Auch der Bundesübungsleiter muss jetzt gehen

Nach der WM-Blamage inklusive Erdogan-Foto-Skandal, Deutschlands Abstieg aus der Nations League und dem kühlen Rauswurf verdienter Nationalspieler müsste sich Fußball-Bundestrainer Joachim Löw eigentlich selbst entlassen.

Alexander Scheuber/Bongarts/Getty Images

Gut zehn Tage braucht der angeschlagene Bundestrainer Joachim Löw für eine Begründung auf öffentlicher Bühne, warum er für die Qualifikation zur EM 2020 die drei Weltmeister Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller in der Nationalmannschaft nicht mehr will; sie kurz und schmerzlos feuert.

Team-Spaßvogel Müller kritisiert Löw für seinen menschlichen Umgang offen im Netz vor der deutschen Fangemeinde: „Wenn – kurz nachdem wir von der Entscheidung des Bundestrainers erfahren haben – vorgefertigte Statements seitens des DFB und des DFB-Präsidenten an die Presse rausgegeben werden, ist das aus meiner Sicht kein guter Stil und hat mit Wertschätzung nichts zu tun.“ Auch für seine mitentlassenen Mannschaftskollegen stellt er klar: „Mats, Jerome und ich sind immer noch in der Lage, auf Top-Niveau Fußball zu spielen.“ Selbst wenn sie nicht mehr topfit wären, ist so ein Abgang unwürdig.

Bei der DFB-Pressekonferenz am Freitag vergießt Löw nach seinem Fauxpas Krokodilstränen: „Die Wertschätzung für die Spieler ist groß. Die Spieler haben Einzigartiges erreicht. Sie haben meine Dankbarkeit. Emotional ist mir das schwer gefallen. Weil wir diesen Spielern so viel zu verdanken haben.“ Gestanzte Worthülsen, die jeder Gefeuerte kennt.

Konsequenzen zieht Löw nur bei verdienten Spielern, weil sie keine Leistungsträger mehr seien. Wer diese Maßstäbe an andere stellt, müsste dann auch selber gehen. Kein Sportjournalist fragt den Bundestrainer nach einer großen Empörungswelle über seine Art und Weise des Feuerns dreier Weltmeister: Warum bleiben Sie? Müssen Sie nicht auch zurücktreten?

Unter Löws Regie 2018 historisch schlecht abgeschnitten

Der Bundesübungsleiter aus dem Schwarzwald hat zwar 2014 große Verdienste mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft in der Fußball-Hochburg Brasilien erworben, aber seinen Zenit vier Jahre später bei der nächsten WM in Russland weit überschritten. Löw verantwortet dort als Bundestrainer durch seine Leitung das historisch schlechteste Abschneiden einer deutschen Nationalmannschaft. Kraftlos, ehrlos und unmotiviert scheidet Deutschland schon in der Vorrunde als Tabellenletzter hinter Südkorea, Mexiko und Schweden aus. Weil das noch nicht schlecht genug ist, steigt danach die deutsche Nationalmannschaft unter Löws Regie aus der neuen Nations League ab. Die einstige A-Elf spielt jetzt in der B-Liga. Jeder Klubtrainer hätte für so eine negative Bilanz seinen Job verloren.

Vor allem für die schlechte Stimmung rund ums Team ist Bundescoach Löw im vergangenen Jahr hauptverantwortlich. Er versagt dabei nicht nur sportlich, sondern auch politisch. Im Mai vor der Weltmeisterschaft 2018 posieren die Spieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan für Fotos mit „Respekt für meinen Präsidenten“ Recep Tayyip Erdogan. Die beiden DFB-Superprofis leisten dem Autokraten vom Bosporus damit optische Hilfe für seine Wahlen in der Türkei. Die mediengewohnten Kicker-Profis, betreut von ihren Agenturen, wollen danach mit diesen Fotos kein politisches Statement abgegeben haben. Wer soll ihnen das jemals glauben?

Entgegen aller DFB-Beschwichtigungen ist vielen Fans schnell klar: Massenhafte Verfolgungen und Inhaftierungen von Bürgern, wie Missachtung von Menschenrechten durch das Erdogan-Regime, sind für Özil und Gündogan kein Thema. Doch Löw hält die schützende Hand über beide. DFB-Chef Reinhard Grindel moniert zwar, die beiden hätten sich für Erdogans „Wahlkampfmanöver missbrauchen“ lassen. Doch Grindel drückt sich vor Konsequenzen. So kann sich die miese WM-Stimmung in der Mannschaft wie bei den deutschen Fans ausbreiten. Sie pfeifen das Team sogar teilweise aus.

Dennoch verlängert DFB-Präsident Grindel sogar noch vor der WM 2018 Löws Vertrag für rund 3,8 Millionen Euro jährlich um vier Jahre bis 2022. Das Leistungsprinzip hat der DFB damit außer Kraft gesetzt.

Warum Löw sowohl Özil als auch Gündogan schützt und die Erdogan-Affäre unter den Tisch kehrt, damit beschäftigt sich kaum ein Journalist. Ein Fall von medialem Versagen. Dabei möchte ARD-Dopingjäger Hajo Seppelt am liebsten noch die Urinprobe von Russlands Präsident Wladimir Putin auftreiben. Doch die öffentlich-rechtliche Recherche fällt beim Erdogan-Foto-Gate des DFB aus.

Lediglich der frühere Focus-Chef Helmut Markwort erkennt und kritisiert in seinem Tagebuch einen höchst merkwürdigen Familienbetrieb. Löw und Gündogan seien auf sehr eigene Art verbunden. Denn: „Sie werden von denselben Firmen betreut und beraten. Die Unternehmen heißen ARP Sportmarketing und Family & Football. Zu deren Klienten gehört neben Jogi Löw und Ilkay Gündogan auch der Spieler Mesut Özil.“ Mehr noch: Betreiber der Unternehmen seien der Spielerberater Harun Arslan und der Rechtsanwalt Erkut Sögüt. „Den Begriff „Family“ im Firmennamen nehmen sie auf türkische Weise ernst. Zum Beraterclan gehören auch Ilkay Gündogan, der Onkel des Spielers Ilkay, und Mutlu Özil, der Bruder des Spielers Mesut.“

Die mediengewohnten Kicker-Profis, betreut von ihren Agenturen, wollen danach mit diesen Fotos kein politisches Statement abgegeben haben. Wer soll ihnen das jemals glauben? 
Den Beweis für diese Notlügen liefert Özil selbst
Laut verschiedener türkischer Medienberichte lud Özil Erdogan zu seiner Hochzeit im Sommer ein. Der Politiker soll Ehrengast auf der Feier werden, bei der Özil seiner Verlobten Amine Gülşe (25) das Ja-Wort geben will, berichtet jetzt die Bild-Zeitung.
Family-Business a la Löw – kein Bundespolitiker hätte das überlebt

Noch heute wirbt Löw für Arslans ARP Sportmarketing auf dessen Startseite mit WM-Pokal und O-Ton im Internet: „Wenn sich im Fußball zwei Spieler blind verstehen, dann wissen sie genau, was der andere macht, wie er läuft und wie er reagiert. Und so ist es bei mir und dem ARP-Team genauso. Seit fast 20 Jahren arbeite ich jetzt mit dem Harun Arslan zusammen. Genauso professionell und vertrauensvoll. Ich schätze es einfach sehr, wenn ich mich auf jemanden zu 100 Prozent verlassen kann.“ Das erklärt in der Erdogan-Foto-Affäre von Gündogan und Özil vieles. Ein Bundespolitiker hätte dieses Family-Business politisch nicht überlebt.

Doch was schützt den Bundestrainer bis heute? Hätte Löw die WM-Blamage überstanden, wenn er CSU-Wahlmann bei der Bundespräsidentenwahl 2017 und Sympathisant von Horst Seehofer wäre? Nein! Aber er ist es immer noch Bundescoach trotz historischen Versagens und fragwürdigem menschlichen Umgang mit verdienten Nationalspielern. Warum? Weil er politisch auf der richtigen Seite steht. 2017 ist er bei der Bundespräsidentenwahl ein Wahlmann der baden-württemberger Grünen. Obendrein gehört er zum Merkel-Lager. Die Idee der Bundeskanzlerin die deutsche Nationalmannschaft auf „Die Mannschaft“ zu schrumpfen, um kurz mal nebenbei nach jahrzehntelanger Tradition die Wörter National und deutsch zu streichen, setzt Löw willig um. So folgsam wie CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, der sich am Bundestagswahlabend 2013 bei der Feier im Konrad-Adenauer-Haus auf offener Bühne von der Kanzlerin die Deutschlandfahne aus der Hand reißen lässt.

So bewahrt Löws grüne Aura, die natürlich Kanzlerin Merkel sehr gefällt, ihn vor der Ablösung. Solch einen guten Mann würden grünaffine Journalisten nie angreifen. Ein Übungsleiter, der Spieler mit Migrationshintergrund trotz politischer Verfehlungen schützt, muss einfach Bundestrainer bleiben. Doch sollte der sportliche Erfolg weiter ausbleiben – das Prestigeduell gegen Holland bei der EM-Qualifikation steht an – könnten Löws Tage gezählt sein. Eine Genugtuung für Müller, Hummels, Boateng und leistungsorientierte Deutschland-Fans als Hobbytrainer.

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Kommentare ( 111 )

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Regina Lange
5 Jahre her

Meine Güte, muss man jetzt so ein Fass aufmachen, weil Löw drei Spieler ausgemustert hat? Würde man darüber ein Wort verlieren, wenn es nicht „Stars“ vom FC Arrogant Bayern wären ! Löw hätte es nicht so zelebrieren sollen, sondern die „Stars“ einfach nicht mehr berücksichtigen, wie er es bei anderen auch gemacht hat! Aber das war wieder die Extrawurscht, die man den Bayern immer brät! Neuer gehört eigentlich auch nicht mehr in die Nationalelf, er hat seinen Zenit längst überschritten! Wäre ein Aufwasch gewesen!

Alt-Badener
5 Jahre her

Sollte er tatsächlich nach einer Niederlage gegen die Holländer seinen Job verlieren was ich allerdings nicht für wahrscheinlich halte, wäre es für ihn nicht allzu schlimm. Er bekäme ja bis zum Vertragsende sein Millionen-Gehalt weiter und könnte sich etwas mehr dem süßen Leben hingeben **

Thomas Holzer
5 Jahre her

Nur in Deutschland ist es möglich, einer derartigen Lappalie einen derart langen Beitrag zu widmen 😉

Klaus Maier
5 Jahre her

Löw hat Nivea mit Niveau verwechselt. Zuviel sollte man von einem Bundesübungsleiter jedoch auch nicht erwarten. Löw ist aus Sicht des DFBs alternativlos und wird seine Amtszeit mit Sicherheit aussitzen, auch in der C-Liga oder ohne EM-Qualifikation.
Ich will nicht wissen, wie viele mit dem Bundesadler auf der Brust, am Mittwoch für Serbien sein und sich bei jedem Gegentor mit diesen freuen werden.

Werner Brunner
5 Jahre her
Antworten an  Klaus Maier

Der erste Satz ihres Kommentars ist einfach herrlich !
Mein aufrichtiger Glückwunsch zu diesem Einfall ……
Grandios !
Dieses Land ist voll , geradezu übervoll , von solchen Verwechslern …..

Eugen Karl
5 Jahre her

Auch hier wird wieder der offenbar unausrottbare Irrtum verbreitet, die Nationalmannschaft heiße nun nur noch Mannschaft, weil Kanzlerin bzw. politischer Zeitgeist das will. So sehr ich den Gedankengang dahinter nachvoillziehen kann, so sicher ist doch, daß es sich dabei um eine Falschbehauptung handelt. Man kann das schon daran sehen, daß in den Mainstreammedien nach wie vor weiter von Nationalmannschaft gesprochen wird, also keinerlei „Framing“ existiert. Die Bezeichnung „Die Mannschaft“ stammt weder von Merkel, noch von Löw, sondern von englischen oder französischen Medien (der Prioritätsstreit ist nicht entschieden), in denen schon seit Jahrzehnten stets von La Mannschaft bzw. The Mannschaft die… Mehr

LenaS
5 Jahre her

Löw hätte in jedem anderen Land nach der vermasselten WM seinen Hut nehmen müssen. Ich denke auch, wäre er politisch im rechten Lager ……dann wäre er schon längst Geschichte. Löw steht trotzdem mit dem Rücken zur Wand…..warten wir mal ab, wie die EM-Quali läuft…..wenn da die ersten Spiele „in die Hose gehen“ brennt auch beim DFB der Kittel. Ob es gerechtfertigt war Hummels, Boateng und Müller rauszuwerfen, kann ich nicht beurteilen, dazu bin ich zu wenig Fachfrau. Menschlich war das zumindest wie es jetzt gelaufen ist ziemlich mies. …….

Dr. Slonina
5 Jahre her

Dieser verquirlt redende Antideutsche mit seiner Vielfalttruppe und dem Segen seiner Göttin aus der Uckermark besitzt genau wie seine Ikone weder Stil noch Charakter.
Das untere Mittelmaß hat die Politik schon lange im Griff , nun ist auch der Fußball dran.
Kein Wunder. Wenn jedes Bekenntnis zu Deutschland entfernt (Trikotfarben) und selbst das Wort national zu einem Nazi-Wort umgedeutet wurde. Wo soll da noch eine Identifikation mit dem Land, für das man spielt, herkommen.

Rheinperle
5 Jahre her

>>>Family-Business a la Löw – kein Bundespolitiker hätte das überlebt<<<

Das würde ich so nicht unterschreiben. In der heutigen Zeit, in der Rechtsbeugung bei den Regierenden in vielen Bereichen zur Tagesordnung gehören bin ich mir sicher das es keine Rücktritte geben wird. Als eines der besten Beispiele dafür empfinde ich Ministerin Frau von der Leyen, die trotz nachgewiesener Millionenschwerer Fehltritte nicht ansatzweise darüber nachzudenken schneit Konsequenzen zu ziehen.
Diese Generation an politische Elite, die die Mehrheit der Bundesbürger angeblich ihr Vertrauen schenken, sind die inkompetenteste politische Generation, die die Geschicke dieser Republik seit der Gründung der BRD lenken dürfen.

Uffz. Steiner
5 Jahre her

Ganz recht. Ein Freund von mir hat es so ausgedrückt : „Wir haben 2014 trotz Löw den Titel geholt.“

Indigoartshop
5 Jahre her

Das Thema ist für mich durch. Die Spiele der „Mannschaft“ nehme ich nicht mehr zur Kenntnis. Habe mir zum ersten Mal keines der WM-Spiele angeguckt. Es war wie auf Entzug. Das Ausscheiden habe ich abgehakt wie den ersten Monat Rauchfrei. Jetzt bin dank Löw und diesem Dingsda Manager clean, ich denke nicht mehr daran (gelegentlich noch an 66 und 70, aber das waren andere Zeiten)