Stelter entzaubert den Mythos von den reichen Deutschen

Euro-Rettung, Energiewende, Massenzuwanderung und zukunftsvergessener Ausbau des Sozialstaats – faktenreich analysiert Daniel Stelter die folgenschweren Fehler der Wirtschaftspolitik unter Angela Merkel.

Daniel Stelter ist ein ungewöhnlicher Ökonom. Nach einer erfolgreichen Beraterkarriere zog es ihn nicht in die Wissenschaft oder Politik, sondern er gründete seinen eigenen kleinen Think Tank „beyond the obvious“ und betätigte sich als fleißiger, kundiger und innovativer Vielschreiber in Zeitungen, Zeitschriften und Blogs. Im Hayekschen Sinne geht es ihm um den Kampf der Ideen. Er will mit seinen Argumenten überzeugen. Sein jüngstes Buch „Das Märchen vom reichen Land“ ist ein überzeugendes Beispiel dafür. Der Spiegel-Bestseller räumt mit dem Mythos auf, dass die Deutschen die großen Profiteure in Europa seien.

Wie die Politik uns ruiniert
Jenseits des Offensichtlichen: Das Märchen vom reichen Land
In 10 Kapiteln unterstreicht er seine These, um dann im 11. Kapitel seine Vorschläge für einen grundlegenden Neustart zu machen. Zwar verdienen die Deutschen im internationalen Vergleich gut, beim Nettovermögen liegen wir jedoch zurück. Nicht nur hinter Spanien und Frankreich, sondern selbst hinter Griechenland. In Deutschland wird zu wenig investiert und zu viel konsumiert. Der Mythos der reichen Deutschen wird vor allem vom Exporterfolg der deutschen Industrie genährt. Doch diese, so weist Stelter schlüssig nach, hat viel mit der Illusion des Euro zu tun. Das billige Geld der EZB und die vergleichsweise niedrige Bewertung des Euro sind ein Subventionsprogramm für die Industrie, insbesondere für die Autokonzerne. Sie werden im außereuropäischen Export billiger, was ihnen verbunden mit der hohen Qualität deutscher Automobilfertigung einen enormen Wettbewerbsvorteil beschert. Doch diese Entwicklung basiert wesentlich auf der ökonomischen Entwicklung Chinas, die auf Pump finanziert ist. Bricht das chinesische Wirtschaftsmodell zusammen, dann gehen bei vielen Autokonzernen die Lichter aus.

Die Analyse liegt nicht so weit weg von der meinigen, die ich 2014 in meinem Buch „Nicht mit unserem Geld“ formuliert habe. Die Niedrigzinspolitik der EZB hat erhebliche Kollateralschäden. Auch damit beschäftigt er sich. Werden die Zinsen abgeschafft, dann kann mit Staatsanleihen auch kein Geld mehr verdient werden. Alle diejenigen, die Lebensversicherungen, Bausparverträge und Festgelder bevorzugen, sind die Verlierer. Sie werden kalt enteignet. Der Staat, Immobilien- und Aktienbesitzer profitieren vom billigen Geld.

Der Handelsbilanzüberschuss Deutschland ist für Stelter eher ein Grund zur Sorge. In einer überschuldeten Welt führt dies leicht zum Totalverlust. Besser wäre es, wenn in Deutschland investiert und angelegt würde. Daher ist er, und da unterscheiden wir uns, kein Freund der „schwarzen Null“, in der Haushaltspolitik. Doch die GroKo in Berlin tut eh alles dafür, dass dieser historische Augenblick nur eine kurze Periode war. Anders sieht es aus, wenn er über die Target-Problematik schreibt. Hier erkennt er, dass die wachsenden Salden zu einem Erpressungspotential der Nehmerländer gegenüber den Geberländern führen.

Das Märchen vom reichen Land
Der Euro als Subventionsprogramm für die Industrie
Seine These, dass die „schwarze Null“ in den öffentlichen Haushalten den Kapitalexport fördert, ist zu eindimensional gedacht. Wenn eine Bundesregierung die Bedingungen für Investitionen im Inland verbessern würde, dann müsste nicht geschehen, was er mit seinen Ausführungen zum Kapitalexport richtig beschreibt. Sowohl bei den Unternehmensteuern als auch bei der Abgabenbelastung der Bürger ist Deutschland wieder international auf einem vorderen Negativplatz. Daher sind die Standortbedingungen entscheidend. Kapital ist bekanntlich scheu wie ein Reh, daher darf man sich nicht wundern, wenn anderswo bessere Investitionsbedingungen herrschen. Die letzten großen Reformen sind mit den Hartz IV-Reformen bereits 15 Jahre zurück. Seitdem ist nicht viel passiert, und die Merkel-Regierung ruht sich auf diesen Erfolgen nach wie vor aus. Deutschland ist reformmüde und daher nicht für die Zukunft gerüstet.

Etliche seiner Vorschläge zur Reform der Eurozone sind unterstützenswert. Vor einem Zerfall der Eurozone warnt er mit Recht. Sie würde zu einer schweren Rezession auch bei uns führen. Er verweist auf den Abwertungsdruck gegenüber dem Dollar von rund 40 Prozent für Spanien,

Griechenland, Italien und Portugal und von 10 Prozent für Deutschland. Der Aufwertungsdruck Deutschlands gegenüber den Südländern wäre wahrscheinlich ähnlich hoch. Dies würde insgesamt zwangsläufig zu einer massiven Kapitalflucht aus Europa führen. Was sich über viele Jahre im Euroraum an wirtschaftlichen Ungleichgewichten aufgebaut hat, kann nicht mehr so einfach ohne schwerwiegende ökonomische Verwerfungen bereinigt werden. Da hilft es auch wenig, wenn man sagt, man könne nicht so weitermachen wie bisher. Das stimmt zwar, aber eine 180-Grad-Wende ist dennoch nicht sinnvoll.

Es ist ein wenig wohlfeil, dann auf die Politik einzudreschen. „Unsere Politiker können offensichtlich nicht rechnen“, schreibt er in Kapitel 10. Das gehört so in die Kategorie „alle Volkswirte haben sich geirrt“ oder „alle Journalisten schreiben von einander ab“. Pauschalierungen werden der Sachlage nicht gerecht. So ist es auch, wenn er vom Versagen der „politischen Eliten“ spricht. Das klingt etwas nach Marx und Engels, die diese Eliten wegfegen wollten. Dennoch sind viele seiner dann folgenden Vorschläge sinnvoll. Bildungsinvestitionen, private Investitionen, Steuerung der Zuwanderung und vieles mehr. Warum er jedoch eine höhere Erbschaftsteuer fordert, wird mir nicht so ganz klar. Ist doch eine der Erfolgsgeschichten dieses Landes, dass wir viele Hidden Champions im Bereich der Familienunternehmen haben, die in der Fläche über Generationen erfolgreich tätig sind. Auch seine „Szenario drei“ zur Lösung der Eurokrise ist zu statisch. Die Schaffung eines Schuldentilgungsfonds mit Eurobonds unterstellt, dass sich danach die Regelgebundenheit der Schuldenstaaten verbessern würde. Das ist eine Illusion. Es würde zu einer Vergemeinschaftung der Schulden und einer geringeren Verantwortung für die jeweilige Regierungsleistung führen. Ein geordneter Ausstieg derjenigen, die es innerhalb der Eurozone nicht schaffen oder nicht schaffen wollen, wäre da ein weniger invasiver Eingriff.

Daniel Stelter, Das Märchen vom reichen Land. Wie die Politik uns ruiniert. 
FinanzBuch Verlag, 256 Seiten, 22,99 €


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Kommentare ( 14 )

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Rasio Brelugi
4 Jahre her

Ja, das Nettovermögen der deutschen Haushalte ist sehr niedrig (nur in Portugal liegt es noch niedriger in den alten EU-Ländern). Aber woraus schließen Sie, Herr Schäffler, dass dies einhergeht mit einem erhöhten Konsum (a là „Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen“)? Dass wir Exportweltmeister sind, spricht eher dafür, dass wenig konsumiert wird, denn Handelsüberschuss bedeutet, dass weniger Waren im Land sind, als die Unternehmen und Arbeitnehmer hergestellt haben. Die Arbeiter und Angestellten sind also betrogen um Waren in der Höhe des Exportüberschusses, die sie zwar hergestellt haben, die ihrem Konsum jedoch damit entzogen sind. (Der Wert dieser im Exportüberschuss… Mehr

Rasio Brelugi
4 Jahre her
Antworten an  Rasio Brelugi

Ergänzung: Habe mich getäuscht! Deutschland IST das ärmste Land der EU, wenn man den Median-Durchschnitt der Vermögen der Privathaushalte nimmt. Hier ein Link zu den Zahlen der EZB (!):

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/armut-und-reichtum/ezb-umfrage-deutsche-sind-die-aermsten-im-euroraum-12142944/vermoegensverteilung-im-12142930.html

Die Zahlen sind von 2013. Es gibt neuere Zahlen von 2017, (die ich auf die Schnelle nicht finde und) die nichts an der Reihenfolge ändern.

PS: Der Median-Mittelwert gibt das Vermögen an, wo es genau so viele reichere wie ärmere Privathaushalte gibt. Dieser Wert spiegelt die Realität besser wieder, als das arithmetische Mittel. Erklärung im Link, wo beide Werte angegeben sind.

Politkaetzchen
4 Jahre her

H4 mag nicht perfekt sein, jedoch hat es mir in schweren Zeiten geholfen und fange Montag meine Ausbildung an.

Wenn aber so ein Quatsch wie BGE durchkommt, werden sie ganz schnell H4 lobpreisen…

Politkaetzchen
4 Jahre her

Der Traum vom Leben als Amish People mit Twitterzugang wird genau dann an der Realität zerschellen, wenn weder Strom noch Geld für den WLan da ist.

John Stier
4 Jahre her

„die folgenschweren Fehler der Wirtschaftspolitik unter Angela Merkel.“

Immer noch wird von Fehlern geredet? Ein Fehler ist es wenn man aus Versehen etwas falsch macht. Wenn man dies mit Absicht tut, ist es Sabotage.

HRR
4 Jahre her
Antworten an  John Stier

»Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist!«

Tizian
4 Jahre her
Antworten an  HRR

Diese Leute und Verantwortliche mögen eine gehörige Portion Unfähigkeit besitzen, aber sie sind nicht dumm. Die Ausrede, man konnte doch nicht wissen…usw. wird und darf nicht irgendwann mal zählen. Die wissen genau was sie tun. Der abnickende Hofstaat sicher nicht umfänglich, aber die Entscheider und die Königin auf jeden Fall. Nur ist es ihnen völlig egal, weil jeglicher Bezug zur Realität und zum Bürger in diesem neufeudalen Machtstrukturen fehlt.

Jumpin Jack
4 Jahre her

Die Furcht vor einem Platzen der Eurozone teile ich nicht. Richtig ist, daß sie „schwere ökonomische Verwerfungen“ hervorrufen würde. Aber genau diese wünsche ich mir. Die EU ist nicht reformierbar. Auf Jshre hinweg werden dort verantwortungslose Politiker (auch aus Deutschland) das Sagen haben. Sie sind entweder eher linksgestrickt, haben also keine Ahnung von Wirtschaft (Mehrzahl) oder sie sind ausschließlich national interessenorientiert ( Frankreich, Südschiene). Oft beides. Nur ein großer Schock, d.h. eine Pleite oder ein Ausscheiden eines großen Landes aus dem Euro, ein Einlagenrun (welcher die Forderungen D im Targetverbund aktivieren würde) oder Ähnliches könnte bewirken, daß ein Teil Europas… Mehr

humerd
4 Jahre her

„Euro-Rettung, Energiewende, Massenzuwanderung und zukunftsvergessener Ausbau des Sozialstaats “
plus Weltklimaretter und jetzt auch noch die Nato „Unter dem Druck von US-Präsident Donald Trump haben sich die Nato-Staaten auf eine neue Aufteilung der Gemeinschaftskosten geeinigt. Deutschland zahlt künftig so viel wie die USA.“ https://www.welt.de/politik/deutschland/article203874044/Verteidigungsbuendnis-Deutschland-zahlt-ab-2021-hoeheren-Anteil-an-Nato-Kosten.html
Leider ist es so, dass die Mehrheit im Lande lieber den Parolen der Kanzlerin und ihrer Grünen Truppe glaubt und sich dann als Gutmensch fühlt.

bkkopp
4 Jahre her

Zum Unterschied von Daniel Stelter will Frank Schäffler nicht anerkennen, dass “ Gewinn “ nicht nur der steuerpflichtige Gewinn der handelsrechtlichen/steuerrechtlichen Gewinnermittlung ist, sondern jeder Zugewinn bei Vermögenswerten. Die unternehmerische Kompetenz des deutschen Mittelstandes geht nicht verloren, wenn auf jeden Zugewinn mindestens 25% Zugewinnsteuer entfallen. Das kann dann auch eine Erbschaftssteuer sein

CIVIS
4 Jahre her

„Der Mythos von den reichen Deutschen“. Ein nützliches Narrativ; von der Politik erfunden und von den Systemmedien täglich neu befeuert. – Wer vermeintlich reich ist, – wer die Schuld für das Elend der ganzen Welt auf sich nimmt, – wer aus Scham für alles eigene Handeln im Erdboden versinkt, dem wird dann letztendlich von Politik, Medien, NGOs, etc. eingeredet, seinen hart erarbeiteten eigenen kleinen Wohlstand mit der ganzen sogenannten Flüchtlings-Welt teilen zu müssen; das Motto: WIR schaffen das ! Je näher aber die Einschläge kommen, die Missstände immer deutlicher werden, und persönliche Einschränkungen und Belastungen drohen, desto mehr rückt diese… Mehr

Martin L
4 Jahre her

Was die Masse der Leute betrifft, habe ich keine Ahnung und kein Gefühl, wie es ist. Ich kenne die Ansichten der Leute nicht. Ich kenne ihre realen Lebensverhältnisse nicht. Und den Statistiken glaube ich schon gleich gar nicht.
Mein Gefühl sagt mir aber, dass das alles auf Sand gebaut ist und schneller zusammenbrechen kann als man glaubt.

Iso
4 Jahre her

Jeder der einigermaßen klar denken kann, bekommt spielend mit, dass die Steuern doppelt so schnell steigen, wie die Nettolöhne. Das Geld wird mit vollen Händen aus den Fenstern geworfen, als gäbe es kein Morgen. Man muss nur mal schauen, was ein Meter Autobahn, oder die Abschiebung eines geschenkten Menschen kostet. Die Schulden dieser BRD beruhen nicht darauf, dass die Bürger über ihre Verhältnisse gelebt haben, sondern einfach nur, weil Politik und Behörden unfähig sind. Für die Zukunft habe ich kein gutes Gefühl. Viele Leistungsträger sind schon weg, und viele haben es vor, und hauen noch ab. Ich schließe mich da… Mehr