ARD und ZDF haben ein Akzeptanzproblem

Wahrscheinlich wird in fünf Jahren niemand mehr am Sonntagabend um 20 Uhr die Tagesschau und um 20.15 Uhr den Tatort schauen, sondern sich seinen Fernsehabend individuell zusammenstellen.

© AFP/Getty Images

Schauen Sie Fernsehen oder streamen Sie schon? Was, Sie schauen noch Fernsehen, dann gehören Sie zu einer aussterbenden Spezies. Das durchschnittliche Zuschaueralter bei ARD und ZDF liegt bei rund 60 Jahren. Der Marktanteil der Öffentlich-Rechtlichen bei Zuschauern unter 30 liegt nur noch bei 15 Prozent im Vergleich zu den privaten Sendern.

Mehr als drei Viertel aller Internetnutzer in Deutschland über 14 Jahre schauen Videos per Stream. Am beliebtesten sind Videoportale wie Youtube, Clipfish oder Vimeo. Sechs von zehn Internetnutzern sehen sich dort kostenlos Videos an.

Bezahlte Streaming-Dienste wie Netflix, Maxdome oder Amazon Prime nutzen inzwischen 24 Millionen in Deutschland. Wahrscheinlich wird in fünf Jahren niemand mehr am Sonntagabend um 20 Uhr die Tagesschau und um 20.15 Uhr den Tatort schauen, sondern sich seinen Fernsehabend individuell zusammenstellen. Da ist es nicht verwunderlich, dass ARD und ZDF um junge Zuschauer buhlen und ihr Angebot erweitern. Die Mediatheken beider Sendergruppen werden massiv ausgebaut. Mit einem Budget von 45 Millionen Euro haben die Öffentlich-Rechtlichen jetzt ein exklusives Online-Jugendangebot geschaffen, das Youtube-Videos produziert und ins Netz stellt.

Auf den Spuren von Netflix ist auch das ZDF im Umgang mit seiner Mediathek. Bislang konnte man verpasste Sendungen dort für eine gewisse Zeit wiederfinden. Jetzt präsentiert das ZDF beliebte Serien vorab in der Mediathek und erst dann im normalen Fernsehprogramm. Die beiden neuen ZDF-Serien „Das Pupertier“ und „Zarah“ zum Beispiel werden ab dem 24. August in die Mediathek gestellt. Der offizielle Start der Serien im linearen Programm ist dagegen erst am 7. September.

Zwangsbeitrag, nein danke
Freier Markt für freie Medien!
Die Öffentlich-Rechtlichen befinden sich hier in einer Grauzone. Immerhin stehen sie im Wettbewerb mit privat finanzierten Angeboten. ARD und ZDF können hier aber mit vollen Taschen hantieren. Ihre Beitragseinnahmen betragen rund acht Milliarden Euro. Deutschland hat damit den teuersten öffentlichen Rundfunk der Welt. Er stammt aus einer analogen Welt des letzten Jahrhunderts, in der Rundfunklizenzen knapp waren. In einer digitalen Welt sind Rundfunklizenzen nicht mehr knapp, sondern nahezu beliebig vorhanden. Zur Pluralität braucht es eigentlich keine 23 öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramme und 63 öffentlich-rechtliche Radioprogramme.

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben zunehmend ein Akzeptanzproblem gegenüber den Beitragszahlern. Rund zehn Prozent der Beitragskonten beim „Beitragsservice von ARD und ZDF“ befinden sich im Mahnstatus. Monatlich werden fast 60.000 Vollstreckungsersuchen gegen säumige Beitragszahler eingeleitet. Das Akzeptanzproblem erstreckt sich aber auch auf die beitragszahlenden Zuschauer. Sie wenden sich zunehmend von ARD und ZDF ab und schauen lieber private Sender wie RTL, Pro 7 und Sat1 und gleichzeitig wechseln viele zu den Streaming-Diensten von Netflix und Co.

Das ist der Grund, wieso die zwangsbeitragsfinanzierten Sender ARD und ZDF sich jetzt in Bereichen breitmachen, in denen eigentlich eine ausreichende Versorgung vorhanden ist. Und nicht nur die Mediathek und die Youtube-Kanäle werden umfangreich bespielt, auch die Online-Seiten werden zunehmend zu umfangreichen Online-Portalen ausgebaut und mit textlichen Inhalten gefüllt. Diese Entwicklung kann den Zeitungsverlagen nicht gefallen, die sich rein über Werbung finanzieren müssen.

Der Bedarf einer öffentlich-rechtlichen Grundversorgung ist hier vielfach nicht vorhanden. Diese Angebote sind ja auch nicht durch die öffentlich-rechtlichen Sender angestoßen worden, sondern sie drängen sich jetzt mit ihren Beitragsmilliarden in einen funktionierenden Markt und zerstören ihn damit.

Verändert sich das Nutzerverhalten, führt der technische Fortschritt zu einem immer größeren Angebot und trägt dieses neue Angebot zu einer viel größeren Vielfalt bei, dann muss sich eine einmal vom Staat initiierte Rundfunkordnung auch selbst hinterfragen. Sie muss das zwangsfinanzierte System zurückfahren und einhegen.

Die Antwort der Politik kann dann nicht einfach sein, wir erhöhen die Zwangsbeiträge aller, damit ARD und ZDF überleben können. Nach dem Motto: Koste es, was es wolle.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung.

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Kommentare ( 20 )

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20 Comments
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Gerhard
6 Jahre her

Schönen Gruß an die Frau Mama !

Tom
6 Jahre her

Ich lebe seit 12 Jahren in Asien. Zum Glück kommt hier auch der Satellit nicht drüber. Ich bin völlig frei von deutschen Medien. Auch dieses Hintergrundrauschen aus dem Radio oder von Werbeplakaten fehlt inzwischen völlig für mich. Nach ein paar Jahren fing es damit an, dass ich nicht verstand, warum es bestimmte Songs in die Charts schafften (kann man ja über das Internet durchaus hören). Also schaffte ich erst die Mainstreammusik ab. Das ist ein völlig neuer Genuss. Nach rund vier Jahren stachen mir dann bestimmte Schlagzeilen und Aussagen immer mehr ins Auge. Beispielsweise, wie sehr Sarazzin gebashed wurde, wie… Mehr

Bernhard K. Kopp
6 Jahre her

Herr Schäffler weiss wahrscheinlich auch keine politische Partei, die zumindest längerfristig, 5-10 Jahre, ARD/ZDF und Radio, auf 50% des heutigen Standes zurückfahren möchte. Was soll also der Bürger tun ? Nichtwählen, deswegen eine neue Partei gründen, auswandern ? Alles keine vernünftigen Alternativen. Wir könnten eine bürgerlich-liberale Partei gebrauchen, die u.A. derartige Ziele zumindest ins Programm nimmt, und dann mit den Steuermitteln, die gewählten Parteien zufliessen, diese Ziele immer wieder propagiert – und dabei immer grösser wird. Ende des Tagtraums.

Frau Rauscher
6 Jahre her

Es gibt da soweit ich weis eine Partei, welche diese versteckte Steuerabgabe auf das nötigste reduzieren möchte! Wäre die keine „Alternative“?

Herbert Wolkenspalter
6 Jahre her

Genau! Man kann aussuchen. Nur so schafft man es, mit der Fülle der verschiedenen Sparten und ihren Sendungen umzugehen

Darunter auch viele ausländische Produktionen incl. Serien, die nicht vom deutschen Virus befallen sind.

Trifero
6 Jahre her

… ein Lichtblick in all der dumpfen Ignoranz.

Herbert Wolkenspalter
6 Jahre her

Dazu gehört gesagt, dass die großen privatwirtschaftlichen Medien bei diesen Themen ins selbe Horn stoßen wie ARD und ZDF, einige sogar als Speerspitze noch einseitiger und krasser.

Das öffentliche Meinungsbild scheint herzlich wenig mit der theoretisch vorhandenen Freiheit als auch dem Markt zu tun zu haben.

Bernd Schreller
6 Jahre her

Nun, die DDR Bürger mussten ihre Gehirnwäsche wenigstens nicht noch selbst zwangsweise bezahlen. Wir sind da schon einen Schritt weiter, und die meisten Leute akzeptieren den Zwang. Dabei wäre heutzutage ein pay-per-view technisch kein grosser Problem mehr, aber dann stimmt die Kasse der 1984er ja nicht mehr.

Werner
6 Jahre her

Früher gingen Sonntags Alle für den „guten Weg“ in die Kirche. Zur Warnung vor Teufel und Hölle. Heute sind es tausende „Überbringer“ als „Meinungsbildner“, die konzentriert und rund um die Uhr Warnungen, Drohungen, Meinung und Verhaltensregeln „beibringen“. 24 Stunden am Tag – direkt in alle Wohnzimmern und sogar auf Smartphones. Am Klingelbeutel kommt heute keiner mehr vorbei. Vorbeischlängeln wird mit „Strafmassnahmen“ – manchmal Beugehaft – beantwortet. Er wurde schon vorher und zwangsweise mit einer „Demokratieabgabegebühr“ aufgefüllt. Die Teufel heißen heute „Putin“, „Assad“, „Iran“, „NK“… „Orban“, Kaczynski… denn die Bösen drohen mit gruseliger Diktatur. Mit den als Mittel zum Zweck selbst… Mehr

Dr. Schulz
6 Jahre her

Dazu nur ein Zitat vom meinem sehr verehrten Journalisten Peter Scholl-Latour
anläßlich seines 90. Geburtstags :
“ Wir leben in einer Zeit der Massenverblödung „