Die SPD prahlt mit einem Erfolg der Linkspartei

Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns war letztlich das Ergebnis von zwölf Jahren beharrlicher Linken-Politik. Wenn also jemand Grund zum Feiern hat, dann die Linkspartei. Nicht die SPD.

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Die Sozialdemokraten haben keinen Parteivorsitzenden und sie sind sauer, dass ausgerechnet Ursula von der Leyen Präsidentin der EU-Kommission werden soll. Dennoch waren sie in dieser Woche auch in Feierlaune. „Wir sagen Happy Birthday, #Mindestlohn!“ verkündete die Partei am 3. Juli per Twitter. „Mehr als 3,5 Millionen Menschen profitieren heute von ihm – vor allem Beschäftigte im Osten und Frauen bekommen nun mehr Geld!“ Torsten Schäfer-Gümbel aus dem temporären Führungs-Trio fügte stolz hinzu: „Vor 5 Jahren hat der Bundestag den Mindestlohn auf der Grundlage eines Gesetzentwurf von @AndreaNahlesSPD eingeführt. (..) Demokratische Politik kann etwas verändern.“

Man muss die Siege feiern, wie sie fallen, mag man im Willy-Brandt-Haus gedacht haben. Doch die Genossen ließen ein kleines, aber wichtiges Detail unter den Tisch fallen. Beim Mindestlohn musste die SPD erst zum Jagen getragen werden – und zwar ausgerechnet von der Linkspartei. Der Beschluss über den Mindestlohn fiel nämlich fast auf den Tag genau 12 Jahre nach der ersten Mindestlohndebatte am 2. Juli 2002. Damals hatte die PDS (früher: SED, heute: Die Linke) ihren ersten Antrag zur „Einführung eines existenzsichernden Mindestlohns“ eingebracht. Er wurde von der damaligen rot-grünen Mehrheit abgelehnt, von der CDU/CSU übrigens auch.

Wie immer man zum Mindestlohn stehen mag: Dieser „Meilenstein in der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik der Bundesrepublik“, wie Manuela Schwesig) 2014 schwärmte, war in erster Linie das Verdienst der Linkspartei. Die SPD hatte nämlich jahrelang diese „Begrenzung der Tarifautonomie in dem unteren Bereich“ (Franz Müntefering) kategorisch abgelehnt. Denn die Gewerkschaften waren jahrzehntelang strikt gegen diesen staatlichen Eingriff in die Tarifautonomie gewesen. Und nichts fürchteten die Sozialdemokraten mehr als ein Zerwürfnis mit den Gewerkschaften.

Die Arbeitnehmerorganisationen waren bis vor wenigen Jahren noch der Meinung, Tarifautonomie und Mindestlohn passten nicht zusammen. Die Politik solle sich da raushalten. Erst im Mai 2006 beschloss der DGB-Bundeskongress die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Danach drehte die SPD allmählich bei. 2007 sammelten die Sozialdemokraten Unterschriften für den Mindestlohn. Im Wahlprogramm 2009 bekannten sie sich dann ganz offiziell zu diesem staatlichen Eingriff in die Preisbildung am Arbeitsmarkt.

Die Linkspartei wusste die Marktlücke zu nutzen

Ob die SPD die Attraktivität des Mindestlohns bei potentiellen Wählern zunächst nicht erkennen konnte oder wegen der Gewerkschaften nicht erkennen wollte – die PDS/Linkspartei/WASG/Die Linke wusste diese Marktlücke zu nutzen. Im Bundestagswahlkampf 2005 trommelte das Linksbündnis für den Mindestlohn und war damit allein auf weiter Flur. Ihre Rückkehr in den Bundestag unter Führung des Spitzenduos Gysi/Lafontaine war auch das Ergebnis ihrer Mindestlohn-Strategie. Das Konzept kam an, jedenfalls bei dem Teil der Wähler, der von SPD wie Linkspartei umworben wurde.

Nach der Wahl 2005 schwenkte die Linke unverdrossen die Mindestlohn-Flagge. Bisweilen führte sie Sozialdemokraten öffentlich vor. Die mussten zur Zeit der Regierung Merkel/Müntefering aus Koalitionsräson gegen entsprechende Anträge der Linken stimmen, selbst gegen solche, die Wort für Wort SPD-Beschlüssen glichen. Das war für die SPD-Genossen sehr bitter, zumal die Gewerkschaften in dieser Frage an der Seite der Linkspartei standen.

Erst 2014 verwirklichte die GroKo, in der die SPD den Wirtschaftsminister sowie die Arbeitsministerin stellte, eine Uralt-Forderung der Linken. Aber obwohl die Sozialdemokraten das bis heute zu verdrängen suchen: Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns war letztlich das Ergebnis von zwölf Jahren beharrlicher Linken-Politik. Wenn also jemand Grund zum Feiern hat, dann die Linkspartei.

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Kommentare ( 13 )

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bkkopp
4 Jahre her

Mir scheint, dass “ Politik “ das ist, was gesetzgeberisch realisiert wird. Insofern hat die Linke Forderungen erhoben, Propaganda betrieben, und die Gewerkschaften und die Sozialdemokraten zum Thema motiviert. Daraus ist denn Politik geworden.

Walter Knoch
4 Jahre her

Sehr geehrter Herr Müller-Vogg, Sie sind nicht von gestern, Ich weiß das. Ich habe Sie noch erlebt, als Sie mit (gegen) eine(r) Journalistin des Hessischen Rotfunks, spätere Abgeordnete der Linken (oder hieß die SED noch PDS) eine wöchentliche Sendung hatten. Sie müssten eigentlich wissen und Sie wissen es auch. Im Artikel 38 des Grundgesetzes steht zu lesen: (1) 1. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. 2Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Jahrzehntelang haben sich CDU, CSU und auch die Freien… Mehr

elly
4 Jahre her

die SPD steht für Plünderung der Sozialkassen und Kürzung der Sozialleistungen. Und das nicht erst seit Schröder. Sie tat dies mit Unterstützung der Gewerkschaften.
Das linke Tasche – rechte Tasche Spiel hat die SPD nahezu perfektioniert.
So langsam merken die Menschen, dass die „sozialen Wohltaten“ der SPD gerade von den Begünstigten teuer bezahlt werden müssen.
Jetzt muss sich die SPD natürlich mit fremden Federn schmücken, sie steht inzwischen nackt da.

Günter Dehren
4 Jahre her

Wie hat mal jemand gesagt?
Da wächst zusammen, was zusammen gehört!
Rette sich, wer kann…

Ingolf Paercher
4 Jahre her

Tja, ein gerupftes Hühnchen braucht nunmal fremde Federn, um die eigene Scham zu bedecken …

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass nicht nur Merkel weg muss.

schukow
4 Jahre her

Ach, werter Herr Müller-Vogg,
nun lassen Sie doch den armen Genossen die kleine Freude. Allzviel zu feiern werden sie in ihrer Geschichte doch nicht mehr haben. Und wenn es auch fremde Federn sind mit denen sie sich schmücken, so sind es doch Federn immerhin. ** 🙂

Zynikos
4 Jahre her

Selbst dafür ist sich die SPD nicht zu schade, sich mit fremden Federn zu schmücken.

Ganz nebenbei macht der erhöhte Mindestlohn der Vortrieb bei der Inflation leichter. Weil weniger Wiederstand von den Geringverdienern.

W aus der Diaspora
4 Jahre her

Ich bin mir nicht sicher, dass der Mindestlohn überhaupt ein Grund zum Feiern ist. Denn mit dem Mindestlohn wurde auch die prekäre Beschäftigung bei Mindestlohn zementiert.

Wenn Mindestlohn, dann sollte er doch zumindest so hoch sein, dass er mit Vollzeitjob (40 Std.-Wochen) dafür sorgt, dass im Alter eine Rente mind. in Höhe der Grundsicherung zustande kommt.

Adorfer
4 Jahre her

Ich kann nur sagen, der Mindestlohn ist eine vernünftige Sache. Ich wette, in den letzten „guten“ Jahren hätten die Geringlöhner wie immer in die Röhre geschaut (Hilfskräfte, 400-Eurojobber usw.) die haben nämlich keine Lobby. Jetzt auf einmal geht´s und die Firmen sind dennoch noch nicht pleite. Was zählen schon 15 Milliarden wg. Abgas nach Amerika, da ist es doch auch da. Oder 12 Millionen Abfindung für eine Vorstandsdame und und und.

giesemann
4 Jahre her

Wenn man jetzt auch noch auf die Besteuerung der Hungerleider verzichten könnte und denen die Rentenbeiträge aus Steuermitteln bezahlen täte – dann wäre das ein Riesenkonjunkturprogramm. Schließlich geben die garantiert ihre paar Kröten vollständig und umsatzsteuerpflichtig wieder aus – und tun auch noch was hoffentlich Sinnvolles für den **lohn. Ganz im Gegensatz zu den Herumlungerern aus Islam und Afrika.