Ich-Ideale und andere Lebenslügen

Je größer der SUV, desto überzeugter wählt man GRÜN. Wenn ich als Einzelperson die Ökobilanz eines Kreuzfahrtschiffes aufweise, dann schenkt mir das Kreuzchen bei den Grünen die innere Absolution.

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Symbolbild

Man mag die grüne Partei und ihre Protagonisten mögen oder nicht, das ist Ansichtssache. Wenn man es genau nimmt also ein ästhetisches Urteil. Solange ein politischer Akteur auf den verfassungsmäßigen Grundlagen unseres Staates agiert, wäre es vermessen von „richtigen“ oder „falschen“ Meinungen zu sprechen. Das fällt natürlich schwer, weil Leute stets ihre eigenen „Überzeugungen“ haben. Es geht also um Meinung, die sich – frei nach Kant – einer rationalen Beurteilung entzieht … oder versuchen Sie mal zu erklären, warum „gelb“ eine schönere Farbe ist als „rot“. Das Gefallensurteil ist eine vormoderne Entscheidungsform und deshalb so kräftig.

Nun eint jede Überzeugung, vor allem eine politische, dass sie – auch wenn die Realität hier zur Zeit Lügen straft – in der Regel einen Inhalt hat. Bestimmte Leistungsmerkmale, die uns trotz aktuell größtmöglicher Irritationen in den Sinn kommen, wenn wir über CDU, SPD, FDP, Grüne oder Linke sprechen … diese Leistungsmerkmale werden kollektiv geteilt. Nicht jedem fällt etwas anderes zur CDU oder zur SPD ein. Im Gegenteil: Die generellen Vorstellungen werden zu einem hohen Maße ähnlich sein. Das macht Parteien im markensoziologischen Sinn zu Marken.

Dokumentation
Ein Leserschmankerl: Grün wählen
Marken sind Botschaftsträger – augenblicklich und hemmungslos. Marken sagen immer etwas aus, egal ob das No-Name-Produkt oder die Luxusware. Die Signalfunktion bei Parteien ist allerdings noch um ein vielfaches größer als die Aussage einer Zahnpasta. Denn das Bekenntnis zu einer Partei verrät auch immer etwas über das Selbst- und Weltbild des Anhängers. Der Markencharakter der Partei gibt dem Individuum die Möglichkeit, der Mensch zu sein, der wir vermeintlich wirklich sind, vielleicht erinnert es daran, wer wir eigentlich sein wollen und ist deshalb psychologisch betrachtet, ein ständiges Sichbewusstwerden der eigenen Person. Wir erkennen in der Wahl der Marke immer uns selbst und unsere Vorstellung eines gelungenen Lebens … in einer idealen Variante.

Was „gelungen“ bedeutet, ist eine Frage des Zeitgeistes. Grüne Werte wie „Umwelt- und Tierschutz“ , „Freizügigkeit“ und größtmögliche „Toleranz“ stehen hoch im Kurs. Schließlich beschreiben sie eine Welt, wie sie sein sollte: Ethik in Ekstase. Der kategorische Imperativ als Gruppenbild. Das allein ist nicht verwerflich. Spannend wird allerdings eine übergreifende Erkenntnis: Die Unterstützung der grünen Ideale adelt den Bekenner – macht ihn zum Hyperethiker.

Das Leben ist allerdings kein Idealtypus, sondern größtenteils das Gegenteil davon. Das grüne Leben ist (leider) ein Wunsch, eine Hoffnung, gleichsam ein harmoniebetonter Sonntagsspaziergang in einem gut organsierten deutschen Forst. Wie grün ist die „deutsche Welt“ neben Mülltrennung, Feinstaubelastung und artgerechter Tierhaltung tatsächlich?

  • Drei von vier Jugendlichen sind die negativen Folgen der konventionellen 
Textilfertigung durchaus bewusst (Ausbeutung, Umweltzerstörung usw.), allerdings achten nur ca. zehn Prozent beim Kauf auf Ökosiegel und Herkunftsland. Der Anteil sog. „ökofairer Mode“ liegt bei schwer messbaren 4%.
  • Nach einer Studie der 
Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2016 betrug das Anlagevolumen in Finanzprodukte, die dem Anleger neben einer Rendite auch positive soziale oder ökologische Effekte versprechen bei 70 Mio. EUR. Zwar 
hat sich die Anlagesumme seit 2012 verdreifacht, aber damit gelten nur 0,3 % des 
insgesamt eingesetzten Volumens von Investmentfonds als „ethisch ausgerichtet“.
  • Das BÖLW-Barometer (Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft) dokumentierte für 2013, dass 85 % der Verbraucher auf eine artgerechte Tierhaltung und 83 % auf eine möglichst geringe Schadstoffbelastung Wert legen. Immerhin noch 78 % möchten ihren Kauf als Beitrag zum Umweltschutz verstanden wissen. De facto beträgt der Anteil von Bioprodukten am Lebensmittelgesamtumsatz (Stand 
2012) in Deutschland 3,8 % (ca. 66 % aller Bundesbürger kaufen Bioprodukte, allerdings nur elf Prozent regelmäßig). Auch nach über 20-jähriger Verbreitung des Themas „biologische Lebensmittel“ handelt es sich weiterhin um einen kleinen Anteil 
am Gesamtmarkt.
  • Um 2010 wurden Hybrid- und 
Elektrofahrzeuge als die Autos der Zukunft positioniert, und es wurde prominent 
postuliert, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis sämtliche Pkws der Welt auf 
Benzin und Diesel verzichten würden. Im Jahr 2014 spielte auf den für die Branche maßgeblichen Autoshows in Detroit und Genf die junge Technik nur noch 
eine untergeordnete Rolle: Stattdessen standen Innenstadtraumverdrängende 
SUVs (Sports Utility Vehicles) mit dem Benzinverbrauch von Kampfhubschraubern im Fokus der Öffentlichkeit und des Blitzlichtgewitters – ganz einfach, weil diese Fahrzeuge sich am besten verkauften. Die Anzahl von SUVs am Gesamtmarkt stieg 
2014 um 15,9 %, während der Anteil der Kleinwagen um sieben Prozent abnahm.
So wahr, so traurig. Das alte Sprichwort von „Wasser und Wein und Predigen und Trinken“ ist auch in der Welt des unentrinnbaren Konsums faktenbasierte Wirklichkeit … umso besser, dass grüne Parteien den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit zugunsten der psychosozialen Hygiene auszuräumen vermögen: Was der überteuerte biofaire Kaffee vom steuervermeidenden Großkonzern für die morgendliche Fahrt in einem Panzer, genannt SUV für das gute Gewissen, ist die durch und durch unökologische Lebensweise der Mehrheit für den Erfolg der grünen Idee. Wenn ich als Einzelperson die Ökobilanz eines Kreuzfahrtschiffes aufweise, dann schenkt mir das Kreuzchen bei den Grünen die innere Absolution. Wie gesund ist doch die politische Willensbildung für den Einzelnen. Jedem wahrhaftigen Ökologen müssen die Wahlergebnisse daher wirkungsmächtige Albträume und Zähneklappern bereiten.

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Kommentare ( 44 )

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44 Comments
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Josef K.
4 Jahre her

Großartier Beitrag , mehr davon !
Bitte eine regelmäßige Kolummne. Man kann den Grün-Heuchlern nicht oft genug vorbeten, die verlogen diese Wählerklientel ist.

Absalon von Lund
5 Jahre her

Taufen wir doch SUV in SUW um, Sonne Und Wolken. Bei den Grünen gibt es wenig Sonne und viele Wolken, wenig Licht und viel Schatten. Physikalisch betrachtet ist ihre Ideologie die mit dem schlechtesten Wirkungsgrad aller Zeiten. Ökobilanz eines Kruezfahrtschiffes trifft das genau. Was mich am SUV interessiert, ist sein Konstruktuer, was mich an einer Rolex interssiert, ist der Uhrmacher, der sie erfunden hat, also der Geist hinter dem Produkt. Im Moment verhält sich SUV zu GRÜN wie ROLEX zu SPD. Jetzt kommt kurz und knapp die Entmystifizierung der Lügner: Auto und Rolex waren schon vor 50 Jahren Statussymbole von… Mehr

plietschinderbirne
5 Jahre her

„Solange ein politischer Akteur auf den verfassungsmäßigen Grundlagen unseres Staates agiert, wäre es vermessen von ‚richtigen‘ oder ‚falschen‘ Meinungen zu sprechen. Bewegen sich die Grünen tatsächlich noch auf den verfassungsmäßigen Grundlagen unseres Staates? Für den Autor steht das zweifelsfrei fest. Offensichtlich nicht nur für den Autor oder haben sich die Medien jemals mit dem allgemein bekannten und jederzeit nachzulesenden Deutschland – Bashing der Grünen beschäftigt? Da wird über eine mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz schwadroniert, aber dass mit den Grünen nun auch in Hessen eine Partei in den Landtag einzieht, die offen bekundet, Deutschland zu hassen und zu… Mehr

Jedediah
5 Jahre her

Sie unterstellen hier schon zuviel Denken und Reflexion. Wenn man Grünwähler fragt, warum sie Grün wählen und gleichzeitig ein dickes Auto fahren, kriegt man oft einen überraschten Gesichtsausdruck. Die Leute haben selber über all die Widersprüche und Konsequenzen noch gar nicht nachgedacht. Es wird dann auch gar nicht weiter darauf eingegangen, man wird dann, fast schon verärgert, mit irgendeiner Phrase abgespeist. Das sei eben so, aber man bemühe sich ja um Weltverbesserung, irgendwie. Grün wählen ist also mehr eine Art von Emotion und wohligem Gefühl. Tritt ein beim Kreuzchen machen auf dem Wahlzettel, danach ist es vergessen.

Herbert Wolkenspalter
5 Jahre her

Im Text stehen einige Prozentzahlen, die besagen, welche die Diskrepanz zwischen Nimbus und Handlung besteht. Eine Zahl fehlt aber noch: Wieviel Prozent der SUV werden tatsächlich von Grünen-Wählern gefahren? Würden wir da vielleicht auch eine Überraschung mit einer kleinen Zahl erleben?

Uferlos
5 Jahre her

Der Autor macht es sich zu einfach. Grüne = SUV-Fahrende Moralisten + Vielflieger. Ich kenne einige Grüne, die meisten von denen fahren Fahrrad, gern auch Lastenfahrrad oder wenn Auto, dann VW Caddy oder ähnliches. Bei den Grünen gibt es viele wirkliche Ökos, die umweltbewusstes Verhalten wirklich leben. Grünes Denken ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, auch Konservative wollen saubere Luft und intakte Gewässer, artgerechte Tierhaltung, gesunde Lebensmittel usw.. Grüne Politik ist nicht per se schlecht, schlecht an den Grünen sind die Politikfelder no border / no nation, Gender, weisse Männer-Bashing usw. Der Artikel argumentiert überdies mit veralteten Zahlen. Der… Mehr

Andreas Koch
5 Jahre her
Antworten an  Uferlos

Ich bin kein Freund der Grünen, trotzdem kann ich zustimmen. Die Grüne Politik ist nicht per se schlecht. Allerdings gibt es oft einen linken bis marxistischen Hintergrund bei den Grünen und der setzt sich mal mehr mal weniger durch. Das „grüne Aushängeschild“ ist dann Tarnung, um durch die „Hintertür Umweltschutz“ alt-sozialistische Ideen doch noch gesellschaftsfähig zu machen. Und dieses perfide Vorgehen macht die Grünen gefährlich.

Thorsten
5 Jahre her
Antworten an  Uferlos

Die berüchtigen „Einzelfälle“ halt. Dürfte der harte Kern sein, aber kaum 20% …

Absalon von Lund
5 Jahre her
Antworten an  Uferlos

Der Sytsemfehler besteht darin, daß die Grünen eine grüne Sonderwelt bauen wollen, die die reale Welt derart schädigt und zerstört, daß es einen schaudert. Beispiele sind Bio-Lebensmittel oder Autos mit Elektroantrieb. Der Preis für solche Mätzchen ist für andere, die man gerne ausblendet, weil sie weit weg leben, daß diese KEINE Lebensmittel oder KEINE Automobilität haben. Die einen fahren Lastenfahrrad oder Rennrad oder Mountain Bike, die anderen freuen sich, wenn sie ein altes Fahrrad finden, das sie in Gang setzen können. Orientieren wir uns lieber an der Natur, wie sie uns gegeben ist und versuchen, sie zu begreifen. Diese Natur… Mehr

bkkopp
5 Jahre her

Die Grünen-Wähler haben mehr mit den Trump-Wählern gemeinsam als ihnen lieb sein mag. Sie wählen völlig irrational, gerne auch gegen ihre eigenen Interessen. Unabhängig ihres Bildungsgrades werden sie Opfer einer Emotionalisierung, bei der Sachargumente keine Rolle spielen. Der Strom kommt aus der Steckdose. Als die Grünen das letzte Mal in der Bundesregierung waren, gab es ein Jahr später die Bombardierung Serbiens, um den albanischen Terroristen, und der damit verwobenen albanischen Mafia, einen eigenen Staat zu verschaffen, der seitdem mit Milliarden alimentiert wird. Die Grünen von damals, von denen auch heute noch mehrere in aktiv sind, waren auch die grössten Befürworter… Mehr

Moses
5 Jahre her
Antworten an  bkkopp

„Trump-Wählern … wählen völlig irrational, gerne auch gegen ihre eigenen Interessen“.
Nach der Steuersenkung, niedrigsten Zahl von Arbeitlosen in letzten Jahrzehnten und Wirtschaftswachstum von aktuell 3,5%?
Eine mutige und merkwürdige Behauptung.
Irrational sehen ehe die Schaffende, die dagegen gestimmt haben.

bkkopp
5 Jahre her
Antworten an  Moses

Ich kann das nicht in wenigen Worten widerlegen. Aber, sie schauen auf ein sehr unvollständiges Bild von wirtschaftlichen Fakten, Zusammenhängen und Wechselwirkungen. Die Zahl der Vollzeitarbeiter ohne Krankenversicherung ist jedenfalls stärker als die Beschäftigung gestiegen, Das Lohnniveau ist insgesamt nicht mehr als die Inflationsrate gestiegen, und auch der Anteil der Bevölkerung im Arbeitsleben ist nicht gestiegen.

Moses
5 Jahre her
Antworten an  bkkopp

Meinen Sie uns oder USA?

Jedediah
5 Jahre her
Antworten an  bkkopp

So isses. Mehr ist es nicht. Eine Emotionsgeschichte abseits von Rationalität und bewusstem und klarem Zukunftsverständnis. Die Seifenoper für die Mittelschicht.

amendewirdallesgut
5 Jahre her

Egal wer was auch immer wählt , mindestens 80 % der Stimmen werden in der Hoffnung abgegeben , daß hierbei die eigenen persönlichen Interessen und Vorteile vertreten werden , nur ein ganz kleiner Teil der Wähler , gibt seine Stimme zum Wohle des großen Ganzen ab , das Kauf . – und Anlageverhalten spiegelt dies ja offensichtlich deutlich wieder ,. Diese Scheinheiligkeit und diesen Egoismus bedient heute die und morgen eine andere Partei mit den absurdesten , obskursten und fadenscheinigsten Wahlversprechen , sind sie dann erst einmal gewählt , ziehen sie vier Jahre lang fleißig all das durch was man… Mehr

Boudicca
5 Jahre her

Die „Grünen“ zu wählen, muss man sich leisten können. Das wird sich eher schneller als irgendwann in der Zukunft von alleine erledigen.
Jeder fünfte Milliardär ist schon heute ein Chinese.

Sonny
5 Jahre her

Ehrlich gesagt habe ich überhaupt keine Lust mehr, mich auch nur noch eine Minute mit diesen grünen Spinnern zu beschäftigen. Leider werde ich tagtäglich dazu gezwungen, weil es genügend Menschen in Deutschland zu geben scheint, die unterschwellig ein schlechtes Gewissen haben. Ein schlechtes Gewissen, weil Ihnen jeden Tag eingehämmert wird, wie verdammt gut es Ihnen geht und sie das Leben mit dem einen oder anderen Vorzug für sich selbst gestaltet haben. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine Wahl der Grünen der neue, deutsche Ablasshandel.