Weltspartag: Opa erzählt vom Krieg

Wer heute seinen Kindern vom Weltspartag erzählt, kommt sich vor, als ob „Opa vom Krieg erzählt“.

Piggy Bank.

Zwei Weltereignisse fallen in dieser Woche aufeinander. Heute hat Mario Draghi seinen letzten Arbeitstag und gestern war Weltspartag. Freund und Leid liegen bekanntlich nah beieinander. So auch hier. Der Weltspartag war früher ein großes Fest. Die Kinder gingen mit Ihren Eltern oder Großeltern zur örtlichen Sparkasse oder Volksbank und gaben Ihre Spardose ab. Der Inhalt wurde auf dem Sparbuch gutgeschrieben und dazu kamen die Zinsen des Vorjahres hinzu. Anschließend gab es noch Luftballons und ein Geschenk der Bank. Sparkassen und Volksbanken banden so ihre jüngsten Kunden an ihr Haus, die Eltern oder Großeltern zeigten ihren Kindern, dass sich Sparen lohnt und die Kinder freuten sich über die Geschenke. Alle waren zufrieden.

Wer heute seinen Kindern vom Weltspartag erzählt, kommt sich vor, als ob „Opa vom Krieg erzählt“. Man berichtet über ein Ereignis, das lange zurückliegt und so abstrakt ist, dass es die Kinder irgendwann langweilt. Den wahren Sinn des Sparens erkennen die Kinder daher nicht mehr. Sie werden in den Konsum genötigt, als wäre dieser ein Selbstzweck. Doch kein Mensch, erst recht nicht eine ganze Gesellschaft, kommt dadurch zu Vermögen, indem er möglichst viel konsumiert. Wenn dies so wäre, dann würde die DDR immer noch existieren und Simbabwe wäre die Schweiz Afrikas. Nein, die Voraussetzung für Wohlstand ist im Idealfall das Sparen. Der Konsumverzicht im Jetzt schafft die Grundlage für Investitionen, die wiederum die Basis für Wachstum und Arbeitsplätze sind. Wer diesen Zusammenhang trennt, legt die Axt an unseren Wohlstand.

Mario Draghi hatte diese Axt ausgepackt. Sein letzter Arbeitstag heute sollte daher auch daran erinnern, dass er die Basis unseres Wohlstandes zerstört hat. Wenn Kinder nicht mehr sparen lernen, dann wächst eine ganze Generation heran, die die Zusammenhänge unseres Wohlstandes nicht gelernt hat. Das Wissen darüber stirbt aus. Nicht nur bei uns. Selbst in Griechenland wird der Zins zur Fata Morgana einer längst vergessenen Zeit. In dieser Woche rentierte die 3-Monats-Anleihe des griechischen Staates erstmalig im negativen Bereich. Das alles trotz einer Verschuldung von 171 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt. Früher bekamen Anleger in griechische Staatsanleihen deshalb mehr Zinsen, weil die Ausfallwahrscheinlichkeit höher war als für deutsche Staatsanleihen. Heute bezahlen Anleger in griechische Anleihen drauf, weil Griechenland so solide erscheint. So ändern sich die Zeiten. Man könnte meinen, alles werde gut.

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Das Draghiat und die Folgen für die Wirtschaftsordnung
Doch die Schuldenstände Griechenlands sind immer noch historisch hoch, trotz mindestens zweier Schuldenschnitte und Zinssubventionen der übrigen Eurostaaten. 2009, als das Elend in Griechenland sichtbar wurde, hatte das Land eine Verschuldung von 301 Milliarden Euro. Heute sind es 325 Milliarden Euro. Wenn Mario Draghi mit seiner letzten Amtshandlung den Einlagezins der Banken bei der Zentralbank von Minus 0,4 auf Minus 0,5 Prozent verschlechtert und gleichzeitig das Anleihen-Aufkaufprogramm ab November wieder mit 20 Milliarden Euro pro Monat startet, dann verschärft er seine Politik zum Ende seiner Amtszeit nochmals enorm. Er perpetuiert den Ausnahmezustand.

Die Folgen sind eindeutig. Nach einer Studie der DZ Bank haben die Sparer in Deutschland seit 2010 648 Milliarden Euro durch die Nullzinspolitik verloren. Dagegen stehen Zinsersparnisse für Kreditnehmer von 290 Milliarden Euro. Schon daran sieht man, dass dies kein Nullsummenspiel ist. Allein 2019 beträgt der Verlust 54 Milliarden Euro.

Gegen diese Politik muss die Bundesregierung Widerstand leisten. Anders als gemeinhin angenommen, könnte sie das. Zum einen dadurch, dass sie dezidierte „Falken“ in das oberste Gremium der EZB, das Direktorium, entsendet. Mit Isabel Schnabel als Nachfolgerin von Sabine Lautenschläger hat sie sich jedoch bewußt für einen anderen Weg entschieden.

Sie könnte auch auf ein Einhalten der Haushaltsregeln der EU, insbesondere der Defizitkriterien drängen, notfalls sogar vor dem Gerichtshof der EU. Und die Bundesregierung könnte die Nichteinhaltung des Fiskalvertrages in Italien und anderen Ländern auf die Tagesordnung setzen. Dieser sah vor, dass alle Staaten, die den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM ratifizieren, gleichzeitig auch eine Schuldenbremse in ihre Verfassung oder in vergleichbare Gesetze schreiben müssen. Formal ist dies geschehen, doch tatsächlich halten sich die Krisenstaaten nicht daran. Wie man den ESM noch größer und schöner machen und mit mehr Befugnissen ausstatten kann, darüber war man sich schnell im Euro-Club einig. Die Durchsetzung der anderen Seite der Medaille, der Fiskalpakt, wird ignoriert. Doch gerade diese Nivellierung der gemeinsamen Regeln ermöglichte Mario Draghi seine Politik des „whatever it takes“. Ob er seinen Enkelkindern auch noch vom Weltspartag erzählt und diese ihn dann unwissend anschauen? Wahrscheinlich nicht, er will ja zumindest bei seinen Enkelkindern in einem guten Licht erscheinen.

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Kommentare ( 27 )

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Imre
4 Jahre her

Ein Optimierungsproblem haben wir heute, Herr Schäffler.
Eigentlich sollte man so verfahren, wie Sie es beschreiben.
Alte weiße Männer, aber auch Jüngere wissen jedoch schon länger, dass in nicht allzu ferner Zeit gewisse Leute in Berlin, Frankfurt und Brüssel die Konten der Sparer plündern werden.
Der Anstieg bei Kreuzfahrten, Busreisen, Konsum u.ä. belegt da also eine andere Art Vorsorge, in weiser Voraussicht des geplanten „Bankraubs“.
Persönlich halte ich Investitionen in Gefängnisse für sinnvoll, in mehrerlei Hinsicht….

kdm
4 Jahre her

„Der Weltspartag war früher ein großes Fest. Die Kinder gingen mit Ihren Eltern oder Großeltern zur örtlichen Sparkasse oder Volksbank und gaben Ihre Spardose ab. “
.
Wirklich?
Davon hör‘ ich hier zum ersten Mal in meinem langen Leben (74 Jahre) in Deutschland.

Michael M.
4 Jahre her
Antworten an  kdm

Sorry, das kann man glauben oder auch nicht. Letzteres halte ich für wahrscheinlicher.

Th.F.Brommelcamp
4 Jahre her

Gespart wird für schlechte Zeiten.
Wenn man(m/w/d) sich rechtzeitig auf der Regierungsseite stellt, als Politiker, NGO oder sonstwelchen Amadeus Verein, dann gibt es keine finanziellen schlechte Zeiten. Unser neuer Adel lebt von der Regierung/EU. Sie wird es auch sein, die auf leeren Straßen mit dem Tesla fahren, derweil wir uns in die Öffentliche Quetchen.

Odysseus
4 Jahre her

ich weiß jetzt nicht ob es philosophisch oder ökonomisch oder ob man daraus irgendwas für´s spätere Leben lernt. Weltspartag 1971. Ich bin Lehrling einer Raiffeisenbank im Voralpenland. Vor einer Woche haben wir Sparbüchsen in den Schulen an Kinder verteilt, die noch keine hatten und Sparbücher mit 5 DM Startkapital an Kinder ohne Sparbuch. Am Weltspartag baue ich im Treppenhaus der Schule, mit drei Damen aus der Buchhaltung, zwei Biertische mit vier Stühlen und Ablagen für Werbegeschenke auf. Dekorieren alles was möglich ist mit Raiffeisen. Die Werbegeschenke waren Bleistifte mit wilden Tieren, Lineale mit Verkehrszeichen usw. Hauptsache mit den Raiffeisen Giebelkreuz… Mehr

Silverager
4 Jahre her

Sparen ist doch sowas von langweilig und spießig. Ich glaube, sparen tun nur ganz rechte Nazi-Familien, deren Kinder zudem noch ordentlich angezogen sind. Wie altmodisch !!!
Der hippe Youngster von heute sieht bei jedem Blick auf sein Smartphone jede Menge Werbung für lauter schöne Dinge, die er unbedingt haben muss.
Und wenn das Geld nicht reicht? Geld? Welches Geld? Wer wird sich denn noch mit altvorderen Münzen und Scheinen abschleppen? Man zahlt cool per Karte. Die Banken freuen sich, wenn der junge Mensch sein Konto überzieht. Wieder einer mehr in der Schuldknechtschaft.
Ach ja, schöne neue Welt …

Thorsten
4 Jahre her

Es bleibt einem also nichts Anderes übrig als in Aktien oder Sachwerte zu investieren. Mit ETFs ist das einfach möglich.

Der weitsichtige Anleger legt aber sein Geld möglichst ausserhalb des Euros wie in den USA, Asieen oder Schweiz an, denn eines Tages könnte dieser „politisch gesteuerte“ Euro zerplatzen.

Ansonsten wird es ein ewige Siechtum geben, während der Rest und besonders China immer reicher und mächtiger werden.

H. Priess
4 Jahre her

Letzten Montag wollte ich bei meiner Sparkasse 40 2Eurostücke eintauschen und auf mein Konto einzahlen. Ich fragte sicherheitshalber vorher was das kostet. Das macht 5% und kann auch nur in der Hauptfiliale der Stadt gemacht werden war die Antwort. Kann es vielleicht sein, daß der Sparkasse der Umgang mit Geld eher lästig ist? Kinder soll man nicht zum sparen anhalten, sie sollen Konsumenten sein wie ihre Eltern. Spare in der Zeit dann hast du in der Not! Alter Spruch aber kommt wohl von alten weißen Männern die die Welt versaut haben. Die Unsitte, für Geld auch noch arbeiten zu gehen… Mehr

BOESMENSCH
4 Jahre her

Früher:
Spare, lerne, leiste was, dann hast Du, kannst Du, bist Du was.

Heute:
Konsumiere, streike, fordere was, ……

schukow
4 Jahre her

»Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not« ist kein schlechter Gedanke. Jedoch »Si vis pacem, para bellum« ebenso. Und das ‚parare bellum‘ schadet auch nicht, wenn es mit dem Frieden ‚mal wider Erwarten doch nicht hinhaut. Man kann wohl sagen, daß die Nachkriegszeit in Europa 1989 zu Ende ging. Logischer- und dummerweise leben wir also seither in der Vorkriegszeit. Und um ein paar Prozent Zinsen wird es in diesem Krieg nicht gehen.

Wilhelm Cuno
4 Jahre her
Antworten an  schukow

: künftig wird sich das Motto umkehren: spare in der Not, da hast Du Zeit dazu…

Anne
4 Jahre her

„Gegen diese Politik muss die Bundesregierung Widerstand leisten. Anders als gemeinhin angenommen, könnte sie das.“ Sicher könnte die Bundesregierung das, sie will es aber nicht und wird auch nicht vom Bundestag dazu gedrängt. Welche Partei – ausgenommen die AfD – spricht denn das Problem an? Wo bleibt ihre Partei, die FDP, Herr Schäffler? Die FDP wird ihrer Rolle als Oppositionspartei nicht gerecht. Sie reiht sich lieber hinter schwarz-rosarot-rot-grün im Kampf gegen die AfD und gegen rechts ein. Von all den großen Ankündigungen im Wahlkampf ist nichts, aber auch gar nichts übrig geblieben. Wer die Bundestagsdebatten und das Abstimmungsverhalten der FDP… Mehr

Uwe Jacobs
4 Jahre her
Antworten an  Anne

Genauso sehe ich das auch. Die FDP versagt als Oppositionspartei auf ganzer Linie. Ich als jahrzehntelanger FDP-Wähler habe mich bereits vor längerer Zeit entschieden, diese Partei nicht mehr zu wählen. Als freiheitsliebender Mensch brauche ich sie nicht.

kdm
4 Jahre her
Antworten an  Uwe Jacobs

FDP Oppositionspartei?
Von welchem Jahrzehnt berichten Sie?