Macron: Der Anti-Schulz

Emmanuel Macron sieht die größten Herausforderungen Frankreichs darin, wie es „die Beziehung zur Arbeit, zum Geld, zur Innovation, zur Globalisierung, zu Europa, zu Ungleichheiten“ angeht.

© Sean Gallup/Getty Images
Emmanuel Macron speaks to students at Humboldt University on January 10, 2017 in Berlin.

Der Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron ist der Shootingstar der französischen Politik. Wenn man sich dagegen den Kanzlerkandidaten der SPD ansieht, muss man feststellen: er ist der Anti-Schulz. Nicht nur, weil er den französischen Sozialisten den Rücken gekehrt hat und seine eigene Bewegung „En Marche!“ gegründet hat, sondern auch, weil er ein modernes sozialdemokratisches Programm verkörpert. Er ist dabei wesentlich näher beim späten Gerhard Schröder als bei Oskar Lafontaine. Schulz ist dagegen inhaltlich näher beim Saarländer Lafontaine, als beim Agenda-Kanzler. Schulz will Deutschland in der Wirtschafts- und Sozialpolitik französischer machen. Macron will Frankreich in der Wirtschafts- und Sozialpolitik deutscher machen. Macrons Agenda 2017 macht durchaus Sinn, denn wie Deutschland 2003 ist Frankreich heute der kranke Mann Europas.

Die Arbeitslosenzahl liegt offiziell bei 3,5 Millionen, tatsächlich sind fast 6,4 Millionen Franzosen arbeitssuchend. Fast 60 Prozent der Wirtschaftsleistung Frankreichs geht durch die Hände des Staates. Die Industrieproduktion im Nachbarland liegt rund 13 Prozent unter dem Hoch von April 2008 und ist auf dem Niveau von vor 20 Jahren. Was Gerhard Schröder damals mit der Agenda 2010 vollbrachte und Martin Schulz jetzt zurückdrehen will, steht also Frankreich erst noch bevor.

Die Agenda Macrons ist in Teilen durchaus marktwirtschaftlich. Er will die 35-Stunden-Woche lockern, 120.000 Beamtenstellen streichen, das Parlament verkleinern, die Vermögensteuer in weiten Teilen beseitigen, Unternehmensteuern senken, Industriebeteiligungen des Staates privatisieren und das Staatsdefizit und die Verschuldung zurückführen. Als Wirtschaftsminister unter Francois Hollande konnte er viele Reformvorschläge zwar nicht durchsetzen, aber an der einen oder anderen Stelle hat er seine tendenziell marktfreundlichen Ansichten durchaus zu erkennen gegeben. So gehen die Zulassung von Sonntagsarbeit und die Liberalisierung des Fernbusmarktes auf seine Initiative zurück. Macron hat ein positives Bild von der Globalisierung und sieht in der Digitalisierung eher die Chancen als die Risiken.

Ein turbulentes Jahr für Europa
Die Totengräber von Europa
Was ihn auch von Schulz unterscheidet, ist seine realistische Perspektive für die EU und den Euro. Er ist weniger „europabesoffen“ als Martin Schulz, aber dennoch weiß er die Bedeutung eines zusammenwachsenden Europas zu schätzen. Das lässt hoffen. Die Europäische Union und deren gemeinsame Währung, der Euro, stehen vor enormen Herausforderungen. Wer die EU und den Euro nicht abwickeln, sondern, trotz aller derzeitigen Schwächen, zukunftsfähig machen will, muss eigentlich auf Macron setzen. Er ist ein Euro-Realist, der weiß, dass sich das Schicksal des Euro und der EU erst recht an der ökonomischen Zukunft Frankreichs festmachen. Mit ihm ließe sich wahrscheinlich eine atmende Eurozone in Angriff nehmen, in der Mitglieder, die nicht mehr im Euro bleiben wollen oder können, wie Griechenland, aus der gemeinsamen Währung ausscheiden können. Als jemand, der Verständnis für den Markt hat, wird er auch den gemeinsamen europäischen Markt hochhalten und sich wahrscheinlich auch für mehr Haushaltsdisziplin einsetzen.

Die Alternative wäre Marine Le Pen, die auf Abschottung und Protektionismus setzt. Nicht ohne Grund sitzt sie deshalb auch mit der AfD in der gleichen Fraktion des Parlaments der Europäischen Union. Auch diese lehnt bekanntlich die gerade verhandelten Freihandelsabkommen kategorisch ab. Le Pens sozialpolitisches Programm ist dagegen sehr nahe bei Martin Schulz. Sie will die 35-Stunden-Woche erhalten, das Pensionsalter auf 60 reduzieren. Mehr noch: Martin und Marine sprechen auch die gleiche Sprache. Wenn der eine von „neoliberalem Mainstream“ fabuliert, verlangt die andere ein „Ende des Ultraliberalismus“. Ganz anders Macron.

Er plädiert dafür, „liberal“ in Frankreich nicht mehr als Synonym für „Raubtierkapitalismus“ zu sehen, sondern als Lebenseinstellung. Er will ein modernes Frankreich, das nicht die Risiken zuerst sieht, sondern die Chancen des Liberalismus. Während Marine Le Pen zurück zur Todesstrafe will und damit mehr in der Tradition der Jakobiner steht, ist Emmanuel Macron zwar noch kein neuer Frédéric Bastiat, aber er sieht dennoch die größten Herausforderungen Frankreichs darin, wie es „die Beziehung zur Arbeit, zum Geld, zur Innovation, zur Globalisierung, zu Europa, zu Ungleichheiten“ angeht. So spricht kein Pessimist, sondern einer, der selbst ins Risiko geht und den Fortschritt will. Diese Haltung der Hoffnung brauchen wir gerade heute, wo überall Politiker das Erreichte schlecht reden und die Zukunft düster malen.

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Kommentare ( 41 )

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Oberon
7 Jahre her

1) Es tut gar nichts zur Sache, wenn ein Moslem auch mal Alkohol trinkt oder einen Schweinebraten verzehrt, solange er noch nicht fest in eine Moscheegemeinde eingebunden ist. Und es tut gar nichts zur Sache, wenn ein Moslem sich mehr oder weniger kriminell in D durchs Leben schlägt. Warum sollte ein Imam das einem übelnehmen, wenn der doch dabei aus Not handelt oder NUR korankonform ungläubige Deutsche schädigt? Am Tag x ( wenn es um die Übernahme Ds und die Errichtung des Kalifats Germanistan geht) , weiß jeder Koranverwirrte, auf welche Seite er sich stellen muß. 2) Täglich und künftighin… Mehr

Pastacaspa
7 Jahre her

Soso

MarHel
7 Jahre her

Der Konter war nicht schlecht 🙂
Aber:
Ich halte die Wiedereinführung der Monarchie für genauso wahrscheinlich wie die „Herrschaftsübernahme“ durch den Islam, dies zur Erläuterung auch an @disqus_B7WJwV6TSh:disqus Eine Übernahme würde ich ab „50 % + x“ überzeugter Muslime befürchten…

Dies macht – meines Erachtens! – die „Ängste“ einigermaßen irrational.

Michel Rieke
7 Jahre her
Antworten an  MarHel

50% + x der Gesamtbevölkerung?

Oberon
7 Jahre her
Antworten an  MarHel

Ihre 50% + x sind die Lachnummer des Jahres! Aber wieso sollten Sie weniger naiv und realitätsenthoben sein als die 630 Typen im Reichstag, die auch nicht in Betracht ziehen, 1) daß bereits 8 Mio. Koranverwirrte in D leben 2) daß D täglich um eine neue Kleinstadt von Koranverwirrten reicher wird durch die bisher keineswegs verhinderte Invasion und durch den Geburtendschihad 3) daß D vergreist , ein Altenheim ist- und daß die Deutschen sich lieber Hunden und Katzen widmen als eigenen Kindern ( die wenigen Nichtabgetriebenen werden ja sofort in Ganztagsanstalten abgeschoben) 4) daß D verblödet und das Schulwesen mit… Mehr

Michel Rieke
7 Jahre her

Mal sehen ob die Franzosen Fillon vergeben um „Macron zu verhindern“. Wie vernichtend selbst Fälschungen für eine Wahlkampagne sein können, zeigt der „Canuck letter“, mit dem Edmund Muskie 1972 politisch das Genick gebrochen wurde, auch wenn seine „crying speech“ womöglich erst zum Erfolg der Fälschung führte.

Heinz Stiller
7 Jahre her

Leider gibt es m.W. keine aktuellen Umfragen zu den französischen Nationalratswahlen, die 6 Wochen nach der 2. Runde der „présidentielles“ abgehalten werden. Aber es ist durchaus möglich, dass die Franzosen einem eventuellen neuen Präsidenten Macron eine rechte Mehrheit in der Assemblèe vor die Nase setzen werden. Denn die Rechte in Frankreich erscheint zur Zeit wegen des Fillon-Debakels schwächer als sie in Wirklichkeit ist. Auch, wenn das frz. System aufgrund der Präsidialverfassung nicht mit unserem vergleichbar ist, würde es dann spannend werden.

ichdarfdas
7 Jahre her

Naja, Herr Macron wäre schon der ideale Kandidat für ein französisches FDP-Derivat. Sohn reicher Eltern, ein bisserl Steuerhinterziehung wie der FDP Ehrenvorsitzende Graf Lambsdorff, für Globalisierung, für Refugees welcome und open borders…..Ideale Voraussetzungen für eine Mövenpickkarriere. Entsprechend denke ich auch werden sich die Franzosen wundern, wenn sie ihn gewählt haben und er Präsident wird. Aber immerhin vertritt er dieselbe These wie unsere Politker: Le boche payera tout.*Ironie off* So fasse ich zumindest sein Geschwafel von europäischer Solidarität auf. Wie bei Gas Gerd, wird dann schnell- alternativlos natürlich- eine Neoagenda 2010 über Frankreich gestülpt, anstatt an das Grundübel Euro heranzugehen. Der… Mehr

Hartwig Meier
7 Jahre her

Fillon hätte sein Programm niemals durchsetzen können.
Es wäre ihm wie dem französischen König damals ergangen.

Hartwig Meier
7 Jahre her

Herr Schäffler, wieder mal daneben. Liegt es n der FDP Brille oder dem Filter? Macron will ein bedingungsloses Grundeinkommen…ja, lesen bildet. Ansonsten verströmt er heiße Luft…und, er will nicht sparen, egal wie hoch das Defizit sein wird.
Die Schulden will er vergemeinschaften…
Wie war das mit dem Rentenalter? Keine Änderung..mit 62 gehts in den Ruhestand.
Allerdings ist ihm bewusst, H4 geht in Frankreich nicht.
Herr Schäffler, sie sollten seine Ankündigungen etwas sorgfältiger lesen…so wird das nichts, mit dem Einzug ins Parlament

Oberon
7 Jahre her
Antworten an  Hartwig Meier

Lesen bildet! Hamon will ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Peter Zinga
7 Jahre her

Mir reicht es, wenn ich sehe, wer fuer Macron in Europa schwaermt…

Vautrin
7 Jahre her

Das war auf eine wirklich böse und hässliche Weise sehr lustig!

Michel Rieke
7 Jahre her
Antworten an  Vautrin

Ich finde es auch auf eine böse und hässliche Weise lustig, wie Obama und Trudeau sich als Könige aller Flüchtlingsfreunde feiern lassen, während ihre Länder kaum einen Flüchtling ins Land lassen. Wären die Hürden in der BRD so hoch wie in den USA und in Kanada hätten wir nicht 1,6 Millionen, sondern maximal 100.000 Flüchtlinge im Land. Frankreich steht da mit Kanada und den USA in einer Linie. Aber würden Sie nicht auch ihren Nachbarn loben, wenn der sich bereit erklärt hätte, künftig alle Steuern für Sie zu bezahlen? Ich hätte ihm schon ein kleines Denkmal gebaut ;-))