Mit SPD-Verliererländern möchte Schulz die Bildungsnation auf Trab bringen

Es bleibt zu hoffen, dass in Sachen Bildung ein Wettbewerbsföderalismus neu ausbricht und kein Kanzler in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit hinbekommt, mit der Berlin 42.000 Schulen in Deutschland sagen könnte, wo es lang bzw. abwärts geht.

@ Odd Andersen/AFP/Getty Images

Nun ja, leicht hat er es nicht, der Schulz Martin! An der Teflonkanzlerin gleitet alles ab. Und dort, wo Schulz sie „packen“ könnte, traut er sich nicht: bei den Themen Zuwanderer – irreführend alle Flüchtlinge genannt, Kriminalität, Islam, Griechenland“rettung“, explodierende Kosten bei der Umlage des „Erneuerbare-Energie-Gesetzes“ EEG (nach Insidermeinung allein 2018 ca. 40 Milliarden!)

Also weicht er auf ein sogenanntes Soft-Thema aus: auf die Bildungspolitik. Das bringt zwar Schlagzeile, aber sonst nichts. Denn weder eine Bundeskanzlerin Merkel noch ein Bundeskanzler Schulz haben hier etwas zu sagen. Und das ist gut so. Denn hätte der Bund 1969 mit seiner sozialliberalen Koalition in der Bildung etwas zu sagen gehabt, dann hätten wir jetzt deutschlandweit Bremer oder Berliner Schulverhältnisse. So aber haben sich doch wenigstens einige deutsche Länder (unionsregierte) nicht ganz in den Strudel einer nach unten offenen Anspruchsskala mitziehen lassen.

Gegenentwurf
Für motivierende Leistungsschulen
Gerade vor diesem Hintergrund mutet es wie ein Witz an, wenn Schulz nun zusammen mit sieben SPD-Länderchefs eine „Bildungsallianz“ für bessere Bildung ankündigt. Das muss man der Reihe nach buchstabieren: mit Michael Müller (Berlin), Dietmar Woidke (Brandenburg), Carsten Sieling (Bremen), Olaf Scholz (Hamburg), Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern), Stephan Weil (Niedersachsen), „Malu“ Dreyer (Rheinland-Pfalz). Hannelore Kraft (SPD) lassen wir mal außen vor; die hat mit der Landtagswahl vom Mai 2017 auch bildungspolitisch ihre Quittung bekommen. Außen vor lassen wir zudem Baden-Württemberg, das zwischen 2011 und 2016 mit SPD-Kultusministern dafür „sorgte“, dass das vormalige Bildungs-Musterländle binnen kürzester Zeit ins hintere Drittel der Rankingskalen abrutschte.

Schauen wir uns die innerdeutschen Leistungsvergleiche an und nehmen dafür als Maßstab die innerdeutschen Ergänzungsstudien zu den Pisa-Studien (die Pisa-E-Studien). Letztere gab es übrigens nur bis 2009. In den Pisa-Studien 2012 und 2015 verzichtete man auf diese innerdeutschen Vergleiche. Warum wohl!? Für manche Länder wäre es wieder mal peinlich geworden. Was waren die Ergebnisse? Das einzige SPD-geführte Land, das bei diesen innerdeutschen Vergleichen halbwegs mithalten konnte, war Rheinland-Pfalz bei allen innerdeutschen Vergleichen zwischen 2000 und 2009 unter den 16 deutschen Ländern mit einem durchschnittlichen Rankingwert von 5,7. Bayern erzielte einen durchschnittlichen Rangplatz von 1,2 und Sachsen von 3,5. Nun aber die anderen SPD-geführten Länder mit ihren durchschnittlichen Rangplätzen: Berlin 10,7 – Brandenburg 12,2 – Bremen 15,0 – Hamburg 12,3 – Mecklenburg-Vorpommern 10,5 – Niedersachsen 10,7. Streng statistisch mögen solche durchschnittlichen Rangplätze nicht ganz wissenschaftlich sein, aber einen deutlichen Trend geben sie doch wieder.

Mehr Wettbewerb, nicht Zentralismus
„Bildungsgouvernante Bund“ – die letzte (Platz-)Patrone des Martin Schulz?
Wenn Bildung in Deutschland an die Wand gefahren wurde, dann vor allem in den Stadtstaaten, in Brandenburg und in Nordrhein-Westfalen. Dort hat man auf Einheitsschule (beschönigend Gemeinschafts-, Sekundar- oder Stadtteilschule genannt), auf „Abitur light“ und auf höchste Abiturientenquoten gesetzt. Um das zu begradigen, bedarf es keiner Bundeskompetenz, sondern endlich einer Vorstellung von einem kompetitiven Föderalismus, bei dem das Prinzip Wettbewerb dafür sorgt, dass sich die Schwachen an den Starken orientieren. Aber nicht – wie leider aus populistischen Gründen oft genug praktiziert – umgekehrt: die Starken an den Schwachen. Frei nach dem Motto: Warum sollen es meine bayerischen Landeskinder schwerer haben, zum Abitur zu kommen als die Altersgenossen in Berlin.

All das heißt nicht, dass die Partei Merkels bildungspolitisch viel besser aufgestellt ist. Mit Bildungspolitik hatte man in dieser Partei nämlich fast ein Jahrzehnt gar nichts mehr am Hut. Mehrere CDU-Ministerpräsidenten gaben ihr Schulministerium an die Grünen, an die SPD oder an die FDP. Ansonsten machte man in der Kultusministerkonferenz (KMK) alles mit, was die langsameren Länder vorgaben. Und auch auf Bundesebene fabrizierte die Partei der Kanzlerin Ankündigungs- und Schaufensterpolitik. Die Bildungsnation Deutschland wurde 2008 von der Kanzlerin kurzerhand zur Bildungsrepublik verkleinert; herausgekommen ist nichts. Und die CDU-Bundesbildungsministerin Wanka kündigt zwar so manches – zum Beispiel fünf Milliarden zur Förderung der Digitalisierung der Schulen – an. Aber selbst zehn Monate nach der Ankündigung vom Oktober 2016 hat ihr Finanzminister Schäuble das Geld noch nicht eingeplant, geschweige denn freigegeben.

So bleibt zu hoffen, dass in Sachen Bildung endlich ein Wettbewerbsföderalismus neu ausbricht und dass kein Kanzler in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit für eine Grundgesetzänderung hinbekommt, mit der der Bund den 42.000 Schulen in Deutschland sagen könnte, wo es lang bzw. abwärts geht.


Josef Kraus war Oberstudiendirektor, Präsident des deutschen Lehrerverbands, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und als „Titan der Bildungspolitik“ bezeichnet. Er hat Bestseller zu Bildungsthemen verfasst und sein jüngstes Werk Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt erhalten Sie in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop.

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Kommentare ( 27 )

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Michael Bluhm
6 Jahre her

Die Kernproblematik ist die Grundlagenbildung, die in allen Bundesländern gleich sein muss. Man übersieht bei aller Diskussion eindeutig, dass Bildungsschwäche die Voraussetzung für Arbeitslosigkeit ist. Unternehmen die ausbilden wollen und nicht einmal auf elementarste Grundlagen aus der Schulbildung bei den Bewerbern zurück greifen können, wenden sich vom deutschen Arbeitsmarkt ab. Es ist völlig unwichtig ob die Bildungspolitik Ländersache oder die des Bundes ist. Standards im wesentlichen Bildungsauftrag der guten bis sehr guten Allgemeinbildung sind unabdingbar. Wer naturwissenschaftliche Fächer als Wahlfach anbietet und nicht kontinuierlich unterrichtet, darf seine Sozialkassen gleich deutlich aufstocken.

Friedrich - W ilhelm Becker
6 Jahre her

schulz vor dem standbild willy brandt`s: ein anachronismus!!

Gero Hatz
6 Jahre her

Es ist bewundernswert wie sich ein bildungsferner Berufspolitiker ohne jede Kompetenz, ohne persönliche Erfahrung, ja ohne jede Ahnung von irgendwas, ausgerechnet die Bildungspolitik aussucht, um Wahlkampf zu machen. Meine Stimme ist ihm sicher, ich freue mich schon auf die endlosen Peinlichkeiten, die der Provinzbademeister aus Würselen uns in seiner Funktion als Merkels‘ Tünnes produzieren wird.

Thomas Eschenbach
6 Jahre her

Den werden sie da nicht mehr finden. Den haben sich schon die Grünen geholt.

Herbert Wolkenspalter
6 Jahre her

Dem Bildungswettlauf nach unten, dem auch mit Föderalismus nicht wirklich zu begegnen ist, wie im Artikel auch schon angedeutet wurde – warum sollen die bayerischen Schüler wegen anspruchsvollerer Bildung mit schlechteren Noten nach Hause gehen als die nicht herausgeforderten Berliner? – wäre durch Zentralprüfungen abzuhelfen. Föderal getrennt gelernt, Prüfungsnoten aber vergleichbar gemacht.

Markus Gerle
6 Jahre her

Ich habe schon häufiger im Nahen Osten gearbeitet. In besonders autokratischen Ländern dort hält man die Bevölkerung dumm, indem man den Leuten erklärt, dass alles, was sie im Leben brauchen, im Koran steht. Da reicht es dann aus, eine dieser Koran-Schulen zu besuchen. Nur eine Anekdote hierzu: Im eher liberalen Jordanien stellte ein arabischer Kollege mal fest, dass ich ein Fachbuch lesen würde. Er fragte, ob ich das von vorne bis hinten komplett durchlesen würde. Ich bejahte dies und meinte, das sei bei mir die übliche Vorgehensweise, wenn ich mich in ein komplexes für mich neues Thema einarbeite. Er meinte,… Mehr

Dirk Wolff-Simon
6 Jahre her

Woher das fehlende Geld kommen soll? Mit Steuererhöhungen (nach den Wahlen) schaffen WIR das!

Gernot Radtke
6 Jahre her

Die Linken und die Bildungsnation – das miteinander in Verbindung zu bringen, dazu gehört schon Chuzpe bzw. Schulzpe. Die künftigen deutschen Weltprodukte – Elektroanker, Batterien, Marihuana, Wasserpfeifen, Eselsfleisch, Gender-Food, Genderklos, Genderspielzeug und dgl. besonders wertschöpfende Innovationen – bedürfen einer gut ausgebildeten Nation nicht mehr und einer „Nation“ schon gar nicht. Ach, daß es ausgerechnet die Schulschwänzer und Studienabbrecher sind, die sich jetzt auch noch in Sachen ‚Bildung‘ anmaßen, das große Wort zu schwingen: Unerträglich! Unser Land in den Händen von Allesverderbern und allernichtswürdigsten Opportunisten.

3. Stock links
6 Jahre her

*Der Stand der Bildungsnation zeigt sich darin, dass sie einmal in vier Jahren zufrieden ist, das Kreuz zu machen*

+

..den über den Tisch GEZogenen mein Beileid. ..und ich habe vom ständigen nach-oben-Schauen die Genickstarre…

+++

Alfred Ost
6 Jahre her

…mit Mal Dreyer. Kicher. Erinnert sich noch jemand an die 7 Rechtschreibfehler in 6 Sätzen im Brief an die Bundeskanzlerin?