Publikumsbeschimpfung

Wolfgang Herles freut sich über den Nobelpreis für Peter Handke und nicht über Donald Trump.

Wie mache ich das jetzt? Soll ich mir schon wieder einen Shitstorm einhandeln, weil ich Trump für ein Verhängnis halte, was er in dieser Woche nachhaltig bestätigt hat?

I.

Die Weltmacht USA wird per Twitter regiert. Die Sätze sind so kurz wie die Gedanken des Präsidenten. In dieser Woche hat er die Kurden verraten, die einzigen zuverlässigen Bündnispartner in einer Weltgegend, die zuvor schon ein anderer amerikanischer Präsident destabilisiert hat. Solche Fehler sind nicht dadurch gut zu machen, dass man einem islamistischen Diktator das Feld überlässt. Das verdoppelt nur den Irrsinn der amerikanischen Nahostpolitik. So beschränkt ist Trump allerdings nicht, dass er nicht wüsste, was er anrichtet. Aber Wahlkampf geht vor Verantwortung. Er ist eben kein Staatsmann, sondern nur Wahlkämpfer. Der NATO-Partner Türkei bringt nun Tod und Schrecken über die Kurden, die den IS besiegt haben. Sie, nicht Trump, der das nur behauptet. Die anderen NATO-Staaten, einschließlich Deutschland, lassen es zu, lassen sich von Erdogan erpressen – der damit droht, die nächste Flüchtlingswelle frei zu setzen. Die kommt sowieso. Jemand muss die armen Kurden ja nehmen. Aber ich rege mich nicht auf, nur damit mir wieder einige hundert mails bestätigen, dass ich ein verdammter Mainstream-Idiot sei, der die Genialität des inzwischen offen größenwahnsinnigen Trumps verkenne.

II.

Wie wär´s denn, wenn wir auf dem rechten Augen weniger blind wären, auch wenn uns die linken und roten Klimafaschisten genauso bedrohlich erscheinen? Ich drehe die Hand nicht um zwischen Höcke und Rackete. Bitte! Wo bleibt der nächste Shitstorm? Ob von rechts oder links ist mir egal. Unsere Polizei kann weder Synagogen adäquat bewachen, noch Straßen und Plätze von den Aktivisten einer apokalyptischen Klimasekte räumen. Unsere Gleichgültigkeit bringt uns um. Aber darüber will ich mich nicht echauffieren.

III.

Will heute nur jubeln, mich nichts als freuen. Ich freue mich über den Nobelpreis für Peter Handke. Ein deutscher Dichter! Moment, ehe Sie loslegen. Ich sage nicht: Heim ins Reich. Aber es gibt keine österreichische Literatur. Es gibt nur die eine deutsche Sprache. Meine Liebe zur deutschen Literatur ist die einzige Form von Nationalismus, die ich mir gönne. Ich lebe in dieser Sprache. In ihr bin ich zuhause. Nicht in Berlin. Das zeichnet die Literatur Handkes aus: Sie huldigt der Sprache. Sie setzt auf Genauigkeit und Poesie. Nahezu jeder Satz ist vollkommen. Er stammelt sich nicht durch die Jargons der Gegenwart, verheddert sich nicht in aktuellen Plots. Er hat keine Botschaft außer der, dass es die Schönheit der Sprache gibt. Er besitzt Stil und er wirkt stilbildend. Dieser Stil dominiert alle seine Texte, ob er den Berg Cezannes, den Mont Saint Victoire, schreibend erwandert oder einen „Versuch über den Stillen Ort“ unternimmt. Richtig! Sein Buch über Toiletten ist hinreißende Sprachkunst.

IV.

Es endet übrigens mit dem schönen Satz: „Das Grölen, Gellen, Toben und Kreischen draußen: verwandelt in Volksgemurmel und Weltgeräusch. Los auf, zurück zu den anderen, vielsilbig, voll von Redelust.“

Handke hat sein Publikum niemals beschimpft, auch nicht mit dem frühen Stück dieses Namens. Er hat es beschenkt, weil er es nicht unterfordert hat.

V.

Womit wir wieder bei der getwitterten Weltordnung wären. Handke ist von gestern. Seine Sprache gibt es nur noch an den Rändern der Literatur – zum Glück wirft der Nobelpreis ein Licht auf sie. Wenn die Sprache zugrunde geht: Dies ist die wahre Apokalypse. Je kürzer die Nachrichten, desto gewaltiger und gewalttätiger das Gewäsch. Wir sind dabei, den Wert der Sprache, wie den Wert von Bildung überhaupt, zu ignorieren. Man beurteile bitte Trump und den Mörder von Halle an der Qualität ihrer Sprache! Der nächste Shitstorm gefällig!

VI.

Handke ist ja nicht unpolitisch. Aber auch nicht Mainstream. Er verwendete sich im Balkankrieg für Serbien. Wir supermoralischen Deutschen schlugen uns auf die Seite Kroatiens und gossen damit Öl ins Feuer des Balkankriegs. Kroatiens Staatschef Tudjman war ein mindestens ebenso übler Nationalist wie der Serbe Milosevic. Die deutsche Regierung hat auch damals die Sprache des Hasses nicht verstehen wollen und wie so oft auf dem falschen Fuß Hurra geschrien.

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Kommentare ( 97 )

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Manfred Gimmler
4 Jahre her

Nun machen Sie aber mal halblang, Herr Herles! Sie sind doch kein Schneeflöckchen. Sie werden noch gebraucht.

Di Limonati
4 Jahre her

Herr Herles, bitte sprechen Sie nicht in der Art und Weise über den besten Politiker aller Zeiten. Donald hat niemanden verraten, auch nicht Ihre geliebten Kurden. Öczalan sitzt nicht umsonst seit 30 Jahren im Knast. Seine Anschläge haben damals Europa erchüttert und viele Tote hinterlassen. Nach wie vor wird die PKK als Terrororganisation eingestuft. Fast alle syrischen Kurden bekennen sich zum sunnitischen Islam und Sie wißen, dass Sunniten, genau wie Shiiten, kein Erbarmen kennen. Die Kurden im Norden Syriens verstünden sich als „sozialrevolutionäre Bewegung“, die nach Autonomie von den Syrern strebe, sagte Nahost-Experte Michael Lüders im Dlf. „Sie ist liiert… Mehr

Regina Lange
4 Jahre her

Von mir gibt es keine Schelte! Ich konnte den Trump noch nie ab! Der ist von seiner ganzen Art her einfach fürchterlich! Seine gnadenlose Selbstüberschätzung ist zum Abgewöhnen! Aber er ist der demokratisch gewählte Präsident der USA und das muss man einfach akzeptieren! Ich kann alle demokratisch gewählten Staatsoberhäupter akzeptieren, da bin ich deutschen Politikern und den deutschen MSM Lichtjahre voraus!

Moses
4 Jahre her

Ja, ich dachte besser über Tramp. Es ist ein übler Verrat, was er getan hat.
Ein anständiger Mensch macht so was nie.

Abraham
4 Jahre her

Herr Herles, bitte machen Sie weiter! Und Herr Tichy, lassen sie Herles weitermachen und opfern sie ihn nicht dem Kommentatoren-Mainstream! Zu Handke: Dass auch Tudjman kein Kind von Traurigkeit war und z.B. die Krajina von Serben „ethnisch säuberte“: ist wahr. Aber was Milošević zusammen mit Karadžić und Mladić an den Bosniern unter den Augen von EU und UN verübte, war ein veritabler Völkermord. Vor dem „Scheibenschießen“ in Sarajevo, den Folterlagern und dem Massaker von Srebrenica waren die bosnischen Muslime in keineswegs extremistisch, bis sie sich dank großzügiger Hilfe aus Saudiarabien usw. radikalisierten. Insbesondere entwickelte sich der muslimische Opfermythos nach Srebrenica… Mehr

Hannibal ante portas
4 Jahre her

Bei Trump bin ich persönlich voll bei Ihnen. Seine „Charakterschwächen“ in einer existenziellen Krise möchte ich mir nicht ausmalen. Ihre Angst ins „Heim ins Reich“-Fraktion geschoben zu werden, sobald Sie Handke in der deutschen Literatur verorten finde ich sehr interessant: schauen Sie ´mal: in das gerade in der Bundesrepublik so sehr angesehene Paulskirchenparlament von 1848/49 schickten Wahlkreise vom Mittelmeer!! bis ins heutige Dänemark, vom heutigen Litauen bis nach Luxemburg und Liechtenstein Ihre Abgeordnete. Das damalige Einheitsbestreben ( alle Bürger deutscher Zunge in einem Staat zu vereinen) war neben dem Demokratiegedanken damals zumindest ebenbürtig! Dass zwischen damals und heute 170 Jahre… Mehr

Kunze
4 Jahre her

Liebhaber der deutschen Sprache? Liebhaber? Da fallen mir ein Benn, Brecht, Bernhard und Bachmann zum Beispiel. Mann und Koeppen auch. Aber bevor ich so bescheiden werde wie Sie, sehr geehrter Herr Herles, werde ich lieber abstinent. (Mehr Schitt gibt’s heut‘ nit.)

StefanB
4 Jahre her

„ Je kürzer die Nachrichten, desto gewaltiger und gewalttätiger das Gewäsch.“ Ja… „Ratten“, „Pack“, „Dunkeldeutsche“, „Wir schaffen das“, sind bezeichnenderweise noch kürzer als Trumps Gezwitscher. Jeder mag ja von Trump halten, was er will. Aber eine solch einseitige Betrachtung wie die hier, noch dazu, wenn es um die DEUTSCHE Sprache geht, ist dann doch irgendwie „unvollkommenen“. Unvollkommenen ist auch die Betrachtung des Rückzugs Trumps aus Syrien. Wenn von den europäischen Bündnis“partnern“ kaum einer vor Ort ist (und sich schon gar nicht die Hände schmutzig macht), kann man freilich auch nicht kritisieren, dass ein Abzug dieser „Partner“ stattfinden würde. Die „glühenden… Mehr

Besserfriese
4 Jahre her

Ich lese Herles immer gerne. Ich muss auch nicht immer mit allem einverstanden sein, was ich hier lese. Also, auf jeden Fall weitermachen! Unbequeme Dinge regen zum Denken an.

Karl Napp
4 Jahre her

Ach, werter Herr Herles, hören Sie auf. „Die Weltmacht USA wird per Twitter regiert. Die Sätze sind so kurz wie die Gedanken des Präsidenten.“ Sofern die „Weltmacht USA per Twitter regiert (wird)“ – was solls? Ist das ein Grund zur Kritik? Es funktioniert – um Längen besser als bei seinem Vorgänger. Ich würde mir nichts sehnlicher wünschen, als dass unsere Ewigkeitskanzlerin dieses Verfahren von Trump übernähme. Und „so kurz“ sind die Gedanken des Präsidenten denn auch nicht. Immerhin erinnert er sich seiner Wahlversprechen und setzt sie Schritt für Schritt um. Beispiele gefällig? Amerika first! Ja, was denn sonst? Wofür wurde… Mehr

maxmink
4 Jahre her
Antworten an  Karl Napp

Herr Herles hat die Bundeskanzlerin nun wirklich sehr oft und sehr deutlich kritisiert.
Ihre Unterstellung ist daher völlig unangebracht.

Hannibal ante portas
4 Jahre her
Antworten an  Karl Napp

Der Feind meines Feindes wird nicht automatisch mein Freund.