Jahren darben mussten. (Übrigens sind die Grünen an diesem Punkt keinen Deut besser. Für die Zuwanderer tue man alles; sozialer Sprengstoff soll vermieden werden – mit Geschenken – auch ohne Arbeit oder Mitwirkungspflicht.)

Die gefährliche 13

Dann der Fonds für Hinterbliebene oder Opfer nach Terrorattacken. Hier wollte sich der Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil als absoluter „Menschenversteher“ gerieren, mit dem 14. statt des 13. Sozialgesetzbuchs mit den Regelungen für Opfer von Anschlägen und Terrorattacken. Die Infantilisierung ist bei der SPD trotz ernster Themen mittlerweile grenzenlos. Man kann sie auch billige Effekthascherei nennen. Von wem werden die SPD-Minister eigentlich beraten?

Es geht noch harscher, und auch aktuell: die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die es sich nicht nehmen lässt (sie hätte sich auch anders entscheiden können), den österreichischen Autor Robert Menasse trotz überführter und nachgewiesenen eklatanter Lügen und Schummeleien, mit der Carl-Zuckmayer-Medaille auszuzeichnen. Sie signalisiert damit, dass Lügen und Tricksen für eine „große Idee“ in Europa halb so schlimm sind. Nur, die Bürger durchschauen dieses bigotte Schauspiel, das man mittlerweile auch als absolut schamlos bezeichnen kann.

Stattdessen will sich die altehrwürdige Partei von Querdenkern und Alltagsrealisten wie Thilo Sarrazin oder Heinz Buschkowsky trennen, die eben die Dinge beschreiben, von denen Lehrer, Polizisten und Anwohner sowie Ehrenamtliche aus ihrem täglichen Leben ein bitteres Lied singen können? Wieder ganz genau das falsche Signal …

Politik als Geschäft

Bürger sprechen dem Autor gegenüber von einer SPD als „Selbstversorgerladen“, in dem Kandidaten und sogar noch Wahlverlierer fürstlich belohnt werden mit gut dotierten Posten. Dem normalen Arbeitnehmer mit prekären Arbeitsverträgen ist das schlicht nicht mehr zu vermitteln. Jeder weiß, wer gemeint ist.

Zu guter letzt: Wir hätten es beinahe gar nicht mitbekommen. Justizministerin Katarina Barley, die bei der nächsten EU-Wahl als „Spitzenkandidatin“ für die SPD ins Rennen geschickt wird, weht der eisige Wind der Länder und deren Justizminister ins Gesicht. Ihr Vorpreschen mit der Idee, die Prozesskostenhilfe von Beginn an für jeden mutmaßlichen Straftäter gesetzlich festschreiben zu lassen, war wohl wieder ein Schnellschuss – zwischen Altruismus und Infantilität. Als „unpraktikabel“, schon aus Kostengründen sowie wegen des immensen Schadens am Ansehen der Justiz und der „Effektivität“ der Strafverfolgung bei „schweren und schwersten Straftaten“. Was hat sich Barley und ihre Entourage dabei gedacht?

Dass das Wort „Anti-Abschiebe-Industrie“ in der Tat ein „Gschmäckle“ hat, gibt der Autor dieser Zeilen gern zu. Doch genauso wie der Begriff „Asyltourismus“ ist er originell, weil er ganz einfach Tatsachen beschreibt. Junge Männer im Alter unter 30, die durch Europa und durchs ganze Bundesland reisen, trotz Wohnsitzauflage, und evtl. gleich mehrmals mit falscher Identität (wie schon vielfach geschehen) soziale Gelder abgreifen. Oder abgeschobene kriminelle Flüchtlinge, die mit Anwaltshilfe und eben Prozesskostenhilfen, wieder aufs Neue hier erscheinen.

Übrigens, Prozesskostenhilfe wurde ja bereits zugesagt, bei Ablehnungen des Asyls und anschließendem Widerspruch – wenn gute Erfolgschancen erkennbar waren und sind. Für die Rechtsanwälte oft ein gutes Zubrot. Der Rechtsstaat gibt es eben her zu klagen.

Warum, so fragen sich viele, wird die SPD erst, und speziell, erst seit 2015 auf diese Weise so aktiv und rührig? Waren ihr davor die eigenen Bürger und Wähler jahrelang etwa total egal?


Giovanni Deriu, Dipl. Sozialpädagoge, Freier Journalist. Seit 20 Jahren in der (interkulturellen) Erwachsenenbildung tätig.

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Kommentare ( 81 )

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Michael_M
5 Jahre her

„Dass das Wort „Anti-Abschiebe-Industrie“ in der Tat ein „Gschmäckle“ hat, gibt der Autor dieser Zeilen gern zu. Doch genauso wie der Begriff „Asyltourismus“ ist er originell, weil er ganz einfach Tatsachen beschreibt.“

Hier kommt der sozialpädagoge (oder sollte ich sozialdemagoge schreiben?) hervor.

‚In der tat ein „gschmäckle“‚ ist eine unbelegte und unbegründete behauptung. oder um es in politkkorektem neusprech zu formulieren, das ist #hetze.

Aber sachlich begründet zu argumentieren, das lernen sie bestimmt auch noch…

#facepalm

Karlsruher
5 Jahre her

IQ hat nichts mit gesundem Menschenverstand zu tun, nur mit abstrakter Lösungskompetenz. Gerade Akademiker sind aktuell sehr links, die abstrakte Lösungskompetenz wird dann zur Rationalisierung eines bereits unhaltbaren Zustandes verwendet.

Jemand mit durchschnittlichem IQ sieht dann oft schneller, dass der Kaiser nackt ist, als die akademischen Höflinge.

Alf Egner
5 Jahre her

Die SPD verachtet Deutschland und die Deutschen und besonders ihr (ehem.) eigenes Klientei. Also die sog. kleinen Leute.
Schaut man sich deren Führungsriege an und vergleicht sie mit den Altvorderen wie Bebel, Ebert, Noske, Braun, Schuhmacher etc. kann einem nur Angst und Bange werden.

Ostfale
5 Jahre her
Antworten an  Alf Egner

Angst und bange wird mir nicht, vor diesem Haufen despektierlicher Gestalt*innen. Übel, kotzübel wird mir – aus dem Stande der ‚Kleinen Leute‘ kommend – täglich, wenn von diesen oder über diese Politcretins und ihre/n Auswüchse/n zu hören und zu lesen ist. Meiner Treu – niemals mehr sp (d?).

Wilhelm Cuno
5 Jahre her

Sehr geehrter Herr Deriu, vielen Dank für Ihren Beitrag. Bitte versuchen Sie so viel ehemalige Parteifreunde wie möglich zu überzeugen, ebenfalls auszutreten. Jeder Austritt aus der SPD hilft (ausgenommen prominente Störer wie Herr Sarrazin, die medienwirksam die falsche Einstellung der aktuellen Führungsriege dokumentieren, indem sie ihren eigenen Rausschmiss medial nutzen). Wenn alle „einfachen“ Parteimitglieder konsequent austreten, muss die irregeleitete Führungsschicht wieder arbeiten gehen und ihre Plakate selbst kleben. Kann von Frau Nahles über Herrn Maas bis Herrn Kühnert zur Charakterstärkung m.E. nicht schaden, denn sie sind zwar guten Willens, verkennen aber die Lage und die Potenz Deutschland in einer Art… Mehr

Ecke
5 Jahre her

Na Herr Deriu, auch schon Telefonanrufe bekommen: Zwecks Verbleib in der SPD, wie es bei mir der Fall war.
Oder sind sie gar als „Revanchist“ für nicht würdig befunden, in der alten, und leider debilen SPD, zu bleiben.

WolfgangZ
5 Jahre her

Niemand sollte sich über den Wandel der SPD zur zeitgeistig angegrünten, jedoch ansonsten klassisch sozialistischen Partei wundern. Das Wesen des Hotels Lux kommt zur Erscheinung. Das Wesen kommt übrigens immer zur Erscheinung. Unausweichlich. Auch die Grünen erleben ja gerade ihr coming out als durch das Kapital gesteuerte kommunistische Partei. Wohl kein Schachzug des Kapitals war gelungener, als den roten Internationalisten die Globalisierung als deren eigene Sache zu verkaufen. Das war jedoch gar nicht so schwer, weil die Roten sich durch ihren Internationalismus der Komintern von vornherein auf das globale Spiel eingelassen hatten.

Julian Schneider
5 Jahre her

Die SPD ist ohne mit der Wimper zu zucken innerhalb weniger Jahre von einer sozialdemokratischen zur sozialistischen Partei verkommen. Ebenso wie die CDU/CSU und auch die FDP hat sie sich dem Sozialismus/Marxismus der Grünen angebiedert und angepasst, weil sie dachte, es sei der „Zeitgeist“ (und ist dabei lediglich auf die linksgrün kontrollierten Massenmedien hereingefallen). Dazu kommt natürlich eine Selbstbedienungsmentalität in den Altparteien, die außer Rand und Band ist.Wir leben in einer verschärften DDR, die von den Medien herbeigeschrieben wurde. Die Mehrheit merkt es nicht, weil im Gegensatz zur DDR der Bankrott noch nicht erfolgt ist. Parteibuch abgeben kann man machen,… Mehr

Landdrost
5 Jahre her

Nebenbei sei noch an die Debatte und die anschließende Verabschiedung eines Rechts zur Abtreibung ohne klinische Implikation bis zur Geburt bei den Jusos erinnert, damit so das Selbstbestimmungsrecht der emanzipierten Frau über ihren Körper sichergestellt wird. Die Jusos sind also für offensichtlichen Mord an lebensfähigen Babys ohne jegliche medizinische oder sonstige Begründung (z.B. Vergewaltigung).

Wer eine solche dekadente Perversion verabschiedet, gehört eigentlich von der Gesamtpartei und von der gesamten Öffentlichkeit medial ans Kreuz genagelt. Was hat man aus Reihen der SPD oder der Medien dazu gehört? Richtig, rein gar nichts.

Ostfale
5 Jahre her
Antworten an  Landdrost

„…Was hat man aus Reihen der SPD oder der Medien dazu gehört? Richtig, rein gar nichts.“
Und was sagt das dem aufmerksamen Beobachter? Sehr richtig – Alles.

CG
5 Jahre her

Ich habe mittlerweile den Eindruck einer Farce, gekreuzt mit einer griechischen Tragödie, was den Untergang der SPD in Zeitlupe angeht. Einerseits die fassungslosen, leeren Gesichter am Wahlabend… andererseits dann solche Figuren wie Chebli oder Stegner, die aus einer Sitcom entliehen sein könnten. Und niemand, buchstäblich NIEMAND in der Führungsriege versteht auch nur im Ansatz, warum eigentlich die Mitglieder und Wähler die Beine in die Hand nehmen! Was die Aussage des Amtsleiters zu “Flüchtlingen“ angeht, hätte ich da durchaus eine Idee. Beschränkung von Hartz4 automatisch auf 5 Jahre für solche Nichteinzahler mit welchem Asylstatus auch immer zu begrenzen. Danach müssen sie… Mehr

Sonia.B.
5 Jahre her
Antworten an  CG

Ich denke es gäbe Harz4 Empfänger die sogar mit Sachleistungen glücklicher wären, wenn sie dann wenigstens das Lebensnotwendige auch tatsächlich mal bekommen! Es gibt genug die über Harz4 auf der Straße landen und gar nichts mehr kriegen oder unters Existenzminimum gekürzt werden weil das Amt Böcke schiesst.

Nibelung
5 Jahre her

Wenn es ein Selbstversorgerladen wäre, könnte man ja bei guter Politik noch hinwegsehen, obwohl auch so eine Einstellung etwas über die innere Befindlichkeit aussagt, aber im Prinzip kann man sie durchaus für gefährlich halten, denn sie sind oft im Hintergrund mit die wesentlichen Drahtzieher für eine Situation, die immer unerträglicher wird und das beginnt beim Verrat an der deutschen Arbeitnehmerschaft, geht weiter über eine unverantwortliche Energiepolitik, beschädigt Millionen von Autofahrern finanziell und verwehrt ihnen die amtlich zugelassene Mobilität, zieht sich fort in der Unterstützung von Angriffskriegen und Drohkulissen seit Jahrzehnten ohne Deckung der UN, unterstützt eine Asylpolitik im Namen der… Mehr