Bedingungsloses Grundeinkommen widerspricht der sozialen Marktwirtschaft

Ein bindungs- und bedingungsloses Grundeinkommen für alle ist absolut systemwidrig und kontraproduktiv: Die Einen brauchen es nicht, den Anderen fließen ohnehin staatliche Subsidien zu, und den Grenzleistern nimmt es allenfalls die Motivation.

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Seit Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben wurden, selbstverschuldet bekanntlich, um fortan mit Arbeit und Mühsal das Erdendasein zu fristen, träumt der Mensch von einer Rückkehr in diesen paradiesischen Zustand. Die meisten haben dabei das Schlaraffenland vor Augen, ein Ort, in dem in Auslegung des berühmten Bildes von Pieter Bruegel dem Älteren die Menschen in Ruhe unter dem Baum liegend darauf warten, dass ihnen die gebratenen Tauben in den Mund fliegen.

Ein Hauch dieses fürwahr paradiesischen Zustands ist schon zu spüren! Das historisch hohe deutsche Einkommens-und Versorgungsniveau sowie sozialromantische Umverteilungssehnsüchte machen es möglich. Jedenfalls in den Köpfen von altruistischen Gutmenschen, die zwar dem Himmel sehr nahe, den realen Zuständen der Durschnittsmenschen auf Erden, bei denen vor dem Verteilen erst das Erarbeiten kommt, jedoch sehr fern zu sein scheinen.

Corona und die anschwellende und unterschwellige Debatte über eine gerechte Einkommensverteilung in Deutschland haben es aufs akademische Tablett gebracht. Seit kurzem beschäftigen sich in Berlin Politiker und Sozialwissenschaftler ernsthaft mit der Idee, wie es denn wäre, wenn die Menschen ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ erhalten würden, gezahlt aus dem Staatssäckel, also von der Gemeinschaft der Steuerzahler, nicht aus der himmlischen Portokasse. Was nicht wundert, denn die Idee dazu stammt nicht zuletzt aus klerikalen Kreisen, gleich welcher Konfession.

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Ein Menschheitstraum würde wahr: Geld verdienen, besser: gezahlt bekommen, ohne dafür arbeiten zu müssen. Und das regelmäßig, sicher und monatlich. Doch bevor das in Deutschland Wirklichkeit werden kann, haben die Götter eine Prüfung eingebaut: Zuvor soll in einer Forschungsstudie über drei Jahre in Berlin bei 120 Menschen getestet werden, wie sie sich verhalten, wenn ihnen vom Frühjahr 2021 an monatlich 1.200,00 Euro ohne jede Gegenleistung vom Staat gezahlt werden.

Mit diesem Experiment möchte der Berliner Verein „Mein Grundeinkommen“ (so etwas gibt’s) in Kooperation mit renommierten Wirtschafts- und Sozialforschern wissenschaftlich ergründen, ob und wie Menschen ihr Erwerbs- und Konsumverhalten verändern, wenn sie monatlich ein bedingungs- und bindungsloses Grundeinkommen erhalten. Was die Probanden von existenziellen Ängsten und Nöten befreit; wobei einzuräumen ist, dass 1.200 Euro keine Luxusversorgung erlauben, sondern eher nur das Existenzminimum anreichern.

Das Ganze wirft für Ökonomen respektive Marktwirtschaftler natürlich Fragen auf: Hätte ein solche Zahlung große negative gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen? Soweit es Arbeitslose betrifft, würden diese ihre Bemühungen um einen neuen Job einstellen oder die Suche nur noch halbherzig betreiben.? Und vor allem, Einkommen ohne Leistung, ist das systemgerecht bzw. ist das überhaupt gerecht? Und vor allem: wer soll das bezahlen?

Schaltet man den gesunden verhaltensökonomischen Menschenverstand ein, so kann man sicher auch ohne Kenntnisse darüber, welche Ergebnisse die Studie erbringen wird, nur eines sicher vorhersagen: Die Studie kostet Geld und nährt über drei Jahre die damit beschäftigten Wissenschaftler. Das Geld dafür soll über Spenden aufgebracht werden, ob und wieviel davon der Berliner Senat spendet ist nicht bekannt.

Um es kurz zu machen: Große Verhaltensänderungen bei den monatlich Begünstigten, repräsentative Zusammenstellung unterstellt, sind als Ergebnisse der Studie nicht zu erwarten:

  • Diejenigen, die arbeitslos sind und Erwerbslosigkeit als tradiertes Karriereziel ihrer Familie erfolgreich anstreben, werden weiterhin arbeitslos bleiben, nur angenehmer leben können.
  • Denjenigen, die nur temporär keine Arbeit haben, aber mit allen Mitteln zurück in die Beschäftigung streben, erlaubt die monatliche Unterstützungszahlung einen leichteren und vor allem sorgfältigeren Suchprozess. Der Suchprozess dürfte sich verlängern, aber zielgenauer und befriedigender verlaufen, auch zum Nutzen der Gesellschaft.
  • Soweit im Empfängerkreis auch Menschen sind, die – aus welchen Gründen auch immer – kein zusätzliches bedingungsloses Grundeinkommen notwendig haben, erhöht sich lediglich die persönliche und gesamtwirtschaftliche Konsum- bzw. Sparquote, beim Konsum in Richtung Befriedigung höherwertiger Bedürfnisse. Im Klartext wäre das ein Mini-Konjunkturprogramm. In jedem Fall findet eine Einkommensumverteilung statt zugunsten der Begünstigten und zu Lasten des Fiskus und der übrigen Steuerzahler. 

Ob eine solche Studie überhaupt sinnvoll ist, soll hier nicht hinterfragt werden. 

Legt man das Verhalten des deutschen Normalbürgers zugrunde – und davon gibt es rd. 68 Millionen über 18 Jahren – , kann getrost davon ausgegangen werden, dass es zu keiner nachhaltigen Beeinträchtigung seines Streben nach einer bezahlten Beschäftigung kommen wird; das mag in der Bundeshauptstadt anders sein. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass das bedingungslose Grundeinkommen zu fast 100 Prozent in Haus und Hof und Konsum fließen wird. So gesehen ist die Senkung der Mehrwertsteuer in Analogie nichts anderes als eine zeitliche Mini-Erhöhung des Grundeinkommens für alle. 

Kein Respekt vor der Lebensleistung
Grundrente als Einstieg in das Grundeinkommen für jedermann?
Die Marktwirtschaft als System basiert auf und lebt von der Leistung des Einzelnen. In der Summe schaffen diese dann das Bruttoinlandsprodukt, aus dem bereits heute mehr als ein Drittel an staatliche und soziale Leistungen an die Steuerbürger, auch an die bedürftigen, zurückfließt. Über die Höhe einzelner Leistungen kann man im Einzelfall diskutieren und streiten – dafür ist Politik da. Aber als Systembestandteil machen diese „bedingungslosen“ Sozialtransfers für die Gruppe der wirklich Bedürftige und ohne Schuld in Not geratene das „Soziale“ an unserem System der sozialen Marktwirtschaft aus.  

Schlussfolgerung: Ein bindungsloses und bedingungsloses Grundeinkommen für alle ist absolut systemwidrig und kontraproduktiv: Die Einen brachen es nicht, den Anderen fließen ohnehin staatliche Subsidien zu, und den Grenzleistern nimmt es allenfalls die Motivation zur Leistung. Das kann die Gesellschaft nicht wollen. 

In einer florierenden Volkswirtschaft wie der deutschen sollte eine solche Idee in die Ablage wandern! Für den nicht florierenden Teil der Gesellschaft gibt es effizientere Möglichkeiten der Kaufkraft- und Existenzsicherung! So wie es heute schon praktiziert wird.

Der deutschen Sozialpolitik ist es seit Bismarck bis heute über alle Parteigrenzen hinweg immer wieder gelungen, jeden mitzunehmen, wenn er bedürftig geworden und in Not geraten ist. Für leistungslose Änderungen besteht kein Bedarf!

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Kommentare ( 84 )

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Winau
3 Jahre her

Mit der Überschlagsrechnerei ist das so eine Sache, deshalb hier ist ein BGE-Rechner: http://bge-rechner.de/finanzierung.html
Natürlich steht das BGE nicht für sich alleine im luftleeren Raum. Es hätte Auswirkungen auf eine Vielzahl anderer gesellschaftlicher Bereiche, von denen einige auf der o.g. Webseite aufgelistet sind. Zu jedem dieser Themen ließen sich Dutzende von Büchern schreiben. Sämtliche Auswirkungen zu behandeln, würde eine mittlere Stadtbibliothek füllen.

Fazit: Es geht, wie schon dm-Markt Gründer Werner festgestellt hat.

Politkaetzchen
3 Jahre her
Antworten an  Winau

Genau, ein Kapitalist verspricht das kommunistische Paradies… merken sie noch was?

Ernst-Fr. Siebert
3 Jahre her

In Namibia hat man es schon probiert. Hat aber nicht so geklappt.

Thorsten
3 Jahre her
Antworten an  Ernst-Fr. Siebert

Schade, denn dann würde ich eine Überfahrt buchen, denn das Wetter würde mir zu sagen .

Dedaidn
3 Jahre her

Leuten, die jetzt über ein bedingungsloses Grundeinkommen diskutieren, bzw. nachdenken, sollte man vielleicht einmal die Zusammenhänge erklären (Finanzen-Wirtschaft-Staat) und wie ein Staat überhaupt sozial (Sozialstaat) werden kann. Zum einen hängt es davon ab, das ein Leistungswille jedes einzelnen gefordert ist, denn nur wenn der Staat Geld, in Form von z.B. Steuern einnimmt, kann auch Geld für soziale Sachen ausgegeben werden. Wenn also der Leistungswille verloren geht, ist auch nichts mehr zum verteilen da! Aber, das ist, wie gesagt zu kurz gegriffen, hier muss man sich auch die (heutige) Gesellschaft anschauen…. eben ob Werte vorhanden sind, wie Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein, eben… Mehr

Thorsten
3 Jahre her
Antworten an  Dedaidn

ich glaube das nützt recht wenig, da sie ein „alter, weißer Mann“ sind …

Dedaidn
3 Jahre her
Antworten an  Thorsten

sorry, dass ich Sie korrigierte, ok….ich bin alt und ja, ich bin auch weiß…allerdings kein Mann 😉

Leider aber auch noch nicht alt genug, dass ich den Zusammenbruch nicht mehr erleben werden…. 🙁

KorneliaJuliaKoehler
3 Jahre her

Wer spricht denn heute noch von sozialer Marktwirtschaft? Wir leben doch bereits einer Planwirtschaft! Ob ein bedingungsloses Einkommen für Jeden bezahlbar ist oder nicht, ist doch völlig uninteressant. Wichtig sind doch erstmal die Wählerstimmen bei der nächsten Bundestagswahl. Da wird natürlich jeder, der heute für 1.200 bis 1.400 netto den ganzen Tag schuften muss, oder von Hartz 4 lebt, erstmal begeistert sein. Klingt doch verlockend. Kein lästiges Amt oder nerviger Chef mehr. Den Rest, den man für ein komfortables Leben braucht, verdient man sich doch locker mit irgendeiner Schwarzarbeit. Diesen Traum träumen hier sicherlich viele Millionen Menschen! Das bedingungslose Einkommen… Mehr

StefanH
3 Jahre her

Ah, so habe ich das noch gar nicht betrachtet! Also, ich nehme bestimmt auch ein paar Jungdynamikern aus Afrika den Arbeitsplatz nicht mehr weg … Voll Win-Win!

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her

Genau darum bin ich – bei aller Zurückhaltung – kein radikaler Gegner der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens per se. Klingt komisch, denn wer meine Kommentare hier kennt, weiß wohl, dass ich sozialistischer Anwandlungen unverdächtig bin. Unser Problem ist aber eigentlich ein Luxusproblem. Wir sind überproduktiv. Unser Problem ist nicht Mangel, sondern die Allokation des Überschusses. In Zeiten der Jäger und Sammler brauchte es die Arbeit aller, um die Mägen aller vollzukriegen. In der kleinbäuerlichen Subsistenzwirtschaft ebenso. Aber je fortschrittlicher, arbeitsteiliger und effizienter die Produktion wurde, umso weniger Leute brauchte es dafür. Plötzlich wurde es möglich, mit der Arbeitskraft der „Überflüssigen“… Mehr

meckerfritze
3 Jahre her

mit logik sind die utopien der linksextremisten nicht aufzuhalten. es muss leider erst zum crash kommen.

andreashofer
3 Jahre her

…also ich fang schon langsam mal an zu rechnen: In 2 Jahren ist die Wohnung bezahlt… monatliche Kosten dann etwa 450 Euro, incl. allem. Hieße also, für meine Freundin und mich blieben knapp 2000€ für’s Essen, Reisen usw. Hm. Dafür aber 250 bezahlte Urlaubstage. Erspartes ist ja auch noch da! Ansonsten ist alles, was man je zum Leben brauchte, doppelt vorhanden. Zeit, alle Bücher zu lesen. Zeit, nochmal Klavier zu lernen! Ich freunde mich langsam an. Das das System kaputt geht, ist ja eh klar, fragt sich nur, wieviele Jahre mit 250 bezahlten Urlaubstagen man abgreifen kann. Der Sozialstaat ist… Mehr

Rasio Brelugi
3 Jahre her

Bei den 120 Versuchspersonen für BGE: Kann man sich da irgendwie bewerben, ist das so ’ne Art Preisausschreiben oder wird das nur an eingefleischte rot-grüne Merkelianer verteilt?

Paralyzer
3 Jahre her
Antworten an  Rasio Brelugi
Alexis de Tocqueville
3 Jahre her

Der Sozialismus allein führt „nur“ zu Armut und Elend und einem dunklen Zeitalter, nicht zum Untergang eines Volkes. Russen, Chinesen, Vietnamesen und Koreaner gibt es ja auch noch. Der Untergang kommt, weil unser neuer Sozialismus diesmal einen historisch einmaligen Autorassismus im Gepäck hat. Weil wir umgevolkt werden.