Terror: 30-Sekunden-Empathie-Rituale

Wenn Politiker nichts anderes zu bieten haben, weil sie offensichtlich nichts anderes empfinden als Empathie von der Stange, sollen sie schweigen.

© John MacDougall/AFP/Getty Images
A person takes a picture of the colors of British flag projected on Brandenburg Gate on June 4, 2017 in Berlin

Politiker müssen ihre Emotionen im Zaum halten. Klar! Ob ihnen das immer enorm viel Kraft abverlangt, ist fraglich. Jedenfalls hat man nicht den Eindruck, dass Terrorakte sie echt berühren. Theresa May war da – Wahltermin hin oder her – zuletzt eine Ausnahme. Was sie zum Londoner Blutbad sagte, war immerhin authentisch.

Was an Statements und Tweets aus dem Munde bzw. aus den Daddeldaumen deutscher Politiker durchgereicht wurde, war es nicht: Empathie von der Stange. Austauschbar. Als Etikett verwendbar für jeden Anschlag, jedes terroristische Blutbad, jeden Massenmord – egal ob in Berlin, Paris, Nizza, Manchester, London … Ausnahmen gibt es allenfalls, wenn es um 44 oder 29 ermordete Kopten in Ägypten geht. Dann dominiert das Schweigen.

Aktuelle Belege zu „London“ gefällig? Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verlautbarte: „Die Nachrichten über den mörderischen Angriff in London erschüttern mich. In diesen Stunden sind wir Deutsche dem britischen Volk in besonderer Weise verbunden.“ Er sei in Gedanken bei den Opfern und Verletzten von London „und bei denen, die um einen nahen Menschen trauern oder fürchten. Ihnen gilt unser ganzes Mitgefühl.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ verbreiten: „Auch wenn der Hintergrund dieser Taten noch präzise aufzuklären ist, bekräftige ich für Deutschland und seine Bürger: Im Kampf gegen jede Form von Terrorismus stehen wir fest und entschlossen an der Seite Großbritanniens. Ich denke in diesen Stunden in Anteilnahme und Solidarität an unsere britischen Freunde und an alle Menschen in London.“ – Hängt die Anteilnahme an den Opfern von den Tätern ab?

Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte: „Meine Gedanken sind bei den Opfern der feigen Attacken in London und ihren Angehörigen. Stehen fest an der Seite unserer britischen Freunde.“ Bundesjustizminister Heiko Maas twitterte: „Erschütternd. Erneut ist Großbritannien Ziel eines feigen Anschlages geworden. Unsere Gedanken sind bei unseren britischen Freunden.“ Copy- and Paste-Statements! Da war ja Londons Bürgermeister Sadiq Khan noch ehrlicher: „Terror gehört zum Leben in der Großstadt.“

Gewiss müssen sich Staatenlenker zu solchen Greueltaten öffentlich äußern. Aber muss es so schablonenhaft sein? Den Opfern hilft dies nicht. Den Toten ohnehin nicht mehr. Und den Verletzten auch nicht; sie tragen ihre Traumata womöglich ein Leben lang quälend mit sich. Den Angehörigen hilft es auch nicht, wenn sie jetzt ihre Toten identifizieren müssen, bevor sie sie zu Grabe tragen.

Anschläge in London
London: Islamistische Tournee des Terrors
Nein, das Volk braucht und möchte keine Wutreden, es möchte aber schon mehr hören und lesen als von Hilflosigkeit, zum Beispiel vom Wunsch der Kanzlerin, dass die Hintergründe aufgeklärt werden müssten. Hintergründe aufklären? Ja, wie lang denn noch aufklären? Nein, es wird höchste Zeit, dass die Dinge beim Namen genannt werden. Fast jeder weiß es. Nur darf er es nicht sagen oder schreiben. Sonst folgt die nächste Plattitüde der von Amts wegen Erschütterten: Bloß nicht erwähnen, dass das mit Islamismus oder gar Islam zu tun haben könnte! Das könnte ja Islamkritikern oder Trump oder Wilders oder Le Pen oder der AFD „in die Hände spielen“!

Empathie, das ist die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich in den anderen gerade in schlimmsten Lagen hineinzuversetzen; sie ist eine der wichtigen menschlichen Tugenden. Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt der Volksmund. Aber mit folgenlosen 30-Sekunden-Empathie-Statements ist es nicht getan. Deshalb ist es für die Betroffenen, für die überlebenden Opfer und die Angehörigen wohl das Beste, dass sie all die europaweiten Empathieschablonen in all ihrer Trauer wohl gar nicht wahrnehmen können.

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Kommentare ( 106 )

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106 Comments
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AngelinaClooney
6 Jahre her

Ich dachte auch schon, woher weiß Herr Börger, dass Sie „weiblich“ sind? 🙂

AngelinaClooney
6 Jahre her

Bis auf den „Schäuble-Absatz“ stimme ich Ihnen tausendprozentig zu! Schäuble halte ich für unser Land und seine Bürger jedoch als genauso gefährlich wie Merkel. „Gäste sind Gäste. Gastfreundschaft ist auch gut, aber sich von Gästen verarschen, ausnutzen oder gar beklauen, bedrohen, verletzen oder töten lassen, ist nicht gut! Gastrecht verwirkt, viel Glück, mach Dir ein Leben, aber nicht hier, auf Wiedersehen.“ –> Genau!! Und das hätte ich gerne als Gesetz gegossen mit knallharter Durchsetzung. Wer nicht will, also sich nicht an unsere Gesetze und Gepflogenheiten halten will, der hat schon und kann unverzüglich gehen, egal was dann mit ihm geschieht.… Mehr

AngelinaClooney
6 Jahre her

Zum Thema „Wutreden“: Wir brauchen viel mehr „Lieberbergs“, damit unsere Politvertreter endlich durchgreifen.

karel
6 Jahre her

Da war doch noch was…….

Wie gehen wir eigentlich mit den hunderttausenden Opfern des „Bomben-Terrors“ aus französischen, englischen, amerikanischen, türkischen und russischen Kampfjets um?

Wenn ich mich nicht irre, begann er IS-Terror ja mit der „vorzeitigen Abdankung“ des irakischen Staatchefs Saddam Hussein.

Ich denke, es trägt weiter, wenn beide Seiten einer „Medaille“ betrachtet werden.

Ivan De Grisogono
6 Jahre her
Antworten an  karel

Ihre Chonologie ist nicht vollstaendig. Sie verwechseln pauschal Ursachen und Wirkung. Gab es nicht vorher noch Taliban, elQaida, ISIS etc.?

Was Anzahl der Opfer betrifft sind Assads und russische Luftwaffen (nicht nur in Syrien) vermutlich fuehrend.

Susanne Rabl
6 Jahre her

Werter Herr Kraus, ich will nichts mehr von unseren Staatenlenkern hören oder lesen, ich will endlich Taten sehen!

T. Chemnitzer
6 Jahre her

Die Weltherrschaft ist Muslimen ernst, sie ist ihnen von Allah vorgegeben. Der Dshihad ist die „Anstrengung“ dafür. Dass da ein gigantischer Raubzug vorberei- tet wird, muss ja niemand offiziell wissen. Begleitet von tausenden Erpressungen, Drohungen, Beleidigungen, dies tagtäglich. Übernehmen Regierungen die Verant-wortung und sichern Straffreiheit zu, werden Europäer ihre muslim. Nachbarn und Einwanderer vernichten. Es wird in Gegenden anfangen, wo sie stark in der Min- derheit sind und sich in die Ballungsgebiete fortsetzen…. Sorry, das gehört zur ganzen Wahrheit dazu. Besonders grausam werden die kathol. Osteuropäer zu- schlagen. Es ist eine Entwicklung vor der BASSAM TIBI bereits 1990 warnte und… Mehr

Cornelius Angermann
6 Jahre her

Zitat: „Nein, das Volk braucht und möchte keine Wutreden,“ Da irren Sie sich, es wird HÖCHSTE ZEIT, dass eine aus vollem Herzen kommende Wutrede hochrangiger Politiker gegen den Islam und seine Vollstrecker gehalten wird. Es wird höchste Zeit, dass wir alle sagen: SO GEHT ES NICHT MEHR WEITER, JETZT WIRD WIRKSAM GEHANDELT! Deshalb werde ich jetzt diese Wutrede halten, die schon längst fällig ist! Wir Bürger haben angesichts der wachsenden Terrorgefahr, angesichts der zunehmenden Gewaltakte durch Muslime die Schnauze voll von den Appeasement-Reden der Politiker, von den Manipulationen der Kriminal-Statistiken zugunsten der Migranten, von den Lügen über die Herkunft und… Mehr

Heinz Stiller
6 Jahre her

Es geht nicht nur die Empathie den Bach herunter. Sondern auch die Logik. Es ist ja eigentlich leicht zu verstehen, wie der Terror hätte verhindert werden können. Man müsste sich dazu nur zwei ganz einfache Fragen stellen.
Erstens: Wie viele nahöstliche Migranten haben Polen, Tschechien und die anderen osteuropäischen Länder aufgenommen? – Antwort: Fast keine.
Zweitens: Wie viele Terror-Akte gibt es dort? – Antwort: Keine.
Aber unsere linken Logik-Leugner üben sich lieber in den wildesten geistigen Verrenkungen und stecken ihre Köpfe noch tiefer in den Sand, um die Realität nicht sehen zu müssen.

John
6 Jahre her

Ich bitte Sie, von diesen Leuten so etwas wie Stil zu erwarten…

Mercatore59
6 Jahre her

Ja – die Unaufrichtigkeit, – die Verlogenheit
– gehört wohl zur Voraussetzung für Karriere… .