Nur Planspiele? IWF-Ökonomen diskutieren Bargeldabwertungsszenarien

„Nur Bares ist Wahres!“ Dieser Spruch wird konterkariert durch Planspiele, wie die Notenbanken auch für Bargeld Negativzinsen durchsetzen könnten.

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Gerade erst hat die Bundesbank untersuchen lassen, wie wir Deutschen bezahlen. Im deutschen Einzelhandel wird immer noch von 78 Prozent der Kunden bar bezahlt. Barzahlung ist übrigens laut Bundesbankanalyse auch die kostengünstigste Zahlungsart mit 24 Cent pro Transaktion, ganz im Gegensatz zur Kreditkartenbezahlung, die mit rund 1 Euro pro Zahlungsvorgang zu Buche schlägt. Doch Bargeld ist nicht nur das immer noch gebräuchlichste Zahlungsmittel im Land. Bargeldbesitz steht auch für bürgerliche Freiheit, weil die lückenlose elektronische Überwachung der Zahlungsströme damit unterlaufen wird. Man erinnert sich an die kochende Volksseele, als vor wenigen Jahren die Abschaffung des Bargelds diskutiert wurde. Bisher hat die EZB nur die Neuausgabe des großen 500 Euro-Scheins gestoppt.

Doch hinter den Kulissen werden nach wie vor Szenarien durchgespielt, wie man den Bargeldbesitz erschweren und ebenfalls mit Negativzinsen belasten kann. Denn sowohl Bürger wie Finanzinvestoren können die aktuellen Negativzinsen unterlaufen, wenn sie Bargeld horten. Im Augenblick bezahlen Banken für Einlagen bei der EZB 0,4 Prozent Negativzinsen. Darauf haben eine Reihe von Instituten reagiert und bunkern Bargeld lieber in ihren Tresoren, um diese Strafzinsen zu sparen. Das reduziert die Macht der Zentralbanken, hohe Negativzinsen durchzusetzen. Weil inzwischen alle Anzeichen auf eine globale Konjunkturabschwächung hinweisen, fällt Zentralbankern, aber auch Mitarbeitern des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf, dass die Niedrigzinspolitik den Spielraum für einen geldpolitischen Konjunkturstimulans massiv beschränkt. Starken Rezessionen begegneten die Zentralbanken in der Vergangenheit meist mit Senkungen der Leitzinsen zwischen 3 und 6 Prozent. Doch dieses geldpolitische Pulver haben sie längst verschossen. Um den Konsum zu stimulieren, fabulieren manche dann eben von hohen Strafzinsen. Doch die wiederum scheitern am Bargeld.

Wie pfiffig sich IWF-Ökonomen die Durchsetzung von Strafzinsen auf Geldbesitz vorstellen, präsentierten die IWF-Mitarbeiter Ruchir Agarwal und Signe Krogstrup am 5. Februar auf dem offiziellen Internet-Blog des Währungsfonds. Laut ihres Vorschlags sollen die Zentralbanken künftig die Geldmenge teilen. Es gibt ein „E-Geld“, das elektronisch auf den Spar- und Girokonten verbucht ist. Und dann gibt es das Bargeld, das im Bedarfsfall in einem Umfang abgewertet wird, der dem Negativzins fürs E-Geld entspricht. Bei einem Negativzins von 3 Prozent würde das in den Geschäften dann so funktionieren, dass eine doppelte Preisauszeichnung vorgenommen werden muss. Kostete ein Produkt anfänglich beispielsweise 100 Euro, würde es nach einem Jahr 103 Euro kosten. Die Schlussfolgerung der IWF-Ökonomen: „Bargeld würde dadurch an Wert verlieren, sowohl gegenüber Waren als auch gegenüber dem E-Geld. Dadurch würde es keinen Vorteil mehr geben, Bargeld statt Bankkonten zu halten.“

Dass dies faktisch auf eine Enteignung von Geldbesitz hinausläuft, versteht sich von selbst. Früher praktizierte man das mittels Inflation. Doch in Zeiten, in denen sich viele auf dauerhaft niedrige Inflationsraten einstellen, weil die Notenbanken den Zins als Risikoprämie ausgeschaltet haben, werden andere Enteignungspfade angedacht. Wir werden die Menschen schon zum Konsumieren zwingen, um die Konjunktur zu stimulieren, steckt als Idee hinter solchen Planspielen. Das hört sich für mich wie Pfeifen im Walde an. Die japanische Notenbank betreibt jetzt bereits seit 20 Jahren unorthodoxe Niedrigzinspolitik, hält wegen ihrer Anleihenkaufprogramme inzwischen 50 Prozent der Staatsschuldentitel Japans in ihren Büchern. Bei rund 240 Prozent des BIP liegt im Augenblick die ausgewiesene japanische Staatsschuld. So monetarisiert die Zentralbank diese exzessive Staatsverschuldung. Die amerikanische Fed hat die japanische Strategie nach der Finanzkrise gecovert, die EZB in Frankfurt ebenso. Nur die Fed ist bisher auf einen Normalisierungspfad ihrer Geldpolitik eingeschwenkt, scheint aber das Tempo unter dem Eindruck der Wachstumsschwäche deutlich drosseln zu wollen. Und die Frankfurter Währungshüter denken über eine Zinswende, wenn überhaupt, erst im kommenden Jahr nach.

Dass auch in der Europäischen Zentralbank Überlegungen zur Abwertung von Bargeld angestellt werden könnten, zeigt eine Personalie. Denn bereits im August des vergangenen Jahres erschien auf dem Internet-Blog des IWF ein Papier von Signe Krogstrup zum Thema effektive Negativzinsen. Ko-Autorin war damals Katrin Assenmacher, immerhin Leiterin der Division geldpolitische Strategie der EZB in Frankfurt.

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Kommentare ( 61 )

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61 Comments
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Carl Grau
5 Jahre her

** Vor allem eines „Ordoliberalen“ unwürdig, weil die gesamte vorurteilsbehaftete Betrachtung die ordnungspolitisch höchst interessante von künstlichen Begrenzungen befreiende Komponente in sich trägt. Wenn die immens ungleich verteilten Geldvermögen die Zinssätze immer tiefer unter Null drücken, weil die Schwemme an Guthaben niemand Realleistendes mehr braucht, dann ist das ein zutiefst gesunder marktwirtschaftlicher Vorgang. Wenn er künstlich durch eine öffentliche Einrichtung, wie es das Bargeld ist, begrenzt wird, dann ist der Gedanke schlüssig und marktkonform, diese Begrenzung zur Befreiung der Marktkräfte aufzuheben. Nichts anderes sieht der Vorschlag des IWF-Papiers vor. Die Unterstellung der Bargeldabschaffung als Motiv des Vorschlags, ist eine urteilende… Mehr

francomacorisano
5 Jahre her

Wenn ich AfD-Bundestagsabgeordneter wäre, würde ich zu diesem Thema eine Fragestunde im Deutschen Bundestag beantragen. Meine Fragen an die Bundesregierung:
1. Ist der Bundesregierung die „Negativ-Interest“-Studie des IMF bekannt?
2. Hat die Bundesregierung diese Studie beauftragt, ggf. zusammen mit anderen Staaten? 3. Hat die Bundesregierung an dieser Studie mitgearbeitet oder ihr zugearbeitet?
4. Wie ist die Meinung der Bundesregierung zu dieser Studie?
5. Was tut die Bundesregierung, dass die Vorschläge der Studie in der Eurozone nicht zur Anwendung kommen?

Eloman
5 Jahre her

Oder den Chinesen. Da zahlt kaum einer noch bar. Nur noch über Bezahlapps. Selbst die Bettler haben nen Zettel mit nen QR-Code in der Tasche und ein Konto.

Thorsten
5 Jahre her

Bargeld ist schon immer eine faktische Enteignung, da es darauf keine Zinsen gibt. Das zumindest früher durchaus relevant. Das gab es 5% Zinsen und einen echten Sparerfreibetrag von 6000 DM. Das hat ganz schön geklimpert in der Kasse. Und eine DM war echt was wert!!!

Argumentationsethiker
5 Jahre her

Abwarten, Herr Metzger. Unsere allwissenden Overlords in den Zentralbanken haben alles genau ausgerechnet.

elly
5 Jahre her

ich kann nur imme wieder sagen: die Mehrheit der Deutschen will das alles so. Sie berauschen sich an ihrem Helfersyndrom, ergötzen sich darin die Welt zu retten. Begonnen hat diese Kollektivpsychose mit der EURO Rettung. Während die generation der Erben ihren Erblassern (Rentner) die Butter auf dem Brot missgönnen, haben sie keinerlei Hemmungen den Rest der Welt zu retten.

Thorsten
5 Jahre her
Antworten an  elly

Solange noch „Erbmasse“ da ist, mag das gehen. Aber die ist irgendwann aufgebraucht und dann steht die Generation Schneeflocke vor einem Trümmerhaufen.

Ähnlich wie 1989 die DDR. Nur das dann kein reicher Onkel Kohl kommt und seine Milliardenschwere Schatulle aufmacht…

Ostfale
5 Jahre her
Antworten an  Thorsten

..Und selbst dann, wenn ein solcher ‚Onkel Kohl‘ käme und eine ‚Schatulle‘ mit fettem Inhalt öffnete, könnten die grünlinken Schneeflöckchen damit auch wieder nichts anderes anstellen, als den Zaster, wie geübt, zu verjubeln. Nichts mit auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt………….Die würden in den Trümmerhaufen weitervegetieren und das vielleicht noch als Normalzustand akzeptieren. Sozusagen als gerechte Sühne für die deutsche Erb- und Dauerschuld.

GermanMichel
5 Jahre her
Antworten an  elly

Quatsch mit Soße.
Die Mehrheit der Menschen ist unfähig, sich gegen geschickte Manipulation und Täuschung zu erwehren

Schuld sind die Manipulierer, nicht die Manipulierten. Die sind wie Kinder, können nichts dafür.

RedSam
5 Jahre her

Wie sagte schon J.P. Morgan: „Nur Gold ist Geld, alles Andere ist Kredit!“

Karl Napf
5 Jahre her

MigrationsPAKT – unverbindlich
Studie zur Migranten-Aufnahmekapazitaet der EU Laender – unerbindlich
Bargeldentwertung-Planspiele – unverbindlich

Wenn ich denen glaube, dann zwaengt sich die Frage auf:
Was machen die eigentlich was verbindlich und anwendbar ist?
Was machen die eigentlich von berufswegen?

ich glaube denen erstmal nicht.
Die luegen mit dem was sich mach oder mit dem warum sie es machen – worst case: mit beidem.

Dr. Michael Kubina
5 Jahre her

Wir werden noch etliche solcher Spekulationen über die Möglichkeiten der Geldentwertung=Staatschuldentilgung zu hören bekommen. Das sind alles Versuchsballons. Eine Horrormeldung wird der anderen folgen. Viele Kleinsparer werden in Panik den einen oder anderen finanziell kontraproduktiven Schritt gemacht haben. Der Sinn? Am Ende werden die blöden Bürger erleichtert aufatmen, wenn es nicht ganz so schlimm kommt, d.h. wenn die Methode gewählt wird, die die Bürger eim wenigsten durchschauen.

Mr. Meeseeks
5 Jahre her

An den guten Silvio Gesell mit seinem Schwundgeld und wie es endete musste ich auch gleich denken. Bitte schaut Euch mal die „Milkshake Theory“ von Brent Johnson an, meiner Ansicht nach ein sehr realistisches Szenario für die nächsten 2-3 Jahre.