Die Türkei steht mit dem Rücken zur Wand

Die Neue Türkische Lira hat rund 70 Prozent des Wertes eingebüßt – und allein in den vergangenen zwölf Monaten rund 30 Prozent. Der Grund: Die Türkei steht wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand.

Alles hängt mit allem zusammen. Wenn die Präsidentin der amerikanischen Notenbank Fed, Janet Yellen, in der nächsten Woche die Leitzinsen wie erwartet erneut leicht erhöht, dann hat das in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern tiefgreifende Folgen. Die dortigen Regierungen und Unternehmen sind überwiegend in Dollar verschuldet. Erhöht die US-Notenbank den Leitzins und steigen die Zinsen in Amerika anschließend auf breiter Front, dann werden Anlagen in den USA relativ zu Anlagen in anderen Ländern attraktiver. Die Folge: Anlagekapital fließt verstärkt in die USA. Der Wert der US-Währung steigt im Verhältnis zu anderen Staaten, die diesen Schritt nicht mitgehen. Wer Schulden in Dollar hat, muss daher als Regierung oder Unternehmen erheblich mehr zurückzahlen. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer schaffen das meist nicht, da sie in der Zwischenzeit ihre Ausgaben massiv ausgeweitet haben und diese nicht rechtzeitig reduzieren können oder wollen.

Auch der Euro hat gegenüber dem Dollar in den vergangenen drei Jahren fast 24 Prozent seines Wertes verloren. Seitens der Europäischen Zentralbank ist das gewollt, glaubt man doch, dass eine billige Währung die Exporte ankurbelt und so die Konjunkturschwäche in Südeuropa beseitigen hilft. Doch dauerhafter Wohlstand kann nicht mit einer immer billigeren Währung erkauft werden. Hierfür gibt es viele historische Beispiele. Man muss dafür nicht erst nach Simbabwe schauen.
Der Blick sollte hier – aus aktuellem Anlass – eher auf die Entwicklung der Türkei gelenkt werden. Die Neue Türkische Lira hat in der gleichen Zeit rund 70 Prozent des Wertes eingebüßt – und allein in den vergangenen zwölf Monaten rund 30 Prozent. Der Grund dafür: Die Türkei steht aktuell wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand.

Der langanhaltende Aufstieg des Landes scheint zu Ende zu gehen. Dabei war die Türkei lange eine Erfolgsgeschichte. In den vergangenen 30 Jahren hat die Industrieproduktion sich verdreifacht. Selbst die Weltfinanzkrise 2007/2008 hat die Türkei gut überstanden. Zum Tief 2009 legte die Industrieproduktion um fast 50 Prozent zu. Das ist sehr bemerkenswert und zeigt, wieso die Politik Recep Tayyip Erdogans so lange von der großen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wurde.

Doch inzwischen steigt die Staatsverschuldung massiv an und die Auslandsverschuldung ist im Wesentlichen im Dollarraum angesiedelt. 2016 hat die Notenbank massiv Staatsanleihen gekauft und so die eigene Verschuldung durch die Notenpresse finanziert. Gleichzeitig wurden exportorientierte Unternehmen mit geldpolitischen Maßnahmen subventioniert, um das Handelsbilanzdefizit zu reduzieren. Denn die Währungsreserven der Türkei sinken massiv, gleichzeitig steigen die Verbraucherpreise stark an. Investoren verlassen das Land und auch die wichtige Tourismusindustrie bricht massiv ein. Hinzu kommt, dass viele kluge Köpfe das Land verlassen, was zu einem Verlust von Wissen führt.

Das ist wohl der Grund, wieso Präsident Erdogan immer autoritärer im In- und Ausland auftritt. Wirtschaftliche Probleme werden oftmals politisch dadurch kaschiert, dass Regierungen ablenken, neue Feindbilder schaffen und die Notenbanken zur Staatsfinanzierung missbrauchen. So macht es jetzt auch Erdogan. Der kommende Zinsschritt in den USA wird die Probleme der Türkei daher weiter massiv verschärfen.

Auf den Druck und die Provokationen Erdogans sollte die deutsche Regierung mit Klarheit antworten. Angela Merkels Flüchtlingsdeal mit Erdogan hat diese Klarheit nicht geschaffen, sondern die Bundesregierung erpressbar gemacht. Um so mehr Klarheit müsste eine Kanzlerin jetzt an den Tag legen, wenn eine ausländische Regierung ihre Probleme durch provokative Wahlkampfauftritte in Deutschland lösen will. Eine ausländische Regierung kann sich nicht auf das Minderheitenrecht der Meinungsfreiheit berufen, um innenpolitische Fragen in einem anderen Land zu thematisieren. Diese Klarheit muss die Bundesregierung nun schaffen.

PS: Es wäre am Besten, wenn sich Kanzlerin Merkel daher aus aktuellem Anlass solidarisch mit der niederländischen Regierung zeigen würde und die übrigen EU-Staaten gleich mit.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung.

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Kommentare ( 48 )

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3. Stock links
7 Jahre her

ja, allerdings ungeeignet, die Aussage von Schäffler richtig zu stellen: „..steigt die Staatsverschuldung massiv an…die TR steht mit dem Rücken zur Wand…“ über Schulden gäbe es freilich viel mehr zu sagen… Schulden sind vor allem dann kein Problem, wenn man jemand anderen findet, der sie bezahlt. Dazu brauchen Sie aber nicht in die Türkei zu fahren. …etwas weiter westlich bleiben und mal bei den Griechen, Italienern oder Spaniern anklopfen. Auch ein Anruf bei Draghi könnte Licht ins Dunkel bringen. Bei allem, was man den Türken vorwerfen kann, dies nicht! >> nochmals: „Jeder möge doch bitte mit dem Putzen bei den… Mehr

Robert Kusch
7 Jahre her

Merkel ist Physikerin. Und sie hat die Heisenbergsche Unschärferelation der Quantenmechanik erfolgreich in Politik umgesetzt. Diese besagt, dass man weder die Bewegungsrichtung noch die Geschwindigkeit eines Elementarteilchens exakt bestimmen kann sondern nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit oder Unschärfe. Und genau so verhält sie sich politisch. Das ist Merkels quantenmechanische Politik. Und sie wird diese fortsetzen so lange sie an der Macht ist.

malnachfragen
7 Jahre her

Gegenüber dem Dollar ist der Wertverlust der Lira sogar noch schlimmer, da beträgt er in 5 Jahren 106,8% (vor 11 Tagen waren es noch 104,2%…).

http://www.finanzen.net/devisen/us_dollar-neue_tuerkische_lira-kurs

Dass die Produktivität um ca. 50% im selben Zeitraum gestiegen ist, reicht deswegen auch nicht aus. Sie hätte um 100% steigen müssen, um 100% Wertverlust gegenüber dem Dollar ausgleichen zu können. Es waren aber nur 50%. Den Türken kosten die Waren, die man in Dollar kaufen muss, also heute 50% mehr als vor 5 Jahren. Damit könnte man vielleicht leben, wenn man richtig viele Touristen hätte.
Aber…

fein_geist
7 Jahre her

Der Artikel ist zwar schon etwas älter, dennoch komme ich nicht umhin die jüngste Entgleisung eines zutiefst zu verachtenden Individuums der Türkei anzuführen. „Das“ Erdogan, in Europa bekannt für seine nicht vorhandene Kinderstube sagte soeben Zitat: „Da kommt die Kanzlerin Deutschlands und sagt, ich bin auf der Seite Hollands. Wir wissen ohnehin, dass Du Dich von denen nicht unterscheidest. Wir erwarten ohnehin nichts anderes. Die greifen mit ihren Pferden und Kötern an, genauso wie Du mit Deinen Pferden und Kötern angreifst. Zwischen Euch gibt es keinen Unterschied.“ So lässt also die deutsche Bundesregierung zwischenzeitlich mit sich reden! Als deutscher Staatsbürger… Mehr

hasenfurz
7 Jahre her

Nach dem Crash kommt mE eh die Golddeckung wieder, sofern wir die Bargeldabschaffung der Eliten abgebogen kriegen. Das Problem ist nur, die Gauner wollen ihre Luftgewinne aus cosa Euro nostra – fiat money vorher noch legalisieren. Mal abwarten, was Trump und die Asiaten, der Gold-Renmimbi so machen, wie die neue Weltreservewährung so läuft, was aus dem Petrodollar werden soll. Nach der Hollandwahl wissen wir mehr.

Luisa
7 Jahre her
Antworten an  hasenfurz

Danke, denn ich mache mir Sorgen. Bin schon zu stark enteignet worden. Obwohl sehr frühzeitig + diversifiziert vorgesorgt. Die gesamte qualifizierte Wirtschaftsleistung, die wir jahrzehntelang erbracht haben, wurde neoliberal verfrühstückt.
Faulenzer gab es schon immer, aber was in den letzten Jahren abgeht…Wenn Sie die ESM-Debatten + die Abnicker gesehen haben, das nachfolgende Drama am BGH. Man wusste, dass Weidmann nichts mehr zu sagen haben wird und z. B. Gauweiler, Sinn, Henkel, Lucke etc. belaechelt wurden. Wollen wir sehen, was die Oranjes morgen waehlen. Danke und Adé.

Ivan De Grisogono
7 Jahre her

Putins Vorteil ist keine besondere Klugheit oder Diplomatie sondern Skrupellosigkeit, Menschenverachtung und Bereitschaft zu luegen und zu betruegen.
Damit ist er einer linksgruen unterwanderten Demokratie wie Deutschland ueberlegen und immer handlungsfaehig!

Herbert Wolkenspalter
7 Jahre her

Vielleicht sind die islamischen Gesellschaften ja auch ohne Wirtschaftsweltmeisterschaft schon glücklich.

Matthias Losert
7 Jahre her

„Die Türkei steht wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand.“ – Hr. F. Schäffler

Ein weiterer weltwirtschaftl. Dominostein ohne festes Fundament. Wer hält eigentl. türkische Dollar-Anleihen?

Harry James mit Armbrust
7 Jahre her

„Es wäre am Besten, wenn sich Kanzlerin Merkel daher aus aktuellem Anlass
solidarisch mit der niederländischen Regierung zeigen würde und die
übrigen EU-Staaten gleich mit.“

Das würde ich als Niederländer erwarten.
Das ist exakt das was nicht passieren wird.
Das könnte der Anlass für einen Austritt der Niederlande aus der EU werden.

Seneca
7 Jahre her

Das ist die in der Sache nicht zutreffende rein mediale Sichtweise im Westen. Chinesen, Russen, Syrer, Iraner und die anderen Nachbarländer fern und nah sehen dies vollkommen anders. Wenn man sich die Stabilisierung der türkischen Lira gegen Dollar und Euro in den letzten Wochen anschaut, dann erkennt man doch, dass und warum die Chinesen gerade beginnen massiv in die türkische Wirtschaft zu investieren. Der Syrien- und Irakkrieg neigt sich mittelfristig dem Ende, riesige Infrastrukturprogramme über ein bis zwei Jahrzehnte stehen an und die Türkei ist geografisch und wirtschaftlich hierfür perfekt positioniert. Wenn Frieden in Nahost einzieht, wird auch zugleich der… Mehr

3. Stock links
7 Jahre her
Antworten an  Seneca

teile zu 100% Ihre Ansicht, wenn zu ergänzen erlauben: dies mit einer Bevölkerung die nahezu nur halb so alt ist, wie die europäische, mit im Schnitt ca. 28 Jahren..

nb: erstaunlich, wie „westliche Sichtweisen“ vom mainstream aufgenommen und verteilt werden, hier sogar von Schäffler, der sich gewiss nie (!) diesem zugehörig fühlen würde.. na ja, vielleicht schreibt neben dem SpahnischenKaraBenNemsi hier bald auch ein Marco Polo und entdeckt die Neue Seidenstrasse bei TichysHandelswegindieZukunft…

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/handelswege-der-zukunft-chinas-neue-seidenstrasse-14593210.html

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