Verzeihung, Herr Präsident! Anmerkungen über die Würde

Wenn von einem Amtsinhaber bloß noch die vermeintliche Würde seines Amtes übrig bleibt, ist der es nicht mehr wert, das Amt auszufüllen.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sorgt sich um die „Würde des Amtes“. Nicht seines, das der Kanzlerin: „Die Würde des Amtes ist die Würde des Amtes, und wir müssen damit – auch die Inhaberin des Amtes – behutsam umgehen.“ Verzeihung, Herr Präsident, Sie sind … auf dem Holzweg.

I.

Wenn von einem Amtsinhaber bloß noch die vermeintliche Würde seines Amtes übrig bleibt, ist der es nicht mehr wert, das Amt auszufüllen. Schäubles Einlassung verdeutlicht nur den Autoritätsverlust des Amtsinhabers. Die „Würde“ kann ihn nicht mehr retten. Insofern haben Sie recht, Her Präsident: Der amtierende Amtsinhaber geht nicht behutsam mit seiner „Würde“ um. Und wie ist das mit der „Würde“ eines Amtes, wenn der Amtsinhaber dem Land nachhaltigen Schaden zufügt? Hat nur der Amtsinhaber eine „Würde“ oder nicht auch das Land? Und wessen „Würde“ zählt mehr?

II.

Der gegenwärtige Amtsinhaber hätte „aus Würde heraus nicht anders handeln“ können, als „das Kabinettsmitglied zu entlassen.“ Hat das Kabinettsmitglied die „Würde“ des Amtsinhabers verletzt, weil er sich auf seine Amtspflichten berief und auf die gültige Gesetzeslage? Wo leben Sie denn, Herr Präsident? Im Kaiserreich? Sind Sie, Herr Präsident, ein Kanzlerkritiker oder – Verzeihung – ein Kanzlerknecht?

III.

Die „Würde“ des Amtes ist nichts, was man mit der Ernennungsurkunde verliehen bekommt. Auch ist das Pochen auf „Würde“ meist nur der hilflose Versuch, Unfähigkeit zu bemänteln. „Würde“ ist das, was der Mantel des Kaisers ausdrückt. Ist eine Insignie, sonst nichts. Auch seine neuen Kleider sind es. „Würde“ kann also auch ein Witz sein. Der demokratisch gewählte Kanzler braucht im Gegensatz zum Kaiser keine Insignien seiner Macht.

IV.

Ein Regierungschef besitzt nicht mehr „Würde“ als jeder andere Volksvertreter. Jeder Politiker hat sich um seine eigene Würde zu sorgen, nicht um die seines Amtes. Es war zum Beispiel ausgesprochen würdelos, wie ein anderer Amtsinhaber seinen neunundsechzigsten Geburtstag mit den an diesem Tag abgeschobenen neunundsechzig Afghanen in einen zynischen Scherz packte.

V.

Es verletzt weder die „Würde“ Deutschlands noch die „Würde“ Amerikas, sondern bloß die Würde Donald Trumps, wenn er mit haltlosen Lügen gegen Deutschland pöbelt. Damit macht er sich selbst lächerlich, aber nicht das Amerika, das er repräsentiert. Was sagen Sie, Herr Präsident, zum Auftritt dieses Präsidenten? Wie ist das zu beurteilen, wenn die „Würde des Amtes“ nicht vor Bullshit schützt? Oder macht die „Würde“ selbst Bullshit akzeptabel?

VI.

Hochwürden Schäubles Geschwafel über die „Würde“ versucht, ein Staatsamt und damit den Staat zu sakralisieren. Das ist preußische Tradition. Sie geht zurück auf Hegel, Schwabe auch er, noch da zu ein klerikaler. Von ihm stammt die antidemokratische preußische Staatsideologie, wonach der Staat sittlich unfehlbar sei, eine Instanz der Moral, die Verkörperung der Vernunft. Damit macht er auch die Repräsentanten dieses Staates zu sakrosankten Institutionen. Die Regierung steht dem Volk gegenüber. Das ist verhängnisvoller Unsinn. Marx war selbstverständlich ein Jünger Hegels. Beide waren Feinde der offenen Gesellschaft. Der freiheitliche Diskurs unterscheidet niemals zwischen Ämtern und Personen. Die Klerikalisierung der Politik (und damit ihre Moralisierung) ist verheerend für die offene Gesellschaft und die lebendige Demokratie. Das gilt auch für die Pfarrerstochter. Es hilft nicht, wenn wir ihr Wirken hilfsweise „Würde“ nennen.

VII.

Verzeihung, Herr Präsident, Sie sind ein Anbeter der Staatsmacht.Verzeihung, Herr Präsident, Sie sind ein Angsthase, der vor der Freiheit schlottert. Verzeihung, Herr Präsident, Sie sind auch nur ein Amtsinhaber.

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Kommentare ( 63 )

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Wuidara
5 Jahre her

Wenn es Herrn Schäuble wirklich um Würde im Zusammenhang mit einem Amt gehen würde, hätte er die Grünin Roth als Bundestagvizepräsident verhindert! Also, alles nur hirn-und sinnloses Gewäsch. Herr Schäuble sollte endlich in den
Ruhestand treten – oder hat er Angst davor, dass ihm sein fürstliches „Ruhestandsgehalt“ nicht reicht und er in der Altersarmut landet?

Alf
5 Jahre her

Und wie ist das mit der „Würde“ eines Amtes, wenn der Amtsinhaber dem Land nachhaltigen Schaden zufügt? Hat nur der Amtsinhaber eine „Würde“ oder nicht auch das Land? Und wessen „Würde“ zählt mehr?,
Meisterhaft auf den Punkt gebracht. Eine Wohltat.

benali
5 Jahre her

Wahrheit beschreibt das Wahrsein und die Übereinstimmung von Aussagen mit Sachverhalten, über die sie gemacht wurden. Oder: Wahrheit gibt den wirklichen und wahren Sachverhalt oder Tatbestand wider. Diese Definitionen klingen sehr versöhnlich, weil ihnen kein Tatbestand unterlegt ist.

Die Wahrheiten, die Herr Herles beschreibt, treffen die unterlegten Tatbestände. Und weil Herr Herles die Tatbestände sehr exakt beschreibt, werden die von ihm ausgesprochenen Wahrheiten auch für die Betroffenen unangenehm und obendrein noch sehr schmerzhaft sein.

So ist das oft mit der Wahrheit, wenn sie nicht unter dem Teppich verschwindet…

carlo torini
5 Jahre her

warum steht hinter „kanzlerknecht“ ein fragezeichen? seit jahren ist dieser herr der
schwanzwedelnde fifi seiner herrin merkel, die ihn dafuer mit amt und wuerden belohnt.
immer die stimme seiner herrin im ohr und mitleidheischend eine runde im rollstuhl drehen, so wird man zum saeulenheiligen des landes. merke schaeuble: nichts verletzt die wuerde eines amtes mehr als ein unwuerdiger amtsinhaber.

Stefan L.
5 Jahre her

Ich bitte um ein Beispiel von Trumps haltlosen Lügen ggü. Deutschland!

Egal welcher Ausrichtung eines Intellektuellen, Trump scheint mit seiner hemdsärmeligen Art generell ein rotes Tuch für den Intellektuellen zu sein…

ErwinLoewe
5 Jahre her

Claudias Buntstifte-Video: https://youtu.be/WbwjpozDov8 Vor dem Ansehen alle Tischkanten wegschieben. Ansonsten besteht Gefahr des Reinbeißens.

ErwinLoewe
5 Jahre her

Leider haben 709 – 92 (Afd) – 2 (Fraktionslose) = 615 Bundestagsabgeordnete geschlossen beschlossen, die 94, die in das Haus der schon länger dort Hockenden durch Beschluss des Souverän eingewandert sind, zu bekämpfen, zu diffamieren, zu behindern, zu beleidigen, kurz: Sie wieder aus dem Bundestag verjagen zu wollen.

Das ist halt der Unterschied zwischen Einwanderung und Einwanderung.

Wuidara
5 Jahre her
Antworten an  ErwinLoewe

Das wird ihnen aber nicht gelingen. Ich habe den Eindruck, je bösartiger mit den Vertretern der AFD umgegangen wird, desto mehr Wähler fühlen sich „aufgefordert“ diese Partei zu wählen. Wenn man sich Ausschnitte von BT-Debatten anschaut kann einem schon schlecht werden, mit welcher Dreistigkeit von z.B. Roth und wie gesehen von Kubicki das Ende der Redezeit durchgesetzt wird. Wahrlich demokratisch!

Karl Heinz Muttersohn
5 Jahre her

Klar doch, es gehört sich nicht für den Untertanen einen Amts- und Würdenträger zu kritisieren. Erstens hat der Untertan bekanntlich eine ziemlich eingeschränkte Sicht der Dinge und zweitens sind die heilige Angela sowie der Papst unfehlbar!

Die Zahnfee
5 Jahre her

Es gibt nur natürliche Autoritäten. Das sind Menschen, die in besonderer Weise bestimmten Aufgaben gewachsen sind.
Gerade im Berufsleben ist es hin und wieder zu beobachten, dass Einzelne mit herausragendem Wissen, Können und Talent ausgestattet sind, die ein kluger Chef für eine höhere Position nutzbar machen würde. Oftmals werden aber aus Nachsicht gegenüber den bisherigen Positions-Inhabern die natürlichen Autoritäten nicht an geeigneter Stelle eingesetzt. – Würde besitzt jeder Mensch, aber nicht jeder kann jedes Amt würdig ausfüllen.

Paul J. Meier
5 Jahre her

Wer wollte das nicht, dass dieses würdevolle Amt endlich wieder mit jemand besetzt ist, dessen Charisma dem auch gerecht ist. Der würdelose Abgang Schröders ist uns noch genauso in Erinnerung, wie die trotzige Pattexmentalität Merkels. Wenn ein Amt so faszinierend ist, wie das des Kanzlers, sollte seine Würde allein schon durch zeitliche Begrenzung beschützt werden. Der Gewöhnungseffekt unterminiert den Respekt vor diesem Amt genauso, wie eine überforderte Personalie diesen schädigt. Schäuble sollte klären, was er selbst zur Herabwürdigung des Amtes getan, bzw. nicht getan hat. Auch Untätigkeit ist kein behutsamer Umgang, sondern Gleichgültigkeit oder Egoismus, je nach Intention.