Das Hofschranzentum im Journalismus

Reflektionen über die unheilige Allianz zwischen Politik und Journalismus in der Berliner Republik, die auch Facebook, Twitter & Co. überdauern wird.

© JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images

Ein Politiker ohne gedruckte oder gesendete Resonanz ist wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ohne Publizität ist er ein Nichts. Angesichts der existenziellen Bedeutung des Journalismus und der Medien für Politiker, ist das Verhältnis beider Berufsstände von starken Spannungen geprägt.

Sehen und Gesehen werden: das alleinige Erfolgsrezept?

Politiker pflegen Journalistenkontakte. Wer über Herrschaftswissen verfügt, geht damit hausieren, um sich bei als wichtig geltenden Journalisten wichtig zu machen. Wer eine Ansammlung von Journalisten oder gar einen Pulk mit Kameras und Mikrofonen sieht, tänzelt so lange in auffälliger Erregung in der Nähe umher, bis sich ein Journalist endlich seiner annimmt. Solche kleinen Auftritte sind immer am Dienstagnachmittag in Bundestags-Sitzungswochen in der obersten Etage des Reichstages zu beobachten, wenn die Fraktionssitzungen zwischen 14.00 und 15.00 Uhr beginnen. Hier haben beim Medien-Schaulaufen auch die weniger Profilierten die Chance, einen Hauch von Bedeutung zu erlangen.

Bei solchen Anlässen spürt man auch die Gleichgültigkeit von Politikerkollegen am stärksten. Man meint, ein intensives Gespräch mit einem Fraktionskollegen zu führen, doch die Augen des Gesprächspartners irrlichtern immer wieder zu den Pulks der auf lohnende Beute lauernden Journalisten. Wird der Gesprächspartner von einem Journalisten erkannt oder erkennt er selbst einen Medienvertreter, dann wird das tief schürfendste Gespräch augenblicklich unterbrochen. Führt man jedoch selbst ein Gespräch mit einem Journalisten, dann drängt sich zuverlässig ein vorwitziger MdB-Kollege dazwischen. Hier erfahren Politiker die Gier nach Öffentlichkeit mit allen Sinnen.

Das enge Beziehungsgeflecht ist zumeist ein reines Zweckbündnis

Doch auch Journalisten sind gnadenlos. Sie unterbrechen Politiker mitten im Satz, sie drängen sie zu vorschnellen Urteilen, sie verführen sie zur Abgabe von Meinungen. Oft locken sie mit Gerüchten und Halbwahrheiten, um von Insidern endlich das ultimative Herrschaftswissen zu bekommen. Häufig werden Geschäfte auf Gegenseitigkeit gemacht. Der Journalist erhält einen vertraulichen Rechnungshofbericht oder eine geheime Sitzungsunterlage. Dafür platziert er ein Zitat des Abgeordneten in einem Beitrag zu einem ganz anderen Thema. Der Informant will ja nicht als Quelle enttarnt werden. Nach vertraulichen Sitzungen in Koalitions-Arbeitsgruppen, Ministerien oder wo auch immer wird so offen getratscht, dass es an ein Wunder grenzt, wenn vertrauliche Verabredungen auf der Berliner Bühne länger als einen Tag vertraulich bleiben.

Gruß aus der Filterblase der urbanen Elite
Wie der Journalismus sich abschafft
Das enge Beziehungsgeflecht zwischen Journalisten und Politikern ist meist ein reines Zweckbündnis. Solange der Politiker Gewicht hat, ist er gefragt. Solange er Erfolg hat, sonnen sich alle in seinem Glanz. Die Medienvertreter sind ähnlich eitel und profilneurotisch wie Politiker. Wenn Kanzlerin, Minister, Fraktions- und Parteichefs Hof Halten, erinnern manche Medienvertreter an das speichelleckende Hofschranzentum in absolutistischen Monarchien. Manche bringen diese Servilität sogar im Fragegestus und -duktus bei Pressekonferenzen oder in Interviews zum Ausdruck.

Kritisch gefragt oder gar berichtet wird über Spitzenpolitiker meist nur dann, wenn einzelne Repräsentanten gerade am Boden liegen oder in den Umfragen zur Wählergunst absacken. Oder wenn sie zu einer nicht etablierten „Schmuddelpartei“ gehören wie derzeit vor allem der AfD. Dann schlägt für die jahrelang geknechteten Journalisten die Stunde der Rache. Dann werden die journalistischen Messer gewetzt, und jene, die man jahrelang nach oben geschrieben oder gesendet hat, lässt man fallen wie eine heiße Kartoffel. Mitleid mit dem politischen Establishment braucht aber niemand zu bekommen. Für Journalisten wie Politiker ist der Medienzirkus ganz einfach Mittel zum Zweck, und der Zweck ist die Karriere.

Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es heraus

Die Angst vor den sensationsgeilen Hyänen mancher Medien erklärt, warum viele Politiker eine Hassliebe zu Journalisten entwickelt haben. Sie brauchen sie, aber sie schätzen sie nicht. Manche Politiker versuchen, sich die Journalisten vom Leib zu halten, und spielen die einsilbigen Sphinxen oder die arroganten Gockel, die Zuwendung nach Gutsherrenart verteilen. Diese Politiker-Spezies trifft die Rache der gedemütigten Journalisten in Phasen der politischen Schwäche am härtesten. Wieder andere versuchen ihr Glück mit Kumpanei. Viele Politiker und Journalisten reden sich mit dem vertraulichen „Du“ an. Doch die Vertraulichkeit ist meist nur Pose, in Wahrheit geht es um den gegenseitigen Nutzen.

Viele Abgeordnete der zweiten und dritten Garnitur meiden den Kontakt zu Journalisten, weil sie panische Angst davor haben, sich zu verplappern und Steilvorlagen für kritische Beiträge über die eigene Partei zu liefern. Aus Angst vor unliebsamen Äußerungen von Hinterbänklern werden häufig vom Parteiapparat Sprachregelungen ausgegeben: Die ganze Fraktion, die ganze Partei soll zu einer bestimmten Sache mit einer Stimme sprechen. Doch das misslingt im Wechselspiel der Profilneurosen so gut wie immer.

Dabei ist es eigentlich wie im richtigen Leben, so einfach. Gute Journalisten machen ihre Arbeit, indem sie für Transparenz sorgen, Ordnung in die gigantische Informationsflut bringen und Machtstrukturen und Lobbyverflechtungen gerade auch in der Demokratie kritisch hinterfragen und durchleuchten. Dabei wollen sie selbstverständlich ernst genommen und mit ihren Anliegen respektvoll behandelt werden. Wer mit ihnen seriös umgeht, wird in der Regel auch nicht aufs Kreuz gelegt. Wie man in den Wald hineinruft, schallt es bekanntlich heraus. Diese Volksweisheit gilt auch für den Umgang mit Medienvertretern.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 37 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

37 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Alf
5 Jahre her

Manchmal machen ich mir einen Spaß und gebe in Google News „Merkel will“ ein. Journalismus auf dem Höhepunkt. z.B. 13.05. 08.50 Uhr Angela Merkel will DSGVO in letzter Minute lockern Merkel will über Irans Raketen verhandeln Merkel will „neuen Aufbruch in Europa“ Merkel will bei Abkommen bleiben Merkel will DS-GVO unter die Lupe nehmen APOTHEKE ADHOC, Merkel will Batterien bauen Merkel will „mit aller Härte“ gegen Antisemitismus vorgehen Merkel will Putin in Sotschi ihre Ernsthaftigkeit beweisen – Meinung Merkel will Frauen in CDU stärken Merkel will an Atomabkommen festhalten Merkel will Rolle der Frauen in der CDU … Merkel will… Mehr

GermanMichel
5 Jahre her

Was sie sehen sind alles Marionetten und Operetten Darsteller.

Die wirklich Mächtigen im Hintergrund haben da ein anderes Kaliber, und sind Produkt einer härteren Auslese.

GermanMichel
5 Jahre her

Das was früher Propaganda hiess heißt jetzt eben Journalismus.

Goebbels sprach da sinngemäß von „Enheitlichkeit im Ziel, Mannigfaltigkeit im Ausdruck“

5 Jahre her

Es wird immer Menschen geben, welche der vermeintlichen Wahrheit positiv gegenüber stehen und jene, welche sich ihre eigene Wahrheit so hinbiegen, um persönlich voran zu kommen, also ein persönliches Interesse oder Ziel verfolgen. Wenn man hier eine Schuldfrage stellt ist diese aus unterschiedlichen Richtungen zu betrachten. Zum einen, danach, wem etwas nutzt. Dem Einzelnen, einer Gruppe oder einer Partei, die ebenfalls ihr eigenes Ziel verfolgt. Zum anderen ist die Frage zu beantworten, wer heute noch Sachverhalte explizit und wissenschaftlich fundiert untersucht. Im Zuge des Journalismus existiert doch folgendes Problem: Recherche wird kaum noch gewissenhaft und gleich gar nicht wissenschaftlich und… Mehr

Jumpin Jack
5 Jahre her

Wenn das stimmt mit der „ Zurückhaltung von Politikern der zweiten und dritten Garnitur“ hat sich das drastisch geändert. Ich kenne zwei ehemalige Parteifreunde Herrn Metzgers (Grüne), beide zweite Garnitur, bei denen traf das krasse Gegenteil zu: Die bissen in jedes Mikrofon. Einer von ihnen äußerte sich einmal in der FAZ derart konfus und inkompetent, daß er sogar von den eigenen Parteifreunden (auch nicht gerade ein Ausbund an Kompetenz) dafür verprügelt wurde. Von mir darauf angesprochen, entgegnete er: „Das ist mir sch…egal. Hauptsache ich werde zitiert, weil: Das heißt, ich bin wichtig“.

benali
5 Jahre her

Herr Metzger, weil von einem Insider, hat ihr Beitrag doppelte Glaubwürdigkeit. Es gab einmal eine Zeit, da gab es die Exekutive, die Legislative, die Judikative und die Vierte Staatsgewalt. Aber diese Vierte Staatsgewalt hat sich selbst abgeschafft. Sie hat substantiell an Glaubwürdigkeit verloren und wird es wohl in diesem Jahrtausend nicht schaffen ihren einstig angestammten Platz im Staate zurückzubekommen. Die Ausbildung von Journalisten muss grottenschlecht sein und offenkundig ist das Hauptfach das Erkennen und Lesen von Schleimspuren und deren Verursachern. Um überhaupt noch überleben zu können, bekämpft das Zweckbündnis Fake News mit der Produktion von Fake News. Das Zweckbündnis überwacht… Mehr

Mobiliar
5 Jahre her
Antworten an  benali

Danke für den Hinweis zum BR, zur Richtungswende. Da bin ich gespannt.

Judith Hirsch
5 Jahre her

So läuft es leider fast überall. Wer dem Sportreporter Internas aus der Kabine erzählt, bekommt dafür gute Noten im Fussball-Magazin. Stern, Spiegel und Co. würden nie gegen Unternehmen schreiben, die bei ihnen werben und ARD+ZDF haben in ihren etlichen Politik-Magazinen nie über die Mafia-Methoden der GEZ berichtet.

baucis
5 Jahre her

Eitelkeit, Feigheit, Ehrgeiz sind menschliche Untugenden. Demut und Selstkritik können diese bändigen, sowie die Bescheidenheit im Denken des alten Sokrates. Diese „innere Bildung“ tut Not, wird aber schmerzlich vermißt.

elly
5 Jahre her

2014 traute sich die FAZ noch:
„30.11.2014 Die Journalisten der Kanzlerin Sie sind ihre beste Truppe
Im neuen „New Yorker“ kann man ein beeindruckendes Porträt von Angela Merkel lesen. Es ist auch ein Text über die Deutschen und, in atemberaubender und schockierender Weise, über Merkels beste Truppe – die deutschen Hauptstadtjournalisten.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/die-journalisten-der-kanzlerin-ihre-beste-truppe-13293640.html
Merkel hat Agitation und Propaganda von der Pieke auf gelernt. Früher wurden kritsiche Blätter verboten, heute werden sie von der Regierung gekauft.
28.05.2013
„Sie waren beide FDJ-Funktionärinnen, zuständig für Agitation und Propaganda. Ein normales DDR-Leben, sagen Angela Merkel und Katrin Göring-Eckardt. Eine Nonchalance, die etwas Verstörendes hat.“
http://www.welt.de/debatte/article116591422/Wieviel-DDR-steckt-noch-in-diesen-Politikerinnen.html

Tesla
5 Jahre her

„Das enge Beziehungsgeflecht zwischen Journalisten und Politikern ist meist ein reines Zweckbündnis. (…) Für Journalisten wie Politiker ist der Medienzirkus ganz einfach Mittel zum Zweck, und der Zweck ist die Karriere.“

Und ich als Verbraucher, Wähler und Steuerzahler kann auf diesen Zirkus gern verzichten. In Anbetracht des Auflagenschwunds der letzten Jahre bin ich offenbar auch nicht der Einzige.