Wenn’s gegen die Reichen geht, setzt bei der SPD die Logik aus

Als der Soli eingeführt wurde, war von einer zeitlich begrenzten Abgabe die Rede und einer Koppelung an den „Solidarpakt II“. Diese Sonderfinanzierung der neuen Länder im Rahmen des Finanzausgleichs läuft Ende 2019 aus, und deshalb gibt es für den Soli von 2020 an keine sachliche Begründung mehr.

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Stellen wir uns folgende Situation vor: Eine Familie gerät in Not, braucht für eine gewisse Zeit eine Überbrückungshilfe. Ein Kreis von Freunden und Nachbarn beschließt, monatlich mit einem bestimmten Betrag zu helfen. Jeder der Helfer steuert nach seiner Finanzlage etwas bei: die einen jeden Monat 100 Euro, andere nur 20, zehn oder fünf. Nach zwei Jahren kann die betroffene Familie finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen; die Hilfsaktion wird eingestellt.

Wer bisher monatlich viel gegeben hatte, hat jetzt wieder ein deutlich höheres verfügbares Einkommen, wer nur ein paar Euro zur Aktion beigesteuert hat, bei dem ändert sich an der Kassenlage nicht viel. Das finden auch alle in Ordnung. Bis auf einen. Der macht folgende Rechnung auf: Wer jetzt 100 Euro im Monat spare, profitiere vom Ende der Hilfsaktion stärker als der, der nur mit monatlich zehn Euro geholfen habe. Deshalb sollten die Vielzahler im Namen der Gerechtigkeit weiterhin Geld in die gemeinsame Kasse einzahlen; einen Verwendungszweck werde man schon finden.

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Man braucht nicht allzu viel Phantasie, um sich die Reaktion der Gruppe vorzustellen: man würde diesen Gerechtigkeitsfanatiker auslachen oder für verrückt erklären; ernst nehmen würde ihn wohl keiner aus dem Freundeskreis. Wer solch schräge Gedanken hat, muss sich aber nicht in die innere Emigration zurückziehen. Er kann auch in die Politik gehen. Dann sollte er sich in einer Umverteilungspartei engagieren, also in der SPD oder bei der Linken. Denn dort werden solch krude Gedanken nicht nur toleriert; sie entsprechen der Parteilinie.

Nichts illustriert das besser als die Diskussion über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Dabei ist der Koalitionsvertrag eigentlich eindeutig: „Wir werden den Solidaritätszuschlag schrittweise abschaffen und ab dem Jahr 2021 mit einem deutlichen ersten Schritt im Umfang von zehn Milliarden Euro beginnen“, haben CDU/CSU und SPD vereinbart. Dadurch sollen rund 90 Prozent derer, die heute den Soli entrichten, „vollständig vom Solidaritätszuschlag entlastet“ werden. Wann die restlichen zehn Prozent entlastet werden, bleibt offen.

Inzwischen dämmert der CDU/CSU, dass sie – auch in diesem Punkt – gegenüber der SPD zu nachgiebig war. Immer mehr Unionspolitiker fordern deshalb, auch die oberen zehn Prozent möglichst bald von der Soli-Last zu befreien. Die oberen zehn Prozent, das klingt zwar nach sehr reich. In Wirklichkeit beginnt diese Gruppe der angeblich Reichen bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 61.000 Euro. Gut 5.000 Euro im Monat, das ist wahrlich kein Einkommen, mit dem man leben kann wie im Schlaraffenland. In dieser Preisklasse treffen wir Lehrer, Beamte, Facharbeiter, Angestellte und auch Journalisten, die sich selbst alles andere als reich bezeichnen würden. Natürlich fallen in die Gruppe der „61.000 Euro plus“ auch Einkommensmillionäre wie die meisten Vorstände von DAX-Unternehmen. Die würden von einer Abschaffung des Soli am stärksten profitieren.

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Die SPD gönnt diesen Reichen eine Abschaffung des Soli nicht. Ihre Funktionäre wettern deshalb gegen Steuersenkungen für Millionäre oder Milliardäre. Und weil die Nahles-SPD zunehmend auf Klassenkampf zu setzen scheint, rechnen ihre Spitzengenossen genüsslich vor, die Vorstandsvorsitzenden der 30 DAX-Konzerne würden ohne Soli durchschnittlich 140.000 Euro im Jahr an Steuern sparen. Solche Attacken passen zum neuen Linkskurs der Sozialdemokraten, die davon träumen, die Belastbarkeit der Wirtschaft mit einem höheren Spitzensteuersatz und einer neuen Vermögensteuer zu testen und selbst – wie in Berlin – vor der Idee einer massenhaften Enteignung von Wohnungsbesitzern nicht zurückschrecken. Da kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, die SPD setze auf einen Umverteilungswettbewerb mit der Linken und den Grünen unter dem Motto „Vorwärts in die 1950er-Jahre.“

Für Logik bleibt da kein Platz. Als der Soli eingeführt wurde, war von einer zeitlich begrenzten Abgabe die Rede und einer Koppelung an den „Solidarpakt II“. Diese Sonderfinanzierung der neuen Länder im Rahmen des Finanzausgleichs läuft Ende 2019 aus, und deshalb gibt es für den Soli von 2020 an keine sachliche Begründung mehr. Überdies hat der Soli hat eine starke soziale Komponente. Wer weniger als 15.000/30.000 Euro (Ledige/Verheiratete) im Jahr zu versteuern hat, ist ohnehin von diesem Zuschlag zur Einkommensteuer befreit. Dafür zahlen DAX-Vorstände, Chefärzte oder Top-Juristen umso mehr.

Das Verrückte an der ganzen Debatte: Alle finden es in Ordnung, dass “starke Schultern“ eine höhere Steuerlast zu schultern haben als schwache. So sehr aber die roten und grünen Umverteiler über hohe Belastungen der Reichen frohlocken, so sehr stört sie, dass bei der Abschaffung einer Steuer zwangsläufig der am meisten spart, der am meisten gezahlt hat. Dahinter steckt eine schlichte Logik; aber für Klassenkämpfer ist sie offensichtlich zu hoch. „Genossen, lasst die Tassen im Schrank“, hatte Karl Schiller, der erfolgreichste Wirtschaftsminister der SPD, einst gewarnt, als seine Partei mal wieder die Belastbarkeit der Wirtschaft testen wollte. Aber einen Karl Schiller sucht man halt in der Nahles-SPD vergebens.

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Kommentare ( 66 )

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66 Comments
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Walter Knoch
5 Jahre her

Haben Sie nach dem Schreiben Ihrer Zeilen in den Spiegel geschaut. Die Röte des Neides müsste Ihnen ins Gesicht geschrieben sein. Oder tragen Sie bereits gewohnheitsmäßig Puder auf. Sorry, selbst der Sarkasmus verlässt mich. Der Staat kassiert, verfrühstückt konsumtiv, was er kassiert hat, und der Bürger, der eine kleine Firma gegründet oder sich die Jahre mit einem ordentlichen Studium geplagt hat, wird rasiert. Ich wiederhole mich und habe das Nachfolgende bei Tichys Einblick schon x-mal geschrieben. Die Milliarden des Herrn Hopp* sind bei ihm bestens aufgehoben. Sein Leben im Beruf als Firmengründer und jetzt ihm Ruhestand mit seinen Stiftung ist… Mehr

Walter Knoch
5 Jahre her
Antworten an  Walter Knoch

Ich denke Sie habe noch nie eine Betriebsprüfung mitgemacht. Ich denke, vielleicht belehren Sie mich eines besseren, Sie haben auch noch nie eine kleine Firma gegründet. Aber lassen wir es dabei. Sie mischen Sachverhalte durcheinander, die einfach nicht zusammen gehören. Was die Überfinanzierung der Parteien angeht. D’accord. Da haben sich Zustände eingeschlichen, die einfach unerträglich. Da sollte, müsste ausgemistet werden. Angefangen schon bei den Vorfeldorganisationen der Parteien, den sogenannten parteinahen Stiftung. Beim Mittelstandsbach in den Steuertabellen, bei der kalten Progression. Bei den Kosten, die rund ums Wohnen anfallen. Grundsteuer, die jetzt wieder staatssäckelmäßig aufgebessert werden müsste. Die aufgedrückten Kosten für… Mehr

Denis Diderot 2018
5 Jahre her

250k verdienen auch Unternehmer nachdem sie jahrzehntelang über 70h / Woche gearbeitet haben. Ihre Ausführungen sind ein Schlag ins Gesicht aller KMU. Warum können Sie den Erfolg anderer nicht ertragen?

Brad Hart
5 Jahre her

Vielleicht kann mir Herr Müller-Vogg mal erklären in welcher Branche ein Facharbeiter € 5000 im Monat verdient. Oder meint er mit Facharbeiter Ingenieure?

Denis Diderot 2018
5 Jahre her
Antworten an  Brad Hart

Das verdienen Facharbeiter in der Autoindusrie in Baden-Württemberg.

lalaland
5 Jahre her

250k -70%, also ohne jetzt irgendwelche Freibeträge zu berücksichtigen, wären dann noch 75k Einkommen, Leistung muss sich lohnen? Gegenfrage, warum regt sich offenbar niemand auf, dass der Spitzensteuersatz vormals erst bei 100 000 Mark griff, als der Durchschnitt 25 000 Mark betrug heute aber bereits beim 1,7fachen Durchschnittslohn greift? HIER ist mMn DAS Problem. Für den Staat wäre es natürlich dann nicht mehr so sicher, aber optimistisch gesehen greift er vom „mehr netto“ welches dann den Menschen zum Konsum zur Verfügung steht ja noch die 19% Märchensteuer ab. Mehr Konsum bedeutet mehr Nachfrage bedeutet mehr Arbeit. Es könnte so einfach… Mehr

Denis Diderot 2018
5 Jahre her
Antworten an  lalaland

Weniger wegnehmen ist nach Ihrer Logik „Umverteilung von unten nach oben“. Hinter den Gedanken steckt Neid. Sonst nichts.

ludwig67
5 Jahre her

Mal von der SPD abgesehen (man soll ja nicht schlecht über Tote sprechen): Der durchschnittliche Deutsche liebt den Staat, Big Government ist toll, möglichst viel soll zentral und für alle gleich geregelt werden. Selbst die FDP ist doch nur Liberalismus Light (wenn überhaupt). Eine umfangreiche -und aus meiner Sicht zwingend gebotene- Entstaatlichung Deutschlands wird durch keine Partei vertreten.

Dr. Michael Kubina
5 Jahre her

„(besonders extrem wegen den 150%igen aus der DDR in Verbindung mit den SED-Geldern – aber auch in der übrigen westlichen Welt)“ – Muss man das verstehen?

Sonny
5 Jahre her

Die SPD kommt einem mittlerweile vor wie eine räuberische Horde Wegelagerer aus dem Mittelalter (gemeinsam mit den Grünen und den als Linken getarnten SED´lern).
Wozu noch die namentliche Benennung von einzelnen Steuerarten?
Macht doch gleich eine Lebenssteuer daraus und zieht 90% ein, alles in allem sind wir da doch nah dran.
Wenn der Mittelstand vollends in die Knie gegangen und der „Reichtum“ mehrheitlich ins Ausland abgewandert ist, ist dann aber leider keiner mehr da, der diese Utopien finanziert.

Absalon von Lund
5 Jahre her

Herr Müller-Vogg, als Katholik wissen Sie doch, daß es einen Himmel und eine Hölle gibt. Die sichtbare Hölle auf Erden besteht aus zwei Salons, dem roten und dem grünen!

Andreas R.
5 Jahre her

Und der thüringische Ministerpräsident will die Kirchensteuer abschaffen. Der Haken? Bitte:

https://www.mdr.de/thueringen/ramelow-kultursteuer-statt-kirchensteuer-100.html

Arminius
5 Jahre her
Antworten an  Andreas R.

Auf Deutsch eine Erhöhung.
Konfessionslose sollen auch zahlen.
Und wer?
Nur die arbeitenden Teile der Bevölkerung, wer auch sonst.

Reinhard Peda
5 Jahre her
Antworten an  Andreas R.

„Und jeder einzelne Steuerbürger könnte festlegen, wer sein Geld bekommen soll“, sagte der Ministerpräsident.“

Und, wo ist das Problem. Bestimmen wir halt, das uns die Kultursteuer als steuerfreies Haushaltsgeld, gegenseitig ausbezahlt wird. Finde den Haken. 🙂

Tesla
5 Jahre her

„Ein Idiot ist ein Idiot. Zwei Idioten sind zwei Idioten. Zehntausend Idioten sind eine politische Partei.“ – Franz Kafka