Das ABC von Energiewende und Grünsprech 42 – Die Glättung

Nirgendwo ist immer Wind. Damit die Gelder reichlich fließen, wird straff das Gegenteil behauptet.

© Getty Images

Täglich werden wir mit Begriffen konfrontiert, die im Ergebnis einer als alternativlos gepriesenen Energiewende verwendet werden oder durch sie erst entstanden sind. Wir greifen auch Bezeichnungen auf, die in der allgemeinen Vergrünung in den Alltagsgebrauch überzugehen drohen – in nichtalphabetischer Reihenfolge.

G wie

Glättung, die

Die „Glättung“ ist ein von der Erneuerbaren-Branche gern benutztes Zauberwort. Es soll den Eindruck erwecken, dass durch weiteren, möglichst umfangreichen Zubau von Windkraftanlagen die unvermeidbar volatile Stromeinspeisung vergleichmäßigt werden kann. Über die Jahre gelang es der Lobby, politischen Entscheidungsträgern einzuflüstern, dass man nur den Ausbau weiter treiben müsste, um eine Verstetigung der Lieferungen zu erreichen. Fürs Volk gibt es die Sprüche: „Irgendwo ist immer Wind“ oder dass sich Wind und Sonne ergänzen würden.

Der Bundesrat ging der Lobby offenbar ungeprüft auf den Leim und formuliert:

„Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass der nationale Ausbau der Windenergie an Land auch weiterhin angemessen in ganz Deutschland regional verteilt fortschreiten kann. Eine solche angemessene Verteilung dient der Netzstabilität wie auch der Versorgungssicherheit insgesamt und bietet allen Ländern die Chance, von der Energiewende zu profitieren und ihren unverzichtbaren Beitrag dazu zu leisten, dass das volle Potenzial der Erneuerbaren Energien erschlossen und die damit einhergehenden Nutzen und Lasten der Energiewende angemessen verteilt werden können.“

Gewinne zu steigern und Lasten zu verteilen ist das eigentliche Ziel der Sage von der Verstetigung. Der Gesetzgeber entsprach der Forderung des Bunderates und beschloss im EEG 2017 im Paragrafen 36h und der zugehörigen Anlage das „Referenzertragsmodell“ (siehe auch „Dunkelflaute“, S. 134). Neue, vom Windaufkommen her uninteressante Flächen sollen für Investitionen in Windkraftanlagen reif gemacht werden, um der Branche den Absatz zu sichern. Im Norden sind die Flächen knapp, der Strom kann immer schlechter abtransportiert werden und das Volk wird mürrisch im Schatten der Rotoren. So geht man mit erhöhter Vergütung weiter in den Süden und lässt dort Geld drucken. Folge dieser Politik: Immer weniger Stromertrag pro installierter Leistung und damit volkswirtschaftlicher Schaden, indem weniger effektiv erzeugter Strom von der Kundengemeinschaft bezahlt  werden muss.

Das Mäntelchen der dadurch erreichten angeblichen Glättung des Windstroms über die ganze Republik ist zu dünn, um nicht die Realitäten durchblicken zu lassen.

Frische Brise

Die Offshore-Windenergie ist im Kommen. Als Vattenfall und andere 2011 den ersten Offshore-Windpark Alpha-Ventus (60 Megawatt) in die Nordsee pflanzten, ging das Unternehmen von einer „grundlastnahen“ Stromerzeugung aus. Gut, damals gab es noch keine Betriebserfahrungen und gesicherte Messreihen.

Sechs Jahre später ist man klüger, aber kaum jemand spricht darüber. Auch der Seewind glättet nicht, wie wir hier sehen:

Er weht sogar ziemlich exakt in der gleichen Weise wie der Wind an Land. Der Unterschied besteht darin, dass der Seewind kräftiger weht und daher die Volllaststunden der Anlagen auf See höher sind (ca. 3.800 Stunden pro Jahr) gegenüber Anlagen an Land (ca. 2.200 Stunden pro Jahr in Schleswig-Holstein, 1.000 in Bayern). Stunden und Tage mit Schwachwind und Flaute gibt es aber auch hier. Trotz einer Fast-Verdopplung der installierten Windleistung seit 2010 auf 50.019 Megawatt im Jahr 2016 liegen die Leistungsminima unverändert im sehr niedrigen Bereich:

2010: 117 MW
2011:   86 MW
2012: 115 MW
2013: 118 MW
2014:   24 MW
2015: 105 MW
2016: 141 MW

Wenn die Maxima auf Grund des Zubaus steigen, die Minima aber nicht, ist dies das Gegenteil einer Glättung. Eine Steigerung der volatilen Einspeisung verringert nicht die Schwankungsbreite. Dies ist auch durch die mathematische Statistik nachweisbar, wie Interessenten hier nachlesen können.

Im folgenden Bild ist gut zu erkennen, dass eine stark steigende installierte Leistung von Windkraftanlagen nicht die entsprechenden Anstiege der Maximal-, weniger noch der Durchschnittsleistung nach sich zieht. Und eben keinen Anstieg der Minimallast.

Wissenschaft und Politik

Die Thinktanks der Erneuerbaren wie Agora oder das IWES (Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik) ignorieren nach Möglichkeit die gemessenen Realitäten, denn sie haben ein politisches Ziel ihrer Auftraggeber umzusetzen. Worin dieses besteht, beschrieb Frank Drieschner in der ZEIT: „Rund um die Erneuerbaren-Energien-Branche ist ein regelrechter politisch-ökonomischer Komplex herangewachsen  . . .  Alle Akteure in diesem Komplex verbindet ein Interesse: Probleme der Energiewende müssen lösbar erscheinen, damit die Wind- und die Sonnenbranche weiter subventioniert werden.“

Dennoch kommt IWES sie nicht umhin, einzugestehen,  „ . . . dass es generell eine große Korrelation der Windstromeinspeisung in ganz Deutschland gibt. Tendenziell lässt sich sagen, dass es Wochen gibt, in denen in allen Teilen Deutschlands viel Wind weht, wie auch Wochen, in denen die Einspeisung in allen Teilen Deutschlands gering ist.“

Aber nicht nur das. Das folgende Bild zeigt die Windstromproduktion in 14 europäischen Ländern, auch hier gehen die Schwankungen weitgehend synchron.

Verläufe, die zu einer Sockelbildung – und damit zu einer Grundlastabsicherung – führen würden, sind beim besten Willen nicht zu erkennen.

Auch die angeführte Glättung der gesamten Windeinspeisung durch den vermehrten Einsatz von Schwachwindanlagen tritt nicht ein. Statistisch laufen fast alle Windkraftanlagen zeitanteilig am häufigsten im Schwachlastbereich, hier als Beispiel der Monat Mai 2017:

[Quelle: Rolf Schuster]

Knapp 88 Prozent der Betriebsstunden verbrachten Windkraftanlagen in Deutschland in diesem Monat im Leistungsbereich unterhalb 30 Prozent. Dabei unterscheiden sich die Kennlinien von Schwach- und Starkwindanlagen kaum.

Die sicher zur Verfügung stehende elektrische Leistung aus Windkraftanlagen ist unwesentlich größer als null. Dass eine Glättung selbst über Jahreszeiträume nicht eintritt, zeigt die Windstromproduktion des Jahres 2016, die trotz eines Zubaus an installierter Leistung von 4.970 Megawatt deutlich unter der von 2015 lag (77,4 zu 79,2 Terawattstunden). Der Wettergott ist kein Grüner.

Öko-Grundlast nicht in Sicht

Fazit: Da die Minima auch bei weiterem Ausbau von Wind- und Sonnenkraft nur kurz über null bleiben, die Maxima jedoch steigen, wird die durch Konventionelle als Backup vorzuhaltende Leistung mit weiterem Zubau an Windkraftanlagen größer, nicht kleiner. Die Regelkapazität könnte reduziert werden durch afrikanische Windparks (DESERTEC lässt grüßen,  siehe „Dunkelflaute“, S.53) und ein europäisch dicht ausgebautes Supergrid bis hinter den Ural, dessen Kosten astronomische Höhen erreichen würde. Die Bürgerinitiativen der Trassengegner wären noch vor dem ersten Spatenstich gegründet, von regionalpolitischen Widerständen ganz zu schweigen.

Da die Wind- wie die Sonnenenergie zu einem stark fluktuierenden Einspeiseprofil führen, dessen Prognosen immer mit Unsicherheiten behaftet bleiben werden, sind sie nicht in der Lage, Versorgungsaufgaben zu erfüllen. Sollten sie durch ausreichend große Speicherkapazitäten dazu in die Lage versetzt werden, würden die Speicherkosten natürlich bilanziell diesen Erzeugungstechnologien zuzuschlagen sein.

Nennenswert große Stromspeicher existieren kaum und auch in den nächsten Jahren können absehbar keine eingesetzt werden. Damit stellen die konventionellen Erzeuger die nötige und immer stärker schwankende Residuallast bereit, die ergänzend für das Gleichgewicht von Erzeugung und Verbrauch nötig ist. Nur sie können den Wind- und Sonnenstrom noch glätten.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 32 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

32 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
chris
6 Jahre her

Lieber Herr Diehl,

Ihre Antwort erschöpft sich wieder in Aussagen wie „Der RWE Chef nimmt die Energiewende ernsthaft in Angriff“. Das ist keine wissenschaftliche Argumentation, sondern irrelevanter Unsinn. Was ich im Übrigen leider auch über Ihre Einlassungen insgesamt sagen muss.

Danke

Hans Diehl
6 Jahre her
Antworten an  chris

Unsere Stromversorgung wird doch von den Elektrizitätswerken gewährleistet, und nicht von der Wissenschaft.
Wenn der RWE Chef nun die Energiewende mit all ihren Gegebenheiten angeht, können Sie das doch nicht als irrelevanten Unsinn bezeichnen.

Meine Einlassungen insgesamt, sind aber alle Fakten und Daten bezogen, während ihr Wissenschaftlicher Einwurf eher Ihrer Ideologie geschuldet ist.

chris
6 Jahre her
Antworten an  Hans Diehl

Sie machen weiter mit dem Unsinn. Irrelevant ist es, festzustellen, dass der RWE-Chef „ernsthaft“ die Energiewende „in Angriff“ nimmt. Egal ob ernsthaft oder im Scherz, als Chef ist er ohnehin nicht der richtige Mann, da seine Aufgabe als Manager in der Aufgabenverteilung besteht. Die Lösung muss aus den Fachabteilungen kommen, wo die Ingenieure sitzen. Dorthin haben Sie es in Ihrem Berufsleben wahrscheinlich nie geschafft, ich verbringe meine Arbeitstage dort.

drstiehl
6 Jahre her

Was mich besonders fassungslos gemacht hat: In dem Beitrag im ZDF wurden nur Befürworter der „Energiewende“ befragt und gezeigt, die Seite der berechtigten Kritiker wurde fast vollständig ausgeblendet. Bürgerinitiativen wurden als Verhinderer einer „sauberen“ Stromversorgung diffamiert. Es lief auf Wahlwerbung für die Grünen hinaus.

Pe Wi
6 Jahre her

Mein Gott leugnen Sie doch nicht die Tatsachen. WIR SIND am Blackout vorbeigeschrammt und die französischen Kernkraftwerke SIND eingesprungen und sie haben bis zum Anschlag für UNS produziert, auch wenn sie nichts davon hören wollen. Schieben Sie doch nicht alles auf Händler. Man müsste das nicht auf irgendjemanden zuschieben, wenn Deutschland seine Stromversorgung im Griff hätte! Punkt. Ausrufezeichen! An alle Sachen ideologisch heranzugehen bringt nichts! Ist eigentlichist es auch keiner Diskussion wert, wie man mit Fundis sowieso nicht reden kann. Da kann keiner zugeben, dass der andere nicht falsch liegt.

Hans Diehl
6 Jahre her

Lesen Sie das, was ich weiter vorn dem Joern Klettke geschrieben habe.

Es geht um diese etwa 300 Euro die durch die gesunkenen Börsenpreise „paradoxerweise“ in der EEG Umlage stecken.

Wenn Sie diese nicht dem Handel überlassen, sondern abzweigen, können Sie den größten Teil eines Kapazitätsmarkt finanzieren.

Pe Wi
6 Jahre her

Meinte ich ja damit, Ideologie ist nie logisch.

Hans Diehl
6 Jahre her

Lesen Sie bitte das, was ich dem Herrn Klettke geschrieben habe.

Da ist alles gesagt.

Hans Diehl
6 Jahre her

Sehr geehrte Herr Klettke. Sie müssen keinen Dreisatz, sondern die Mengenlehre anwenden wenn, wenn Sie rausbekommen wollen warum Ihr Strom immer teurer wird. Gehen Sie wie folgt vor. Wir haben gegenwärtig etwa 30% EEG Strom der mit durchschnittlich 13 Cent über die EEG Umlage vergütet wird. Diese 30% müssen von den Netzbetreibern abgenommen und an der Strombörse – wo die Richtpreise entstehen – vorrangig verkauft werden. Seit dem das so ist, haben sich die restlichen 70% unseres Strombedarfs halbiert. So…. jetzt kommt die Mengenlehre. Wenn Sie nun eine Menge von 30% relativ teurem EEG Strom mit 70% billiger gewordenem konventionellem… Mehr

Hans Diehl
6 Jahre her

Detlef Ka. sagt:
Nullkosten Energieerzeugung ist nicht möglich.

@ Detlef Ka.
Wo hat der Herr Diehl das gesagt. ????

Wenn Sie meine Beiträge so falsch interpretieren, können Sie nicht verstehen was ich sagen will.

klangschale
6 Jahre her

Ökonomie schlägt die Physik? – Wie bitte?

Jörg Themlitz
6 Jahre her

Erzeugerkosten: 1 Kilowattstunde aus Braunkohle 2,8 Cent, 1 Kilowattstunde Windkraft an Land 12,7 Cent; Quelle: Statista
Herr Diehl hat mir dann hier mal erklärt, je mehr Windkraft um so preiswerter wird durch die Börse der Strom.
Obwohl ich noch zu Friedenszeiten Abitur und Hochschulabschluss / Maschinenbau erworben habe, habe ich das nicht verstanden.

Hans Diehl
6 Jahre her
Antworten an  Jörg Themlitz

Jörg Themlitz sagt. Erzeugerkosten: 1 Kilowattstunde aus Braunkohle 2,8 Cent, 1 Kilowattstunde Windkraft an Land 12,7 Cent; Quelle: Statista Herr Diehl hat mir dann hier mal erklärt, je mehr Windkraft um so preiswerter wird durch die Börse der Strom. Obwohl ich noch zu Friedenszeiten Abitur und Hochschulabschluss / Maschinenbau erworben habe, habe ich das nicht verstanden. @ Jörg Themlitz Das kann ich Ihnen gerne noch einmal erklären. Aber jetzt genau aufgepasst. Zu nächst einmal müssen Sie wissen, die 12,7 Cent für den Wind fallen nicht an der Börse an, weil die mit der EEG Umlage bezahlt werden. Der Wind fällt… Mehr

Jörg Themlitz
6 Jahre her
Antworten an  Hans Diehl

Sehr geehrter Herr Diehl, hören Sie doch endlich mal mit dem Taschenspielertrick auf, die EEG-Stütze auszuklammern. Von einer Strombörse im Sinne von Börse kann eh keine Rede sein. Das hatte ich Ihnen bereits mitgeteilt Börsen bilden den Markt am Besten ab. Das geht natürlich fehl, wenn der eine Marktteilnehmer auf Kosten des Endkunden hoch subventioniert wird und damit sein Produkt unter seinem Erzeugerpreis anbieten kann. Das ist dann Sozialismus. Und den möchte ich aus bekannten Gründen nicht noch mal. Ich stehe auf Leistung und Marktwirtschaft. Damit nehme ich ausdrücklich nicht die großen Stromerzeuger in Schutz. Die haben schon vor vielen… Mehr