Eine Mogelpackung namens Steuerreform

Zur finanzpolitischen Mentalität dieser kleinsten Großen Koalition aller Zeiten passt, das just am Tag dieser Steuerreform-Mogelpackung die teure Baukindergeld-Wohltat von Volker Kauder und Andrea Nahles im Frühstücksfernsehen verkündet wurde.

Getty Images

Wenn sich ein sozialdemokratischer Finanzminister spendabel zeigt, dann muss man genau hinschauen. Am Mittwoch verkaufte Olaf Scholz der Öffentlichkeit eine Mogelpackung als Steuerreform. Denn der Großteil dieser Steuerentlastung beruht auf dem verfassungsrechtlichen Gebot, den steuerfreien Grundfreibetrag an die Höhe des jährlichen Existenzminimums anzupassen. Das gleiche gilt für den Kinderfreibetrag bzw. das Kindergeld. Auf diese beiden Verfassungsgebote entfällt der größere Teil der Entlastungssumme, die auf Jahresbasis hochgerechnet knapp 9,8 Milliarden Euro Entlastung für die Steuerzahler bewirken soll. Die leichte Abmilderung der kalten Progression ist das einzige freiwillige Aperçu in diesem kleinen Steuerpaket.

Fehlanzeige dagegen bei der Abschaffung des Solidaritätszuschlags, dessen Jahresaufkommen derzeit bei mehr als 18 Milliarden Euro liegt. Hoch und heilig hatten vor allem die Unionsparteien bei seiner Einführung zur Finanzierung der deutschen Einheit versprochen, diesen 5,5%-igen Zuschlag auf die Einkommensteuer spätestens bei Auslaufen des Solidarpakts (Ende 2019) abzuschaffen. Doch was interessieren schon politische Versprechungen, wenn es um das Portemonnaie der Bürger geht. Je mehr Geld Politiker den Bürgern nicht abknöpfen, desto weniger können sie selbst für neue soziale Wohltaten aus der Staatskasse ausgeben. In dieser Haltung ist die Union heute nahezu deckungsgleich mit der Sozialdemokratie.

Obwohl aufgrund der Vollbeschäftigung und der – trotz deutlicher Schwächeanzeichen – immer noch positiven Konjunkturentwicklung die Steuereinnahmen von Rekordstand zu Rekordstand eilen, lässt sich die Union ganz offensichtlich auch auf die Strategie der SPD ein, den Soli nur für die unteren Einkommen und erst zum Ende der Legislaturperiode abzuschaffen. Für alle anderen Steuerpflichtigen mutiert dann die Nichtabschaffung – vom Volumen her immerhin gut 10 Milliarden Euro jährlich – zu einer faktischen Steuererhöhung.

Familienentlastungsgesetz?
Die GroKo gönnt den Bürgern keine echte Entlastung
Zur finanzpolitischen Mentalität dieser kleinsten Großen Koalition aller Zeiten passt, das just am Tag dieser Steuerreform-Mogelpackung die teure Baukindergeld-Wohltat von Volker Kauder und Andrea Nahles im Frühstücksfernsehen verkündet wurde. Die frühere Eigenheimzulage, eine der teuersten und ineffektivsten steuerlichen Fördertöpfe des Staates, die genau deshalb von der ersten Großen Koalition unter Angela Merkel im Jahr 2005 endgültig abgeschafft wurde, feiert jetzt in gleicher politischer Konstellation als Baukindergeld (1.200 Euro pro Kind und für 10 Jahre) teure Wiederauferstehung. Das wird vor allem zu Mitnahmeeffekten der Bauwirtschaft und der Immobilienverkäufer führen und natürlich zu einer Umverteilung von steuerzahlenden Mietern zu Eigentümern. Wer sich die Entwicklung der Grunderwerbssteuersätze anschaut, die von den Länderparlamenten beschlossen werden, der merkt schnell, welches böse Spiel die Politik spielt. In Berlin beispielsweise liegt die Grunderwerbssteuer bei 6 Prozent. Dort knöpft der Fiskus einer Familie mit zwei Kindern, die sich für 400.000 Euro eine Immobilie leistet, mit 24.000 Euro genauso viel Grunderwerbssteuer ab, wie die Große Koalition im Bund jetzt generös als Baukindergeld spendiert.

Beim Geldausgeben bleiben die Spendierstiefel geschnürt, weil die Koalition – Asyl-Zoff hin oder her – auf jeden Fall Ernst machen will mit der teuren Mütterrente. Verteilt wird also auch in den kommenden Monaten. Dagegen ist eine Entlastung für die Beitragszahler auch in der Sozialversicherung nicht in Sicht. Der Arbeitslosenbeitrag soll zwar zum 1. Januar 2019 um 0,3 Prozentpunkte sinken. Der Rücklagenbestand ließe übrigens gut und gern einen halben Prozentpunkt zu. Weil aber gleichzeitig der Pflegebeitrag um den gleichen Satz steigt, spüren die Beitragszahler nichts von dieser Entlastung.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 18 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

18 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Jumpin Jack
5 Jahre her

Bravo Herr Metzger. Was Sie schreiben ist unter Menschen, die etwas von Wirtschaft verstehen, bekannt. Es geht aber, da es (leider und zu Recht) im Moment größere Aufreger in Deutschland gibt, ziemlich unter, was der Bindestag da beschlossen hat. Insofern: Gut, daß jemand auf die Mogelpackung öffentlich hinweist.

Karl Napf
5 Jahre her

Wenn ein Luegner luegt, sagt er dann die Wahrheit?
Wenn ein Betrueger betruegt, handelt er dann redlich?
Wenn die Groko dir Geld gibt, nimmt sie es dir dann in Wahrheit weg?

Fragen ueber Fragen.

Jumpin Jack
5 Jahre her
Antworten an  Karl Napf

Die Groko gibt uns kein Geld. Sie nimmt uns welches weg: den unteren Einkommensschichten hauptsächlich, indem sie das Wohnen künstlich verteuert; beispielsweise (aber nicht nur) über die sog „ Energiewende“, die z.B. den Strompreis künstlich verdreifacht hat. Den mittleren und oberen Einkommen: dito sowie über Negativzinsen sowie Unterlassen der gebotenen Steuerreform. Oder wenigstens als erstem Schritt der Abschaffung des Soli. Wie Metzger richtig schreibt, wirkt die kalte Progression steuer e r h ö h e n d.

Berndi
5 Jahre her

Ach, nehmt doch den Rest auch noch mit, dann gibt’s keinen Grund mehr, hier zu bleiben, und es wird einfach ein weiteres Shithole Country.

Alf
5 Jahre her

Der Selbstbedienungsladen Deutschland ist zwar schon leer, aber man könnte noch die Einkaufswagen mitnehmen. Politiker, nehmt die Sparschweine der Kinder. Zeigt den Kindern Euer wahres Gesicht. Erhöht die Diäten, bevor die Groko zu Ende ist. Nehmt Kredite auf die Zukunft und auf die folgenden Generationen. Ihr werdet reich belohnt.

Boudicca
5 Jahre her

Die Selbstbeweihräucherung passt zu den Genossen, die gerade Großzügig die Partei-Finanzierung erhöht haben, statt die Geldmittel für die Entschädigung der Opfer vom Breitscheidplatz und anderen Terror-Opfern zu erhöhen.
Es war zu Lesen, zum Beispiel bekommt ein Opfer 140 Euro Rente.
Frau Nahles und Herr Scholz erlangen ihren Anspruch auf Pension für diesen Betrag jeweils in knapp 9 Monaten.

Marc Hofmann
5 Jahre her

Hr. Metzger…ich bitte Sie…EU-Deutschland und eine Steuerreform die den Unternehmen und Bürger entlasstet…der Witz der Woche! Das hier ist eine richtige Steuerreform…. Trumps Steuerreform trägt Früchte – Gelder fließen zurück in die USA Von Bowen Xiao / The Epoch Times/28. Juni 2018 /Aktualisiert: 27. Juni 2018 22:19 Trumps Steuerreform zeigt ihre Wirkung. Gelder fließen zurück in die USA. Unternehmer brechen Pläne ab, ins Ausland zu gehen. Die US-Dollar fließen wieder.Foto: iStock Seit US-Präsident Donald Trump seine Steuerreform (Tax Cuts and Jobs Act) durchsetzte, wurde ein Rekordbetrag an Geld in die Vereinigten Staaten zurückgeführt. Im ersten Quartal 2018 flossen nach den… Mehr

Lux Patriae
5 Jahre her

In diesem maliziösen Spiel bleibt ein Trost… all diese Umverteilungen, die die Leistungsträger bestrafen, setzen eine stabile Dauerkonjunktur voraus. Und diese wiederum korrespondiert mit dem Weltwirtschaftsgetriebe. Parallel zu diesen Steuerspielchen vollzieht sich der strukturelle Entzug der Grundlage bestmöglichen Wirtschaftens. Just wird die Autoindustrie demontiert und von zwei Seiten in die Zange genommen, von der „umwelt“politischen Seite und den internationalen Wirtschaftsbeziehungen her, siehe Zollstreit mit den USA. Hier wäre Deutschland gefordert, den Dilettanten in Brüssel den Rücken zu kehren und schleunigst auf bilateralem Wege mit den USA eine Einigung zu erzielen. Es ist völlig unerheblich, ob Trump mit seiner „America First“-Doktrin… Mehr

Peter Gramm
5 Jahre her

…“Beim Geldausgeben bleiben die Spendierstiefel geschnürt“…ja Herr Metzger, weil es gar nicht mehr anders geht. Der Pensionstsunami der auf uns zu rollt wird furchtbar sein. Die Begünstigten dieses Systems, zu denen auch Sie nach eigenem Bekunden gehören, wollen ihre ersessenen Pensionen geniessen. Aus diesem Grunde doktort das Bundesverfassungsgericht jetzt an den Bemessungsgrundlagen für die Grundsteuer herum. Irgendwoher muß die Kohle ja kommen und Verzicht unserer Staatsdiener und Politiker ist nicht zu erwarten. Da muß immer schön regelmäßig üppiges Tiritari auf dem Konto erscheinen, sonst ist es mit der Staatstreue sehr schnell vorbei. Sollten sich die Kosten für ungebremste Zuwanderung anders… Mehr

T. Pohl
5 Jahre her

Hoffe, SPD und CDU bekommen vom Wähler die Quittung für all das.
Die Umfragen letztens in Sachsen lassen mich hoffen. Die DC in Italien hat das Schicksal der linksgrünen Merkel-CDU bereits vorgezeichnet. Also alles nix Neues. Da hilft auch nicht, daß die CDU-Ratten (z.B. Strobl) versuchen, das sinkende Schiff zu verlassen und versuchen, eine Halse hinzulegen. Mitgehangen – mitgefangen. Sagt der Volksmund (jahrhundertelange Erfahrung!)

cfi
5 Jahre her

Interessant ist auch dass der ganze Großraum München wohl aus der Förderung raus ist.
Mit unter 75000€ Haushaltseinkommen braucht man hier doch nicht über Immobilienkäufe nachdenken.