Hamburg – Ein Blick auf die Bürgerschaftswahl

Vorbei ist die Hoffnung des Sommers 2019, als im Zuge der Klimahysterie sich die Hansegrünen bereits auf dem Weg sahen, selbst den Ersten Bürgermeister stellen zu können.

Patrick Stollarz/AFP/Getty Images

Am 23. Februar wählt die Freie und Hansestadt Hamburg ihre Bürgerschaft. Sollte es nicht nach dem konzertierten Angriff auf die Parlamentarische Demokratie in Thüringen dort zu einer Neuwahl kommen, bliebe Hamburg die einzige Landtagswahl des Jahres 2020. Lediglich zwei Kommunalwahlen stehen noch auf dem Programm: Am 15. März im Freistaat Bayern und am 13. September in Nordrhein-Westfalen.

Unaufgeregt in die nächste Regierungsperiode

Viel Aufregendes scheint aus der Hansestadt nicht zu vermelden zu sein. Seit Februar 2015 von einer rotgrünen Koalition regiert, ist an der Elbe von Wechselstimmung nichts zu spüren. Die SPD tritt nach dem politischen Umzug des Olaf Scholz an die Spree erstmals mit Peter Tschentscher an. Der gebürtige Bremer und habilitierte Mediziner gilt als uncharismatisch, aber solide. Aus bürgerlichem Hause stammend bescheinigten ihm Mitarbeiter der Finanzbehörde, der Tschentscher von 2011 bis 2018 als Senator vorstand, eine zugängliche und sachorientierte Amtsführung.

2018 sorgte der scheidende Scholz dafür, dass Tschentscher als Erster Bürgermeister zum Primus inter pares des Hamburgischen Senats wurde. An seiner geräuschlosen unaufgeregten Amtsführung sollte sich nichts ändern, was auch der Tatsache geschuldet ist, dass Vorgänger Scholz die bis zu seinem Amtsantritt hoffnungslos zwischen linksradikalen Sozialreformern und „rechten“ Sozialdemokraten um dem heimlichen Herrscher des Stadtbezirks Mitte, jenem zwischenzeitlich mehr durch Hassattacken gegen parlamentarische Konkurrenten denn durch qualifizierte Sachbeiträge aufgefallenen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, zerstrittene SPD um des Machterhalts willen in einen bislang tragenden Burgfrieden zwang. Hinzu kommt, wie eine Erstwählerin mit Tendenz zur ÖDP meint, dass „Tschentscher der einzige ist, der auf den Plakaten seriös wirkt“ – zwar keine Auszeichnung für die zahlreichen anderen Köpfe im Schilderwald, jedoch ein Prädikat für die Agentur, die den Bürgermeister beim Kampf um seine Wiederwahl spint.

Tschentscher, daran gibt es kaum Zweifel, wird auch nach dem 23. Februar Bürgermeister Hamburgs bleiben. Aktuelle Umfragen der ÖR-Medien sehen seine SPD bei 37 bis 38 Prozent. Die Zeiten absoluter Mehrheiten scheinen jedoch auch in dem ehedem roten Hamburg der Vergangenheit anzugehören, und so kann sich Katharina Fegebank von den Grünen berechtigte Hoffnung machen, auch in den kommenden fünf Jahren als Zweiter Bürgermeister Präsenz zu zeigen.

Kaum noch Chancen für Grünschwarz

Vorbei allerdings ist die Hoffnung des Sommers 2019, als im Zuge der Klimahysterie sich die Hansegrünen bereits auf dem Weg sahen, selbst den Ersten Bürgermeister stellen zu können. Eine Woche vor der Wahl werden deren Erfolgsaussichten zwischen 23 und 25 Prozent prognostiziert. Die Lehrertochter Fegebank aus dem Hamburger Vorort Bargteheide wird es verkraften. Verankert im Stadtbezirk Altona und dort parteipolitisch sozialisiert in einer Zeit, als dort eine schwarzgrüne Koalition erfolgreich zusammenarbeitete, sah es eine Zeitlang so aus, als könnte die Politikwissenschaftlerin mit Universitätsabschluss in Umkehrung jener letzten von-Beust-Koalition an einer grünschwarzen Zusammenarbeit auf Senatsebene Gefallen finden.

Darauf hoffte offenbar auch der CDU-Spitzenkandidat Marcus Weinberg, als er 2019 die vom Landesvorsitzenden Roland Heintze und Fraktionschef André Trepoll ausgeguckte Aygül Özkan als Spitzenkandidat ersetzen musste, weil bei jener eine Krankheit diagnostiziert worden war, welche die weitere politische Arbeit ausschloss. Das Parteispitzenduo Heintze-Trepoll folgte mit dem eigenen Verzicht einer Tradition des ehemaligen CDU-Übervaters Jürgen Echternach, der in der zumeist aussichtslosen Position der Hamburger CDU bei den Bürgerschaftswahlen stets andere vorschickte, um sich nicht selbst zu beschädigen. Weinberg, seit 2004 Bundestagsabgeordneter und als solcher Berufspolitiker, dabei Mannschaftskapitän des „FC Bundestag“, schien angesichts der grünschwarzen Hoffnung der ideale Ersatzkandidat. Selbst wie Fegebank Altonaer, verfügt er seit jener Bezirkskoalition über enge Drähte und gute persönliche Beziehungen zu führenden Grünen, die sich zumindest in jenem Multikulti-Stadtbezirk zwischen linksextremer Sternschanze und postbürgerlichem Blankenese durch einen gewissen Pragmatismus auszeichneten.

Der CDU-Absturz setzt sich fort

Jedoch sind die grünschwarzen Hoffnungen vom Nordseewind verweht, liegt doch die CDU derzeit nur noch bei 13 bis 14 Prozent Zustimmung. Damit wird es für einen Fegebank-Weinberg-Senat nicht reichen.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer allerdings gibt es für den Stabsunteroffizier und Lehrer mit Zweitem Staatsexamen nun jedoch in anderer Richtung. Sollten die Prognosen dem tatsächlichen Wahlergebnis entsprechen, so könnte die CDU den Versuch unternehmen, als Juniorpartner unter Tschentschers Fittiche zu schlüpfen. Inhaltlich dürften in Hamburg Rote und Schwarze enger bei einander sein als Rote und Grüne. Die 38 % der SPD und eher 13 % der CDU brächten zusammen 51 Prozente bei den Wahlen. Vorteil der SPD in einer solchen Koalition: Sie könnte deutlich mehr Senatorenposten an eigene Leute vergeben, als dieses mit den Grünen der Fall wäre. Nachteil: Die Bürgerschaftsmehrheit wäre voraussichtlich überaus knapp – und so deutet manches darauf hin, dass die SPD, wie in der Vergangenheit regelmäßig erfolgreich exekutiert, in einer solchen Konstellation die CDU als Spielmasse nutzen wird, um dadurch den Forderungskatalog der Grünen abzuspecken.

Eine gerupfte Oppositionsbank

Damit wird künftig eine deutlich gerupfte CDU als vermutlich trotz allem stärkste Kraft auf den Oppositionsbänken sitzen – gemeinsam mit Vertretern der Kommunisten und der AfD. Die sogenannte „Linkspartei“ vertritt in der Hansestadt ähnlich radikale Politikmuster wie die Genossen in der Bundeshauptstadt. Mietendeckel bis hin zu Enteignungsphantasien prägen das wohnungspolitische Programm jener Partei, deren Vertreterin Sabine Boeddinghaus die eigenen Forderungen als „wirklich radikal“ bezeichnet und deren Politik darauf zielt, die Hansestadt weiter zu proletarisieren. In den Prognosen allerdings liegen die Kommunisten mit acht Prozent knapp unter ihrem letzten Ergebnis – eine Folge auch jener Querelen, mit denen sich die SED-Nachfolger 2015 ihrer moderaten Fraktionsvorsitzenden Dora Heyenn entledigten.

Zu großangelegten Blütenträumen wird es in Hamburg auch für die AfD nicht reichen. Die hat sich in der Hansestadt um den früheren Schill-Parteigänger und Senator Dirk Nockemann geschart, dümpelt in ihrer Oppositionsarbeit jedoch eher vor sich hin, als dass sie sich durch tatsächliche politische Alternativen auszeichnet. Zwischen sechs und sieben Prozent werden der AfD gegenwärtig prognostiziert – wobei erfahrungsgemäß die Endergebnisse hier eher über als unter der Prognose liegen.

Die FDP bastelt bereits am Narrativ der Niederlage

Schlechte Karten hat Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein von der FDP. Die im schicken Blankenese beheimatete Juristin mit Zweitem Staatsexamen hat dabei den Schuldigen für das erwartete Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde bereits ausgemacht. Für sie ist die angebliche Kumpanei der Liberalen in Thüringen mit der AfD der erklärte Sargnagel – wobei vermutlich bis in alle Ewigkeit ungeklärt bleiben wird, was die potentiellen FDP-Wähler in den begüterten Hamburger Stadtteilen mehr verwirrt hat: Die Wahl des bürgerlichen Kemmerich zum Regierungschef mit Stimmen der AfD oder der umgehende Amtsverzicht des gewählten Ministerpräsidenten auf Druck des Pöbels zugunsten der kommunistischen Gesellschaftsveränderer.

Insofern allerdings wächst der Hamburgischen Bürgerschaftswahl, die ansonsten wenig Spektakuläres verspricht, dann doch eine gewisse bundespolitische Bedeutung zu. Sollte die FDP krachend scheitern, könnte die Frage nach dem Verbleib des sich in Dauer-Mimimi ergehenden Christian Lindner an der Parteispitze erneut auf die Tagesordnung kommen. Gleichzeitig wird sich eine wohlgefällige SPD-Führung, die durch den Tabubruch einer Zusammenarbeit mit den Kommunisten das Thüringer Desaster erst möglich gemacht hat, sich angesichts der Hamburger Ergebnisse auf die Schultern klopfen. Und dabei verkennen, dass in Hamburg die gemäßigt und mit Blick auf die Wirtschaftsinteressen geführte SPD zwar immer noch ihre letzte Hochburg hat, allerdings im Vergleich zur letzten Wahl voraussichtlich rund acht Prozentpunkte verlieren wird.

Doch immerhin: Wenn schon die Sozialdemokratie als bundespolitischer Faktor zunehmend überflüssig wird, kann sie sich immerhin noch Hoffnung als hanseatische Regionalpartei machen. Wohingegen die CDU sich langsam die Frage stellen sollte, ob das Kopieren linksgrüner Politikmuster tatsächlich den Weg zum Erfolg ebnet. Immerhin lagen die Christdemokraten noch 2004 bei 47,2 Prozent. Da kann ein Absturz auf nun 13 Prozent nur noch als Sturz ins Bodenlose bezeichnet werden.

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Kommentare ( 17 )

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Waehler 21
4 Jahre her

Wenn man für gar nichts steht, außer gegen rechts und links, reicht es halt nicht, dass ist auch gut so!

hassoxyz
4 Jahre her

Die Hamburger werden das wählen, was sie schon immer gewählt haben, nämlich Mitte-Links bis weit links. Hamburg war schon immer überwiegend links, und das wird es auch bleiben, wenn nicht irgendwann etwas gravierendes passieren sollte. Die Norddeutschen sind eben stur, oberflächlich und gleichgültig, aber leider auch ziemlich dumm, lethargisch und proletenhaft. Ideale Voraussetzungen für eine dauerhafte Mehrheit links von der Mitte. Die schwache Hamburg-CDU hat sich längst aufgegeben und ist zu einem Erfüllungsgehilfen linksgrüner Politik geworden. Die AfD ist hier nur eine Randerscheinung, mit 8% könnte sie schon sehr zufrieden sein. Wenn ich als Bürgerlicher in Hamburg leben würde, also… Mehr

Politkaetzchen
4 Jahre her
Antworten an  hassoxyz

Das habe ich getan, wobei ich zugeben muss, dass in meiner Kindheit die Stadt noch „normal war“

Fundamentiert
4 Jahre her

Die CDU ist selber Schuld, hat linke Themen befördert. Die Oppositionsrolle würde ihr gut tun zumal sie im Bund stattfinden würde, denn dann käme endlich die Besinnung. Mal schauen, vielleicht passiert das ja und RRG schafft freie Wahlen innerhalb der 4-5 Jahre Regierungszeit nicht ab. Mal schauen.

Ede Kowalski
4 Jahre her

„Die erste Generation verdient das Geld,,die zweite verwaltet das Vermögen,,die dritte studiert Kunstgeschichte und die vierte verkommt vollends.“

Dieses Zitat Otto von Bismarks spiegelt sich sehr deutlich in den Wahlergebnissen solcher Städte wie Hamburg, Bremen und natürlich Berlin wieder. Einer Begründung hierfür, bedarf es an dieser Stelle sicherlich nicht.

Ejot
4 Jahre her

Sie sollten das progressiv durchgrünte Hamburg nicht mit dem kleinen zänkischen Bergvolk östlich von Hessen vergleichen. Die Hamburger CDU möchte auch für 16jährige Greta-Jünger wählbar sein – die können Sie nun wirklich nicht mit den alten weißen Männern der Thüringer CDU gleichsetzen.

Nibelung
4 Jahre her

Ist das nicht die Stadt, wo Sozialisten und Kommunisten gerne von Menschen sprechen únd ihnen nur zur Wahl das Attribut Bürger zugestehen und nirgends wird es deutlicher wie auf diesem Flecken, wo die Wähler und ihre Politikerkaste sich gerne aus dem Wege gehen, die einen bei Kaffee und Kuchen, hoch über der Elbe mit den Sozi-Granden und die anderen in den Tiefen der Lebenswirklichkeit, weit ab vom Gesülze über Freiheit und fürsorglichen Sozialismus und in diesem vermeintlichen Wir-Gefühl leben sie so herrlich aneinander vorbei, die einen täglich in der neuen Hoffnung und die anderen in ihrer puritanischen Gotterhalts Mentalität, wobei… Mehr

Sabine W.
4 Jahre her

Jedes Bundesland schaufelt sich inzwischen sein Grab auf eine sehr individuelle Weise. Hier in HH sind es u. a. die ach so notwendigen Fahrradspuren, die den täglichen Berufsverkehr in die und aus der Innenstadt komplett ausbremsen. Dafür stehen Autofahrer noch einmal mehr Stoßstange an Stoßstange, und der Weg zum nächsten Supermarkt geht jetzt nicht mehr direkt, sondern mit drei Kilometern Umweg. Dafür bekommen wir aber riesig aufgeblasene Fahrradspuren, die kein Mensch nutzt (zumal das entsprechende Netz in meinem Stadtteil vorher schon sehr gut vorhanden war), und die Zahl der Radfahrer wird dadurch auch nicht mehr. Macht nichts, Hauptsache wir blasen… Mehr

PaulN
4 Jahre her
Antworten an  Sabine W.

Jedesmal wenn wieder ein Radfahrer unter einen LKW geraten ist, gibt es einen riesen Aufschrei und es werden die unmöglichsten Forderungen gestellt, außer natürlich der, dass auch der Radfahrer im Straßenverkehr sein Hirn einschalten sollte. Gleichzeitig baut man Radwege die sich mit der Fahrbahn kreuzen und bei denen sich der Radfahrer jetzt erst recht im toten Winkel des PKW/LKW Fahrers befindet. In ein paar Jahren werden das auch unsere Politdarsteller feststellen und es wird wieder für Abermillionen umgebaut werden. Als Alternative zu den Wohnblöcken gibt es für ** auch noch schöne Designer Wohnungen oder hübsche Reihenhäuser. https://afd-hamburg.de/hochwertiger-wohnraum-fuer-migranten-in-billstedt-haferbloecken/ https://www.mopo.de/hamburg/wahlkampf-afd-hetzt-gegen-fluechtlingswohnungen-in-hamburg-33816020 Auch ich… Mehr

Fuerstibuersti
4 Jahre her

Die CDU wird sich gar nichts fragen. Die CDU hat sich nichts zu fragen. Die CDU ist Mutti, die in ihrem Amoklauf nicht gestört werden darf. Der Rest aind knochenlose Wesen auas der Tiefsee, die sich höchstens fragen dürfen, ob der riesige Vaselinetopf von Mutti noch bis Ostern reicht.
Wenn man den Artikek liest, könnte man glauben, Thüringen wäre eine einmalige , halb -so -wilde Torheit gewesen.

country boy
4 Jahre her

Nur 7% für die AfD? Offensichtlich wollen die Hamburger noch mehr Migranten in ihrer Stadt haben. Die sind halt weltoffen. Hafenstadt.

PaulN
4 Jahre her
Antworten an  country boy

Die Stadt besteht fast nur noch aus Migrahigrus mit Wahlrecht.

Edu
4 Jahre her

Wahlbeteiligung über oder unter 50% ?