Grüne Tränen ob des Votums der Türken in Deutschland für Erdogan

Vor allem hat die Partei der Grünen immer verdrängt, dass Integration keine Einbahnstraße ist. Wer sich in Deutschland integrieren will, der sollte auf eine aufnahmebereite Gesellschaft treffen können; er muss aber vor allem seine eigene Bringschuld sehen.

© Sascha Steinbach/Getty Images

Bei einer Wahlbeteiligung von 46 Prozent haben sich fast zwei Drittel, exakt 63,1 Prozent, der in Deutschland lebenden und für die Türkei wahlberechtigten 1,43 Millionen Türken für eine fast grenzenlose Machtfülle des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan ausgesprochen. Unter dem gesamten türkischen Wahlvolk waren es 51,2 Prozent. Diese 63 Prozent sind nicht nur erstaunlich, sie sind vielmehr ein Schlag ins Gesicht aller Bürger und aller Politiker, die sich unabhängig von ihren eigenen ethnischen Wurzeln seit Jahr und Tag intensiv um die Integration von Türken in Deutschland bemühen.

Dabei ist der Anteil der Pro-Erdogan-Türken in Deutschland noch etwas geringer als in anderen EU-Ländern: In Belgien, in Österreich und in den Niederlanden gab es mehr als 70 Prozent Stimmen für Erdogans Verfassungsreform. Zugleich fällt auf: In Nordzypern, für das die Türkei als Schutzmacht steht, haben sich nur 45 Prozent für Erdogans Reformen ausgesprochen, in der Schweiz 38 Prozent.

All diese Zahlen werfen Fragen auf. Zum Beispiel die Frage, ob man als Bewohner Nordzyperns näher geographisch näher an Erdogan dran sein muss, um zu erkennen, was da läuft. Oder die Frage, ob die Schweiz mit ihrer im Vergleich zur EU und vor allem zu Deutschland weitaus strengeren Migrationspolitik nicht doch so ganz falsch lag. Schweizkenner weisen darauf hin, dass viele Kurden und Aleviten in den 80er- und 90er-Jahren als Asylbewerber in die Schweiz kamen und unter Schweizern leben, nicht in eigenen Vierteln.

Als Roland Koch (CDU) 1999 die hessische Landtagswahl unter anderem mit seiner Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gewann, stellt man ihn in die rechte Ecke. Als er daran ging, den „muttersprachlichen“ Unterricht, also den Unterricht in Türkisch, vor allem für Türken zu kürzen, erlebte er Vergleichbares. Die Entwicklung hat ihm Recht gegeben, auch wenn er sie mit seinen Plänen nicht aufhalten konnte. Türkische Parallelgesellschaften etablieren sich mehr und mehr. Das Ergebnis war auch in den Schulen abzulesen.

Noch immer nichts gelernt?
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Ohne PISA überbewerten zu wollen: Deutsche Schüler ohne Migrationshintergrund erzielen stets Werte deutlich über dem OECD-Durchschnitt, Kinder zugewanderter Familien rangieren eineinhalb bis zwei Jahre hinterher, Nachkommen der ersten Migrantengeneration sind sogar noch weiter hintendran. Ansonsten erreichen vor allem Migrantenkinder mit türkischen Wurzeln in Deutschland in etwa ein PISA-Ergebnis, wie die Türkei es hat – bei PISA-Werten zwischen 400 und 440. Wenn dann eine Schule in Berlin die deutsche Sprache zur verbindlichen Sprache auf dem Schulhof erklärt, gibt es einen Aufschrei in der Multikulti-Szene: Von Zwangsgermanisierung war damals die Rede. Und wenn der vormalige Bezirksbürgermeister von Neukölln, Heinz Buschkowsky, die Schulschwänzerei vieler türkischer Schüler anprangerte und forderte, den Eltern dieser Kinder das Kindergeld zu kürzen, dann rettete ihn vor weiterreichenden Ächtungen wohl nur sein SPD-Parteibuch.

So gesehen, sind es Krokodilstränen, die jetzt Cem Özdemir (Grüne/Bündnis 90) vergießt, wenn er angesichts der genannten 63,2 Prozent darüber klagt, dass die Integrationspolitik in Deutschland versagt habe. Es sei ihm zugutegehalten, dass er Erdogan mehr als die gesamte Bundesregierung die Stirn bot. Aber Özdemir sollte neben der Integrationspolitik auch mal in die Schulpolitik seiner Partei hineinleuchten. Denn diese war in weiten Bereichen nicht nur naiv, sondern schier anti-integrativ. Vor allem hat seine Partei immer verdrängt, dass Integration keine Einbahnstraße ist. Wer sich in Deutschland integrieren will, der sollte auf eine aufnahmebereite Gesellschaft treffen können; er sollte aber auch seine eigene Bringschuld sehen. Wer sich nicht integrieren will, der kann ja die Segnungen einer Erdogantürkei wählen.

Fußnote: Özdemir spricht wie andere von Deutschtürken. Tomas Spahn wies hier schon darauf hin, „dass ‚Deutschtürken‘ nach den Regeln der deutschen Sprache türkische Staatsbürger mit deutschen Wurzeln sind, von denen es nicht wirklich viele gibt“. Die „Deutschtürken“ genannten sind Türken in Deutschland.

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Kommentare ( 111 )

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claudia50
6 Jahre her

? das gute Börek hat eine gewisse Ähnlichkeit mit den „Vagina-Kostümen“ beim Puss*innenmarsch…
zufällig gewollt?

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Luisa
6 Jahre her

Danke für diesen wieder ausgesprochen informativen Bericht. Wie auch andere TE-Autoren haben Sie sich sehr viel Mühe gemacht.
„Tomas Spahn wies hier schon darauf hin, „dass ‚Deutschtürken‘ nach den
Regeln der deutschen Sprache türkische Staatsbürger mit deutschen
Wurzeln sind, von denen es nicht wirklich viele gibt“. Die
„Deutschtürken“ genannten sind Türken in Deutschland“.
Danke, dass Sie nochmals an Begrifflichkeiten erinnern, die in zahlreichen Ländern – insbesondere auch bei Minderheiten, deren Idendität verwässern. Man denke nur an Russland-Deutsche etc……. Deutsche, die in „alle Winde zertreut wurden“.
Wenn man nachdenkt, ergibt vieles einen anderen Sinn.

Tc
6 Jahre her

Das ist ja alles richtig. Es ist jetzt nur zu spät.

Andrea Dickerson
6 Jahre her

Meines Erachtens liegt das Problem in der Evolution des Gastarbeiterprograms, es war temporär und hatte ein Rotationsprinzip. In dem Moment, wo es permanent wurde, Familien kamen und blieben, hätte man umschalten müssen, türkische Bildungspflicht für alle, um die Rückkehr zu erleichtern, deutsche Bildungspflicht für alle, um das Bleiben und Aufsteigen zu ermöglichen. Bilden sich erst einmal Parallelgesellschaften, so ist der Zug abgefahren. Es gibt keinen Druck mehr, sich anzupassen, besonders nicht, wenn das Gastland ein nettes Sozialsystem hat, das den eigentlichen positiven Anpassungsdruck eliminiert. Im Heimatland gab es den Druck, sich den wirtschaftlichen Gegebenheiten ohne vergleichbares Sozialsystem anzupassen schon, deshalb… Mehr

satya_prevails
6 Jahre her

Das schöne an der Wahrheit ist, das sie sich nicht um Moral kümmert und immer wieder dort erscheint, wo man am wenigsten damit gerechnet hat. Es hat schon wirklich Stil von der Wahrheit, das sie die Grünen genau an ihren Kronjuwelen packt: An ihrem falschen Verständnis von Mitgefühl. Dieses sogenannte Mitgefühl ist nichts anderes als eine maskierte ’selfindulgence‘ (Selbstnachgiebigkeit), eine bewußte Verdrängung des Bedürfnisses nach Perfektion und Verantwortung. Die Grünen haben eine bewußte oder unbewußte Angst vor Leistung und Gerechtigkeit. Nun haben es also die Zöglinge von Claudia (Fatima) Roth’s Mutterbrust tatsächlich den Affront gewagt und finden den Schneid eines… Mehr

Axel Robert Göhring
6 Jahre her

Parallelgesellschaften oder Gegengesellschaften?
Parallelen berühren sich nie.

3. Stock links
6 Jahre her
Antworten an  Axel Robert Göhring

sagen wir doch einfach: – Gesellschaft –

>> die beginnt schon damit, dass wir zu ‚zweit‘ sind…wobei, bei weiterem nachdenken:… viele schon Schwierigkeiten mit ihrem Nachbarn haben…dem drüber oder drunter, oder dem Herrmann von nebenan…

+++

Michel Rieke
6 Jahre her
Antworten an  Axel Robert Göhring

Parallelgesellschaften ist ein unzutreffender Begriff, denn Parellen
haben keine gemeinsamen Punkte. Die weitgehend isoliert lebenden
Gruppen, die oft so bezeichnet werden, sind aber über die finanziellen
Zuwendungen sehr wohl mit der Mehrheitsgesellschaft verbunden, nutzen die Infrastruktur und die Möglichkeit politischer Einflussnahme.

Jedediah
6 Jahre her

Mal ein ganz andere Sichtweise: Warum denn die Pro-Erdogan-Türken so niederknüppeln. Folgen sie nicht irgendwie ihrer inneren Natur, so wie wir das alle im Grunde tun? Wer einfach gestrickt ist, hat mit fein ziseliertem demokratischen Diskurs nichts am Hut. Die deutschen Pendants machen doch auch seit jeher ihr Kreuzchen bei ihren roten Führern („die Partei für die kleinen Leute“), ohne das zu reflektieren. Das, was man wirklich kritisieren muss, dass Deutschland durch seine hirnrissigen „Einwanderungsregeln“ einen völlig verzerrten Bevölkerungsschnitt aus der Türkei geholt hat, das Gegenteil von einem gesunden Mix.

Ruhrler
6 Jahre her

Die Grünen (und auch die SPD) haben doch schon längst die Zahlen wegrelativiert, also kein Grund zur Aufregung. Wenn man den Zahlenkünstlern glaubt, waren die Erdogan-Anhänger doch nur eine sehr kleine Minderheit. Also hat doch alles geklappt, die paar Turkfaschisten kriegen wir auch noch weg, wenn die Biodeutschen sich endlich mal anstrengen mit der Integration. Die Grünen sind das Paradebeispiel für „Es kann nicht sein was nicht sein darf“, das haben sie schon in der Energiepolitik und nach Köln 2015 bewiesen und weichen auch keinen Millimeter von dieser Linie ab. Mal schauen wie lange das Einigeln in der ideologischen Wagenburg… Mehr

The Bro
6 Jahre her

Unter grünen Schutz lebende Freilandhühner wählen Käfighaltung für andere Hühner.
Bürger entsetzt. GrüLi weiterhin für die doppelte Staatsbürgerschaft.
Farbenlehre: Wenn rot rot und grün sich mischen, ergibt das ein kräftiges Braun.
Seit Martin Luther wird auf deutsch gepredigt. Seit 40 Jahren predigen die katholiken auch in der Landessprache.
In den Moscheen nicht.

Bernd
6 Jahre her
Antworten an  The Bro

Deutsche und andere Freilandhühner sind für den Verbrauch bestimmt – das gesammte Federvieh landet irgendwann im Suppentopf.

Hippiemädchen
6 Jahre her

Das klappte doch immer ganz gut mit der Verhinderung von Ankommen in der Mehrheitsgesellschaft in der islamisch geprägten Comunity der Türken und Türkdeutschen. Bräute für die Prinzen werden in der Mehrheit in den türkischen Herkunftsdörfern gesucht, schließlich soll ja einmal die ganze Sippschaft von dem finanziellen Paradies profitieren. Den Mädels die nicht viel zu melden haben, suchen die Eltern einen passenden Partner aus. Hauptsache der Brautpreis stimmt! Den hochzutreiben ist legal und normal. Weil sich die Ehre der Familie zwischen den Beinen der Frauen befindet ist für die Familien alles was westlich, emanzipiert, mit freier Partnerwahl, freier Sexualität vor der… Mehr