Von Kinderkreuzzügen, Klimarettung und dem Unvermeidlichen

Der Mensch der Gegenwart hat 100 Generationen ohne geistige Weiterentwicklung hinter sich. Wer den Kinderkreuzzug der Klimaretter noch befördert, macht sich schuldig. Er verspricht ein Heil, dass es nicht geben wird.

© Alexander Gerst / ESA via Getty Images

Fast schon regelmäßig, wenn wir in unseren Diskussionsrunden den Blick auf weit zurück liegende Ereignisse werfen, kommt die Frage auf: Waren die Menschen früher dümmer, weniger intelligent als heute? Unser Experte für Statistik und Haplogenetik beantwortet diese Frage regelmäßig mit einem Ja. Für ihn steht fest: Die Fortschritte in Philosophie, Wissenschaft und Technik waren nur möglich, weil sich die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns kontinuierlich weiterentwickelt haben.

Ich räume ein: Auch ich war früher dieser Auffassung. Schließlich müssen die 100 Generationen, die zwischen uns und den Menschen der Eisenzeit liegen, ja für irgendetwas gut gewesen sein. Bis ich mich intensiv mit dem Tanach beschäftigte und feststellen musste: Jenes Konzept, das ein Tandem aus dem Hohepriester der Anath und dem weltlichen Herrscher Jerusalems in den Dreißigerjahren des siebten vorchristlichen Jahrhunderts entwickelt hatten, um ihr Volk zum Aufstand gegen die Hegemonialmacht Assyrien zu bewegen, war von einer Genialität, der kein einziger der aktuell agierenden Politiker auch nur ansatzweise das Wasser würde reichen können. Sie waren weder dümmer noch weniger intelligent. Sie lebten nur in anderen gesellschaftlichen Umfeldern, unter Lebensbedingungen, in die einzutauchen uns heute fast unmöglich ist. Hier nutzten sie ihre Intelligenz – und waren durchaus damit erfolgreicher, als die meisten von Heute es jemals sein werden.

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Im Jahre des Herrn 1212 hatte Papst Innozenz III angesichts der zunehmend fatalen Lage der christlichen Befreier im Heiligen Land die Christenheit zu Prozessionen aufgefordert. In ganz Westeuropa folgten die Gläubigen dem Aufruf – und aus welchen Gründen auch immer gerieten die Prozessionen – heute würden wir von Demonstrationen sprechen – aus dem Ruder. Der Vatikan und seine Vollzugsbeamten verloren die Kontrolle über das Geschehen. In Frankreich sollen es bis zu 30.000 Menschen gewesen sein – vor allem junge, arme, verwirrte – die durch die Lande zogen und sangen „Domine deus, exalta Christianitatem et redde nobis veram crusem!“ (Herr Gott, erhöhe das Christentum und gebe uns das wahre Kreuz zurück). Die Versuche der Herrschenden, die Bewegung, in den Griff zu bekommen, scheiterten. Die Zigtausende hatten sich geschart hinter einem jungen Hirten namens Etienne, der von sich behauptete, Jesus persönlich sei ihm erschienen und habe ihm den Auftrag gegeben, für das hehre Ziel des Christentums zu kämpfen.

Im Herbst des Jahres hatte sie ihr Demonstrationszug bis an den deutschen Rhein geführt. Dort vereinigten sie sich mit einer gleichgearteten Bewegung unter einem jungen Kölner namens Nikolaus. Ihm war nicht Jesus, sondern ein Engel des Herrn erschienen, um ihm den Auftrag zu geben, das Heilige Grab von den muslimischen Sarazenen zu befreien. An Stelle eines Kreuzes habe er, so berichten Chronisten, ein geflochtenes Tau am Kopf getragen, welches als Zeichen seiner Auserwähltheit stand.

Gemeinsam zogen diese Beladenen einer traurigen Zeit als „Kinderkreuzzug“ gen Jerusalem – doch schon die Überquerung der Alpen forderte unzählige Opfer. 7.000 sollen es noch gewesen sein, die den Weg bis nach Genua schafften. Doch anders, als von Nikolaus versprochen, weigerte sich Gott, wie einst für Mose das Wasser zu teilen um den Weg ins Heilige Land zu bahnen. Wer es nun noch bis nach Brindisi schaffte, fand dort die Schiffe gewiefter Händler, die ihnen die Passage nach Palästina versprachen. Ankommen sollten sie dort nie. Wer den Weg über das Mittelmeer überlebte, wurde als Sklave an die Muslime verkauft. Einem Bericht zufolge sollen noch 1230 nc über 700 dieser Verwirrten allein in Alexandria als Christensklaven ihr Leben gefristet haben.

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Im Jahre des Herrn 1429 stand im vom ewigen Krieg mit den Engländern verheerten Frankreich eine Jungfrau auf. Die damals vielleicht 17-jährige Jeanne aus bildungsfernen Schichten hörte seit ihrem 13. Lebensjahr auf Stimmen, die ihr den göttlichen Auftrag gaben, das Land von den Feinden zu befreien. Gerüstet stellte sie sich Ende April des Jahres im belagerten Orleans gegen die Engländer – und befeuerte mit ihrem fanatischen Heldenmut die Franzosen in einer Weise, dass die Feinde den Rückzug antraten. Ihre göttlichen Stimmen sollen den damals 26 Jahre alten Prinzen bewogen haben, sie an die Spitze einer kleinen Streitmacht zu stellen, hatten sie doch die Jungfrau wissen lassen, dass der Dauphin demnächst das Königsamt übernehmen werde. Sie wurde vom König empfangen und als Heldin gefeiert, stand bei der Krönung an dessen Seite. Doch dann wandte sich ihr Gott von ihr ab. Der Versuch, das englisch besetzte Paris zu befreien, scheiterte. Sie selbst wurde am 30. Mai 1431 in Rouen nach zwei Schauprozessen auf dem Scheiterhaufen als Ketzerin verbrannt.

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„Gottes Wege sind unergründlich“ heißt es in Anlehnung an das Römerbuch 1.33 der Bibel. Und doch treibt es immer wieder Menschen, sich mit göttlichen Visionen auf den Weg zu machen, um dieses Bibelwort zu hintertreiben. Hat dann der alte Gott ausgedient, dann muss es ein neuer sein, dessen Wege unergründlich sind und dessen Wege dennoch ergründet werden sollen. Einer, der in den Zeitgeist passt. Der die Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte der Beladenen auf sich vereint; für den es sich lohnt, den heldenmütigen Kampf gegen Heiden und Ungläubige aufzunehmen. Denn die Köpfe der Menschheit sind so. Sie brauchen die Vision von etwas Höherem, Besserem, dem sie sich mit all ihrer Kraft verschreiben können. Sie brauchen etwas, das sie „Sinn“ nennen – und je ferner dieser Sinn sich in unerfüllbarer Hoffnung findet, desto mehr spornt er die Menschen an. Nein, sich intellektuell in den vergangenen dreitausend Jahren weiterentwickelt haben die Menschen nicht.

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Gott ist etwas, das über uns allen thront. Das in seiner Güte wie in seinem Zorn unser Leben bestimmt. Uns belohnt, wenn wir ihm folgen – und bestraft, wenn wir gegen seine Gebote verstoßen. Folgen wir seinen Geboten, so stimmen wir ihn gnädig und er erleichtert uns das Leben. Ketzern wir wider ihn, so wird uns sein göttlicher Zorn treffen – uns und unsere Kinder und Kindeskinder. Am Ende steht Armageddon, die Schlacht des Ewig-Guten gegen das Ewig-Böse, und sie wird unsere Welt vernichten um zu strafen die Ungerechten und zu belohnen die Gerechten. Wer auf Gottes Wegen schritt, dem ist das Paradies. Wer Gottes Wege ohne Reue und Sühne verließ, dem ist das ewige Feuer. So will es der Glaube – so ist sagen es uns die von Gott erleuchteten.

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Im Alter von acht Jahren kam es über die Jungfrau Greta, dass sie die Teufel auszutreiben habe, die der ihr eingegebenen Vision einer besseren Welt durch ihr frevelhaftet Tun entgegen standen. Sie schaltete das Teufelswerk Strom in ihrem Hause aus, beschloss, das Satans Kanaille namens Flugzeug zu meiden. Ihr Autismus zeige ihr die Welt aus einer besonderen Perspektive, sagte sie. Greta flocht ihre Haare zu zwei gebundenen Tauen, die rechts und links an ihrem Kopfe hingen. Sie beschloss, sich von den Banalitäten des Alltags zu verabschieden, mit vollem Einsatz für die ihr eingegebene Sicht der Welt zu kämpfen. Sie scharte hinter sich Tausende von Menschen – vor allem junge und manch einen, der verwirrt auf die Kapriolen des Wetters schaute, Mit und für Greta zogen sie durch die Lande und riefen: Wacht auf! Rettet das Klima!

Die Panik vor einer Hölle, die der Mensch sich selbst geschaffen habe und die Greta Tag für Tag zu spüren behauptete, brachte sie bis an die Seite der Herrschenden, die ihre lauschten. Die Herolde der Medienschaffenden lagen ihr zu Füßen, die Herrscherin der Deutschen, die dem faktischen Zeitalter abgeschworen hatte, feierte Gretas Kinderklimazug, denn es sei ihr Glaube, dass „das eine sehr gute Initiative“ sei.

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Klima ist etwas, das seit Anbeginn der Atmosphäre ist. Als der erste Mensch durch die Savannen Afrikas zog, war es fast so alt wie die Erde selbst, auf der der Mensch ging. Es sorgt mit höchst komplexen Prozessen dafür, dass es regnet oder trocken ist, wie die Winde wehen und wo Stürme entstehen. Lange bevor es Menschen gab, hatte es Warmzeiten ebenso geschaffen wie Kaltzeiten. Es soll dafür gesorgt haben, dass einst dieser gesamte Planet mit Eis überzogen war – und dass in einer Zeit der Wärme die Lebewesen so groß wie Häuser wurden. Klima ist einem ständigen Wandel unterlegen. Von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr, von Zeitalter zu Zeitalter.

Das Klima ist unergründlich, so hieß es über Jahrtausende, als der Mensch hilflos seinen Kapriolen ausgesetzt war. Nicht zuletzt deshalb beteten Menschen in früheren Zeitaltern die es bestimmenden und von ihm bestimmten Phänomene an, baten ihre Götter, sie vor allzu misslichen Konsequenzen aus Klimaphänomenen zu bewahren. Nein, das Klima war kein Gott. Aber es gab keinen Zweifel: Diejenigen, die es machen, mussten Götter sein.

Irgendwann entdeckten die Menschen dann, dass es zahllose Einflüsse gab, die auf das Klima Einfluss nahm – und die selbst wiederum durch das Klima beeinflusst wurden. Große Vulkanexplosionen konnten dafür Sorge tragen, dass Schwebteile die Sonneneinstrahlung verringerten. Das Klima wurde kälter, die Menschen hungerten, weil ihre Ernten nicht reiften. Wenn das Klima die Ozeane aufheizte, entstanden Stürme, die ganze Inseln und Küstenregionen verwüsteten. Gab es in der Atmosphäre zu viel gefährliche Gase, dann konnte ein Ozonloch entstehen und den Schutz vor Weltraumstrahlung verringern. Und die Menschen meinten zu begreifen, dass sie selbst die Schuld daran trügen, dass sich das Klima wandle.

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Die Erde ist in gewisser Weise ein geschlossenes System. Doch es funktioniert nur, wenn es einer ständigen Energiezufuhr durch ihr Zentralgestirn ausgesetzt ist. Die Energiezufuhr machte, dass Pflanzen wuchsen, Tiere lebten. Sie machte auch, dass es warme und kalte Zonen auf dem Planeten gab. Sie machte mit den dadurch verursachten Luftschichten, dass das Gasgemisch der Atmosphäre sich in ständiger Bewegung befand und das schuf, was der Mensch Wetter nennt. All dieses zusammen bestimmt das Klima – ein komplexer, fast chaotischer Ablauf unter den unterschiedlichsten Einflüssen.

Klima, geologische Plattentektonik und damit verbundene Ausbrüche des flüssigen Erdinneren in die Atmosphäre, selbst Meteoriteneinschläge nahmen ständig Einfluss auf das, was Klima ist. Bei all dem speicherten die natürlichen Abläufe Teile der ständig zugeführten Energie unter der Erdkruste. Als Kohleflöze, als Öl- und Gasfelder. Darunter brodelt die Hitze des Planetenkerns – eine unvorstellbare Menge an Energie. Der Planet gleicht einer riesigen Batterie, deren eingelagerte Energie so lange schlummert, bis jemand sie abruft. Und irgendwann begann der Mensch, diese Energie abzurufen. Zuvor hatte er den Energiebedarf, den er nicht unmittelbar durch die Sonneneinstrahlung nutzen konnte, erst durch das Abholzen von Wäldern, dann durch das Abschlachten von Walen und anderen stark fetthaltigen Tieren gewonnen. Kam es zum Ausbruch der in der Batterie Erde gespeicherten Energie, dann galt dieses aber zumeist als Katastrophe und die daraus folgenden Kapriolen des Klimas als unabwendbar.

Irgendwann begriffen die Menschen, dass sie mit der Nutzung der aus fossilem Leben entstandenen Energie Großes bewirken konnten. Sie begannen mit der Freisetzung dieser Energien – und ja: Auch diese Freisetzung von Energie, die über Jahrmillionen Jahren gespeichert war, wird Einfluss nehmen darauf, wie die komplexen Vorgänge des Klimas sich konkret entwickeln.

Doch wie will eine Wissenschaft, die keine hundert Jahre und als interdisziplinäre von Physik, Meteorologie, Geologie, Geografie und Ozeanografie agiert, allen Ernstes die Komplexität eines Phänomens wie dem Klima erfassen? Und wenn sie das kann – auf Grund welcher Erkenntnisse will sie zuweisen, welcher Einfluss welchen Anteil an Veränderungen hat? Wir wollen nicht abstreiten, dass auch der Mensch Einfluss auf klimatische Ereignisse haben kann. Aber hat schon einmal jemand untersucht, wie hoch daran allein der Anteil der Wärmeabstrahlung von bald acht Milliarden Menschen ist? Welchen Einfluss die tagtägliche Gasproduktion allein dieser Biomasse hat?

Die sogenannte Klimaforschung machte sich auf, Schuldige für Phänomene zu finden, die sie statistisch erfassen konnte. Und der sie statistisch Ursachen zuwies. Dabei aber fand sie – und hier wird es fragwürdig – ausschließlich vom Menschen gemachte. Denn da hatte sie etwas, auf das sie mit dem Finger zeigen konnte. Wer diesem Fingerzeig nicht folgen wollte, wurde zum „Klimaleugner“.

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Massenphänomene des Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie fiktive Vorstellungen dessen entwickeln, was gut ist und was böse. Gut und Böse sind die moralisierenden Schwestern von richtig und falsch. Was richtig ist, das muss gut sein. Was falsch ist, das ist böse. Wer wie einst die Mitläufer des Kinderkreuzzuges sich einer Idee verschreibt, der tut dieses, weil er meint, das richtige zu tun. Er wird damit zum Verfechter des Guten. Das gibt ihm das Recht, jeden, der sich dieser Idee nicht verschreibt, zum Bösen zu erklären. Wer das Richtige leugnet, der kann niemals ein Guter sein. Er wird immer der Böse bleiben. So lange, bis das Gute das Böse vernichtet hat.

Das, was der Mensch als Religion bezeichnet, könnte ohne diese klare Trennung nicht existieren. Für den wahren Christen ist einzig der unverbrüchliche Glaube an Gott richtig – und deshalb ist er gut. Für den Moslem ist einzig der Glaube an Allah richtig – und deshalb ist er gut. Die menschliche Geschichte ist voll von Gemetzeln, in denen die Guten über die Bösen herfielen oder die Bösen über die Guten. Wer dabei obsiegte, war am Ende immer der Gute, denn der andere musste der Böse gewesen sein, weil er sonst nicht verloren hätte.

Doch die Trennung in Gut und Böse hat niemals etwas mit Wissenschaft zu tun. Es ist etwas, das man als einen Irrsinn bezeichnen könnte, der sich im Kopf abspielt. Die Teilung der Welt in Gut und Böse ist ein Instrument, welches dem Gehirn beim Sortieren der eigenen Unzulänglichkeit hilft. Es erleichtert es dem Menschen, sich selbst positiv zu definieren, weil es ihm ein Gerüst gibt, seine Triebe und Gedanken in Schubladen zu packen. Was in der Schublade des Bösen landet, gehört eingesperrt. Was in die Schublade des Guten kommt, muss nicht mehr geistig reflektiert werden.

Deshalb erst wurden Religionen möglich. Sie nehmen dem Menschen das Denken ab. Der Preis, den die Menschen dafür zahlen, ist ihre Individualität. Das Schlimmste, was dem Menschen als Rottentier geschehen kann, ist das Alleinsein. Die Menge der Guten gibt zu dem Gefühl des Guten diese Geborgenheit. So darf sich niemand wundern, wenn es vor allem Pubertierende sind, die sich dem Zug der Guten anschließen. In dieser Entwicklungsphase ist der Mensch auf der Suche nach sich selbst und nach seinem Platz in dieser Welt. Die Entscheidung für das gedachte Gute gibt ihm das Recht, alles zu tun, alles zu fordern, was er im Kampf für das Gute für geboten hält. Und sie gibt ihm das Gefühl der Gemeinschaft in unendlicher Geborgenheit, dass er vielleicht in seinem Elternhaus nie hatte.

Das war anno domini 1212 so. Es ist nicht anders im Jahr 2019.

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Der Kampf gegen das Böse erfolgt im ersten Schritt mit Worten. Wer „das Klima“ leugnet, der leugnet Gott. Die Frage, wie ein kleiner, unbedeutender Mensch, der nur einen Bruchteil eines Wimpernschlags auf diesem Planeten weilt, ein ewiges Phänomen „leugnen“ kann, wird nicht gestellt. Sie darf nicht gestellt werden, denn allein schon diese Frage ist Häresie.

Wer die Frage nach Allah stellt, der ist verdächtig. Wer Allahs Existenz infrage stellt, des Todes. Wer im europäischen Mittelalter die Frage nach Gott stellte, war es auch. Was ist derjenige, der die Frage nach dem Klima stellt? Der Leugner Gottes stärkt die Überzeugung der eigenen Fiktion. Und wozu braucht der Klimagläubige den Klimaleugner?

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Glauben ist von gestern. Unmodern. Die europäische Aufklärung hat die Menschen gelehrt, dass es einen Gott als alten Herrn mit weißem Bart auf der Wolke nicht gibt. Die Kirchenvertreter selbst haben es gelernt. Sie verwalten nur noch ihre Pfründe von vorgestern, hängen sich auf an mittelalterlichen Ammenmärchen, haben den Zug verpasst, den Suchenden Ideen zu geben, in denen die Vorstellung des Göttlichen mit der Moderne versöhnt werden. So schufen sie den Raum für jene, die nach neuen Göttern suchen.

Doch Götter sind out – Glauben ist es auch. So wird aus dem Klimagläubigen der Klimaretter. Denn Retter sind gut. Sie ziehen nach Jerusalem, um das heilige Grab vor den Barbaren zu retten. Alles, was sich dem in den Weg stellt, ist böse. Wer nicht rettet, der tötet. Klimatöter sind die Feinde. Autos sind Klimatöter. Fabriken sind Klimatöter. Kraftwerke sind Klimatöter, Mastbetriebe sind Klimatöter … was sind die Menschen?

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Wie aber tötet man einen Gott? Und wie rettet man einen Gott vor dem Tod?
Wie rettet man das Klima – ist es doch etwas, das ewig ist, solange es die Erde geben wird? Etwas, das es länger geben wird als Gott, der nur ist, weil der Mensch ist?

Begriffe lügen. Begriffe sollen lügen. Klimaretter hören auf Stimmen, die ihnen etwas erzählen, das es nicht geben kann. Was ewig ist, bedarf keiner Rettung. Es existiert in der Veränderung, im ständigen Wandel. Aber es bleibt bei all dem immer, was es ist. Klima ist auch, wenn der Mensch mit ihm nicht leben kann.

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Wenn es so sein sollte, dass die Freisetzung der über Jahrmillionen von Jahren gespeicherten Energien aus der Kruste der Erde die Ursache dafür sind, dass die Durchschnittstemperaturen auf dem Planeten steigen, dann wird der Klimakreuzzug von heute enden wie der Kinderkreuzzug des Hochmittelalters. Denn dann ist es längst zu spät selbst dann, wenn über Nacht jegliche Umwandlung der gespeicherten Energie in nutzbare beendet würde. Dann ist längst viel zu viel Energie freigesetzt worden, die ihren Einfluss auf das Klima nimmt. Dabei wissen wir: Genau dieses Ende wird nicht geschehen. Und geschähe es, wäre die daraus entstehende Menschheitskatastrophe jener des biblischen Armageddon würdig.

Wenn die von den Menschen zusätzlich in die Atmosphäre eingebrachte Energie sogar die Hauptursache einer Änderung des Klimas sein soll, dann dürfte die Menschheit sich nicht auf Einsparungsziele und Ersatzvornahmen konzentrieren – und vor allem nicht mit Klimakreuzzügen ablenken. Dann müsste sie all ihre technischen, geistigen und innovativen Möglichkeit darauf ausrichten, diesen von ihr produzierten Energieüberschuss aus der Atmosphäre zurück in Energiespeicher zu überführen. Ob und wie das technisch möglich ist, wäre eine Aufgabe, die Ingenieure angehen müssten. Bislang hat der menschliche Geist gezeigt, dass er in der Lage war, für jede Situation einen Weg zu ermöglichen – hatte er das Problem erst einmal als solches erkannt.

Doch statt unsere hochqualifizierten Industrien, die hierzu vielleicht ebenso in der Lage wären wie dazu, andere Weg aufzuzeigen, entsprechend zu fordern und zu fördern, vernichten wie sie. Eine um die andere. Am Ende bleibt das Brachland der Klimagläubigen, die sich selbst um ihr Leben gebracht haben. Die feststellen werden, dass ihr Gott ihnen ebenso wenig den Weg gebahnt hat, wie es der ihre jenen Kindern in Genua tat.

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Der Mensch der Gegenwart hat 100 Generationen ohne geistige Weiterentwicklung hinter sich. Wer den Kinderkreuzzug der Klimaretter noch befördert, macht sich schuldig. Er verspricht ein Heil, dass es nicht geben wird.

Papst Innozenz III hätte, gäbe es einen Gott, im ewigen Fegefeuer schmoren müssen. Er trug die Schuld daran, dass tausende von Kindern einer Wahnidee folgten und im Untergang endeten.

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Kommentare ( 90 )

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HJH1
5 Jahre her

Da fällt mir ein Liedtext von Reinhard Mey ein (aus sei wachsam):
Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm:
Halt du sie dumm, – ich halt’ sie arm!

olive
5 Jahre her

Es wurde schon viel gesagt, ich sage nur: grossartiger Text, mein Kompliment zu diesen Gedanken.

jh skeptisch
5 Jahre her

Danke, Herr Spahn!
..das scheint mir eine allgemein verständliche, kurze und akzeptable Erklärung der Welt und wie sie funktioniert zu sein!

Es bleibt zu fordern:
Schafft alle Götter, alle Fanatiker und alle Ideologen ab!, und versucht Vernunft und Wahrheit immer mit dem Zweifel des aktuellen Erkenntnisstandes zu belegen!
Ganz im Sinne von Sir Popper und dem wissenschaftlichen Relativismus!

K.O.Estler
5 Jahre her

Als das Zopfmädel mit dem Comic-Antlitz seinen ersten inszenierten Auftritt in Katowice bekommen durfte, weilte ich gerade auch in Polen. Ich wartete auf das Ersatz-Zweimassenschwungrad für meinen Diesel, das ausgerechnet in Polen den Dienst quittierte. Dadurch hatte ich etwas Zeit (Mietwagen in Polens Norden mal eben kurz vor Weihnachten? Fehlanzeige, Sixt, europcar & Co. haben Fahrzeuge nur auf den Internetseiten, keine realen) und konnte den Nachrichten folgen. Da war was über dieses Mädchen. Alle Medien berichteten recht zurückhaltend und skeptisch – eventuell waren die links gerichteten anders drauf, die meide ich aber. O-Ton: ein verwirrtes Kind trägt auswendig gelernte, seltsam… Mehr

Herr_Schmidt
5 Jahre her

Nichts.

Dr. Mephisto von Rehmstack
5 Jahre her

Sehr guter Artikel und Dank dafür. Zwei Aspekte möchte ich nur akzentuieren. Erstens eine monokausale Erklärung für ein polykausales Phänomen ist wissenschaftlich total unlogisch. Warum hören wir von den Schellnhubers etc nicht auch eine kritische Abschätzung des Einflußes weiterer Kovariablen in diesem System, was in jeder wissenschaftlichen Diskussion selbstverständlich wäre? Zweitens: sollten die Anhänger der Klimakirche tatsächlich Recht haben und wir auf eine Klimakatastrophe zu steuern („Es geht um Leben und Tod“ A. Guttierez), dann müßte tatsächlich die gesamte wissenschaftliche Intelligenz der Welt nach einer nachhaltigen Lösung des Energieproblems suchen, Windmühlen sind das sicher nicht wie jeder, der die vier… Mehr

armin wacker
5 Jahre her

Also fuer mich ist immer befremdlich,wenn Leute, die die Bibel gar nicht gelesen haben, über das Christentum reden. nun ja eins sei aber gesagt das Klima wird auf jeden Fall zu einer Gesundung des Planeten führen.Sei es nur darum , dass die Menschheit auf ein erträgliches Mass beschnitten wird.

FionaMUC
5 Jahre her

„Bislang hat der menschliche Geist gezeigt, dass er in der Lage war, für jede Situation einen Weg zu ermöglichen – hatte er das Problem erst einmal als solches erkannt.“ Das stimmt. Das gelingt aber nur dem sehr gut geschulten menschlichen Geist. Dazu muss man in die Schule gehen und die Schulen müssten wieder Wissen vermitteln, statt Ideologien.

Sonia.B.
5 Jahre her

Leider ist das mit dem Glauben nicht so simpel. Es gibt milliarden Menschen auf erden, die friedlich vor sich hin glauben, an Gott, an das Schicksal, an die Wissenschaft. Solange sie nur Glauben und ihr eigenes Leben daran ausrichten, vielleicht gerade noch versuchen, andere durch ihr gutes Beispiel zu inspirieren, ist gegen Glaube allein nichts einzuwenden. Auch ich selbst glaube, würde mich selbst als Gläubige bezeichnen, ohne das ich früher deshalb mit irgend jemandem aneinander geraten wäre. Ich glaube das es insgesammt besser ist, wenig Fleisch zu konsumieren und dann noch darauf zu achten, nicht unbedingt Massemtierhaltubg zu unterstützen. Meine… Mehr

Ralf Poehling
5 Jahre her

Sehr schöner Artikel, Herr Spahn. Was der Mensch nicht versteht, wird spirituell interpretiert. Denn nichts ist für den Menschen schlimmer, als eine Frage, auf die niemand eine Antwort weiß. Ungewissheit führt zu Angst. Und Angst zur Suche nach dem Seelenretter. Und wenn dieser Seelenretter nirgendwo zu finden ist, muss man ihn eben erschaffen. Und da sämtliche Religionen dazu tendieren, Menschen dadurch zu erlösen, indem sie ihnen Regeln auferlegen, ist am Ende immer einer der Schuldige: Der Mensch selbst. Führt im Falle der klassischen (auf einem Gott basierenden) Religionen die Verhaltensanpassung zur Erlösung, bleibt dies im Falle der Klimareligion am Ende… Mehr