Das Ende des Meinungsstreits: Die Republik im Gesinnungsterror

Wenn sich eine parteipolitische Phalanx aus Union, Grünen, SPD, Linken und FDP vorwiegend im Kampf mit den „Nazis von der AfD“ verstrickt, braucht man sich über die Wahlerfolge der verfemten Partei nicht zu wundern.

Andrew Buchanan

Die politischen Tugendwächter haben Konjunktur in Deutschland. Die jüngsten Beispiele: In Göttingen verhindern linke Demonstranten eine Lesung des ehemaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière im Rathaus der Stadt, weil er mitverantwortlich für das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei sei. In Hamburg sprengen AStA- und Antifa-Aktivisten zweimal die Vorlesung von Bernd Lucke, dem Gründer der AfD, und skandieren „Nazi hau ab!“. Dass diese Vorlesungsstörung sich ausgerechnet im „Agathe-Lasch-Hörsaal“ abspielte, der nach der jüdischen Professorin benannt ist, die 1934 von randalierenden Studenten an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert und schließlich von der Universität vertrieben worden ist, nannte Lucke zu Recht eine „Schande“.

Blamabel war die Reaktion der Hamburger Universität und der Grünen Bildungssenatorin Katharina Fegebank, die in einer ersten Stellungnahme kein Wort der Kritik am Verhalten der Protestierer übten, sondern eher zynisch betonten, dass Universitäten „die Auseinandersetzung auch über kontroverse gesellschaftliche Sachverhalte und Positionen führen und aushalten müssen – insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte“.

Zum merkwürdigen Pluralitätsverständnis der Hamburger Universitätsleitung passt übrigens auch das aktuelle Auftrittsverbot für den FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Christian Lindner, der bei einer Veranstaltung der Liberalen Hochschulgruppe nicht sprechen darf. Dass die Linke Politikerin Sahra Wagenknecht aber an der Universität auftreten darf, könnte ein Beleg dafür sein, dass nur linke Positionen oder die richtige Haltung toleriert werden.

In Sonntagsreden betont das politische Establishment nur zu gern, dass der offene Meinungsstreit das Lebenselixier der Demokratie darstellt. Auch Journalisten in den öffentlich-rechtlichen Anstalten und den Printmedien huldigen gern diesem hehren Verständnis von Meinungspluralität, die sich aus Artikel 5 unseres Grundgesetzes ableiten lässt, in dem das Recht auf freie Meinungsäußerung kodifiziert ist. Doch in Wahrheit wird der Meinungskorridor immer schmaler. In einer Republik, in der sich eine parteipolitische Phalanx aus Union, Grünen, SPD, Linken und FDP vorwiegend im Kampf mit den „Nazis von der AfD“ zu verstricken scheint, ist kein Platz mehr für Argumente.

Ob es früher um die angeblich alternativlos Euro-Rettungdiskussion ging, später um die Folgen der Massenmigration für unsere Gesellschaft oder heute um die richtige Klimapolitik: Es reicht, die falschen Fragen zu stellen, um ebenfalls mit dem „Nazi-Verdikt“ belegt zu werden. Wer sich zu einer politischen Partei bekennt, die derzeit nach Einschätzung der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern auch nicht wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen unter Beobachtung steht und schon gar nicht verboten ist, sondern derzeit als stärkste Oppositionsfraktion im Bundestag sowie in allen 16 Landtagen sitzt, muss eben mit den Konsequenzen leben. Wirte und Hotels werden boykottiert, wenn sie AfD-Veranstaltungen in ihren Räumen tolerieren. Lebensmittelproduzenten werden bei Naturkost-Ketten ausgelistet, wenn bekannt wird, dass Firmeninhaber AfD-Mitglieder sind und sie gar mit Spenden unterstützen.

Gesinnungsterror statt Meinungsstreit

Wer diese Form von Gesinnungsterror betreibt, braucht sich überhaupt nicht zu wundern, warum die so verfemte Partei bei Wahlen Millionen von Protestwählern für sich zu gewinnen vermag. Denn die etablierte Politik steht bei vielen Bürgerinnen und Bürgern ja nicht gerade hoch im Kurs, wie alle Umfragen stabil belegen. Je stärker sich das Establishment deshalb gegen die „rechte“ Konkurrenz wehrt, desto mehr profitiert sie von diesem Alleinstellungsmerkmal: Wir gegen den Rest! Da nützt auch die „Nazi-Keule“ als Argument wenig. Denn mit der Inflationierung des Vorwurfs werden nicht nur die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland verharmlost, sondern sie schaffen auch das psychologische Klima, in dem dann immer häufiger solche Sätze zu vernehmen sind: „Dann bin ich eben ein Nazi!“

Besonders gespannt darf man auf das Wahlergebnis der AfD am Sonntag in Thüringen sein. Denn dort ist mit Björn Höcke, dem Wortführer des rechtsradikalen Flügels der AfD, tatsächlich ein Politiker Spitzenkandidat dieser Partei, auf den der „Nazi“-Vorwurf passt. Verdoppelt die AfD auch in Thüringen ihr Ergebnis von 2014 (10,6%), dann kapiert hoffentlich die etablierte Parteien-Phalanx, dass man Wähler einer Partei nicht mit kollektiver Diffamierung wieder für sich gewinnt, sondern mit Argumenten und glaubwürdiger Politik. Das ist zwar mühsam, aber letztendlich alternativlos, um ein Wort von Angela Merkel zu benutzen.

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Kommentare ( 91 )

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Judith Panther
4 Jahre her

AfD – Aufräumen Für Deutschland, Aufstehen Für Deutsche, Abschieben Für Dummies. AfD – Die einzige Partei, die Auch Für Deutschland noch was übrig hat. Je suis Protestwählerin!

feinbein
4 Jahre her

Meiner Meinung nach ist dies alles Ablenkung von wahren Problemen und der eigenen Unfähigkeit diese Probleme zu lösen.Ob „Flüchtigranten“,Kriminalität von Migranten und Clans,Klima, EU, Euro,Bundeswehr, Wirtschaft ,Rente usw.erst wird mal der „Feind“ angeprangert und keine Lösung angeboten.Alles konzentriert sich auf den Kampf gegen „rechts“,wobei rechts alles ist, was nicht links ist.Eine eigentlich immer recht entspannte Mitte der Gesellschaft wird ebenfalls als „rechts „gesehen.Einfach nur noch krank,“unsere“Politiker!

Bernd Geiss
4 Jahre her

Gestern Abend habe ich ein Interview mit einem türkisch\ kurdischen Politiker gesehen. Dieser Beklagte sich darüber, dass nichts kritisches mehr gesagt werden dürfte, noch nicht mal im Parlament. Zuerst dachte ich der redet über Deutschland, dann stellte sich aber heraus er meint die Türkei. Das ich einmal erleben muss, dass hier die gleichen Verhältnisse herrschen wie in Erdoland hätte ich vor zehn Jahren noch nicht mal zu träumen gewagt und der Zorn wächst von Tag zu Tag.

Jan
4 Jahre her

@Hannibal: 50 Jahre CDU-Kanzler von 70 Jahren Bundesrepublik. Unsere jetzigen Probleme sind nicht exklusiv in den Zeiträumen 1969-1982 und 1998-2005 entstanden. Die Probleme der Bundesrepublik werden nicht mehr in diesem Parteiensystem und in dieser Verfassung gelöst werden können. Entweder kommt etwas ganz anderes oder es geht in einer Dauerkrise immer so weiter. So eine Krise kann noch etliche Jahrzehnte andauern. Aber auf jeden Fall ist die CDU nicht mehr die Lösung der von ihr angerichteten Probleme. Was die Union tut und was sie nicht tut, haben wir insgesamt 50 Jahre beobachten können. Das wird sich auch nicht mehr ändern. Die… Mehr

Britsch
4 Jahre her

Oswald Metzger hat so wie es verstehe hir klar erklärt das für Ihn Hr. Höcke ein Nazi ist. Wenn Leute Andere als Nazi bezeichnet haben habe ich diese schon öfter gefragt was ihrer Meinung nach einen Nazi explizit ausmacht. Ich habe bis jetzt nie eine richtige Antwort bekommen. Meine Frage richtet Sich direkt an Herrn Metzger: Würden Sie hier bei dieser Gelegenheit explizit erklären welche Ansichten Meinungen Verhalten jemand an den Tag legen muß um ein Nazi zu sein. Wie das so war im Dritten Reich mit den Nazis weiß ich hauptsächlich von meinen Eltern und Anderen, die diese Zeit… Mehr

Maja Schneider
4 Jahre her

Von Argumenten und glaubwürdiger Politik träumen heute nur noch die Phantasten.
Alle anderen sind davon überzeugt, dass der Weg mit dieser aktuellen Politiker-Kaste oder „Negativauswahl“, wie es jüngst so treffend in einem Interview hieß, direkt in den Niedergang führt: Und zwar in die DDR 2.0, frei nach dem Motto „Jetzt machen wir die DDR richtig!“ Andere Meinungen, die nicht der links-grünen Ideologie folgen, werden so lange niedergemacht, bis sie gesellschaftlich und politisch „erledigt“ sind. Die Leidensfähigkeit der Deutschen ist offensichtlich so groß, dass dieses Vorgehen in den Augen der Verantwortlichen möglich ist.

Hank
4 Jahre her

Die „etablierte Parteien-Phalanx“ gewinnt meine Stimme nicht wieder, denn sie hat keine Argumente und sie hat ihre Glaubwürdigkeit für immer verloren. Isch over!

Horst Johnson
4 Jahre her
Antworten an  Hank

In Italien hatte die Democratia christiana(die ital.“CDU“) einst über 30%. Sie ist mittlerweile aufgelöst. Italien, USA usw. sind uns 5 Jahre voraus. In wenigen Jahren wird es die etablierten Parteien(CDU/SPD) marginalisieren.

ugartner
4 Jahre her

Merkelland ist auf dem Weg in eine sozialistische Diktatur. Ein paar Jahre später kommt dann das islamische Kalifat.

Klaus Weber
4 Jahre her
Antworten an  ugartner

Glaube ich nicht, denn kein Trend geht linear unendlich so weiter! Wir werden in Kürze einen gewaltigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruch erleben, der uns wieder Zeit und Gelegenheit geben wird, uns wieder über das Richtige und das Falsche klar zu werden.

ugartner
4 Jahre her
Antworten an  Klaus Weber

Ihr Wort in Gottes Ohr.

prague
4 Jahre her

Ich finde es putzig, dass gerade die Parteien und MSMedien immer wieder anderen Ländern, wie z.B. Visegrads vorwerfen undemokratisch zu sein, merken sie nicht, das sie genau das machen, was sie den anderen vorwerfen?

Jo_01
4 Jahre her

Bin verwundert bis fassungslos: Metzger schreibt richtig: „Denn mit der Inflationierung des Vorwurfs werden nicht nur die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland verharmlost, sondern sie schaffen auch das psychologische Klima, in dem dann immer häufiger solche Sätze zu vernehmen sind: „Dann bin ich eben ein Nazi!“ “ Und einen Abschnitt weiter: „Denn dort ist mit Björn Höcke, dem Wortführer des rechtsradikalen Flügels der AfD, tatsächlich ein Politiker Spitzenkandidat dieser Partei, auf den der „Nazi“-Vorwurf passt.“ Man kann ganz sicher darüber diskutieren, ob der Habitus und Gestus eines B. Höcke den eigenen Geschmack trifft, oder eher nicht. Ich gehöre zu Letzteren. Ich… Mehr