Bürgerversicherung: Wenn Einheitskasse, dann auch Einheitsgräber

Falls die SPD es ernst meint mit der Abschaffung von Privilegien, dann sollten sie zunächst mal dafür sorgen, dass alle Bundestagabgeordneten der Gesetzlichen Krankenversicherung beitreten.

© Adam Berry/Getty Images

„Bürgerversicherung“ lautet die Zauberformel, die alles heilen soll: die schreiende Ungerechtigkeit, die für das deutsche Gesundheitssystem angeblich charakteristisch ist, die mangelnde Ärzteversorgung vor allem in ländlichen Gegenden, das Fortbestehen einer sogenannten Zwei-Klassen-Medizin. So tönt es seit Wochen auf allen SPD-Kanälen, überwiegend wohlwollend begleitet von Medien, denen ein Vollkasko-Versorgungsstaat als Ideal vorschwebt. In Wirklichkeit soll die „Bürgerversicherung“ vor allem eines sichern: den Anspruch der SPD, sich als einzige Partei um die Sorgen und Nöte des kleinen Mannes zu kümmern.

Spiegel im Spiegel
Die "Bürgerversicherung" ist pure Ideologie
Die Hauptpropagandisten der „Bürgerversicherung“, die weit links stehenden Sozialdemokraten Karl Lauterbach und Ralf Stegner, erklären gebetsmühlenartig, nur die als „Bürgerversicherung“ verkleidete Einheitskasse könnte die vermeintliche soziale Eiseskälte in diesem Land in einen wohltemperierten sozialpolitischen oder sozialdemokratischen Frühling überführen. Wenn die geforderte Zwangs-AOK irgendjemanden wirklich helfen würde, dann allenfalls der SPD auf der Suche nach einem neu aufpolierten Gerechtigkeitsprofil. Denn eines ist sicher: Selbst wenn alle „Reichen“ und „Besserverdienenden“ eines Tages in die sozialistische Einheitskasse gezwungen würden, blieben die finanziell Privilegierten, was sie sind: finanziell privilegiert.

Das derzeitige deutsche Gesundheitssystem bevorzuge die Reichen, so das Mantra der Umverteilungsapostel. Nun gut, das „Privileg“ der 10 Prozent Privatversicherten besteht in erster Linie darin, dass sie für 25 Prozent der Einnahmen des Gesundheitssystems sorgen. Ob dieser Preis für zweifellos vorhandene Vorteile nicht zu hoch ist, hat sich schon mancher Privatversicherte gefragt. Was sich nämlich für Alleinstehende durchaus rentiert, rechnet sich für Familienväter und -mütter meistens nicht. Eigentlich sollte man den Privatversicherten also danken, statt sie indirekt zu beschimpfen. Wer aber, wie die Schulz-SPD, im Neid ein wichtigstes und wertvollstes menschliches Motiv sieht, der hält sich mit solchen Feinheiten nicht auf. Wer mehr zahlt als andere, soll nicht etwa ein paar Vorteile davon haben. Nein: Er soll noch mehr in die Gemeinschaftskasse einzahlen und deutlich weniger als bisher bekommen. Wenn schon Umverteilung, dann richtig.

Dead end
Der deutsche Hang zum Sonderweg ist nicht solidarisch
So schnöde wird das von den Einheitskassen-Befürwortern nicht formuliert. Es geht ihnen „nur“ um den Abbau von Privilegien, es geht um die Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin. Nun gut, wer unterschiedliche „Klassen“ per se für schlecht hält, der sollte dann aber so konsequent sein, und überall für die klassenlose Gesellschaft eintreten. Viel leichter als eine umfassende Gesundheitsreform fiele doch die Abschaffung der 1.Klasse bei der (staatlichen) Bahn. Auch in S-Bahn-Zügen müsste, wo noch nicht geschehen, die Aufteilung in Preis-Klassen aufgehoben werden: Einheitssitze, Einheitsservice und Einheitspreise – Sozialisten-Herz, was begehrst du mehr?

Das Projekt Einheitsschule verfolgt die SPD ja schon seit langem. Sie könnte ihren Kampf gegen Privilegien ja auch auf den öffentlichen Kulturbetrieb ausdehnen. Schluss mit den teuren Logen-Plätzen in städtischen und staatlichen Theatern, her mit dem Einheitspreis – von der ersten bis zur letzten Reihe. Auch passt eigentlich nicht ins sozialdemokratische Gerechtigkeits-Bild, dass die Verstorbenen auf städtischen Friedhöfen in unterschiedlich großen Gräbern ihre letzte Ruhe finden. Höchste Zeit für Einheitsgräber zu Einheitsgebühren – Ruhet in Frieden und Gleichheit.

Bürgerversicherung
Zweiklassenmedizin – sozial ungerecht?
Man muss nicht lange suchen, um die aus linker Sicht schreckliche Ungleichheit anzutreffen, die dadurch entsteht, dass die „Reichen“ sich einfach mehr leisten als die „Armen“. Freilich wird sich das in einem „sozialisierten“ Gesundheitssystem nicht ändern. Wer es kann, wird sich immer zusätzliche medizinische Leistungen dazukaufen, sei es über Zusatzversicherungen, sei es durch Begleichung von Arztrechnungen aus der eigenen Tasche. Wer es für nötig hält und es sich leisten kann, wird sich auch im Ausland medizinischen Rat und Hilfe holen, ganz gleich, ob ihm Kosten erstattet werden oder nicht.

Das alles wird auch die Einheitskasse nicht verhindern können, jedenfalls dann nicht, wenn dieses Land ein freies Land bleiben soll. Wer wirklich die Ein-Klassen-Medizin erzwingen will, der muss die Privatliquidation von Ärzten gesetzlich verbieten, der muss private Kliniken zwangsweise schließen und der muss den Straftatbestand der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen im Ausland einführen. Sonst bleibt es bei der Zwei-Klassen-Medizin – allen Lauterbach-Reden zum Trotz.

Zeichen und Wunder – Die US-Steuerreform
Noch ein Tipp für die Genossen Lauterbach und Stegner. Falls diese es wirklich ernst meinen mit der Abschaffung von Privilegien, dann sollten sie sich zunächst mal dafür einsetzen, dass alle Bundestagabgeordneten der Gesetzlichen Krankenversicherung beitreten müssen. Und wenn es dafür keine Mehrheit im Bundestag gibt? Dann sollten zumindest alle sozialdemokratischen Parlamentarier mit gutem Beispiel vorangehen und auf private Versicherungen verzichten. Dann wären die Genossinnen und Genossen wenigstens glaubwürdig. Aber dazu wird es nicht kommen. Weil auch unter Sozialdemokraten gilt: Die Privilegierten sind immer die anderen.

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Kommentare ( 79 )

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79 Comments
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chrisamar
6 Jahre her

„Einheitsgräber“ gibt es bereits. Weil sich der überwiegende Teil gar keine Bestattung mehr leisten kann. Darum sind Armengräber / anonymes Verscharren inzw. Alltag. Die Bestatter Branche kämpft mit allen Tricks um jede Leiche. Das kann nicht mehr geleugnet werden. Die Bürgerversicherung s.z.B. Canada, GB und NL aus Steuermitteln finanziert ist fair. In Deutschland werden die Zwangsabgaben der Mindestlöhner in die sozialen Kassen dazu benutzt, die illegale Ansiedlung von Millionen von vermeintlich Schutzsuchenden zu finanzieren. Diese Last ist nahezu 100% auf die Rentner, Mindestlöhner und auf die H4ler, abgewälzt worden. Jeder dritte Arbeitnehmer befindet sich bereits in Lohnarmut. Die H4ler sind… Mehr

Eckart Lockau
6 Jahre her

der Herr Lauterbach hai keine Ahnung, aber davon viel. Ein Beispiel:
79 wunderbare Jahre alt, 750€ Beitrag, 30% Selbstbeteiligung und berufsbedingt keine Übernahme der Arzneikosten, ca. 800€.
Dafür bekomm ich vielleicht früher einen Termin. Aber wehe, ich komm ins Krankenhaus. Zweimal hab ich schon einen Herzkatheter abgelehnt mit der Frage: Und was nützt das m i r ? In dem Alter hast halt a bissl Weinstein in den Herzkranzgefäßen, na und?

Someone
6 Jahre her
Antworten an  Eckart Lockau

Na Sie Glücklicher! – Wenn ein heute 50jähriger in Ihr Alter kommt, wird er vermutlich entweder das Dreifache an Beitrag zahlen oder schon längst an den horrenden Beiträgen zugrunde gegangen sein!

hubert paluch
6 Jahre her

In Australien kann man sich anschauen, wie ein aus Steuergeldern preiswert arbeitendes Gesundheitssystem funktionieren kann, mit ganzen sechs Krankenkassen (für jeden Bundesstaat eine). Dafür sind über 30% der Bevölkerung zusätzlich privat versichert und das staatliche System ist sehr dankbar dafür, da so die knappen Mittel der Basisversorgung nicht strapaziert werden. Je nachdem wie gut der Staatshaushalt dasteht, wird die private Versicherung steuerlich gefördert.

hubert paluch
6 Jahre her

Schon heute ist die gesetzliche Krankenversicherung eine gewaltige Geldumverteilungsmaschine. Wer knapp unter der Beitragsbemessungsgrenze als Arbeitnehmer liegt, dem knöpft die AOK knapp 700 (!) Euro im Monat ab, damit Vater Staat für einen Hartz-IV-Versicherten nur knapp 100 Euro zahlen muss. Auch das Heer der zugewanderten Neubürger werden die Arbeitnehmer durchfinanzieren müssen, da sich auch hier die Bundesregierung einen schlanken Fuß macht. Solche gigantischen Umverteilungsmaschinen können auf Dauer nur in homogenen Staaten Bestand haben, in denen die Mehrheit annimmt, dass alle Mitbürger fleißig und ordentlich sind (lange Zeit galt das für die Skandinavier), nicht aber in extrem heterogenen Gesellschaften, wie z.B.… Mehr

Frank Stefan
6 Jahre her

Darf dann der Privatversicherte als Zwangsmitglied in der Einheitsversicherung denn dann aus der Privatversicherung aus- und in die GKV übertreten? Bislang ist ihm dieser Weg ja versperrt. Und ich ahne, wohin die Reise gehen wird: der Private muss privat bleiben, darf weiterhin nicht zurück in die gesetzliche KV und darf dann bei Leistungsanspruch seine zusätzliche Zwangsversicherung nicht belasten.
Ich frage mich, wieso noch keiner der ansonsten sich so eloquent gebenden Qualitätsjournalist auf die Idee gekommen ist, genau die Frage nach dem Übertritt privat nach gesetzlich unter den Vorzeichen der Bürgerversicherung deren Protagonisten zu stellen.

Aegnor
6 Jahre her

Wie schon richtig angemerkt, geht es beim Thema „Bürgerversicherung“ in der Hauptsache darum, das marode gesetzliche System vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Kurzfristig schielt man auf die Rücklagen der Privaten. Langfristig sollen dann die „Gutverdiener“ den Karren aus dem Dreck ziehen. Wenn es keine Fluchtmöglichkeit in die Privaten mehr gibt, wird dann auch ganz schnell die Bemessungsgrenze (BG) fallen oder in absurde Regionen angehoben. Übrigens glaube ich auch nicht an das Argument, eine Zweiklassenmedizin gäbe es immer, weil Gutverdiener dann extern medizinische Betreuung einkaufen. Das mag für Milliardäre stimmen, aber das Gros der Privaten sind neben Beamten, kleinere Selbstständige und… Mehr

Someone
6 Jahre her
Antworten an  Aegnor

Ein „kleinerer Selbständiger“ verdient bei Ihnen 120.000,– im Jahr… – Ok, in welcher Lebenswirklichkeit leben Sie…?! – Kleinere Selbständige, so genannte 1MannBetriebe verdienen unterm Strich gesehen oft weniger als ein durchschnittlicher Angestellter und muss die Wahnsinnsbeiträge in der PKV berappen, wie ist dabei sowohl der Privaten Versicherung (welche jedes Jahr um 10% erhöht) als auch dem Staat scheissegal…! http://www.handelsblatt.com/finanzen/vorsorge/versicherung/private-krankenversicherung-wie-viele-privatpatienten-verarmen/7754958-6.html

Bahnfahrer
6 Jahre her

Komisch, seit Jahrzehnten sind die Sozen immer vorne mitdabei!
Beim Abgreifen , Mauscheleien und Bevormundungen der Bürger.
Diese Partei wird immer mehr an Rückhalt in der Bevölkerung verlieren!
ZU RECHT!

Helmut Bühler
6 Jahre her

Bürgerversicherung ein Profilierungsprojekt der SPD? Vielleicht früher – jetzt aber soll sie vor allem helfen, die Gesundheitskosten der Merkel-Gäste zu verschleiern. Jeder, als was auch immer anerkannte Migrant landet im Hartz IV System und ist dann GKV-versichert. Der Staatsfunk hat neulich ja schon jubelnd verkündet, dass noch nie soviele Menschen gesetzlich versichert waren (ob dieser Zugewinn an Personen auch ein Zugewinn an Beitragszahlern war, wurde schamhaft verschwiegen). Schon die normalen Hartzler kosten die Krankenkassen doppelt so viel, wie der Staat einzahlt, wieviel werden die jahrzehntelang unterversorgten Flüchtlinge wohl kosten? Damit der Bürgerdepp das nicht so deutlich merkt soll jetzt das… Mehr

Mario
6 Jahre her

Gesetzlich Versicherte haben längere Wartezeiten gegenüber Privatpatienten bei der Terminvergabe und schlechtere Leistungen bei Ärzten. Die Zuzahlungen besondes für zahnärztliche Leistungen sind immens, oft kaum oder oft auch nicht mehr bezahlbar. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kommt es zur Umverteilung zwischen besser verdienenden, kinderlosen Mitgliedern und wirtschaftlich schlechter gestellten Familien mit Kindern. Versicherte mit hohen Beitragszahlungen kommen für Geringverdienende und Nichtbeitragszahler auf. Bei der GKV ist zwar die Leistung für alle Versicherten gleich, die Beiträge richten sich aber nach dem Einkommen. Bei der Privaten Krankenversicherung (PKV) gilt dagegen das Prinzip der Gleichheit von Beiträgen und Leistungen. Wer mehr bezahlt, bekommt höhere… Mehr

Martin D.
6 Jahre her
Antworten an  Mario

Haben Sie selber schon einmal ein privatärztliche Rechnung erhalten und bezahlt? Ist Ihnen bekannt, dass Ärzte hier in aller Regel den 2,3 fachen Satz berechnen können – teilweise auch noch mehr – und in aller Regel auch tun? Ein Teil der – sorry – „Verlogenheit“ in dieser „Diskussion“ ist schlicht und ergreifend die Tatsache, dass privat krankenversicherte Personen für die gleiche Leistung eines Arztes ein deutlich höheres Entgeld zu zahlen haben, als Personen, die in einer GKV versichert sind. Darüber hinaus sind für jedes einzelne Familienmitglied monatlich entsprechende Beiträge zu entrichten. Dort gibt es keine kostenfreie „Familienversicherung“. Obwohl ich selber… Mehr

Someone
6 Jahre her
Antworten an  Mario

Ich behaupte jetzt einmal, Sie sind gesetzlich versichert! – Denn Sie haben keine Ahnung was bei den Privaten mittlerweile abgeht und was ein „Selbständiger“ im mittleren Alter so bezahlt für seine PKV und wie das so ist mit den „Leistungen“!

Old-Man
6 Jahre her

Sehr gut geschrieben Herr Müller-Vogg,da kann Ich ihnen nur zustimmen!
Das es nur um eine Neidkultur geht,das habe Ich im letzten Jahr schon bei Rainer Zitelmann geschrieben.
Warten wir einmal ab was aus den Roten Wünschen wird,Ich glaube nichts!!
Ein Nachbar von mir war selbstständiger Dachdecker Meister,hatte einen sehr gut gehenden Betrieb,ist mein Jahrgang.Von dem weiß Ich,was er im Monat für sich und seine Frau an die PKK zahlen muss,da kämen sehr vielen Neidern die Tränen!Der wäre liebend gern in der gesetzlichen Krankenkasse,das können Sie mir glauben!