Europäische Einlagensicherung: Olaf Scholz verrät die Sparer

Olaf Scholz hat seine Zustimmung zu einer Europäisierung der Einlagensicherung verkündet. Doch diese ist zum Schaden der Sparer in Deutschland, die nun für südeuropäische Zombie-Banken mithaften.

Axel Schmidt/AFP/Getty Images

Die Einlagensicherung der Banken ist atypisch für eine Marktwirtschaft. Sie durchbricht das Haftungsprinzip. Bis zu 100.000 Euro sind Einlagen von Sparern pro Konto per Gesetz gesichert. Geht eine Bank unter, dann haften alle Banken gemeinsam bis zu dieser Grenze für die Einlagen. Nur der Rest ist Teil der Insolvenzmasse. Das widerspricht dem Glauben vieler Sparer. Sie denken, ihre Spargroschen, die sie zur Bank bringen, würden dort verwahrt, und sie behielten ihr Eigentumsrecht daran. Das ist aber nicht so. Die Einlagen der Sparer sind in Wirklichkeit ein Darlehen, das der Sparer der Bank gewährt. Kommt die Bank in Schwierigkeit und wird sogar insolvent, dann sind die Einlagen eine nachrangige Verbindlichkeit der Bank gegenüber den Einlegern.

In einem einigermaßen homogenen Bankenmarkt funktioniert dies allenthalben gut, insbesondere, wenn die Bankenaufsicht und die Prüfungsverbände der Banken auf gefährdete Institute ein kritisches Auge werfen. Daher sind Bankeninsolvenzen in Deutschland selten. Die Herstatt-Pleite 1974 war in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands der Anfang. Deren Abwicklung hatte eine Fülle von Regulierungen des Bankensektors zur Folge. Eine weitere Welle von Pleiten erlebte Deutschland während der Finanzkrise 2007/2008, als Banken wie die Industriekreditbank und die Hypo Real Estate pleite gingen und kurze Zeit später auch die Commerzbank in Schwierigkeit geriet. Auch hier folgte eine große Regulierungswelle.

Seitdem hat sich die Problemlage mehr auf den Süden Europas verlagert. Dort schieben Banken faule Kredite vor sich her, die nicht oder nur unregelmäßig bedient werden. Diese Kredite abzuschreiben, ist vielen dieser Banken nicht möglich. Sie sind zu Zombie-Instituten geworden, die nur durch die billige Liquidität am Tropf der Notenbanken am Leben gehalten werden. Sowohl die EZB als auch die Südstaaten im Euro-Club drängen daher seit vielen Jahren auf eine europäische Einlagensicherung. Diese gibt es zwar als europäische Richtlinie, die alle Mitgliedsstaaten verpflichtet, ein nationales Einlagensicherungssystem vorzuhalten. Doch was nützt dies, wenn das Vertrauen in das nationale Bankensystem insgesamt schwindet? Dann tragen die Sparer ihr Geld ins Ausland. Die gestiegenen Target II-Verbindlichkeiten Italiens sind ein Indiz dafür. Daher plädieren die Befürworter für einen einheitlichen Topf, in den alle Institute in Europa einzahlen. Lange hat sich die deutsche Regierung dagegen gewehrt. Solange der Anteil der notleidenden Kredite in Südeuropa so hoch sei, würde man nicht über eine europäische Einlagensicherung verhandeln.

Das galt bis gestern. In einem Positionspapier räumt Bundesfinanzminister Olaf Scholz diese rote Linie jetzt beiseite. Scholz schlägt ein europäisches Einlagensicherungssystem vor, das als Rückversicherung der nationalen Sicherungssysteme funktionieren soll. Die nationalen Systeme sollen Kredit über das europäische Rückversicherungssystem bekommen können. Damit wären die Einlagen italienischer oder griechischer Sparer mittelbar über das von deutschen Sparern mittelbar finanzierte deutsche Einlagensicherungssystem abgesichert. Der italienische Spargroschen wäre daher genau so sicher oder unsicher wie der deutsche. Doch der europäische Bankenmarkt ist nicht so homogen wie der hiesige. Und hier liegt das Problem. Die Entwicklung ist eine weitere Vergemeinschaftung von Risiken in der Währungsunion. Mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM wurden 2012 die Schulden der Euro-Staaten zu einem guten Teil kollektiviert. Die europäische Einlagensicherung sozialisiert jetzt auch die Haftung für die Sparvermögen in Europa. Und über allem schwebt die EZB, die durch ihre Zinspolitik Risiko und Haftung unseres Wirtschaftssystems aushebelt.

Die aktuelle Entwicklung ist daher ein Schlag ins Gesicht insbesondere der Kunden von Sparkassen und Volksbanken in unserem Land. Diese Geldinstitute nutzen bisher eine Ausnahme in der Einlagensicherungsrichtlinie der EU, indem sie nicht den einzelnen Sparer im Insolvenzfall eines ihrer Mitgliedsinstitute schützen, sondern das Institut insgesamt retten. Das hat bislang relativ gut funktioniert. Jetzt wird dieses Modell durch den Finanzminister kaputt gemacht.

Die Folge wird sein, dass die Institutssicherung entweder gänzlich fallen wird oder die Institute künftig doppelt belastet werden. Beides wäre fatal. Volksbanken und Sparkassen leiden schon heute bei ihrer Ertragskraft unter dem Negativzinsregime der EZB. Jetzt kommen die Belastungen und die Risiken einer europäischen Einlagensicherung hinzu.

Wie man als deutscher Finanzminister dieser Politik folgen kann, ist völlig schleierhaft. Diesen Umfaller muss sich die SPD in der Regierung ankreiden lassen. In den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts stand die SPD für den gesellschaftlichen Aufstieg. Dazu gehörte auch, dass sich Arbeiter und Angestellte mit geringem Einkommen ein bescheidenes Vermögen oder ein Eigenheim leisten können. Von diesem Versprechen ist die Sozialdemokratie offensichtlich inzwischen weit entfernt. Sie haben die kleinen Sparer aus dem Blick verloren, wenn er nun auch für die Misswirtschaft der Großbanken in der ganzen EU mithaften soll.

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Kommentare ( 94 )

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Sabine W.
4 Jahre her

Ganz ehrlich jetzt? Ich mache es gerade wie die ‚olle Omma Schmitz‘, legendär in ihrer Vermögensverwaltung seit anno Schießmichtot. ‚Ne Bargeldsocke unter der Matratze, ’n bisschen Gold in einem Schließfach, ein klein wenig geerbter Schmuck im Schrank. Etwas anderes bleibt kaum noch übrig, angesichts der alten/neuen Finanzpolitik. Denn schließlich weiß ich, dass mein (Steuer)-Geld verbrannt wird, eingezahlte Rentenbeiträge nicht einmal im Ansatz zurückkommen. Ich muss weiterhin Banken retten, Migranten ohne Ende unterhalten, die EU fördern, schwächelnde Wirtschaftszweige unterstützen… Man verwirtschaftet sich zu Tode. Macht nichts. Ich mach dann mal einen auf ‚Omma Schmitz’… Irgendwie scheint das sicherer zu sein –… Mehr

Peter Gramm
4 Jahre her

was diese Frau aus dem Osten bei uns angerichtet hat ist unbeschreiblich. Die Tretminen dies sie bei uns verlegt hat werden uns in den nächsten Jahren schwere Kopfschmerzen machen, wenn nicht gar um die Ohren fliegen.

Martin W.
4 Jahre her

@Herr Schäffler Es ist Ihnen völlig schleierhaft, wie man als deutscher Finanzminister dieser Politik folgen kann??? Dann werde ich für Sie den Schleier lüften: Es geht um die große, die epochale Idee, vulgo um die Ideologie der supranationalen Vereinigten Staaten von Europa, für die alles andere nachrangig ist und geopfert werden muss. Scheitern die südeuropäischen Banken, so scheitert schlimmstenfalls der Euro und nachfolgend scheitert schlimmstenfalls die Europäische Union und die VSE ist als gescheitertes Projekt, das eine „Lehre (!) aus der (europäischen) Geschichte“ darstellen soll, selbst nur noch Geschichte. Dann hätten all jene politischen Kräfte Oberwasser, die den Nationalstaat schon… Mehr

AnSi
4 Jahre her

Wir sind froh, dass wir uns ein Konto im Nicht-EU-Ausland angelegt haben! Jetzt werden die Euros langsam verlagert/in Dollar getauscht und dann können die hier machen, was sie wollen. Ohne unser Geld!

Peter Mueller
4 Jahre her

Nö, das sind weder „Versager“ noch „Vollidioten“. Die wissen genau, was sie tun und machen genau das, was von ihnen erwartet wird. Der Irrtum dabei ist, daß viele immer noch glauben, es handele sich um Interessenvertreter der Bevölkerung.

Emilie
4 Jahre her

Ich beobachte in meinem Bekanntenkreis eine große Naivität bezüglich dessen, was hier zur Zeit (nicht nur geldpolitisch) passiert. Meiner Meinung nach ist es inzwischen notwendig, sich auf eigene Faust umfassend zu informieren, um noch durchzublicken, und auch entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Aber nicht jeder ist bereit dazu. Ich befürchte, das Erwachen wird nicht angenehm sein für eine große Anzahl der Leute, wenn uns die Misswirtschaft an so vielen Baustellen auf die Füsse fällt.

Thorsten
4 Jahre her
Antworten an  Emilie

Viele Leute haben nur ein kleineres Vermögen und denken deshalb dass es sie nichts angeht.

Die Politik verkennt, dass es zu immensen Verwerfungen wie einer Weltwirtschaftskrise kommen könnte. Wie 1929 …

Wuidara
4 Jahre her

Verwundert es wirklich? Die SPD fällt den sogenannten kleinen Leuten nicht zum ersten mal in den Rücken. (z.B. siehe Rot Grün und Hartz4) Also, nicht wundern, sondern nicht mehr wählen. Aus diesem Verein dürfen keine Mitglieder mehr in Ämter mit politischer Verantwortung kommen. Aber was hat die Union nicht alles geschluckt, um nochmal in Regierungsverantwortung zu kommen. Ein SPD Finanzminister ist wirklich das Allerletzte! Unsere Politiker sollen endlich damit aufhören, die künftige Altersarmut zu beklagen und die Leute aufzufordern, für das Alter vorzusorgen. Um billig Staatsschulden anzuhäufen, sehen sie seelenruhig zu, wie die Deutschen Sparer stündlich durch die EZB enteignet… Mehr

Peter Mueller
4 Jahre her

Seeheimer Kreis. Rechter Flügel der SPD. Welcher denkende Mensch hat da etwas anderes erwartet?

fatherted
4 Jahre her

Mal sehen….wenn die italienschen Banken kippen….und lange wird das nicht mehr dauern….dann heißt es zahlen….mit dem Geld der Deutschen Sparer….den die Italiener werden nicht an die Einlagen ihrer eigenen Landsleute rangehen….das gäbe einen Volksaufstand….fragt sich was in Deutschland passiert wenn auf einmal alles weg ist wofür man ein Leben lang gespart hat….naja….so um 5000 Euro Eingenbehalt bleiben sicher ….. um sich mal ne neue Waschmaschine kaufen zu können…was will man mehr?
Von Seiten der Italiener und Griechen könnte man das auch als verspätete Reparation sehen….so kommt es doch noch zur verspäteten finanziellen Wiedergutmachung.

Horst
4 Jahre her

Gut gebrüllt, Herr Schäffler. Wenn Sie jetzt noch Ihr Abstimmungsverhalten im Bundestag an den Wählerinteressen ausrichten und weniger Fraktionsgehorsam gegen vernünftige Anträge beweisen würden, nur weil diese von der AfD kommen, dann könnte die Irrfahrt der Regierung beendet werden. Da Ihr Interesse an der möglichst langen Vollversorgung im Bundestag im Vordergrund zu stehen scheint, ist das natürlich ein naiver Wunsch und Ihr Beitrag inhaltlich zwar richtig, aber eben unehrlich.