Corona bringt Wendepunkt für unser Land

Besinnen wir uns zurück, gehen wir einmal „back to the roots“ und überlegen wir, wie unsere Gesellschaft aussehen soll.

imago Images

„Es geht ein Gespenst um die Welt“ singt Sänger und Songwriter Sebel in seinem Hit „Zusammenhalt“, der seit einigen Tagen im Netz viral geht. Gemeint ist natürlich das Corona-Virus, das spätestens jetzt auch im Herzen Europas und Deutschlands angekommen ist.

Es ist ein Gespenst, das vor allem in den Köpfen der Menschen regiert. Angst breitet sich aus. Eine Angst, die ich nur allzu gut verstehen und nachempfinden kann. Das Corona-Virus und seine Folgen bewegen die Leute vielleicht stärker als jedes andere Thema, als jede andere gesellschaftliche Debatte in den vergangenen Jahren. Was sie bewegt, ist vor allem die Angst vor dem Unberechenbaren, dem Ungreifbaren und das Wissen, dass jeder infiziert werden könnte, dass das Virus sich nicht auf bestimmte soziale Milieus oder Minderheiten konzentriert, an keinen Ländergrenzen oder Gehaltsstufen Halt macht.

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Die große Frage, die wir uns jetzt stellen müssen, ist, wozu uns das Virus treibt. Auf der einen Seite beobachten wir, wie die Neidgesellschaft ihre Ellenbogen ausfährt und eine „Me-First“-Mentalität die Oberhand gewinnt: Da flimmern Bilder über die Fernsehschirme von Supermarktregalen, die aus Angst um das eigene Ego und das eigene Wohlergehen leergekauft wurden, von Apotheken die keine Desinfektionsmittel mehr an die verkaufen können, die es aus medizinischer Sicht dringend benötigen, und von Ärzten und Pflegern, die ohne Mundschutz behandeln müssen, weil sie keinen Nachschub mehr aus den panisch leergekauften Lagern erhalten.

Wir erleben leider immer noch viele, die einfach nicht einsehen können, wie wichtig die Einschränkung der sozialen Kontakte im Sinne unserer Gemeinschaft und unseres Gemeinwohls in diesen Tagen und Wochen ist: Da wird munter im Park gekickt, auf abgesperrten Spielplätzen mit einer Horde von Kindern getollt und am Abend auf Corona-Partys über die gelacht, die sich Sorgen umeinander machen, die vernünftig agieren und zu Hause bleiben wollen.

Auf der anderen Seite erleben wir eine Gesellschaft, die zusammenrückt, auch wenn sie sich räumlich distanzieren muss. An allen Ecken und Enden entstehen bürgerliche Initiativen, die Angehörige von Risikogruppen unterstützen, indem sie Einkäufe und Besorgungen für sie übernehmen, für die Nachbarschaft kochen oder auf andere Weise dafür sorgen, dass die weitestgehende Isolation von Risikopatienten eingehalten werden kann und für diese so angenehm wie nur irgend möglich gestaltet wird.

Plötzlich erleben wir einen nie dagewesenen Respekt, für diejenigen, die unser Land am Laufen halten: Ärzte, Kranken- und Altenpfleger, Polizisten, Feuerwehrleute, Apotheker, Verkäufer in Supermärkten und Bäckereien, Kinderbetreuer, Bus- und Bahnfahrer – sie alle erfahren jetzt eine große Aufmerksamkeit und eine überwältigende Dankbarkeit.

Es sind vor allem soziale Berufe, die jetzt zählen. Und diese Bürger, auf die es jetzt ankommt, senden uns eine klare Botschaft: In den sozialen Netzwerken und im Fernsehen sind sie zu sehen, wie sie vor Feuerwehrautos, auf der Polizeiwache oder im Krankenhaus stehen. Sie halten lächelnd Plakate in die Kameras: „Wir halten für euch die Stellung“ oder „Wir sind hier, damit ihr daheimbleiben könnt“ heißt es da.

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In diesen schweren Zeiten, die für uns alle herausfordernd sind, können wir uns auf diese Engel unserer Gesellschaft verlassen. Und das ist gut so. Es liegt an uns, diesen Menschen, die selbst Familien haben, die sich selbst vor dem Corona-Virus sorgen und sich und ihre Angehörigen schützen möchten und dennoch täglich Ihrer Pflicht nachgehen, zu danken. In Italien, in Spanien und in vielen anderen Ländern werden sie aus den Fenstern und von den Balkonen beklatscht und gefeiert – eine tolle Geste des Respekts, des Danks und der Anerkennung, die bestimmt auch unserem Land und unseren Alltagsheldinnen und -helden gut tun würde.

Uns muss eines nämlich bewusst sein: Die Lage ist ernst, die Herausforderungen sind groß – aber wir können sie bewältigen. Das Corona-Virus führt uns die Verletzlichkeit unserer High-Speed-Gesellschaft und unseres gesamten blauen Planeten vor Augen: Ein kleiner Virus reicht aus, um das Leben, wie wir es kennen, völlig auf den Kopf zu stellen. Eine Ausnahmesituation, wie Deutschland sie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hat, eine Ausnahmesituation die Einschränkungen notwendig macht: Abstand halten, auf Umarmungen und Händegeben verzichten, Reisen und Besuche bei lieben Menschen verschieben. Würden wir uns alle daran halten, gerade in den nächsten Tagen, können nicht nur Ausgangssperren verhindert, sondern auch neue Formen des Zusammenlebens entdeckt und längst in Vergessenheit geratene Werte wieder entdeckt werden.

Der Applaus für die Ärzte und Pfleger ist doch das beste Beispiel: Wir finden den Respekt voreinander wieder. Gerade jetzt, wo uns die körperliche Wärme einer Umarmung mit unseren Liebesten fehlt, wird uns schmerzlich bewusst, wie kalt unsere Welt geworden ist: Nach den Gewalttaten von Hanau und Volkmarsen haben sich viele Bürger gefragt, wo diese Gesellschaft hindriftet, wann sie ihre Werte, den Respekt voreinander verloren hat und wieso sie zugelassen hat, dass Hass, Hetze und Populismus die Oberhand gewinnen konnten. Gerade jetzt, wo in Europa die Schlagbäume wieder heruntergeklappt werden, wird uns bewusst, wie wichtig uns doch die Freiheit ist.

So gesehen bietet uns der „Slow-down“, den wir jetzt durch Homeoffice, Zurückhaltung und Co erleben, auch eine ganz neue Möglichkeit. Zukunfts-Forscher Matthias Horx, Gründer des Zukunftsinstituts, fragt diesbezüglich: „Könnte es sein, dass das Virus unser Leben in eine Richtung geändert hat, in die es sich sowieso verändern wollte?“

Ich bin mir sicher, dass er damit sprichwörtlich den Nagel auf den Kopf trifft. Vielleicht ist das Corona-Virus ein Weckruf, ein Warnschuss, bildlich gesprochen der letzte Fangzaun vor dem Abhang. Vielleicht ist es unsere letzte Möglichkeit, uns zurück zu besinnen auf unsere Werte, auf unsere (Mit-)Menschlichkeit. Oftmals sind es eben die größten Krisen, die Zeiten großer Not, in denen wir zu unserer eigenen Mitte zurückfinden und uns auf das besinnen, was wirklich zählt.

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Ich denke daher, wir müssen die kommenden Tage und Wochen, ja, das ganze Corona-Virus als eine Chance begreifen: Wir spüren jetzt, dass es gerade die einfachen Dinge, die kleinen, wundervollen Gesten sind, die unser Leben hell machen. Es sind die größte Einfachheit, die jetzt in der Dunkelheit und Einsamkeit dieser Tage als Licht am Ende des Tunnels leuchten. Und uns wird dabei bewusst, es sind nicht die fehlenden Technologien, die uns sozial arm machen, es ist der fehlende Kontakt zu denen, die wir lieben.

Ich fordere daher schon seit langem: Investitionen in Technologien und Maschinen sind wichtig, können aber niemals die Investitionen in die Menschen ersetzen. Wir müssen in die Pflege unserer sozialen Kontakte ebenso investieren, wie in die Menschen, die ich zuvor als Helden und Engeln bezeichnet habe, weil sie unser Land am Laufen halten. Wir brauchen eine weitere nachhaltige Stärkung der sozialen Berufe, einen neuentfachten Respekt füreinander und für die Leistungen des anderen.

Diese Erde in all ihrer Verletzlichkeit wird nur weitere bestehen können, wenn wir sie mit menschlicher Wärme erhalten und beschützen. Hass, Populismus und Hetze haben hier keinen Platz – und das zu keiner Zeit. Wir brauchen einander, nicht nur im Kampf gegen das Corona-Virus.

Die Pandemie, die wir jetzt erleben, führt uns das vor Augen. Ich hoffe, dass sie es auch in unserem Bewusstsein verankern wird. Ich bin mir sicher, wenn wir zusammenstehen, füreinander da sind, auch wenn das bedeutet, dass wir aus Fürsorge Abstand zueinander halten müssen, dann können wir aus dieser Krise gestärkt hervorgehen.

Und das denke nicht nur ich, sondern das denken viele Bürgerinnen und Bürger. Auch der Sänger Sebel, der den Zusammenhalt in unser Gesellschaft in Zeiten von Corona besingt. Sein Lied endet nämlich so: „Auch, wenn es droht, dass es alles auseinanderreißt; Könnt es sein, dass es uns alle zusammenschweißt; Ich glaube an das Gute und ich hör´ damit nicht auf“.

Für mich genau die Einstellung, die wir jetzt brauchen und aus der eine großartige Zukunft erwachsen kann, wenn wir zusammenhalten und aufeinander Acht geben.

In diesem Sinne, liebe Leserinnen und Lesern, besinnen wir uns zurück, gehen wir einmal „back to the roots“ und überlegen wir, wie unsere Gesellschaft aussehen soll: Wollen wir mit ausgefahrenen Ellenbogen durch Supermärkte hetzen oder wollen wir einander Mut zusprechen, den Helden dieser Tage danken und füreinander da sein, wie es zahlreiche Initiativen gerade vormachen? Wir können jetzt die richtigen Weichenstellungen vornehmen, für eine solidarischere, menschlichere und nachhaltigere Zukunft. Und diese Zukunft, kann noch heute bei jedem von uns anbrechen, wenn wir es nur wollen.

Liebe Leser, bauen Sie mit an dieser Zukunft, entdecken Sie unsere Werte und Tugenden neu und erfüllen Sie die Worte von Mitmenschlichkeit und Zusammenhalt mit Leben.

Und vor allem: Bleiben Sie gesund.

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Kommentare ( 55 )

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Dr. Kari Koester-Loesche
4 Jahre her

Ja, Herr Tipi, das Leben in Deutschland ist rüde geworden unter einer Kanzlerin, die rot-grün-sozialistisch herrscht. Mit ihrer Billigung wird die Antifa teilfinanziert, die politische Gegner bis zu deren Verstummen bekämpft; nachweisbare Tatsachen werden durch Lügen aus dem Kanzleramt entstellt (Chemnitz) und die Vertreter der Wahrheit eliminiert; Ereignisse wie in Hanau und Volkmarsen werden unaufgeklärt für Jahre weggeschlossen (oder werden sie weggeschlossen, weil die Ergebnisse nicht in die politische Agenda passen?). Entgegen dem Willen der Bürger wurden (werden?) unter fadenscheinigen Begründungen weiterhin Tausende von anspruchsvollen, wahrscheinlich infizierten, Fremden trotz geschlossener Landesgrenzen importiert. Und, und, und … Diese gravierenden Fehlentwicklungen, die… Mehr

Anton
4 Jahre her

Nicht das mickrige Virus stellt unser Leben völlig auf den Kopf, sondern das Agieren unserer von Ihrer Partei geführten Regierung: erst gar nichts machen und dann das ganze Land in Panik versetzen, um Grundrechte beschneiden zu können, ist aus meiner Sicht kriminell. Aber die meisten Leute, mit denen ich rede, halten Merkel, Söder und den ganzen Verein trotzdem (oder gerade deswegen?) für Helden. Sie können sich also glücklich schätzen, Herr Tipi.

Imre
4 Jahre her

„Gegen Hass, Populismus und Hetze“ … kommt mir verdächtig den regierungsoffiziellen und MSM-Verlautbarungen nahe. Einem Populismus im besten Sinne (also pro Mehrheit, unter Schutz von Minderheiten/ Meinungen) kann ich keine stark negative Komponente zuweisen. Sehe Hass, Hetze und instrumentalisierten Populismus eher auf Seiten der „Guten“ als eminent wichtige Schlagworte gegen vernunftgesteuertes Handeln, und als gezielten Spaltkeil zur Vereinzelung der Gesamtgesellschaft. Oder um es mit den Worten eines Dichters zu sagen: “ Der Geist, der stets das Gute will, und doch das Böse schafft..“ Und genau diese Mafiosi ziehen im Hintergrund ganz gezielt die Strippen, ein Wettstreit der Argumente ist nicht… Mehr

Steffen Rascher
4 Jahre her
Antworten an  Imre

Mir kommt das auch vor wie eine Ansprache von Merkel. Hass und Hetze sind das, was früher der offene Diskurs war und plötzlich ist es kriminell. Franz Josef Strauß wäre heute im Knast mit anschließender Sicherungsverwahrung. Brand, Genscher, Wehner – alle wären weggeschlossen.

Walter Knoch
4 Jahre her

Manchmal frage ich mich, wie weit es mit der intellektuellen Leistungskraft unserer Elite, sprich auch der unserer Abgeordneter her ist. Das salbungsvolle Gerede von den sozialen Berufen, die unser Gemeinwesen zuvorderst benötigt, macht ärgerlich. Ich habe allen Respekt, und nicht erst seit dieses „Gespenst“ durch die Lande zieht, vor den sozialen Berufen. Aber unser Land wird zuallererst von denen am Laufe gehalten, die am Anfang der Produktionskette stehen. Den Landwirten, den Mitarbeitern in den Produktionsstätten, den Handwerkern, eben durch den Klempner, den Elektriker, den Schreiner, den Bäcker … Herr Tipi führ nahtlos die Predigt von Frau Bär, CSU, MdB, fort,… Mehr

Iso
4 Jahre her

Back to the Roots ist immer gut, und dazu braucht es auch keine Krise. Da kann jeder schon mit kleinen Dingen anfangen, und wieder ordentliches Deutsch sprechen, denn es braucht keine „Alltagsheldinnen und -helden“, oder ein „*“! Sich dieser schleimigen Sprache zu bedienen, heißt doch nicht mehr, als dem Mainstream auf den Knien gebückt hinterher zu rutschen.

Moses
4 Jahre her

Römische Taxifahrer veranstalten eine Initiative – Taxi Amico. Für die älteren Römer erledigen sie kostenlose Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten. Noch früher wurde angefangen, sie fuhren Ärzte und Krankenschwestern aus dem Spalazzani Infectious Diseases Hospital, wo Coronavirus-Patienten versammelt sind, umsonst nach Hause. Die arbeiten vierzehn Stunden am Tag und danach am Ausgang warten auf sie die Taxifahrer.

Hieronymus Bosch
4 Jahre her

Kurze Zwischenfrage: Hat der Papst schon mit Gott gesprochen? Wie ist der aktuelle Sachstand? – Und was sagt eigentlich Mohammed zur Corona-Krise?

cmh ungefragt
4 Jahre her
Antworten an  Hieronymus Bosch

Mohammed berät sich gerade mit Lenin.

Und wenn Sie sich nicht selber denken können, was Gott IHnen sagen würde, dann würden Sie auch nicht verstehen, was er Ihnen durch den Papst gesagt hätte.

Vielleicht sollten Sie auf die Hadsch gehen und am Berge Arafat figurieren.

olive
4 Jahre her

In der CH hiess das früher Krankenschwester/pfleger, heute Pflegefachfrau und Pflegefachmann, z.T. mit Zusatzbezeichnungen wie Anästhesie etc. Ist das in D nicht auch so?

Albert Schaefer
4 Jahre her

Es gibt auch noch paar Deutsche, mit mehreren Kindern, auch wenn`s ungewöhnlich scheint. Ansonsten stimme ich Ihnen zu.

Lucius de Geer
4 Jahre her

Tipi hätte meinen Respekt, wenn er mal aufzeigen würde, was er mit seinem steuerfinazierten „Fordern“ eigentlich bislang Greifbares bewirkt hätte. Ansonsten: Alle Versatzstücke einer typischen Sonntagsrede gekonnt verarbeitet. Ich würde mich allerdings schämen, wenn ich von so etwas leben müsste.