Gunnar-Heinsohn-Prognose: Deutschland als Land der Mathe-Asse? Das war einmal

Der renommierte Bevölkerungswissenschaftler Gunnar Heinsohn hat sich die Ergebnisse der TIMS-Studie für Viertklässler aus 35 Nationen vorgenommen und uns zur Verfügung gestellt: China, USA, Russland vorn, Deutschland hinten.

Was würden Sie, verehrte Leser, von folgendem Vorspann zu einem TE-Artikel halten? „Im Jahr 2030 wird Deutschland unter den Berufseinsteigern mit 190.000 mehr Mathematik-Asse haben als das seit Jahrzehnten hochgerühmte Bildungsland Singapur mit nur 150.000.“ Sie werden sich verwundert die Augen reiben und endlich wieder an die Bildungsnation Deutschland glauben? Tatsächlich entstammen die genannten Zahlen einer durchaus seriösen Prognose. Die deutsche Mainstream-Presse würde aber nur den genannten Vorspann verbreiten und womöglich auch noch den Zuwanderungsgewinn an mathematischen Hochkarätern hervorheben. Aber das mit den 190.000 ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Denn diese 190.000 machen gerade eben 5,3 Prozent der betreffenden deutschen Altersgruppe aus; in Singapur stellen die genannten 150.000 das Zehnfache, nämlich 50,1 Prozent der entsprechenden Altersgruppe.

Wie kommt man zu solchen Berechnungen? Der renommierte Bevölkerungswissenschaftler Gunnar Heinsohn hat sich die Ergebnisse der TIMS-Studie für Viertklässler aus 35 Nationen vorgenommen und uns zur Verfügung gestellt: danke Gunnar Heinsohn. TIMSS, das ist die Third International Mathematics and Science Study, die übrigens nicht erst dreimal durchgeführt wurde. Näheres dazu siehe.

Welche 35 Nationen hat Heinsohn durchgerechnet? Siehe hier: Math-Aces-ranking-Heinsohn-09-02-2019. Er hat drei Messzahlen exzerpiert: erstens die Zahl der Viertklässler in der 2005er/2009er „Alterskohorte“, also der Geburtsjahrgänge 2005 bis 2009; zweitens den Anteil dieser Kohorte mit TIMSS-Level „advanced“ und drittens die absolute Zahl an Mathe-Assen in dieser Kohorte. Es handelt sich – vom Geburtsjahr aus gerechnet – um junge Leute, die ab 2030 ins Berufsleben eintreten.

Mit „advanced“-Level ist übrigens die höchste der TIMSS-Kompetenzstufen, nämlich Stufe V, gemeint. Sie definiert sich laut TIMSS-Testern für Grundschüler wie folgt: „Die Schülerinnen und Schüler können ihre mathematischen Fertigkeiten und Fähigkeiten für das Lösen von relativ komplexen Problemen anwenden und ihre Begründungen erklären. Sie können vielfältige, auch mehrschrittige Textaufgaben im Bereich der natürlichen Zahlen lösen. Auf dieser Kompetenzstufe zeigen Schülerinnen und Schüler ein zunehmendes Verständnis von Brüchen und Dezimalzahlen. Sie können ihr Wissen über zwei- und dreidimensionale geometrische Figuren in vielfältigen Situationen anwenden. Sie können Daten interpretieren und darstellen, um mehrschrittige Aufgaben zu lösen.“ Siehe Seite 100 mit Beispielaufgaben auf Seite 101.

Und weiter: Was die absolute Zahl an zu erwartenden Mathe-Assen betrifft, steht Deutschland mit 190.000 auf Platz 12 unter den 35 untersuchten Ländern, Singapur mit den genannten 150.000 auf Platz 13, das lange Zeit als vorbildlich geltende Schweden mit 31.000 auf Platz 32. Und dann die Hämmer: Platz 1 nimmt China mit fast 24,7 Millionen (!) zu erwartenden Mathe-Assen des TIMSS-Niveaus V ein, auf Platz 2 folgen die USA mit knapp 3 Millionen, dann Russland mit 1,56 Millionen.

Und jetzt mal andersrum: Bildet man eine Rangliste nach Prozentanteilen der Mathe-Asse an allen Schülern, dann liegt Singapur mit 50,1 Prozent aller Schüler vorne, China folgt auf Platz 6 mit 30 Prozent, Deutschland abgeschlagen mit 5,3 Prozent auf Platz 26.

So weit, so schlecht! Aber, es ist nicht einfach nur schlecht, sondern erschreckend. Denn: In Deutschland gilt es als besonders salonfähig zu bekennen, als Schüler eine Mathe-Flasche gewesen zu sein. Das Fach Mathe wird von Linken immer noch gerne als „Selektionsfach“ diskreditiert. Viele Bundesländer sind diesem Quatsch auf den Leim gegangen und haben Mathe als Pflichtfach im Abitur abgeschafft oder gar nicht erst eingeführt. In manchen Bundesländern – etwa Berlin – wird Zehntklässlern(!) schon auch mal als Aufgabe vorgesetzt: „Gegeben sind die Ziffern 2, 3 und 6. Bilde daraus die größtmögliche dreistellige Zahl!“ Das war früher Stoff der 3. Grundschulklasse. Die Universitäten können ein Lied von den Folgen singen. Immer mehr Hochschulen müssen Mathematik-Liftkurse für Studienanfänger der MINT- und der wirtschaftswissenschaftlichen Fächer, ja auch der statistisch relevanten Fächer Psychologie und Soziologie einrichten, weil die Studierberechtigten, aber immer seltener Studierbefähigten, aus der Schule nicht mehr das mitbringen, was sie für das Studium bräuchten.

Ganz zu schweigen davon, dass mangelndes Zahlenverständnis auch die Grundlage für erfolgreiche politische Propaganda ist. Denn wer ist bei solch gezielter staatlicher Förderung von Dyskalkulie/Mathasthenie noch in der Lage, hinter so manche Jubel- oder auch Alarmismus-Statistik der Regierenden, der Bertelsmann Stiftung und Co. zu schauen!?

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Kommentare ( 120 )

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Kristina
5 Jahre her

Ich habe selbst Mathematik für das Lehramt Sek I studiert. Ein Problem, was ich über Jahre hinaus beobachtet habe, ist, dass das Fach häufig fachfremd unterrichtet wird. Es werden Lehrer mit Fächern eingestellt, die die Schule eigentlich nicht braucht. Die meisten trauen sich dann eher Mathematik zu als z.B. eine Fremdsprache, nach dem Motto: Rechnen kann jeder. Es ist mir selbst wiederholt passiert, dass Kollegen, die das Fach fachfremd unterrichteten, mehr Stunden Mathematik erteilt haben als ich. Begründung: „Ich weiß ja nicht, wie ich sie/ihn einsetzen soll. Wiederholt habe ich innerlich die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen, wenn ich… Mehr

Gerro Medicus
5 Jahre her

Das erinnert an einen Witz, der in den 60ern kursierte: Chrustschow und Kennedy wollen mit einem Wettlauf entscheiden, welches System das überlegene ist, Kapitalismus oder Kommunismus.
Der Wettlauf findet statt, Kennedy gewinnt haushoch, Chrustschow verliert. Am nächsten Tag steht in der Prawda: Sensationeller Wettlauf! Während der Präsident der USA nur einen blamablen vorletzten Platz belegte, wurde unser Staatsratsvorsitzender Zweiter.

giesemann
5 Jahre her

Einer der vier Gewinner der Fields-Medaille 2018 heißt Peter Scholze/Bonn. Der Preis wird nur alle vier Jahre vergeben und gilt als eine Art Mathe-Nobelpreis. Dotiert mit 15.000 can. Dollars – wahrlich nicht viel; das zeigt vielleicht auch, dass die Geisteswissenschaft Mathematik keinen allzu hohen Stellenwert einnimmt. Für die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft, eines Landes würde ich das nicht heran ziehen – da doch lieber die Patentanmeldungen direkt bei regionalen Patentämtern und/oder über den PCT (= patent cooperation treaty). Wahr ist allerdings auch: Studienanfänger von MINT-Fächern scheitern gerne am Matheschein. Gleich im ersten7zweiten Semester. Man braucht das eben, als Wissenschaftssprache, ohne geht… Mehr

Nico Laus
5 Jahre her

Dafür werden wir führend sein bei:
Integrationswissenschaftlern – Politikwissenschaftlern – Sozialwissenschaftlern – Schönrednern – politischen Blendern – Statistikfälschern – Islamverstehern – Diesel- und Benzinabschaffern … und wir haben die Energieleuchte Baerbock von den Grünen, speichert Strom im Netz!

… also alles wertschaffende Personen, die unseren Wohlstand sichern werden

Was ist da schon Singapore dagegen?

5 Jahre her

Ohje… ein guter Artikel, aber am Ende kommt wieder diese Scheindebatte, dass alles daran läge, a) dass man Mathe an der Oberstufe abwählen kann, und b) Mathe überall von „den Linken“ diskreditiert würde. b) finde ich als Pauschalaussage etwas zweifelhaft und sähe ich gerne irgendwie belegt; zu a) kann ich nur sagen, dass das Grundwissen nicht in der Oberstufe vermittelt wird, sondern vorher. Wer bis zur 11. Klasse kein mathematisches Verständnis hat, wird es auch an der Oberstufe nicht mehr erwerben. Und wer ein MINT-Fach studieren will, wird Mathe sowieso beibehalten. Die wesentlichen Versäumnisse müssen also in den Klassen 1-11… Mehr

BOESMENSCH
5 Jahre her

Während die Deutschen immer noch rätseln, was denn die spezifische europäische und deutsche Kultur ausmacht, haben die Chinesen diese einfach kopiert.

Nein – Die Chinesen haben nicht das Christentum kopiert
Nein – Die Chinesen haben nicht unsere Demokratie kopiert.

Die Chinesen haben unsere Wissenschaftsbeflissenheit kopiert umd setzen voll auf Naturwissenschaften und Technik.

„Denn nichts ist so kennzeichnend für unsere Kultur, wie die Tatsache, dass es sich um eine wissenschaftsbeflissene Kultur handelt.“
(Karl Popper)

Ralf Poehling
5 Jahre her

In den Jobcentern funktioniert das mit dem Fordern mittlerweile ganz gut, wenn es durch Sicherheitspersonal abgesichert wird.

Andreas aus E.
5 Jahre her

Fairerweise muss angemerkt werden, daß der Niedergang des Schulwesens schon lange vor Merkel begonnen hatte, Gesamtschulen sind (im Westen) seit den 70ern Hort linksgrüner Lehrer und angehender Soziologiestudenten.
Merkel steht allerdings für die letzte Etappe auf der Reise ins geistige Nirgendwo.

Höchste Zeit für eine Vollbremsung und Rückkehr auf Los.

W aus der Diaspora
5 Jahre her

Das die Deutschen einen Durchschnitts IQ von 100 haben wage ich sehr stark zu bezweifeln bei den Wahlergebnissen.

Keinweltretter
5 Jahre her
Antworten an  W aus der Diaspora

He, he – damit habe sie ja fast die Evolutionstheorie widerlegt! Keine Weiter- sondern eine Abwärtsentwicklung.

Franz O
5 Jahre her

Auch schön: Deutschland liegt im Ranking nur noch hauchdünn vor der Türkei.

schwarzseher
5 Jahre her
Antworten an  Franz O

Aber nicht mehr lange. Die intelligenten und gut ausgebildeten Deutschen wandern bereits in großer Zahl aus, gleichzeitig wandern bildungsferne und vorwiegend von Sozialtransfers lebende Türken und deren Glaubensbrüder ein.