Eines ist sicher: Die klassischen Medien werden ihre alte Vormachtstellung nie wieder zurückerobern. Das Internet hat die politische Diskussion unwiderruflich demokratisiert. Und das ist auch gut so.

„Früher war alles besser.“ Das stimmt zwar so nicht, wird aber gerne seufzend vorgebracht – auch von Journalisten. Früher, also vor dem Siegeszug der „Social Media“ gab es zwei unumstößliche Regeln der Massen-Kommunikation. Regel 1: Was nicht in der Zeitung zu lesen, nicht im Hörfunk zu hören und nicht im Fernsehen zu sehen war, hat nicht stattgefunden. Regel 2: Die Medien und die Journalisten bestimmen die politische Tagesordnung.
Früher, das war nicht 1870/71. Das war vor 15 Jahren, als Friedrich Merz über die Sendung „Christiansen“ voll des Lobes sagte: „Diese Sendung bestimmt die politische Agenda mittlerweile mehr als der deutsche Bundestag“. Das war aus dem Munde des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden zwar ein merkwürdiges Eingeständnis, aber es traf durchaus zu.
Das hat sich dramatisch verändert. Natürlich sind und bleiben Journalisten Agenda-Setter. Aber eben nicht mehr nur die Journalisten der klassischen Medien. Themen setzen und Meinung machen kann heute jeder, der in der Lage ist, über Twitter, Facebook, Youtube oder ein anderes der sogenannten sozialen Medien eine hinreichend große Zahl von Menschen zu erreichen, die das Gesagte oder Gestreamte im Netz weiter verbreiten.
In den Bloggern, Influencern und Aktivisten sind den Journalisten der klassischen Medien neue und ernstzunehmende Konkurrenten entstanden. Dazu zählen Blogger und Blogs wie Sascha Lobo, Nachdenkseiten, Achse des Guten oder Tichys Einblick. Oder Influencer wie Florian Mundt alias LeFloid mit mehr als 3 Millionen Abonnenten. Es war kein Zufall, dass sich Angela Merkel vor der Bundestagswahl 2017 von vier Influencern interviewen ließ: von den YouTubern Mirko Drotschmann (Künstlername: Mr. Wissen2Go), Lisa Sophie (ItsColeslaw), Alex Böhm (Alexi Bexi) und Ischtar Isik. Merkels Berater wussten sehr wohl, warum sie die Kanzlerin mit vier Zwanzigjährigen zusammenbrachten: Hinter denen standen damals 3 Millionen Abonnenten bei Youtube.
Journalisten sind keine „Türwächter“ mehr
Der Satz „Was nicht gedruckt oder gesendet worden ist, hat nicht stattgefunden“, stimmt einfach nicht mehr. Der Journalist als „Gatekeeper“, als Türwächter hat ausgedient. Heute gibt es veröffentlichte(n) Meinung(en) jenseits von Zeitungen und Fernsehen. Das Internet hat eine zweite Medienwelt erschaffen. Die klassischen Medien sind sogar häufig die Getriebenen des Internets.
Nichts illustriert die neue Medienwelt besser als die Reaktion der Medien auf die massenhaften Übergriffe in der Silvesternacht 2015 in Köln. Es geschah in der Nacht von Donnerstag auf Freitag. Überregionale Medien berichteten erstmals am Montag, dem 4. Januar – und das noch sehr zurückhaltend. ARD und ZDF stiegen am Dienstag, dem 5. Januar ein, also fünf (!) Tage nach dem Ereignis. Aber im Internet waren die Übergriffe schon von Freitag/Samstag an ein Thema. Zudem wurde dort sehr negativ thematisiert, dass Zeitungen und Fernsehen sich des Themas nicht annahmen oder nicht annehmen wollten. Schließlich passte es nicht zum Geist der „Willkommenskultur“, dass Männer mit Migrationshintergrund, unter ihnen zahlreiche „Flüchtlinge“, massenhaft Frauen sexuell belästigt und bestohlen hatten.
Es lässt sich wohl kaum bestreiten: Ohne „Social Media“ wäre „Köln“ ein lokales Ereignis geblieben. Was ganz im Sinne der meisten klassischen Medien gewesen wäre, nicht zuletzt im Interesse von ARD und ZDF, bei denen die „Willkommenskultur“ besonders gepflegt wurde. Aber „Köln“ hat gezeigt: Die Profi-Agenda-Setter haben ihr Monopol verloren. Sie müssen mit der Konkurrenz der Blogger und Aktivisten rechnen, auch mit der Konkurrenz von politisch interessierten Bürgern, die die neuen Möglichkeiten nutzen, um Nachrichten und Meinungen zu verbreiten.
Welche Bedeutung die „Social Media“ beim Agenda-Setting erlangt haben, zeigt sich auch daran, dass viele bekannte Fernseh- und Zeitungsjournalisten eifrig auf Twitter und Facebook kommentieren.
Sie machen dort aus ihrer politischen Ausrichtung keinen Hehl und rechtfertigen die bisweilen sehr eindeutige Parteinahme mit dem Hinweis, alle Äußerungen seien privat.
Das hat erhebliche Auswirkungen auf die politische Meinungsbildung. Donald Trump hat es vorgemacht: Er ignorierte die klassischen Medien, wurde ohne und gegen sie dennoch Präsident. Die Erfolge der FPÖ in Österreich wären auch nicht möglich gewesen, wenn es der Partei nicht gelungen wäre, sich über „Social Media“ an ihre potentiellen Wähler zu wenden. Die AfD war und ist ebenfalls dabei, ihre eigenen Kommunikationskanäle zu schaffen. So hat die AfD-Facebook-Seite mit inzwischen 410.000 Abonnenten die höchste Reichweite unter allen deutschen Parteien. Die Partei ist auch auf Twitter und Facebook ungleich aktiver als ihre Konkurrenten.
Das Internet hat den politischen Diskurs demokratisiert
Auch die klassischen Medien waren und sind nicht davor gefeit, Falsches zu verbreiten. Aber in den „Social Media“ lassen sich „Fake News“ viel leichter veröffentlichen, weil es eben keine redaktionellen „Gatekeeper“ gibt, die prüfen, was seriöse Information und was Fälschung ist. Welche Folgen die Verbreitung von „Fake News“ haben kann, zeigte sich vor kurzem, als ein Redakteur des Satire-Magazins „Titanic“ mitten im Asylstreit der Unionsparteien die „Nachricht“ verbreitete, CSU-Chef Seehofer kündige das Unionsbündnis auf und die CDU rüstete sich für einen Einmarsch in Bayern. Zahlreiche Medien und eine Nachrichtenagentur fielen darauf herein, verbreiteten den Unsinn sofort über Twitter und mussten ihre Eilmeldungen wieder verschämt zurückziehen. Über die Falschmeldung wurde sogar im Bundestag diskutiert, der Dax verlor ein halbes Prozent, und der Euro gab leicht nach.
Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft, auch beim Verbreiten von Nachrichten und Meinungen. Zweifellos hat die Glaubwürdigkeit der klassischen Medien darunter gelitten, dass in vielen Zeitungen und nicht zuletzt in den öffentlich-rechtlichen Anstalten sich immer mehr Journalisten nicht mehr als Berichterstatter und Kommentatoren verstehen, sondern eher als Meinungsmacher und politische Aktivisten. Dennoch ist die Glaubwürdigkeit von Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen immer noch höher als die von Blogs und Youtube-Kanälen. Je mehr sich in den klassischen Medien jedoch der Meinungsjournalismus zu Lasten des Informationsjournalismus ausbreitet, umso stärker dürfte deren Glaubwürdigkeitsvorsprung darunter leiden.
War früher alles besser? Paul Sethe hat 1965 geschrieben: „Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“. Das stimmt so nicht mehr. Die Möglichkeiten zur Verbreitung von Meinungen ist heute dank der „Social Media“ größer denn je. Das alles hat die politische Kommunikation nachhaltig verändert und wird sie noch weiter verändern. Denn eines ist sicher: Die klassischen Medien werden ihre alte Vormachtstellung nie wieder zurückerobern. Das Internet hat die politische Diskussion unwiderruflich demokratisiert. Und das ist auch gut so.
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Das Internet hat sehr viel verändert, wie HMV sehr richtig, aber unsystematisch (=chaotisch) beschreibt. Es hat verändert, popularisiert, chaotisiert – aber nichts demokratisiert.
Gut daß es das Neuland gibt. Den Öffentlich Richtigen nehme ich inzwischen nicht mal mehr die Wetterprognose ab. „Lustig“ dabei ist auch zu beobachten daß einige überregionale Printmedien immer genau dann aufwachen und contra ÖRR schreiben, wenn dieser seine leider immer noch bestehende Meinungsübermacht durch weitere Internetauftritte noch weiter zementieren, ausweiten und somit monopolisieren will. Knock-knock. Hallo McFly, jemand zu Hause??
Wer die Faehigkeit besitzt, bei den oeffentlich-rechtlichen bzw. etablierten Print-Medien zwischen den Zeilen zu lesen, sollte das theoretisch auch in der Online-Welt koennen.
Liegt daran, daß diejenigen, die oft Detailwissen in einer bestimmten Angegenheit haben, nicht diejenigen sind, die der Presse als Wissende „vermittelt“ werden. Die Wissenden schreiben dann lieber mal einen interessanten Leserkommentar zu einem Artikel, so die Schreibenden ihn lassen. Die FAZ, z.B., zensiert alle Leserkommentare, die nicht im grossen Rahmen ihrer eigenen Anschauungen liegen — das entfremdet dann auch noch deren langjährige (kommentierende) Leser.
Aber: Ist gut so, man erkennt so die darunterliegenden Strukturen – das bildet.
Das Online-Forum der FAZ fand ich von der Moderation her eigentlich immer in Ordnung. Leider sind bei faz.net die meisten Artikel nicht kommentierbar. Dagegen werden nach meiner Erfahrung bei „Welt Online“ die Leserkommentare krass gesiebt, auch wenn sie den Richtlinien entsprechen. Bei WO reicht es schon, auf unangenehme Fakten zu verweisen oder sich zu prononciert auszudrücken, damit der Kommentar nicht veröffentlicht wird, was viele Forumsteilnehmer zwischen den Zeilen immer wieder beklagen. Dagegen ist das TE-Forum eine Wohltat für den freien Gedankenaustausch. Hoffen wir, dass seine Reichweite weiter wächst.
Ich halte die sozialen und die alternativen Medien schon allein aus einem Grund für wichtig: in den sozialen Medien kommen auch die Kunden der klassischen Medien zu Wort – und die alternativen Medien beleben den Wettbewerb im Journalismus, auch im Sinne einer Globalisierung durch das Internet. Unbezahlbar!
Herr Müller-Vogg,
das eine Redaktion als Torwächter fungierte, halte ich für ein Gerücht. Bis vor ein paar Jahren konnten nur ein paar wenige Redakteure ihre Sicht der Welt als DIE Wahrheit verkaufen.
Das viel aber nur wenigen die wirklich mit der jeweiligen Materie zu tun hatten auf. Und man hat sich mehrmals überlegt ob eine Gegendarstellung überheut sinnvoll ist. In viele Fällen hat man darauf verzichtet.
Ich behaupte das heute weniger Fakes im Umlauf sind als noch vor 15 Jahren.
Man kann sagen: mit dem Internet haben die klassischen Medien sowohl ihr Informationsverbreitungsmonopol als auch ihr Meinungsverbreitungsmonopol verloren. Informationen und Meinungen verbreiten kann nun nahezu jeder. Das hat zwar auch Schattenseiten, aber die Vorteile für einen demokratischen Diskurs überwiegen m. E. gewaltig. Das sehe ich so wie sie.
Ich sehe nicht, das durch Meinungsäußerungen in den Foren tatsächlich eine Volksbeteiligung, geschweige denn Demokratie entstanden ist. Wenn dem so wäre, dann müssten auf politischer Ebene z.B. eine Wende in der Migrationspolitik, in der draghischen Eurorettung, den Targetsalden, der deutschen Renten-/ Sozialrecht etc. erfolgen. Erst wenn die überwiegende, auch in Foren geäußerte, Meinung der Bevölkerung Einfluss auf politische Entscheidungen hat, kann man mMn von Volksbeteiligung und Demokratie reden.
Ansonsten stimme ich Ihnen aber völlig zu!
FakeNews tragen allerdings auch dazu bei, Nachrichten eine gewisse Skepsis entgegenzubringen und nicht mehr leichtgläubig alles zu schlucken was ihnen vorgesetzt wird.
Wer ein mal auf Fakenews reingefallen ist, schaut beim nächsten mal sicher genauer hin.
Wahre Worte eines Aufgeklärten….volle Zustimmung!
Und noch eines…in diesen Artikel ist von „Journalist/Medien als Türwächter“ die Rede….aber genau diese „Türwächter“ stellt doch einen massiven Eingriff in die freie und offen Meinungsmittleiung da…“Türwächter“ ist doch ein anderes Wort für ZENSUR!
Hr. Müller-Vogg redet also der Zensur das Wort, wenn er von redaktionellen „Gatekeeper“ als etwas Positives in der Welt von Zeitungen und Medien schreibt.
Da wir noch über eine zum größten Teil freie Presse verfügen, können sich Medien und Journalisten letztendlich nur selbst zensieren.
Wie aufgeklärt der heutige Konsument diesbezüglich allerdings ist, belegt der enorme Leserschwund gewisser Medien.
Also keine Sorge, auch der Leser wird allmählich erwachsen und „FakeNews“ tragen ihren Teil dazu bei 😉
Nein, ein guter Informationsjournalist muss nämlich auswählen, Quellen prüfen etc.
Zensur ist dagegen die systematische Verhinderung von Veröffentlichungen durch staatliche Organisationen.
Als Autor hat man keinen Anspruch darauf, dass ein bestimmtes Medium die eigenen Texte veröffentlicht; ggf. kann man sie selbst veröffentlichen oder ein eigenes Medium gründen.
Ein problematischer Grenzfall sind große Plattformen a lassen FB, die evtl. zensieren.
Das sollte doch auch TE interessieren…
„Jetzt aufgedeckt: So finanziert die Bundesregierung die kriselnde Presse“
Berlin – Mit hohen Millionenbeträgen stützt die Bundesregierung die schwächelnden Printmedien. Das musste sie jetzt auf eine Anfrage der AfD-Fraktion einräumen.
Auflagen- und Anzeigenschwund machen Zeitungen und Zeitschriften zu schaffen. Die Glaubwürdigkeitskrise schlägt auch finanziell voll durch. Gut, dass es da die Bundesregierung gibt. Sie hat ein gut gefülltes Werbebudget und kann den ihr teilweise treu ergebenen Blättern mit Steuergeld unter die Arme greifen. Allein in diesem Jahr werden mehr als 67 Millionen Euro in die sogenannte Pressearbeit fließen.
https://www.journalistenwatch.com/2018/07/13/jetzt-so-bundesregierung/