Fleisch nur für Besserverdiener?

Vor 100 Jahren gab's für die Masse nur an Weihnachten und Ostern Fleisch. Dies nicht, weil man der Meinung war, dass zu viel Fleisch ungesund sei, sondern weil es zu teuer war. Fleisch war ein Luxusgut, das sich nur die Reichen leisten konnten.

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Ist Fleisch in Deutschland zu billig? Braucht es deshalb hierzulande eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Fleisch oder sogar eine Fleischsteuer? Müssen Lebensmittel generell teurer werden, damit es den Landwirten besser geht und dem Tierwohl mehr Beachtung geschenkt wird?

In der Debatte in diesem Sommer gerät einiges durcheinander. Preise bilden sich am Markt. Der Staat kann diese Preisbildung beeinflussen, aber eigentlich nur im eigenen Land. Selbst gegenüber Produzenten aus Drittstaaten beeinflussen mögliche Zölle lediglich die Preisbildung im eigenen Land, denn Zölle verteuern den Import von Waren, also auch von Fleisch. Das nun teurere Fleisch aus dem Ausland müssen die Inländer an der Ladenkasse in Bochum teurer bezahlen.

Und auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ist zwiespältig. Sie wird letztlich auch vom Endverbraucher in Deutschland bezahlt. Sie ist eine Konsumsteuer. Wer viel verbraucht, zahlt viel. Wenn „Vater Staat“ in Deutschland beispielsweise die Mehrwertsteuer auf bestimmtes Fleisch von 7 auf 19 Prozent erhöht, dann hat dies in einem globalen Markt keine Auswirkung. Der argentinische Landwirt zahlt die Mehrsteuer nicht, auch nicht der chinesische Fleischkonzern. Sie wird vom Verbraucher an der Ladenkasse in Bochum bezahlt.

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Letztlich hängt es von der Nachfrage der Konsumenten ab, ob die Preiserhöhung am deutschen Markt durchsetzbar ist. Ist dies nicht der Fall, dann geht die Preiserhöhung zu Lasten der Menge. Es wird weniger verkauft, weil die Bürger weniger Fleisch essen. Das mag von den Befürwortern gewollt sein. Sozial ist das aber nicht! Denn viele Leute können sich dann Fleisch schlicht nicht mehr leisten. Nicht die Vermögenden oder die Gutverdiener leiden unter dieser Preiserhöhung, sondern Transferbezieher und Geringverdiener. Dieser Sachverhalt ist historisch nicht unbekannt. Vor 100 Jahren wurde nur an Weihnachten und Ostern in vielen Haushalten Fleisch aufgetischt. Dies nicht, weil man der Meinung war, dass zu viel Fleisch ungesund sei, sondern weil es zu teuer war. Fleisch war ein Luxusgut, das sich nur die Reichen leisten konnten. Erst die Massenproduktion und die Internationalisierung des Handels hat Fleisch auch für Geringverdiener erschwinglich gemacht. Wer also Fleisch künstlich verteuert, will letztlich wieder die Klassenbildung in der Gesellschaft erreichen.

Für den heimischen Landwirt wäre ein Drehen an der Steuerschraube ebenfalls fatal, denn es ist nicht ausgemacht, dass die Preiserhöhung an der Ladentheke vom Verbraucher akzeptiert wird. Akzeptiert er dies nicht, weil er sich dies nicht mehr leisten kann, dann geht die Nachfrage zurück. Ist dies der Fall, sinken in der Regel die Preise. Einher geht damit meist ein Rückgang der Erlöse für die Produzenten. Wollen die Landwirte ihr Einkommen dennoch sichern, dann haben sie eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Erstens können Sie ihre Fixkosten auf mehr Schweine, Hühner oder Rinder verteilen, indem sie mehr produzieren. Das erfordert Investitionen in neue Stallungen. Und zweitens könnten sie ihre Fixkosten reduzieren, das heißt also Personalkosten, Miete und Abschreibungen verringern. Beides ist schwierig. Letztlich führen beide Möglichkeiten zur Konzentration am Markt. Die kapitalintensiven Investitionen für neue Produktionsanlagen können sich eher die großen Anbieter leisten und die kleinen Landwirte verschwinden vom Markt, weil sie die notwendigen Investitionen nicht mehr stemmen, aber auch ihre Fixkosten nicht weiter reduzieren können. Letztlich würde also eine Mehrwertsteuererhöhung das Gegenteil erreichen, was die Befürworter eigentlich wollen.

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Sie wollen, dass Fleisch mehr wertgeschätzt wird und die Produzenten mehr artgerechte Tierhaltung verwirklichen. Doch zur Wahrheit gehört, dass dies nicht so einfach ist. Werden die Regeln für Landwirte im eigenen Land immer weiter hochgeschraubt, verschwinden die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe vom Markt, Großbetriebe und der Import aus anderen Ländern mit geringen Vorschriften nehmen zu. Natürlich können Gesundheitsbehörden auf Rückstände im Fleisch achten und selbst Verbote aussprechen. Und natürlich können Handelsketten auf die artgerechte Haltung von Tieren in China, Russland oder Spanien achten und Betriebe zertifizieren lassen. Dieser Nachweis mag innerhalb der EU noch einigermaßen möglich sein, doch schon in Russland darf man Zweifel hegen und auch in China ist die Durchsetzung dieser Standards schwierig.

Sollen wir also lieber alle zu Vegetariern oder Veganern werden? Vielleicht durch staatlichen Zwang? Aktuell sind Vegetarier und Veganer eine Minderheit. Der Interessenverband „proveg International“ geht davon aus, dass sich in Deutschland rund 8 Millionen Menschen vegetarisch und 1,3 Millionen Menschen vegan ernähren. Die Anzahl der vegan-vegetarisch lebenden Menschen wird weltweit auf 1 Milliarde geschätzt. Bei rund 82 Millionen in Deutschland und 7,5 Milliarden auf der Welt sind beide Gruppen eine Minderheit. Ebenso wie die Mehrheit der Minderheit nicht ihren Willen oktroyierten darf, sollte aber auch eine Minderheit ihren Willen nicht zum alleinigen Maßstab machen. Der Fleischverzehr ist heute eine soziale Errungenschaft, die nicht nur Reichen vorbehalten ist. Wer dies infrage stellt, agiert eigentlich unsozial. Zumindest stellt er seine moralischen Vorstellungen über die anderer. Schon das sollte uns zu denken geben.

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Kommentare ( 60 )

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Britsch
4 Jahre her

Z.B. auch zur ViehHaltung bzw. Klimaschädlichkeit ist bei „die Achse“ interessantes ausgeführt genauso wie zur Geldmacherei mit Greta

Maria Jolantos
4 Jahre her

„Mehrwertsteuer … Sie ist eine Konsumsteuer. Wer viel verbraucht, zahlt viel. “ stimmt nicht. „Wer viel bezahlt, zahlt viel“ wäre richtig.
Beispielsweise kostet ein Kilo Schweineschnitzel im Supermarkt 10,-€, beim Biometzger 20,-€. Verbraucht wäre jeweils ein Kilo Schnitzel, der Mehrwertsteueranteil des (politisch gewünschten) Biofleisches jedoch um 0,65€ höher . Eine Erhöhung der Mehrsteuer auf Fleisch auf 19% würde das Kilo Schnitzel 11,12€ bzw 22,24€ verteuern. Der Mehranteil der Mehrwertsteuer beim Biofleisch würde dann 1,77€ betragen.
Die Mehrwertsteuer verteuert immer diejenigen Produkte übermäßig, deren Herstellung auf Grund von wünschenswerten sozialen, ökologischen, … Produktionsmethoden eh schon verteuert ist.

hoho
4 Jahre her

Ich vermute, die meiste Weltretter sind wohlhabend und kommen mit Effekten ihrer Ideologie auf privates Leben kaum in Berührung. Die Ausnahmen werden schon die Regel bestätigen. Bis jetzt war das so. Rackete ist doch ein gutes Beispiel. OB es so bleibt wird sich zeigen. Nun bevor der Reiche arm wird, verhungert der Arme.

Wer die Grüne und SPD Wähler sind, sieht man doch.
Die Linken sind da nicht besser aber vielleicht ehrlicher. Obwohl was da die SED Kader angeht da bin ich nicht so sicher.
Unwählbar die ganze Truppe.
Mindestens wenn man eigenes Leben alleine durch die Handarbeit finanziert.

Schelli
4 Jahre her

Ich kann dieser Argumentation mit den „armen Leuten“ nicht ganz folgen. Meines Wissens nach verhält sich der Fleischkonsum eher antiproportional zum Einkommen. Das korreliert auch mit der Häufigkeit von Übergewicht und den damit verbundenen Krankheiten. Mit den gleichen Argumenten könnten Sie also auch gegen die Tabaksteuer wettern. Fleisch ist ein absoluter Ramschartikel in einer Gesellschaft, die sich ansonsten in ihren hohen moralischen Ansprüchen suhlt.

Odysseus JMB
4 Jahre her

+++Vor 100 Jahren gab’s für die Masse nur an Weihnachten und Ostern Fleisch.+++ Selten einen solchen Stuss gelesen. Selbst in Großstäften war es üblich im Hinterhof Kleintiere oder Schweine zu halten, Karnickelställe waren praktisch überall aufstellbar und vorhanden. In Architektenbüchern der Zeit (Grundlagen für das Bauen in Stadt und Land, Berlin-München 1922) wurden für Landarbeiterhäuser stets Hinterhäuser vorgesehen, nicht aussschließlich für sanitäre Zwecke, sondern vor allem um ein gewisses Maß an Selbstversorgung (Schweine, Kleinvieh, Schafe, Ziegen,…) zu erlauben. Herr Schäffler in seiner theoretischen Sicht der Dinge beginnt schon seine Ausführungen mit dichterischer Freiheit, die einem Relotius Ehre macht. Er lernt… Mehr

erwin16
4 Jahre her
Antworten an  Odysseus JMB

Der offizielle Fleischverbrauch lag niedriger, bei ca. 20 Kg. Die Zahlen im Bereich der letzten 50 Jahre sind auch nicht so vertrauenswürdig, da zum Bsp, heute kaum noch zu Hause gekocht wird. Ich vermute, dass Zahlen verglichen werden, die unterschiedlich entstanden sind. In Berlin wurde vor Errichtung der großen Schlachthöfe viel in den Hinterhöfen geschlachtet, da gab es viele Kranke und Tote wegen mangelnder Hygiene. Wie ich weiter oben schrieb, war damals Fleisch viel mehr wert, um den Faktor 10. Deshalb waren in den Fleischereien rel. viel Leute beschäftigt, das ist heute unbezahlbar. Da hatten die in den USA längst… Mehr

Politkaetzchen
4 Jahre her

Fleischkonsum allein ist, sofern man wie alles andere nicht übertreibt, niemals ein Problem. Ein sehr viel größeres Problem, und das kehren ausgerechnet die Möchtegerntierschützer unter dem Teppich, ist die Lebensmittelverschwendung hier im Land. Ich bin selbst ehrenamtlich als Foodsaver tätig und hole direkt von Läden die Lebensmittel ab, die sonst in der Tonne gelandet wären, entweder wegen der gesetzlich vorgeschriebene MDH oder weil der Kunde sich zu fein ist nen Apfel mit ne Minidelle zu kaufen. (Kein Witz, das reicht teilweise schon aus, dass ein Lebensmittel nicht mehr gekauft wird) Was ich da an Mengen hole, kann einen schon nachdenklich… Mehr

Kassandra
4 Jahre her
Antworten an  Politkaetzchen

Das mit dem Hack ist der SB-Verpackung geschuldet und könnte von heute auf morgen geändert werden, indem das Fleisch vor den Augen des Kunden erst durch den Wolf gedreht wird. In der Metzgerei des Vertrauens ist das bis heute so üblich.
Erkennen Sie den Willen des Gesetzgebers, da tätig zu werden? Ich nicht.

erwin16
4 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Das ist unbezahlbar! Aldi usw. Hat dafür keine kühlrâume mehr und die Leute auch nicht. Im Prinzip schieben die nur die Ware in die regale. Die Bedientheken bei Edeka rechnen sich meines Erachtens auch nicht. das ist nur Maskenball fürs Image. Kaufland hat für ganz d. nur zwei oder drei fleischwerke, die das verarbeiten und anpacken. Bei den anderen wird das ähnlich sein.

elly
4 Jahre her

die eine Fraktion der Deutschen wollen ihre Mitmenschen dauernd belehren und die andere Fraktion der Deutschen will gegängelt werden.

fatherted
4 Jahre her

Das Durchsetzen von „Tierwohl“ liegt in der Hand der staatl. Veterinäre vor Ort. Diese könnten sofort Höfe und Anlagen dicht machen, wenn es dort unzumutbar zugeht, wie so oft gezeigt….machen sie aber nicht, weil die Anweisung von oben kommt….die Sache laufen zu lassen und alle Augen zu zudrücken. Dann aber auf dem Verbraucher rumhacken weil der diese „Zustände“ akzeptiert…..wir haben gültige und gute Rechtsvorschriften….nur niemanden der sie durchsetzt….so auch in vielen anderen Bereichen…..jetzt in dieser Radikalität der ärmeren Bevölkerung das Fleisch über Preiserhöhungen abzugewöhnen….wird nicht funktionieren….was die ganzen Aktionisten vergessen….wir haben offene Märkte in der EU….und EU weit bekommen die… Mehr

erwin16
4 Jahre her

Nur noch zur Illustration zur Jahrhundertwende hatte ein Schwein einen Wert von einem Monatslohn, der lag bei ca. 60 – 120 RM. Wäre heute ca. 2000 Euro, pro kg wäre das ca. 200 Euro!

Man kann die Lebensmittelpreise niemals substantiell erhöhen, da dann das Geld für Güter verloren ist, die das Geschäftsmodell der Gesellschaft darstellen. Despektierlich Berge von Müll, der im Zweijahresrhythmus anfällt.
Die Lebensdauer eines smartphons, eines Pullovers und eine Autos kennt sicherlich jeder!
Es wurden mit der Dieselkrise 5 Jahre alte VW verschrottet. Das geht rein aus logischer Sicht niemals!

erwin16
4 Jahre her

An sich enthält der Artikel viel richtiges. Zwei Anmerkungen: China exportiert zur Zeit noch kein bzw. sehr wenig Fleisch, da die Preise in China höher sind als in D. Zur Zeit wütet im größten Schweinebestand der Welt (jedes zweite Schwein der Welt steht in China) die afrikanische Schweinepest und man munkelt jedes zweite Schwein ist betroffen. Bei den Strukturen bekommt das China auf einige Zeit nicht in den Griff und wird Fleisch aus allen Märkten absaugen! Außerdem schrumpft das Angebot in der EU potentiell durch die Auflagen. In Dänemark gab es eine Rückgang der Betriebe um 46,3 % Zitat Fleischwirtschaft.… Mehr