Wahllisten-Entscheid in Sachsen: So grenzt man unliebsame Konkurrenz aus!

Wegen behaupteter Verfahrensfehler wird die Landesliste der sächsischen AfD, die laut Umfragen mit der CDU um Platz 1 kämpft, drastisch zusammengestrichen.

imago images / ddbd
Sächsischer Landtag, Dresden

Der Sachverhalt, um den es hier geht, ist dramatisch. Doch die öffentliche Aufregung in der Republik hält sich sehr in Grenzen. Denn das Opfer ist die ungeliebte AfD, die Schmuddelpartei, die „Nazi-Partei“. Man muss sich einen Augenblick vorstellen, was los wäre, wenn eine eingereichte Landesliste der Grünen vom zuständigen Wahlausschuss mit den Stimmen aller anderen Vertreter so massiv zusammengestrichen worden wäre wie die der AfD am vergangenen Freitag in Sachsen. Die Grünen – statt der AfD – rangelten in den Umfragen mit der CDU um Platz 1 und könnten bei der Landtagswahl am 1. September mit etwa 30 Mandaten rechnen. Und der Wahlausschuss striche kurzerhand 43 Kandidatinnen und Kandidaten wegen angeblicher Formfehler von der Liste, so dass nur noch 18 Bewerber übrig blieben. Das grüne und linksliberale Milieu würde kochen. Die Wahlmanipulation und die mit juristischen Tricks erfolgte Ausgrenzung einer unliebsamen Konkurrenz würde allenthalben beklagt. Nur mit üblen Machenschaften des etablierten Parteienkartells solle ein Wahltriumpf der schlecht beleumundeten Konkurrenz verhindert werden, tönte es auf allen Kanälen.

Juristisch versucht die sächsische AfD jetzt mit Verfassungsbeschwerden in Form einer einstweiligen Anordnung zu erreichen, dass der Entzug des passiven Wahlrechts eines Großteils ihrer Kandidaten gerügt wird. Ob dieser juristische Widerstand Erfolg hat, ist ungewiß, die möglichen Konsequenzen für die ordnungsgemäße Wahl erst recht. In einem FAZ-Interview unterstützte der Rechtswissenschaftler Martin Morlok die Entscheidung des sächsischen Wahlausschusses und dessen „streng formale Sichtweise“, eine fehlerhaft zustande gekommene Liste einfach massiv zusammenzustreichen.

Die Wirkung kann eine andere sein
AfD in Sachsen: Formfehler oder Anschlag auf die Demokratie?
Die Gegenposition vertritt das Ehepaar Sophie und Christoph Schönberger, sie Professorin in Düsseldorf, er Professor in Konstanz. Ich darf die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) zitieren: „In einem Beitrag für den einflussreichen ‚Verfassungsblog‘ führen sie zwei wesentliche Kritikpunkte an. Zum einen sei es nach geltendem Recht nicht verboten, eine Landesliste an zwei Parteitagen aufzustellen. Zum anderen müsse der Versammlungsleiter auch nicht zwingend ein und dieselbe Person sein. Was, fragt das Autorenduo, wäre beispielsweise, wenn derjenige, der so ein Amt ausübe, aus gesundheitlichen Gründen ausgewechselt werden müsste? Die Zurückweisung des zweiten Teil der AfD-Liste gebe allen Verschwörungstheorien Nahrung, welche die Partei ohnehin verbreite, warnen die Schönbergers.“

Politisch versucht die AfD in Sachsen jetzt mit einer Erststimmen-Kampagne auf die Ausgrenzung zu reagieren. Denn mit vielen errungenen Direktmandaten könnte die Partei – trotz der drastisch gekürzten Landesliste – doch mehr als 18 Mandate erringen. Allerdings stehen viele der aussichtsreichen Wahlkreisbewerber schon auf den 18 Plätzen der zugelassenen Liste, führten folglich zu keinen zusätzlichen Mandaten. Außerdem werden sich die anderen Parteien – von CDU bis Linkspartei – mit Sicherheit zu einer „Anti-AfD-Front“ verabreden und ihren Wählern empfehlen, dem Kandidaten die Erststimme zu geben, der den AfD-Bewerber im jeweiligen Wahlkreis am ehesten schlagen könnte. Das Modell hat vor wenigen Wochen bereits im OB-Wahlkampf im sächsischen Görlitz funktioniert.

Eine Schlussfolgerung ist für mich aus der Causa Sachsen aber bereits zu ziehen: Politisch ist die mit Formfehlern begründete Zurückweisung der AfD-Landesliste hochgradig dumm. Damit bedient das Parteien-Establishment doch die Märtyrerrolle der AfD: „Alle gegen uns!“ Das ist Wasser auf die Mühlen des Bürgerprotests. Da kann man doch fast sicher damit rechnen, dass sich der Ostwähler-Frust erst recht in einer Stimmabgabe für die AfD entlädt. Danach vergießen dieselben Parteien, die mit ihrer inflationär gebrauchten „Nazis raus“-Melodie die Stigmatisierung und Ausgrenzung einer immer größer gewordenen AfD-Wählerschaft betrieben haben, Krokodilstränen über den vermeintlich „braunen“ Osten.

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Kommentare ( 110 )

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WandererX
4 Jahre her

Mit solch billigen Tricks wird man seitens der CDU, Grünen und SPD nur einen scharfen Bumerang zurückbekommen. (Wähler sind in gerade Fragen der mentalen Ausrichtung sicherlich nicht dumm.) Der einzige Sinn machende Vorwurf an die AFD, nicht seriös und berechenbar genug, geht darüber doch ins Leere, wo dann die anderen zeigen, dass sie es bezüglich unsauberer Strategien und mieser Methoden locker die „Rechten“ schlagen können und wollen! So erreicht man eine Steigerung der AFD von 25 auf 30% im Osten. Falls das passiert, werden wieder Verbotsanträge ausgegraben werden und Hunderte deutsche Journalisten werden ihr Geld mit dem Nachweis des verfassungsfeindlichen… Mehr

The Mothman
4 Jahre her

Das ist richtig, aber in der AfD bricht die Opposition so langsam weg. So ist zum Beispiel der EU-Austritt (Ich erinnere an die Bezeichnung AfD) ganz leise relativiert worden. Korrupt sind „diese Einheitsparteien“ spätestens seit der Regierung Schröder. Ich verstehe Politik als demokratische Opposition gegen über der Wirtschaft…..und da ist das Geklüngel zwischen Wirtschaft und Partein von jeher korrumpiert. Die Politik – die res publica, die öffentliche Sache – sollte von jeher FÜR die Menschen da sein und nicht gegen sie arbeiten. Das ist eine Verantwortung, die diese Parteien schon seit Jahrzehnten nicht mehr wahrnehmen. Wen wunders, wenn sich welche… Mehr

Eberhard
4 Jahre her

Die angeblichen Nazis von heute und die Braunen im Osten, wer sind sie eigentlich? Es sind nicht die wenigen Irren mit Hitlergruß und Hakenkreuz, die es westlichen Vorbildern nachmachen. Nein, es sind die Vielen, die selbst noch, oder in deren Familien bereits zu Zeiten des linken DDR Sozialismus, aktiver oder passiver Widerstand gegen eine infame und die Menschenrechte verachtende linke Diktatur und Meinungseinschränkung geleistet wurde. Die oft über viele Jahrzehnte trotzdem wussten, was Demokratie bedeutet. Die sie sich dann auch erkämpft haben. Die ihre politische Moral damals und heute nicht verkauften, um für sich selbst einen besseren Lebensstandard zu bekommen.… Mehr

EURO fighter
4 Jahre her

Die Darstellung ist so nicht ganz richtig. In der „Medieninformation der Landeswahlleiterin“ heisst es: >> Die Landesliste der AfD wurde in 2 Versammlungen im Februar und im März 2019 aufgestellt. Der Ausschuss hatte zu entscheiden, ob dies als eine einheitliche Aufstellungsversammlung angesehen werden kann oder ob der Gesamtablauf für zwei getrennte Versammlungen spricht. Mit den anwesenden Vertretern der AfD wurde die Sach- und Rechtslage ausführlich diskutiert. „Letztlich stand für die Mitglieder des Ausschusses nicht sicher fest, dass es sich um eine einheitliche Versammlung gehandelt hat“, erklärte Carolin Schreck weiter. Der Ausschuss hat daher entschieden, die Landesliste mit den Listenplätzen 1… Mehr

The Mothman
4 Jahre her
Antworten an  EURO fighter

Danke für die Richtigstellung. Es gilt der die alte Weisheit: Wer will wird Wege finden, wer nicht will, Gründe. Hier wird – aus Prinzip – ein Grund gefunden, einer missliebigen Pertei etwas zu verwehren, was bei allen anderen Parteien gängige Praxis ist. Ich finde das ziemlich armseelig. Anstatt Kritik als das, was sie ist (nämlich als Möglichkeit zur eigenen Verbesserung), aufzugreifen, werden alle diskreditiert, die dies auch so sehen oder selbst kritisch aktiv werden. Mit diese, für dieses Klientel üblichen, verkürzten logischen Kurzschlüsse stellen sie sich doch selbst ins aus. Bei solchen Vorgängen brauchen sie doch das Wort Demokratie doch… Mehr

Evelyn Beatrice Hall
4 Jahre her

Wenn das, was man überall liest, daß nämlich eine Beschwerde der AfD gegen die Entscheidung des Wahlausschusses erst nach erfolgter Landtagswahl möglich ist, dann frage ich, was für ein perverses Rechtssystem wir haben. Es sind noch über sieben Wochen Zeit bis zur Wahl. Warum kann nicht das sächsische Verfassungsgericht oder das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung treffen, ob sie nun zugunsten oder zuungunsten der AfD ausfällt, so daß die Landtagswahl in einem sicheren rechtlichen Umfeld durchgeführt werden kann? Warum geht das erst nachträglich? Wenn ich sehe, daß zwei Autos aufeinander zufahren, und ich noch eingreifen kann, dann versuche ich doch, den Unfall… Mehr

HagenDD
4 Jahre her

Ich wage die Prognose, dass die Aushebelung der Demokratie mittels juristischer Winkelzüge in Sachsen eine Fanal werden könnte für eine Revolution in Deutschland, die überfällig ist, wenn wir unser Land noch retten wollen…

singerjo
4 Jahre her

Bei aller Liebe: eine Partei, die Regierungsverantwortung übernehmen will, sollte genügend Sachverstand aufbringen, um nicht an solchen Formalia zu scheitern. Was soll sonst werden, wenn sie (mit-)regiert? Damit will ich nicht die juristischen Winkelzüge verteidigen oder den Schaden für das Demokratieempfinden vieler Bürger negieren, aber ich möchte schon Profis in der Verantwortung wissen.

MartinS
4 Jahre her
Antworten an  singerjo

Mit Verlaub das ist Unsinn. Wenn Sie sich auch nur rudimentär mit dem deutschen Recht beschäftigen, werden Sie ganz schnell feststellen, dass dieses Fehler geradezu erzwingt. So verstoßen Sie mit Sicherheit gegen das DSVGO und auch Ihre Steuererklärung beinhaltet mit sehr großer Wahrscheinlichkeit formale Fehler. Alles was ich darüber gelesen habe, lässt nur den Schluss zu, dass auch eine andere Interpretation möglich gewesen wäre. Die Aussage es gäbe keinen Ermessensspielraum bezieht sich ausschließlich auf die Handlung nach Feststellung der formalen Fehler. Nebenbei bemerkt, laut sächsischem Wahlgesetz kann die Liste nachträglich immer noch geändert werden. Aus meiner Sicht spricht vieles dafür,… Mehr

Heiner Hannappel
4 Jahre her

Man muss die AfD nicht lieben und auch nicht wählen, aber sie ist eine demokratisch legitimierte Partei, mit der man sich politisch auseinandersetzen muss, wie ich auf Fortunanetz schreibe. Herr Metzger argumentiert vollkommen richtig, denn diese Spielchen, die mit einer arroganten Ausgrenzung von AfD-Kandidaten mit fadenscheiniger Begründung in Sachsen betrieben werden, zeigt die ganze Hysterie und Angst der etablierten Parteien auf, in Sachsen ins Hintertreffen zu geraten und eventuell einen AfD-Ministerpräsidenten akzeptieren zu müssen. Jedes , aber auch jedes unseriöse Mittel ist nun recht und wird mit einer Scheinrechtlichkeit – die medial auch noch unterstützt wird – versehen, um einen… Mehr

Wolfsohn
4 Jahre her
Antworten an  Heiner Hannappel

Wir kennen solche Verfahren bereits aus der Geschichte – liegt etwa 100 Jahre zurück, ich nehme an, Sie wissen, was ich meine. Auf damals sollte eine Form des Sozialismus in Deutschland etabliert werden. Es gelangt, die Folgen sind bekannt!

MartinS
4 Jahre her
Antworten an  Heiner Hannappel

Nun die Politik der Union wird sich nicht ändern und Deutschland als demokratischen Staat zu bezeichnen hat sich damit ohnehin erledigt, zumal sich immer mehr herauskristallisiert, dass gar kein Formfehler vorlag. Das wiederum ließe dann nur den Schluss eines Komplotts zu, denn dass die Landeswahlleiterin selber auf die Idee kam, die AfD im Alleingang weitgehend auszuschließen, ist unwahrscheinlich. Ich habe hier die CDU und ihren Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Kretschmer schwer im Verdacht. Denn Cui Bono, wem nützt es. Hier wäre die OSZE gefragt, ansonsten kann sie sich ihre Wahlbeobachter sparen. Denn wenn sie diese Wahlfälschung, um nichts anderes handelt es… Mehr

Joachim
4 Jahre her

Demokratie ist nicht mehr. Durch einen zweifelhaften „Formfehler“ wird versucht, bis zu 15% der Wählerstimmen „in den Lokus“ zu befördern. Und dies bereits 2 Monate vor der Wahl. In einer Demokratie müsste sowas korrigiert werden können. Denn das höchste Gut in einer Demokratie ist ja wohl die Wahl / der Wählerwille. Auch verstehe ich nicht so ganz, wo das Problem ist. Die Liste wurde an 2 Tagen aufgestellt, und nicht in „einem Rutsch“ (wohl weil die Zeit nicht reichte). Und? Wo ist das Problem? Kann dann auch eine „Mittagspause“ dazu führen, daß es nicht als „eine Sitzung“ gewertet wird? Und… Mehr

Josef K.
4 Jahre her

„Märtyrerrolle der AfD: „Alle gegen uns!““ Das ist keine Martyrerrolle, es ist die politische Wirklichkeit.
Der Wählerwille ist das Fundament unserer Demokratie. Dort wo er unterdrückt wird, gilt:
„Wenn Recht zu Unrecht wird, dann wird Widerstand zur Pflicht, Gehorsam aber Verbrechen“
Zunächst habe ich jede Furcht vor Rechten, Rechtsradikalen und Rechtsextremen verloren. Denn wer soll jetzt noch glauben sie seien gefährlich? Im Gegenteil, wir werden sie vielleicht noch brauchen.