Toleranz nach rechts? Aber bitte nicht mit der AfD!

Beim evangelischen Kirchentag sind AfD-Politiker auf Podien nicht erwünscht. Doch die Ausgegrenzten stehen vor starken Wahlergebnissen im Osten.

© John MacDougall/AFP/Getty Images
The Reichstag building, which houses the Bundestag lower house of parliament, is reflected in a puddle, in Berlin on October 5, 2017

Altbundespräsident Joachim Gauck erntete für ein bemerkenswertes SPIEGEL-Interview vor allem für seine Forderung nach einer „erweiterten Toleranz in Richtung rechts“ teilweise harsche Kritik. „Toleranz“, so Gauck, „sei auch eine Zumutung.“ Denn sie bedeute „auszuhalten, was uns nicht gefällt. Und beispielsweise nicht jeden, der schwer konservativ ist, für eine Gefahr für die Demokratie zu halten und aus dem demokratischen Spiel am liebsten hinauszudrängen.“

Auf die konkrete Frage nach Pegida und der AfD reagiert Gauck wie folgt: „Politisch ist es nicht gut, wenn eine bestimmte Gruppierung der Gesellschaft nicht repräsentiert wird. Es ist notwendig, auch deren Themen in einer Partei zu formulieren, dann sind sie auf der Agenda, und man kann sie auch gerne bekämpfen.“ Auf die SPIEGEL-Nachfrage: „Die AfD ist also notwendig?“ erklärt Gauck: „Ich finde die AfD verzichtbar. Nicht verzichtbar ist es, dass die anderen Parteien alle relevanten Themen und Probleme bearbeiten. Dabei geht es nicht darum, den Populisten hinterherzulaufen, sondern ihnen umgekehrt die Deutungshoheit zu nehmen. Doch wenn die AfD schon existiert, besteht meine Toleranz darin, dass ich mit ihr streite und sie als politischen Gegner betrachte. Aber ich sage nicht: Ihr seid Feinde, ihr müsst zerstört werden.“

Dass die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckhardt, die vor Jahren selbst einmal als Kirchentagspräsidentin fungierte, den AfD-Podien-Ausschluss auf dem kommenden ev. Kirchentag in Dortmund verteidigte, liegt nicht nur an fehlender Toleranz, sondern ist politisch dumm. Es liegt auf dem Niveau eines Volker Kauder, der sich einst mit AfD-Politikern nicht in Fernsehrunden setzen wollte. Dafür saß die AfD dann wenige Monate später als drittstärkste Fraktion im Deutschen Bundestag. Die AfD steht am 1. September, wenn nicht alles täuscht, vor einem gewaltigen Erfolg bei den Landtagswahlen in Sachsen und in Brandenburg. Im sächsischen Görlitz brauchte es die kollektive Unterstützung der Grünen und der Linken, damit der CDU-OB-Kandidat im zweiten Wahlgang gegen den AfD-Kandidaten als Sieger aus dieser Kommunalwahl hervorging. Dass die 44,8 Prozent für den AfD-Mann ein starkes persönliches Ergebnis sind und dessen Chancen erhöhen, bei der Landtagswahl am 1. September das Direktmandat gegen seinen Konkurrenten, den CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, zu gewinnen, ging im überregionalen Jubel der Medien unter. Die CDU-Bundesvorsitzende twitterte im ersten Eifer nach dem Sieg des eigenen Kandidaten noch kühn: „Die CDU ist die bürgerliche Kraft gegen die AfD.“ Dabei war der „CDU-Sieg“ in Görlitz ohne die Unterstützung der Grünen und der Linken überhaupt nicht möglich. AKK korrigierte den Lapsus zwar spät am Wahlabend, aber der Fauxpas war wieder mal passiert.

Auch mir sind zahlreiche Einlassungen aus dem Umfeld der AfD zu rassistisch. Die Hetze gegen Minderheiten, die Aggressivität der Sprache, sie regen mich auf. Wählbar ist diese Partei für mich nicht. Aber sie hat ihre Existenz und ihren Zuspruch bei den Wählern der Tatsache zu verdanken, dass zunächst die Eurokrise und dann die „Willkommenskultur“ von Union, SPD, Grünen und Linken gemeinsam als alternativlos eingestuft und damit einer kritischen Auseinandersetzung in der politischen Debatte entzogen wurden. Doch die Vox populi suchte sich ein Ventil. Der politisch korrekte Allparteien-Sprech machte die AfD groß.

Die „Schmuddelpartei“ AfD wird noch diverse Häutungen erleben, bis sie sich von ihren rechtsextremistischen und undemokratischen Mitstreitern getrennt hat – oder sie wird auf mittlere Sicht wieder untergehen. Dass sich der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland und der Parteivorsitzende Jörg Meuthen erst am 18. Juni per Pressemitteilung zum Mord am CDU-Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch einen mutmaßlichen Rechtsextremisten geäußert haben, finde ich beschämend. Obwohl es schwer fällt, halte ich es auch im Umgang mit der AfD mit der Mahnung von Joachim Gauck: Mehr Toleranz nach rechts! Denn Ausgegrenzte leben länger, weil sie nicht politisch gestellt werden, sondern sich als Opfer gerieren können.

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Kommentare ( 150 )

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Britsch
4 Jahre her

Daß wir die Afd brauchen und diese erheblich an Einfluß gewinnen müßte hat sich ja erst wieder im Bundestag gezeigt. Der Antrag der Afd die Beschlußfähigkeit festzustellen, obwohl klar ersichtlich war, daß nach geschriebenem Recht zu wenig Abgeorbnete für eine Beschlußfassung anwesend waren, wurde abgelehnt. Ein klarer Rechtsbruch! “ Das Plenum habe beraten und beschlossen die Beschlußfähigkeit swei gegeben“. Hier hast sich wiedfer klar gezeigt, wer dier wahren Verfassungsfeinde und Gesetzesbrecher sind. Wer sich nicht an die Verfassung hält sondern meint über der geltenden Verfassung zu stehen. Wo sind die Rechtsorgane die für die Einhasltung der Vefassung zuständig sind? Es… Mehr

Ecke
4 Jahre her

Och, ich finde die CDU, SPD und Grüne mehr als verzichtbar. Zumal ihr politisches Personal alles andere als demokratisch ist. Die neusten Ausfälle von Tauber, KRG und Seehofer, nur um einige zu nennen, n heben Anlass zu Sorge.

imapact
4 Jahre her

„Ich finde die AfD verzichtbar. Nicht verzichtbar ist es, dass die anderen Parteien alle relevanten Themen und Probleme bearbeiten. “ Einspruch. Die AfD WÄRE verzichtbar, wenn die anderen Parteien das tun WÜRDEN. Tun sie aber nicht, ganz im Gegenteil, mit der nächsten Regierung unter grüner Beteiligung oder sogar mit von den Grünen gestellten Kanler, wird es noch schlimmer werden. Deutschlands Grenzen und Sozialsysteme stehen jedem offen, der bis an die Grenze gelangt. Syerer werden nach wie vor als Bürgerkriegsflüchtlinge anerkannt, obwohl der Bürgerkrieg weitgehend beendet ist; stattdessen findet weiter auch noch eine Familienzusammenführung auf deutschem Boden statt. Werden einmal ein,… Mehr

Grumpler
4 Jahre her

Zitat: „Die „Schmuddelpartei“ AfD wird noch diverse Häutungen erleben, bis sie sich von ihren rechtsextremistischen und undemokratischen Mitstreitern getrennt hat – oder sie wird auf mittlere Sicht wieder untergehen.“ Wenn sie den Versuch unternähme, sich zu häuten, würde sie auf kürzere Sicht… an Bedeutung einbüßen. Völlig untergehen wird sie nicht mehr. Aber eins nach dem anderen: Warum zieht sie die Radikalen (nicht Extemisten; die sind ein Fall für die Strafverfolgungsbehörden) mit? Nun, weil sie sich anderenfalls spalten müsste. Dann gäbe es zwei Parteien, die aber jede für sich genommen nur noch wenig Einfluß nehmen könnte. Den Gefallen will man den… Mehr

Marie-Jeanne Decourroux
4 Jahre her

Täuscht der Eindruck, dass an der Spitze der alten Parteien i.w. Emanzen und Softies den Ton angeben, die wieder nur Softies wie Laschet, Heil, oder Oppermann,… oder Jüngelchen wie Amthor und Ziemiak neben sich dulden? Die ehemaligen Volksparteien erscheinen heute völlig entmannt. Der Kampf gegen die AfD ist, so mein Eindruck, auch ein Kampf gegen das ,Prinzip Mann‘. Dafür spricht die unfair ,zickige‘ und verbissene Art, in der er geführt wird. Symptomatisch z.B. die unsachliche ‚Schmoll‘-Blockade gegen eine BT-Vizepräsidentschaft – egal für wen aus der AfD… Wann kehren endlich Realpolitik und Sachlichkeit in die Politik zurück? Und wo bleiben die… Mehr

Hemai
4 Jahre her

Die „Willkommensunkultur“ wurde dem gesellschaftlichen Diskurs entzogen. Richtig. Und von wem? Die „Bankenrettung“ war alternativlos. Wer hat das verfügt?
War sie denn alternativlos? Die unkontrollierte, unbegrenzte Zuwanderung ist Rechtsbruch, von wem? Seid Jahren wird in Deutschland nach falscher Melodie auch noch falsch gesungen. ÖR und Medien bilden mit den etablierten Parteien ein Bollwerk gegen jegliche Kritik.
Also wer hat hier die Deutungshoheit? Und warum gibt es zu allen diesen Problemen keinen offenen Diskurs?
Auf z. B. die Frage: Sind sie für unkontrollierte, unbegrenzte Zuwanderung, werden sie in Deutschland niemals eine Mehrheit erhalten. Genau deshalb gibt es keinen Diskurs.

Thomas Jacobs
4 Jahre her

Wer den Umgang unserer Parlamentarier während der sechziger bis neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts noch im Ohr hat, ist verwundert über den Vorwurf des Sprachmissbrauches gegenüber der AfD. Alle Fraktionen, bis hin zu den in den Achtzigern neu hinzugekommenen Grünen, bedienten sich stärkster Sarkasmen bis hin zu persönlichen Beleidigungen, um den Gegner zu diskreditieren, und dieses sogar außerhalb des Parlamentes bei Wahlkampfreden etc. . Die AfD hat unter Rückgriff auf diese Zeiten den Ton im Parlament wieder geschärft. Das Novum im Parlament der letzten 20 Jahre besteht darin, dass jeder aus Machthunger mit jedem koalitionabel sein will und auch muss,… Mehr

ich4712
4 Jahre her
Antworten an  Thomas Jacobs

Nicht zu vergessen die Entgleisungen des Joschka Fischer: Joschka Fischers Zwischenruf an Bundestagsvizepräsident Richard Stücklen: „Herr Präsident, mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch“

Ecke
4 Jahre her
Antworten an  ich4712

Man stelle sich nur einmal Bildhaft vor. Ein AfD Mann/Frau würde folgendes zum Besten geben:
Frau Bundestagsvizepräsidentin Roth, mit Verlaub, Sie sind ……“
ich glaube nicht das die Freude der Grünen so groß wäre. wie seinerzeit beim Fischer.

manfred_h
4 Jahre her
Antworten an  Thomas Jacobs

GENAU SO ist es! – Dafür von nir „10 Daumen hoch“.

Alter weiser Mann
4 Jahre her

Herr Metzger, wissen Sie überhaupt was rassistisch ist? Ich denke nicht wenn Ihnen dieses Wort so leicht über die Lippen geht. Rassismus ist die Anwendung von Merkmalen zur Benachteiligung (also noch nicht die Feststellung von Merkmalen) eines Menschen infolge eines von ihm unabänderbaren Merkmals. Deshalb kann eine Aussage per Definitionem gegen den Islam nie rassistisch sein. Jeder Islamangehörige hat immer die Möglichkeit sich vom Islam loszusagen. Jeder kann sich einer anderen Ideologie (der Islam ist ob seiner martialischen Vorgaben nicht als Religion anzusehen) zuwenden. Das ist bei der Hautfarbe anders. Diese kann niemand wechseln. Aggressive Wortwahl ist jedem Menschen in… Mehr

bfwied
4 Jahre her
Antworten an  Alter weiser Mann

Sehr gut!

Ruud
4 Jahre her

„Auch mir sind zahlreiche Einlassungen aus dem Umfeld der AfD zu rassistisch. Die Hetze gegen Minderheiten, die Aggressivität der Sprache, sie regen mich auf. Wählbar ist diese Partei für mich nicht.“ Ach Gott, wie niedlich. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Herr Metzger, wen wählen den Sie? Die CDU? Die wird ihnen auch bald den Kanal abdrehen, darauf können Sie Gift nehmen. Dann hilft es Ihnen auch nicht mehr, dass Ihnen damals die „Sprache zu aggressiv“ war und die AfD angeblich gegen „Minderheiten“ (Asylerschleicher?) gehetzt hat. Dann sind Sie, als ein typischer Vertreter der „cuckservatives“ eben auch… Mehr

Lena M.
4 Jahre her

„Hetze gegen Minderheiten, die Aggressivität der Sprache“, wo bitte, Herr Metzger, finden Sie diese bei der AfD ?? Mir sind Aggressivitäten in der Sprache bisher ganz stark bei den Grünen, der Linken und der SPD, teilweise auch bei der FDP und CDU/CSU aufgefallen.
Sehen Sie berechtigte Kritik an einer falschen Politik sowie bei Fehlverhalten/Kriminalität bei „Minderheiten“ als Hetze an?? Ich nicht!!! Hetze wird mittlerweile von den Medien und dem ÖR betrieben, wenn sich jemand erlaubt, nicht haarscharf linksgründer Meinung zu sein.

Thomas Jacobs
4 Jahre her
Antworten an  Lena M.

Verehrte Lena, ich gehe noch einen Schritt weiter als Sie: Heute werden schon Meinungen, die sich auf das Grund- bzw. Asylgesetz stützen und in Folge eine Durchsetzung bestehender, demokratisch legitimierte Gesetze fordern, als rassistisch und unmoralisch gebrandmarkt! Als seien Teile unseres Grundgesetzes offensichtlich unmoralisch und rassistisch! Der Grundgesetz-Treue wird so moralisch zum Gegner, ja zum Staatsfeind deklariert! Dass unser Grundgesetz eine „norma normans“ (eine normierende Norm) ist, die zunächst als Constitutivum unseres Staates und unserer Gesellschaft angenommen/befolgt oder zumindest toleriert werden muss, damit Gesellschaft funktionieren kann, wird traditionell von bestimmten Seiten geleugnet/übergangen! Statt dessen gibt man sich mittlerweile in erheblichem… Mehr