Der „Nationale Bildungsrat“ kehrt auf den Friedhof zurück

Endlich mal gute bildungspolitische Nachrichten: Bayern und Baden-Württemberg begraben den „Nationalen Bildungsrat“. Jetzt besteht die Chance, zu einem wettbewerblichen Föderalismus zurückzukehren, statt das Niveau gemeinsam nach unten zu ziehen.

© Getty Images

Spötter sagen: Bildungspolitik ist ein Friedhof, auf dem beständig Auferstehung gefeiert wird. Da ist viel d’ran. Denn kaum ist irgendeine bildungspolitische Idee – siehe Einheitsschule – krachend gescheitert, wird sie schon wieder als angeblich überfällige, ja „in die Zukunft weisende“ Innovation hochgejubelt.

Ein „Nationaler Bildungsrat“ ist eine dieser untoten Ideen. Im Koalitionsvertrag der GroKo vom 7. Februar 2018 heißt es auf Seite 28: „Der Nationale Bildungsrat soll auf Grundlage der empirischen Bildungs- und Wissenschaftsforschung Vorschläge für mehr Transparenz, Qualität und Vergleichbarkeit im Bildungswesen vorlegen und dazu beitragen, sich über die zukünftigen Ziele und Entwicklungen im Bildungswesen zu verständigen und die Zusammenarbeit der beteiligten politischen Ebenen bei der Gestaltung der Bildungsangebote über die ganze Bildungsbiographie hinweg zu fördern …“

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Nun ist diese Absicht von den „Südstaaten“ Bayern und Baden-Württemberg auch schon wieder begraben worden. Und das ist gut so. Warum es der „Nationale Bildungsrat“ in den CDU/CSU/SPD-GroKo-Vertrag schaffte, ist rätselhaft. Der „überzeugte“ Föderalist und damalige Bayerische Ministerpräsident resp. CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hatte es mitgemacht, wiewohl er es hätte verhindern können. Manche Leute vermuten, er wollte damit sowohl seinem damaligen Kultusminister Ludwig Spaenle wie auch seinem Nachfolger Söder „eine auswischen“.

Nun hat Seehofers Nachfolger Markus Söder die Reißleine gezogen und den „Nationalen Bildungsrat“ für tot erklärt. Assistiert wurde Söder umgehend von Baden-Württembergs Kultusministerin Eisenmann (CDU), die hier sehr wohl mit Rückendeckung ihres „grünen“ Landeschefs Kretschmann handelte. Die CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet und Volker Bouffier waren schon vorher dezent auf Distanz zum „Rat“ gegangen.

Warum die Idee eines solchen Bildungsrats überhaupt mehr als ein ganzes Jahr durch die Lande waberte, bleibt so oder so rätselhaft. Es hätte ja schon gereicht, wenn man sich das reale Scheitern eines solchen, schon einmal etablierten Bildungsrates angesehen hätte. Von 1965 bis 1975 gab es nämlich den „Deutschen Bildungsrat“. Dieser brachte 1970 den „Strukturplan für das Bildungswesen“ heraus. Ziel war eine Vereinheitlichung des Schulwesens. Dieser „Strukturplan“ ist die Ur-Sünde deutscher Bildungspolitik, denn mit ihr begann vor allem in SPD-geführten deutschen Ländern der Abstieg der „Bildungsnation Deutschland“.

Klar, es gibt bei der Bildungsqualität unter den sechzehn deutschen Ländern ein erhebliches Gefälle. Der vor wenigen Wochen veröffentlichte „IQB-Bildungstrend 2018“ belegt dies für so manches Bundesland schmerzlich. (IQB = Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen.) Dass SPD-Schulminister und Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günter dem Bildungsrat nachtrauern, erschließt sich vielleicht aus dieser Tabelle.

Diese Gefälle (Mehrzahl!) sind ein Ärgernis für viele Eltern und Schüler. Aber dieses Ärgernis kann und darf nicht beseitigt werden durch Vereinheitlichung. Denn die jahrzehntelange Erfahrung zeigt, dass Vereinheitlichung des Bildungswesens immer Vereinheitlichung nach unten ist. Ein „Nationaler Bildungsrat“ würde dieses Anspruchsdumping weiter fördern. Deshalb gilt es, den vielfach beschworenen Bildungsföderalismus als kompetitiven, das heißt als Wettbewerbs-Föderalismus zu beleben. Will sagen: Vereinheitlichung darf nur auf dem Niveau der führenden deutschen Länder stattfinden. Letztere können etwas dafür tun: Sie sollten endlich die windelweichen Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz zur Anerkennung der mittlerweile inflationär vergebenen Zeugnisse der Studierberechtigung (was etwas anderes ist als Studierbefähigung) und der Mittleren Schulabschlüsse aufkündigen, wenn gewisse Länder nicht endlich etwas unternehmen, um sich nach der Decke zu strecken. Dann käme endlich Leben in die Bude.

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Kommentare ( 31 )

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schaefw
4 Jahre her

Mein radikaler, aber definitiv ernst gemeinter Vorschlag: jedes Bundesland, von mir aus sogar jede Schule definiert die Lernziele selbst und führt das Abitur so durch, wie es oder sie es will. Das Abiturzeugnis gilt dann als Abschlussdokument oder Bescheinigung einer erfolgreichen Teilnahme, nicht aber mehr als Zeugnis der Hochschulreife. Die Universitäten suchen sich unter den Bewerbern diejenigen aus, die sie aufnehmen wollen, und zwar völlig autonom, d.h. nach dem so definierten „Abiturzeugnis“, mit eigener Aufnahmeprüfung, Auswahlgespräch, nach der Nase oder durch Würfeln. Anderer Vorschlag: Universitäten führen für Studienanwärter aus bestimmten Bundesländern verpflichtende Vorkurse ein, wie sie für manche Ausländer vorgeschrieben… Mehr

horrex
4 Jahre her

Es ist NICHT (wenigstens nicht grundsätzlich!!!) so, dass ein Bildungsrat „nach unten angleicht“. W e n n wir denn ein föderales System des Wettbewerbs(!) unter den Ländern hätten. Lediglich in der Realität der grundsätzlich nach unten angleichenden Sozialakrobaten einer Mehrzahl von Ländern ist es so, diese ihre „Spitzen-Sozialakrobaten“ in dieses Kommission entsenden und die Ziele bestimmen. –
Selbstverständlich ist es insofern richtig, sich der „programmierten“ Nivellierung nach unten zu entziehen. Ob das etwas bewirkt ist die nächste Frage. –

Jules
4 Jahre her

Dieses dümmliche Geschimpfe auf den Föderalismus in einigen Kommentaren macht mich, ehrlich gesagt, sehr wütend.

Ist das so schwer zu verstehen, daß Gleichmacherei und Vereinheitlichung immer auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner stattfinden? Soll heißen: Eine etwaige Vereinheitlichung der Bildungssysteme würde mitnichten auf dem Niveau Bayerns oder Sachsens, sondern eher auf dem Bremens oder Berlins erfolgen.

Ignoranz und Borniertheit sind etwas, daß wir uns dieser Tage rechts von der Mitte wirklich nicht leisten können. Wer noch nicht begriffen hat, daß Wettbewerb und politischer Pluralismus grundsätzlich zu befürworten sind, ist in diesem Land leider Teil des Problems und nicht der Lösung.

Lugge
4 Jahre her

Einfach ein Beispiel wie Landespolitiker_innen in Bremen ticken. Wer kennt nicht die zahllosen Bremer Floristinnen, die ihr kleines Gehalt mit Mathe-Nachhilfe für BWL-, Psychologie-, Physikstudenten aufbessern. Abgehalten von einem MINT-Studium wurden diese Floristinnen nur durch das böße, weiße, sexistische Patriachat. Bericht vom Bremer FDP-Klausurtag Quelle: Weser Kurier „Bremer FDP fordert mehr Unterstützung für Opfer von Gewalt“ von Maren Beneke. 16.11.2019 Lencke Steiner ist Vorsitzende der FDP-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft! Zitat: „… Beratung ohne Rollenbild Zudem hat sich die FDP-Fraktion auf ihrer Tagung mit dem Thema Rollenbilder an Schulen und in der Berufsberatung auseinandergesetzt. „Wir müssen es schaffen, die traditionellen… Mehr

Philokteta
4 Jahre her
Antworten an  Lugge

„So gebe es Beispiele, in denen jungen Frauen davon abgeraten worden sei, einen Beruf wie Astrophysikerin zu ergreifen, sondern stattdessen lieber einen „typischen Frauenberuf“ wie Floristin zu wählen.“

Der Vergleich ist hanebüchen. Ich glaube kaum, daß dieses o.g. Beispiel tatsächlich so gewesen ist.

Optimist
4 Jahre her

Ja richtig, ein kleines Land von 80 Mio Einwohnern braucht 16 Kultusministerium, wegen des Wettbewerbs. Da gibt es Schülerwanderungen, dorthin, wo man das Abi am leichtesten machen kann. Die westdeutschen Söhne und Töchter dürfen ja nicht so geschundenen werden durch so ein Turbo-Abi. Zum Glück hat Biedenkopf gleich 1990 gesagt, macht bitte in Sachsen nicht nach, was es in Westen an ewigen Problemen gibt, macht es besser und so geschah es. Wie wollen eigentlich diese hinterweltlichen deutschen Kleinstaaterei ein einheitliches EU Bildungssystem für 500 Mio schaffen, wenn sie es nicht mal zwischen Flensburg und Alpen für 80 Mio schaffen?

Thorsten
4 Jahre her

Warum ist die Tabelle nicht nach Leistung sortiert? Sachsen wäre der Gewinner.

Auch hätte man mal die Parteifarben anbringrn könne. Schwarz ist oben, rot-grün ist der Bodensatz.

Wie im wahren Leben…

Jasmin
4 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Thorsten
S-H ist schwarz- grün, und auf dem vorletzten Platz. Aber Sie haben schon recht, überall, wo sich ein grüner oder roter Kultusminister austoben darf, geht’s steil abwärts. Die Frage ist nur, wieso auch schwarzgeführte Bundesländer das Kultusministerium immer den roten oder grünen Koalitionspartner überlassen. Vielleicht weil auch die schwarzen ein desolates Schul-/ Bildungssytem haben wollen?

J. Braun
4 Jahre her

Sie liegen komplett falsch. Deutschland war immer in Zeiten der Kleinstaaterei führend, das hat den einfachen Grund, daß jemand, der sich zuhause nicht verstanden wußte (wie beispielsweise Schiller) das Land wechseln konnte ohne — und das ist der entscheidende Punkt — seine Sprache aufgeben zu müssen. Schlecht hingegen ging es den Deutschen immer in den zentralistischen System, wie dem Dritten Reich, in der DDR und zunehmend unter dem Merkel-Regime. Ich wollte, dieser zerrüttete Staat würde endlich aufgelöst und in den lockeren Bund des Heiligen Römischen Reichs zurückgebaut, als deutsche Bildung dank der Konkurrenz der Fürsten weltwelt führend war und das… Mehr

StefanB
4 Jahre her

„Nationaler Bildungsrat“ – Wie konnten ausgerechnet die Sozialisten / Kommunisten auf diese Idee kommen? Ach ja, Gleichmacherei allenthalben. Nur: Wenn schon, denn schon. Das heißt: Entweder „Internationaler“-, also „Eine Welt“-Bildungsrat und damit internationalsozialistische Gleichmacherei, oder gar nicht!

…“Nationaler Bildungsrat“ – ne, ne, ne…, ist ja „voll Nazi“, … geht ja gar nicht. 😉

Bummi
4 Jahre her

Der Bildungsförderalismus in einem kleinen Land wie Deutschland ist doch ein Witz. Wer braucht unterschiedliche Lehrpläne für Mathe, Deutsch, Chemie usw. Die Katastrophe kommt doch durch das niedrige Niveau in vielen Schulen wo kaum noch deutsch gesprochen wird. Man muss das höchste Niveau anstreben für alle. Der Förderalismus hemmt auf allen Ebenen. Wer braucht als Bürger 16 Polizeigesetze, Nachbarschaftsgesetze, Wassergesetze, Kommunalabgabengesetze, Baugesetze,Abwasserabgabengesetze usw. Das ist teuer, unsinnig und eine Zumutung für Bürger und Wirtschaft.

Alexis de Tocqueville
4 Jahre her
Antworten an  Bummi

Ganz und gar nicht. Ich sage das in letzter Zeit oft: Man kann Systeme nicht beliebig skalieren. Was im Kleinen funktioniert, funktioniert nicht unbedingt im Großen. Kleine Systeme funktionieren oft besser. Und wir Menschen sind auch geschaffen für das Konkrete, nicht für das Abstrakte. Ihre Familie, ihr Dorf, ihre Region, Deutschland, EU, dann der Rest der Welt. Man muss schon genau sehr schauen, welche Vor- und Nachteile jeweils in der Zentralisierung vs. Dezentralisierung liegen. Wenige Großkraftwerke sind z.B. effizienter, als viele kleine. Aber natürlich ist das System dann auch anfälliger, z.B. für Katastrophen, Terroristen etc. Ein einzelner Supercomputer ist effizienter… Mehr

Wilhelm Cuno
4 Jahre her

Diese „gewissen Länder“ können ihre Standards nicht verschärfen, da ihre Klientel die höheren Anforderungen nicht schafft. Das ginge nur, wenn eine Koalition aus Union, AFD und/ oder Freie Wähler irgendwo in einem solchen Bundesland gewählt werden würde. Bei dieser Demografischen Entwicklung völlig unrealistisch. Wir können froh sein, wenn die Standards nicht aufgeweicht werden.

Alexis de Tocqueville
4 Jahre her
Antworten an  Wilhelm Cuno

„Gewisse Länder“ haben sich einfach zu gern im linken **. Für Bremen oder Berlin gibt es bereits kein Zurück mehr. Der Rest folgt, einer nach dem anderen. Wäre ich Bayer oder Sachse, dann wäre ich sowas von Separatist.