Die Freien Demokraten sind die einzige Wirtschaftspartei

Obwohl die FDP in den Umfragen mit acht oder neun Prozent unter dem Bundestagswahlergebnis von 10.7 Prozent bleibt, macht sich keiner ernsthaft Sorgen, man könnte abermals in eine Existenzkrise geraten.

imago images / Stefan Zeitz

Als die Freien Demokraten im Dezember 2013 im ehemaligen Postbahnhof Berlins ihren ersten Parteitag nach dem Wahldesaster bei der Bundestagswahl abhielten, wirkte diese „Location“ ziemlich heruntergekommen. Was besonders auffiel: In der Halle gab es nur ganz wenige Unternehmen, die sich dort präsentierten und somit zur Finanzierung der Veranstaltung beitrugen. Sechs Jahre später strahlt die „Station“, wie der Veranstaltungsort heißt, unverändert den in der Hauptstadt so beliebten Charme des Halbfertigen aus – unverputzte Wände, unter der Decke frei liegende Kabel und Rohre, eine schlechte Akustik, die durch über der Halle verkehrende S-Bahnen nicht verbessert wird. Dennoch ist deutlich zu sehen, dass die FDP jedenfalls in der Wirtschaft wieder ernst genommen wird: Ein Firmenstand reiht sich an den nächsten. Und die Standmieten sprudeln – zur Freude des Schatzmeisters.

Nicht nur äußerlich hat sich bei der FDP einiges verändert. Die Partei wirkt im Jahr zwei nach dem Wiedereinzug in den Bundestag und dem Wiederaufstieg zur Regierungspartei in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gefestigt. Obwohl sie in den Umfragen mit acht oder neun Prozent unter dem Bundestagswahlergebnis von 10.7 Prozent bleibt, macht sich keiner ernsthaft Sorgen, man könnte abermals in eine Existenzkrise geraten. Dass Christian Linder 2018 ziemlich abrupt und mit einer verschwurbelten Begründung die Koalitionsgespräche mit Union und Grünen platzen ließ, hat die Partei längst akzeptiert. Das zeigt sich auch daran, dass Christian Lindner mit 87 Prozent als Vorsitzender wiedergewählt wurde. Das waren nur vier Prozentpunkte weniger als 2017 kurz nach der von ihm maßgeblich bewerkstelligten Wiederauferstehung der FDP als Bundestagspartei.

Wie immer bei Parteitagen der Lindner-FDP wird auf die Inszenierung größten Wert gelegt. An der Wand hinter dem Rednerpult prangen riesige chinesische Schriftzeichen. Sie stehen für ein einziges Wort: Wirtschaftspolitik. Ganz so, wie es sich die Werbeagentur wohl ausgedacht hatte, beginnt Lindner seine Parteitagsrede mit ein paar Sätzen auf Chinesisch. Wobei die Botschaft nicht gerade sensationell ist. Sie handelt von Zeiten der Veränderung, die allen Veränderungen abverlange. Das hätte man auch anders sagen können. Doch dann hätte dieselbe Aussage auf Facebook, Twitter & Co. nicht sofort einen durchaus freundlichen „Storm“ ausgelöst.

Die wichtigste Botschaft dieses Parteitags: Lindner und die FDP setzen in erster Linie auf das Thema Wirtschaft und Arbeitsplätze. Der Zeitgeist und die ihn wohlwollend befördernden Medien mögen zurzeit ganz auf Grün eingestellt sein. Sollte sich jedoch die Konjunktur aufgrund weltwirtschaftlicher Einflüsse stärker abschwächen, als derzeit vor allem die Groko-Parteien hoffen, könnten grüne Blütenträume schnell vorbei sein. Was aus strategischer Sicht noch wichtiger ist: Die FDP versucht bewusst ein Themenfeld zu besetzen, das von den anderen Parteien sträflich vernachlässigt wird, nämlich die Stärkung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit und des Mittelstands angesichts zweier großer Herausforderungen: der chinesischen und der durch die Digitalisierung. SPD, Grüne und Linke geht es dennoch mehr um Umverteilung als um Wirtschaftspolitik, die AfD hat überhaupt kein wirtschaftspolitisches Konzept und die CDU/CSU hat sich mit der SPD auf eine teilweise Ausweitung der Sozialleistungen verständigt statt auf eine umfassende Digitalstrategie oder eine Energiepolitik, die Verbraucher wie Wirtschaft nicht über die Maßen belastet.

Natürlich ist Wirtschaft nicht alles. Der Klimawandel ist nach der Zuwanderung zum zweitwichtigsten Thema geworden, bereitet nicht wenigen Menschen große Sorgen. Darauf mit umweltpolitischen Zielen zu reagieren, die sich auf staatliche Vorgaben, auf Gebote und Verbote stützen und nicht nach den Kosten – in Euro und Arbeitsplätzen – fragen, ist in bestimmten Kreisen populär. Auch scheint bei vielen die Überzeugung zu überwiegen, die Deutschen könnten durch klimafreundliches Verhalten die mit Abstand größten Umweltsünder USA, China und Indien zu einem Politikwechsel veranlassen. Das mag man naiv oder optimistisch nennen – realistisch ist es jedenfalls nicht. Und die FDP sagt das deutlicher als jede andere Partei.

An den Freien Demokaten gibt es vieles zu kritisieren. Aber sie erfüllen als eine auf die soziale Marktwirtschaft setzende politische Kraft eine ganz wichtige Funktion in unserem Parteiensystem. Natürlich gibt es auch in CDU und CSU überzeugte Marktwirtschaftler. Aber in den Koalitionen mit der SPD (2005 bis 2009 und seit 2018) hat die CDU/CSU sich im politischen Alltag häufig gegen den Geist der sozialen Marktwirtschaft „versündigt“, wie Ludwig Erhard Verstöße gegen seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen zu geißeln pflegte. Genau deshalb ist eine sicher über der Fünf-Prozent-Hürde lebende FDP so wichtig – als Vorkämpfer für die soziale Marktwirtschaft und als Messlatte für jene Unionspolitiker, die bisweilen Beweglichkeit mit Beliebigkeit verwechseln. Man muss die FDP nicht mögen – aber sie wird gebraucht.

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Kommentare ( 88 )

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Oberotto vom Angelika Merkel FanClub
4 Jahre her

Ab und zu in stillen Stunden kommt mir auch mal der Gedanke FDP zu wählen. Doch dann reicht es mir, eine Bundestagsdebatte auf youtube anzugucken (vielleicht sollten Sie das auch mal machen, lieber Herr Müller-Vogg). Und da muss leider festgestellt werden, dass die FDP genauso wie die restlichen Parteien eine ideologische Schere im Kopf hat. Obwohl FDP und AfD öfters mal inhaltlich ähnliche Anträge stellen (z.B. beim Thema Diesel) und man als unbedarfter Beobachter davon ausgehen könnte, dass die beiden hier gemeinsame Sache machen würden, bleibt dies eben aus. So bekommt man von der FDP-Fraktion das übliche Blabla zu hören,… Mehr

Albert Pflueger
4 Jahre her

Die FDP hechelt atemlos dem Klima- Zeitgeist hinterher und versucht den Spagat zwischen Deindustrialisierung und Wirtschaftsfreundlichkeit. Leider geht das nicht, man kann Planwirtschaft und Liberalismus nicht zu einem Amalgam vermischen.

Gisela Fimiani
4 Jahre her

Die FDP würde (Konjunktiv) gebraucht, wäre (Konjunktiv) sie eine Freie! Demokratische! Partei. Mit vielversprechenden Verkündigungen hat man es erneut in den Bundestag geschafft. Danach konnte der Wähler erkennen, dass den Worten die Taten nicht folgten, weil die Partei keinen Kompass mehr hat. Man machte es sich, fern jedes klassischen Liberalismus, eitel und wohlversorgt im Bundestag bequem und verschwand in der trauten Masse Die Politiker an ihren Taten messend, kann ich deren eitlen Worten nicht mehr vertrauen.

Vielfahrer
4 Jahre her

Seit sich die FDP – ebenso wie einstmals konservative CDU/CSU – den Linken/Grünen andient und deren Politik macht, sind für mich diese Parteien absolut nicht mehr wählbar. Die Liberalen und Konservativen in Deutschland begehen im Interesse des eigenen Machterhalts den gleichen historischen Fehler wie 1919 und 1933: Sie verhelfen linken bis linksradikalen Kräften zur Machtübernahme!

Berthold Bohner
4 Jahre her

Herr Müller-Vogg , Ihr Engagement für die FDP als Wirtschaftspartei ist sinnlos, der nächsten Regierungskoalition wird die FDP zusammen mit den Grünen und der kryptogrünen CDU angehören! Was das für die Wirtschaft bedeutet , mögen Sie mit Ihrem Verstand wohl erfassen können.

Mad Professor
4 Jahre her

Als Noch-FDP-Mitglied muss ich mal einwerfen, dass die Partei mit Wirtschaft nicht mehr viel am Hut hat – außer, wenn es um staatlich schön regulierte Märkte geht, man frage mal den lokalen Apotheker. So kaufen FDP-Ortsvereine bisweilen auch Anteile an subventionierten Windkraftanlagen und anderen ideologiegetriebenen Sakralbauten.

Reinhard Lange
4 Jahre her

O-Ton Christian Lindner: „Die Klimaziele 2030 müssen verbindlich sein. Das ist eine Überlebensfrage der Menschheit. Den Weg dahin müssen aber Ideenwettbewerb und Technologie bestreiten. Ich bin dafür, dass wir CO2 einen Preis geben, damit die wirtschaftlich effektivsten Formen der Vermeidung genutzt werden. Und zwar europaweit und in allen Sektoren des Lebens.“ Ja, das fordert die FDP: CO2-Bepreisung „in allen Sektoren des Lebens“. Halleluja! Falls es ein Bepreisungs- und Umverteilungsamt geben soll, möchte ich mich hiermit schon als Mitarbeiter bewerben. Erwarte, dass da gut gezahlt wird. Ich denke, jetzt können nicht nur Hoteliers, sondern auch Gretas Freunde mit reinem Gewissen FDP… Mehr

Susanne R.
4 Jahre her
Antworten an  Reinhard Lange

Aber zu Gretas Jüngern vor 2 Wochen gewandt: „Überlasst die Politik den Profis.“ Getrieben von Social Media Shitstorms (und dem was die FDP immer schon gekennzeichnet hat: umfallen) macht Lindner die Merkel. Die „Freiheitlichen“ sind für eine neue Steuer. Ich lach mich weg!

Thomas Holzer
4 Jahre her

Was in diesen Tagen schon alles einen freundlichen „storm“ auslöst 😉
Natürlich ist der „Klimawandel“ das zweitwichtigste Thema bei den Deutschen, wird er doch 24/365 von Medien und Politikern getrommelt und die „Endzeit“ herbei demonstriert 😉
Abgesehen von der Wirtschaft trampelt die FDP leider auch wie alle anderen Parteien auf den Pfaden der Bevormundung des eigentlichen Souveräns, nunmehr nur mehr Untertan

Susanne R.
4 Jahre her

Die AFD hat kein wirtschaftspolitisches Konzept? Da fällt mir spontan nur ein klitzekleiner Punkt im Parteiprogramm ein: Senkung der Mehrwertsteuer auf einheitlich 7%.

elly
4 Jahre her

Christian Lindner hat auch versucht die FDP ein wenig zu „vergrünen“. Das wird auf Dauer nicht funktionieren.