Bertelsmann Stiftung: Machtpolitik unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit

Verlöre Bertelsmann die Gemeinnützigkeit, könnte die öffentliche Hand mit den Steuermehreinnahmen die Wohltaten der Stiftung selbst finanzieren. In den USA wäre eine solche Bündelung von Konzern- und Stiftungsmacht nicht zulässig.

Foto: Bertelsmann Stiftung

Die mediale und die politische Wirkung von Bertelsmann bzw. der Familie Mohn hat mit dem Bertelsmann-Medienkonzern und deren schier endlosen finanziellen, medialen und politischen Möglichkeiten zu tun. Der Medienkonzern Bertelsmann SE & Co. KGaA ist immerhin mit rund 80.000 Beschäftigten in rund 50 Ländern der Welt aktiv. Zum Konzernverbund gehören die Fernsehgruppe RTL Group samt RTL, RTL 2, Super RTL, Vox, n-tv, ferner die Verlagsgruppe Penguin Random House mit mehr als 120 Einzelverlagen, die jährlich rund 11.000 Neuerscheinungen veröffentlichen und jährlich mehr als 500 Millionen Bücher verkaufen. Dazu gehören in Deutschland neben den unter dem Namen Bertelsmann erscheinenden Verlagen etwa die Deutsche Verlags-Anstalt, der Heyne Verlag, Kösel, der Luchterhand Literaturverlag, Goldmann, Kösel, Siedler, ferner der Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr mit rund 300 Magazintiteln, zum Beispiel art, Brigitte, Capital, Eltern, Gala, die Geo-Magazine, PM, Schöner wohnen, Stern u.v.a.m. Zu Gruner + Jahr gehört auch der Vertrieb der Wochenzeitung „Die Zeit“. Ferner gehören zu Bertelsmann das Musikunternehmen BMG, die Bertelsmann Printing Group, die Bertelsmann Education Group sowie das internationale Fonds-Netzwerk Bertelsmann Investments.

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Eine zentrale Position innerhalb des Konzerns nimmt die „arvato AG ein. Sie ist eine hundertprozentige Tochter der Bertelsmann SE & Co. KGaA; mit ihren mehr als 70.000 Mitarbeitern in über 40 Ländern versteht sie sich als international tätiger Dienstleister im Bereich Outsourcing, das heißt im Bereich „Government Services“. Das Wort arvato ist eine Abkürzung: ar steht für das lateinische Wort ars, die Kunst, va für Variation, t für Technik und o für Organisation. Auf der Bertelsmann-Website, aufgerufen am 13. Juli 2016, ist unter „Arvato – Alles aus einer Hand“ zu lesen: „Als global agierender Business-Process-Outsourcing-Dienstleister unterstützt Arvato Geschäftskunden unterschiedlichster Branchen dabei, die Beziehungen zu ihren Kunden erfolgreich zu gestalten. Arvato konzipiert und realisiert zu diesem Zweck in mehr als 40 Ländern maßgeschneiderte Lösungen. Zu dem breiten Spektrum an Dienstleistungen zählen Datenmanagement, Kundenservice, Dienstleistungen im Rahmen von Kundenbeziehungen, Management von Versorgungsketten, digitale Auslieferung, Finanzdienstleistungen sowie qualifizierte und individualisierte IT-Services.“ Das Land NRW hat für arvato direct services GmbH von 1. Juli 2009 bis 6. April 2016 übrigens 6,68 Millionen Euro aufgewendet. Mit 117.000 Mitarbeitern erzielte das Unternehmen 2015 einen Umsatz von 17,1 Mrd. Euro.

Die Bertelsmann Stiftung weiß sich als selbsternannte „Reformwerkstatt“ und „Denkfabrik“ zu inszenieren. 1977 gegründet, hält sie seit 1993 rund 77 Prozent der Aktien der Bertelsmann SE & Co. KGa. Das erlaubt ihr nicht nur die Beschäftigung von hunderten Mitarbeitern, sondern größte mediale Verbreitung über die in der Hand der Mohn-Familie befindlichen Sender und Printmedien. Mit der Übertragung von mehr als Dreivierteln der Konzernaktien sparte man obendrein vermutlich gut zwei Milliarden Erbschafts- und Schenkungssteuer. Die Bertelsmann Stiftung mit ihrem Jahresetat von rund – so die Jahre 2015 und 2016 – 70 Millionen Euro und mit einem Gesamtvolumen aller ihrer Projekte von 1977 bis 2015 in der Höhe von 1,27 Mrd. Euro arbeitet also de facto mit öffentlichem Geld. Dabei vergibt die Stiftung keine Fördergelder, sondern ist nur selbst operativ tätig. Die Grenzen zwischen Gemeinwohlorientierung und Profitinteressen erscheinen hier als fließend.

Thomas Schuler sagt dazu bei „Telepolis“ am 30.08.2010 zu Recht: „So gesehen, stehen sie immer noch in der Schuld der Allgemeinheit.“ Anders ausgedrückt: Verlöre die Stiftung die Gemeinnützigkeit, könnte die öffentliche Hand mit den Steuermehreinnahmen die Wohltaten der Stiftung selbst finanzieren. Nur am Rande: In den USA wäre eine solche Bündelung von Konzern- und Stiftungsmacht nicht möglich. Dort dürfen steuerbegünstigte Stiftungen nur 20 Prozent Anteile an einem Unternehmen haben. Bei der Bertelsmann Stiftung sind es 77 Prozent.

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Apropos „arvato“: Weltweit will Facebook die Zahl der Mitarbeiter, die Inhalte prüfen und löschen, von 4.500 auf 7.500 ausbauen. Auch in Deutschland baut Facebook die Zahl seiner Mitarbeiter stark aus, um Facebook-Einträge im Einklang mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu entfernen. Im Herbst 2017 werde in Essen ein zweites Löschzentrum mit 500 Mitarbeitern eingerichtet. Und jetzt kommt Bertelsmann ins Spiel: Am ersten Standort Berlin wurde die Zahl der Mitarbeiter der Bertelsmann-Dienstleistungsfirma Arvato, die für Facebook im Einsatz sind, auf 700 erhöht. Das sind Beschäftige verschiedener Länder und Sprachen, deren Job das Löschen von Postings ist. Neben unappetitlichen Inhalten auch solche, die Heiko Maas nicht mag. Das Gehalt der Mitarbeiter liegt nur knapp über Mindestlohn. Man kann sich denken, was das hinsichtlich ihrer Vorqualifikation bedeutet. Volljuristen sind es wohl nicht. Das Arbeitspensum jedes einzelnen liegt auf den untersten Hierarchiestufen bei etwa 2.000 zu prüfenden Beiträgen pro Tag. Höher gestellte Mitarbeiter, die auch Videos begutachten, haben etwa acht Sekunden Zeit für ihre Löschentscheidung. Mit besonders schweren Fällen wie mit Kindesmissbrauch dürften sie sich täglich nur zwei Stunden beschäftigen. Mitarbeiter hätten auch die Möglichkeit, in psychologische Behandlung zu gehen und diese anonym abzurechnen.

Bertelsmann jetzt Arm in Arm mit der Amadeu Antonio Stiftung und deren Kopf Anetta Kahane. Letztere lässt sich heute Menschenrechtsaktivistin nennen, ihre zur Zensor führende Ausbildung hat sie offenbar als Stasi-Mitarbeiterin absolviert. Mit ihrer Stiftung soll sie nun beim Aufspüren von Hassbotschaften im Internet behilflich sein. Wie sich doch manchmal die Kreise schließen.


Ausführliches, auch zum Wert von Bertelsmann-„Studien“, findet sich im Buch von Josef Kraus: „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“. Erschienen 2017. Dort S. 23 – 50 das Kapitel „Machtspiele – Eine Stiftung hält die Fäden in der Hand“

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Kommentare ( 37 )

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konzentrat
6 Jahre her

und wie immer ausgeblendet. bertelsmann ist über gruner+jahr auch am spiegel beteiligt.

Friedrich P.
6 Jahre her

Bertelsmann hat sich den Staat zur Beute gemacht. Macht euch nichts vor, das Volk ist außen vor wenn Entscheidungen von Beratungsagenturen getroffen werden. Public Private Partnership, Governance Services, Verwaltungs-Outsourcing, E-government. Eine Hand wäscht die andere. Kein Politiker könnte heute mehr gegen die politische Wunschliste der Bertelsmänner regieren und die verstehen sich als Internationalisten, als global player. Bertelsmann agiert auch als Gestalter des EU-Verfassungsvertrags über ihre Tochter CAP. Marktradikalismus als Verfassungsgrundlage, marktkonforme Demokratie nennt man das. Sie selbst nennen es Politikberatung. Da die Demokratie überall im Niedergang ist kann die Arbeit der Bertelsmänner für die Gemeinschaft nicht allzu erfolgreich gewesen sein.… Mehr

giesemann
6 Jahre her

Sehr geehrter Herr Kraus, vielen Dank für diesen informativen Artikel – es ist ja noch weit schlimmer, als ich eh schon gewähnt hatte. So viel nicht demokratisch legitimierte Macht, unglaublich. Und die USA als Gegen-Vorbild! Aber genau diese Leute lästern gegen Trump und das dortige System der checks and balances.
(Dies ist itzo kein Plädoyer für Trump und seine Eskapaden, bitte nicht missverstehen).

Frank Grabitz
6 Jahre her

Nicht nur in der Schule auch in der Poliik engagiert sich die Bertelsmann Stiftungdie und zwar in den alljährlichen Kronberger Gesprächen an denen auch Frau Merkel teilnimmt und sich für die vollständige Umgestaltung der politischen, wirtschaftlichen und religiösen Institutionen der Länder des „Großen Mittleren Ostens“ einsetzen will, um sie fest an die euro-atlantische Achse zu schweißen.
Das wurde wie hier bereits vor 12 Jahren in dem online. Nachrichtendienst german-foreign-policy berichtet.

Tesla
6 Jahre her

Merkels Putzkolonne „arvato“ wird also auf 7500 Löschsklaven aufgestockt…

Offenbar strebt Merkel eine Internetzensur auf Augenhöhe mit China, Iran oder Nordkorea an.

Gudrun M.
6 Jahre her

Vielen Dank Herr Kraus für Ihren unbestechlichen „Blick“ auf die Verflechtungen von pseudowissenschaftlichen Studien zum Zweck gesellschaftspolitischer Einflussnahme, scheinbarer „Vielfalt“ der Medienlandschaft, Scheinheiligkeit beim Demokratieverständnis und dies immer im Dienst zur Stärkung der eigenen Interessen…. Eigentlich eine geniale Idee, man gründet ein „Institut,“ macht auf Demokratie und „Allgemeinwohl“, bringt seine eigenen Studien heraus, die direkt und indirekt den eigenen Interessen dienen, direkt und indirekt subventioniert vom Steuerzahler…. also ein Paradebeispiel für Lobbyismus und Politik. Eigentlich hat kein Politiker eine Chance hochzukommen, der von Bertelsmann & Co. nicht wohlwollend unterstützt wird. Überspitzt ausgedrückt: Wir haben diese Kanzlerin und Politiker, nicht aufgrund… Mehr

Aleksis
6 Jahre her

Das sind diejenigen, die unser Land lenken. Sie sind es, vor denen sich die von uns gewählten fürchten. Sie haben die Macht Politiker zu ernennen oder sie in der Versenkung zu verschwinden lassen. Übrigens wird dieser Konzern in seiner Spitze von einer einzigen Frau gelenkt.

G. Fimiani
6 Jahre her

Verehrter Herr Kraus, haben bei Ihnen jemals unabhängige und haltungsstarke investigative Journalisten angeklopft, um sich dieses Themas anzunehmen?

Josef Kraus
6 Jahre her
Antworten an  G. Fimiani

Angeklopft ja, aber dann wohl Angst vor der eigenen Courage bekommen. CICERO hat einmal einen Beitrag von mir gebracht – sehr gekürzt.

G. Fimiani
6 Jahre her
Antworten an  Josef Kraus

Leider sehe ich meine Vermutung bestätigt. Umso mehr, haben Sie Dank für Ihre engagierte Arbeit!

Irma Blumhagen
6 Jahre her

„Nur am Rande: In den USA wäre eine solche Bündelung von Konzern- und Stiftungsmacht nicht möglich. Dort dürfen steuerbegünstigte Stiftungen nur 20 Prozent Anteile an einem Unternehmen haben.“
Trotzdem manipulieren Grosskonzerne und deren Milliarden-schwere Eigner die politisch Verantwortlichen und vor allem auch die Meinungsbildung der Bürger, indem sie Stiftungen mit angeblich philanthropischen Zielen gründen und finanziell ausstatten. Diese Stiftungen sind selbstredend von Steuern befreit. Beispiele sind die Koch Brüder (Koch Industries) oder etwa G. Soros, der sogar in Europa die öffentliche Meinung über ˋphilanthropisch´ ausgerichtetet Stiftungen mitbestimmen möchte. Mehr dazu können Sie im Buch ˋDark Money´ von Jane Mayer nachlesen.

Pitt Arm
6 Jahre her

Zu empfehlen sei hier auch der recht alte Artikel „Ein Spinnennetz legt sich über das Land“ auf der Achse des Guten. Dort wird aufgeführt wie Christine Langenfeld, Richterin am Verfassungsgericht, als ehemalige Vorsitzende des Sachverständigenrats mit denn Stiftungen verbandelt ist. Medien, Wirtschaft, Stiftungen, Politik und Justiz miteinander verflochten und eine Hand wäscht die andere. Nennt man das noch Demokratie? Sind wir besser als Russland, nur weil es bei uns noch weniger offensichtlich ist und ab und zu jemand anders mit gleichem Programm eine Wahl gewinnt?

martin ruehle
5 Jahre her
Antworten an  Pitt Arm

Was ist an der Bertelsmann Stiftung „Links“?
Ein Konzern orientiert sich mit seinem Geschäftsmodell am größtmöglichen Profit.
Die inhaltliche Ausrichtung daran, auf welchem Feld dies zu erreichen ist.
Wenn morgen ein mittelalterlicher Religionsstaat die Regeln festlegte, was würde die BS wohl senden und schreiben lassen …?!