Ist die CDU reif für Merz? Und Merz reif für die CDU?

Noch erweckt die CDU den Eindruck, alles drehe sich darum, wie sich die Partei von den rechten und linken Rändern vorschriftsmäßig distanziert und abgrenzt. Doch der Konkurrent um die Kanzlerschaft sind die Grünen.

Es wird für die CDU nicht alles immer schlimmer. Wie der Wettbewerb um den CDU-Vorsitz auch ausgehen wird, es kann nur besser werden. 

I.

Vielleicht das beste: Ein Katholik aus dem Westen wird das Rennen machen. Und einer, der noch weiß, was die Bonner Republik und dessen führende Parteien einmal gewesen sind. Alle drei Kandidaten haben in Bonn Jura studiert – einer hat nach dem ersten Staatsexamen aufgehört. Kirchennähe – Laschet leitete ein Kirchenblättchen – ist wahrlich keine Empfehlung, doch einer moralinsauren protestantisch sozialistischen Neigung ist keiner der drei verdächtig.

II.

Der dümmste Einwand der Berufskritikaster: Dass keine Frau mehr im Rennen ist. AM, UVL und AKK sind gleichzeitig die mit Abstand mächtigsten CDU-Größen (gewesen). Ist das vielleicht normal? Mir fällt im Nachkriegsdeutschland nicht ein Mann ein, dem man so viele nachhaltige Fehler so nachgesehen hätte wie den derzeitigen Häuptlinginnen in Berlin und Brüssel. Kein männlicher Versager hätte es jemals so weit gebracht.

III.

Bis zur Wahl im April darf sich kein Kandidat von Merkel distanzieren. Es wäre tödlich angesichts der Konsensmentalität in der Partei und der Restpopularität der Kanzlerin. Sie müssten nicht so weit gehen wie Laschet, der sogar behauptet, Merkel habe Krisen gemeistert. Ein Witz von Trumpscher Qualität. Das Gegenteil der Wahrheit wird dreist zur Wahrheit erklärt. Allein an der Tiefe des Kotaus und der Lautstärke, mit der sie die Kanzlerin und die angeblich so glücklichen Jahre ihres Regimes rühmen, kann man die drei von der Baustelle unterscheiden.

IV.

Wer auch immer sich um eine Kanzlerkandidatur bewirbt: Er wird AM so rasch wie möglich hinter sich lassen müssen, mental und faktisch. Der Nächste muss das Tänzchen wagen. Sonst wird er nach dem noch immer gültigen ius primae noctis des politischen Spätabsolutismus entjungfert. Es ist ein Unding, dass Merkel dem nächsten Kanzlerkandidaten den womöglich entscheidenden Vorteil verwehrt: den Kanzlerbonus. Es ist verrückt, dass der Neue von Aufbruch nur schwafeln darf, während im Kanzleramt der personifizierte Abbruch residiert. Und es ist nicht zu glauben, dass sich das die CDU noch immer bieten lässt. Die zwingende Alternative zur Großen Koalition wäre ein neuer Kanzler an der Spitze einer Minderheitsregierung bis zu vorgezogenen Neuwahlen.

V.

Laschet ist im Vorteil, weil er erklärtermaßen kein Konzept hat, mit dem er AM inkommodieren könnte. Er behauptet, alles tun zu wollen, dass es zu keinem Richtungswechsel kommt. Doch es wäre eine absurde Verengung der Debatte, unter Richtungswechsel nur einen Rechtsruck zu verstehen. Der CDU ist nicht mit Gesäßgeographie geholfen, sondern nur mit einer Politik, die das Trockental in der Mitte flutet. Laschets bereits hundertfach wiederholtes Credo: Ich regiere NRW so toll, dass das Modell NRW für das ganze Land taugt. Selbst das wäre schon eine andere Richtung. Ob sie genügt, darf bezweifelt werden. Seine Wähler sollen einen Spahn für einen neuen Dachstuhl halten. Auch Laschet spricht von Aufbruch in die Zwanziger Jahre mit ganz anderen Herausforderungen als die der vergangenen Jahrzehnte. Da hat er Recht. Nur müssen die Zwanzigerjahre bei ihm noch zwei Jahre warten – falls es ihn dann als Kanzlerkandidaten überhaupt gibt. So nett und unverbindlich harmlos, wie er aussieht, ist er aber nicht. Sein Trick besteht darin, die Konkurrenten Merz und Röttgen als unfähig zur Teamarbeit darzustellen. Hätte er denn zugunsten eines anderen verzichtet?

VI.

Zu erleben ist das alte deutsche Narrativ. Wieder wird Demokratie als Machtkampf denunziert. Wenn man schon keinen Richtungsstreit will, dann erst recht nicht so etwas Überflüssiges wie eine offene Kampfkandidatur. Davon träumt der Funktionär. Norbert Röttgen gebührt das Verdienst, diese Absicht zerstört zu haben. Kommentatoren, die der CDU nichts Gutes wünschen, spielen nun Kassandra: Die Rückkehr zu demokratischen Gepflogenheiten werde die Partei zerreißen. Einen größeren Quatsch hat man selten gehört. Die CDU hat nun die Chance, zu begreifen, was die Partei einmal gewesen ist und wieder werden könnte – vorausgesetzt, sie wagt den Richtungsstreit. Und wie jeder Richtungsstreit muss er sich an Personen kristallisieren.

VII.

Ist Merz reif für die CDU? Oder ist die CDU reif für Merz? In diesen beiden schlichten, doch genau besehen verzwickten Fragen steckt das ganze Elend dieser Grand Old Party. Ein zweifaches Ja wäre wahrlich kein positiver Befund. Ein Nein aber auch nicht.

VIII.

Der Neue, wer immer es sein wird, muss zunächst einmal den Hauptgegner identifizieren. Noch erweckt die CDU den Eindruck, alles drehe sich darum, wie sich die Partei von den rechten und linken Rändern vorschriftsmäßig distanziert und abgrenzt. Diese Debatte frisst fast die gesamte Energie. Was für eine Verschwendung! Der große Konkurrent um die Kanzlerschaft sind die Grünen und ihr Leuchtturm Habeck. Der einzige, der das bisher klar formuliert hat, heißt weder Laschet noch Röttgen noch Merz, sondern Söder. Ihm schwant, dass es nicht mehr darum geht, wer der nächste CDU-Kanzler werden soll, sondern ob es überhaupt einen geben wird.

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Kommentare ( 74 )

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moorwald
4 Jahre her

Die Größe oder Bedeutung von Politikern zeigt sich auch daran, ob sie große Gefühle auf sich ziehen: Bewunderung, gar Liebe, aber auch Haß und Feindselgikeit. Trump wäre hier z.B. exemplarisch zu nennen. Wird Merkel bewundert wegen ihrer Politik? Oder als Persönlichkeit? Von Liebe ganz zu schweigen. Aber auch hassen kann man sie eigentlich nicht, auch nicht verachten. Trotzdem befällt einen, wenn man sie sieht und hört ein tiefes Gefühl der Abneigung wie etwa beim Anblick von etwas Schleimigem, Ekligem, das man nicht recht benennen kann. Es ist eine Art von unheimlicher Leere. Große Gefühle finden an Merkel einfach nichts, woran… Mehr

moorwald
4 Jahre her

Schneller als gedacht, kommt die Stunde Wahrheit. Schon denkt man in der CDU über nationalen Grenzschutz samt Zurückweisungen nach. Und der kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Baerbock von den Grünen möchte dagegen alle aufnehmen und dann auf die EU-Staaten verteilen. Gab’s da nicht schon mal Pläne von der „großen Politikerin“ (STERN), der letzten Hüterin der freien Welt? Jedem realistisch Denkenden war schon immer klar, daß Erdogan irgendwann dieses ihm geschenkte Druckmittel gebrauchen würde. Nun kehrt der „Deal“ zu seinen Erfindern zurück – allerdings in Gestalt seiner häßlichen Kehrseite. So erledigt sich ganz von selbst auch ein… Mehr

moorwald
4 Jahre her

Vor der Therapie muß die Diagnose stehen. Für Deutschland und die Deutschen heißt das einfach, die wirklichen Probleme und Zukunftsaufgaben von den bloß eingebildeten oder propagierten trennen können.
Fällt diesem notorisch zu Träumereien und Größenwahn (auch im Büßergewand als moralische Supermacht)) neigenden Volk besonders schwer. Nüchterner Sinn im Politischen und Pragmatismus zählen nicht zu seinen Stärken.
Wer wird auf dem Wege zum Realismus vorangehen können und – vor allem – wollen, mit dem Mut zum vollen Risiko?

moorwald
4 Jahre her

Kleiner Sonntagsausflug Viel Wind hier im Nordwesten, dafür wenig Sonne Nur ein zu Maßlosigkeit und Übertreibungen neigendes Volk wie das deutsche konnte wohl auf die aberwitzige Idee kommen, den Strombedarf einer hochentwickelten Industrienation allein mit Wind- und Sonnenenergie decken zu können. Damit der Irrsinn weniger auffiel, hat man schnell noch den „Überbau“ einer Weltrettung drübergestülpt. Auch die Energiewende spaltet die Gesellschaft – und das ganz handfest. Es gibt die Gläubigen und die Profiteure, und die beiden Gruppen dürften nur selten identisch sein. Die einen zahlen und fühlen sich gut und edel. Die anderen kassieren 20 Jahre lang ein risikoloses Einkommen… Mehr

honky tonk
4 Jahre her

Wo soll der Kevin denn „arbeiten“? Etwa im Archiv der Antidiskriminierungsbehörde für die Gleichstellung von Gartenzwergen?Damit er auch ja nix kaputt machen kann?
In der freien Wirtschaft will den keiner!

StefanB
4 Jahre her

„Die CDU hat nun die Chance, zu begreifen, was die Partei einmal gewesen ist und wieder werden könnte – vorausgesetzt, sie wagt den Richtungsstreit.“

Stellt sich zunächst erst einmal die Frage, warum die Partei die letzten 15 Jahre keinen Gedanken daran verschwendet hat, dies aber mit einem neuen Vorsitzenden tun sollte. Das lag ja nicht an einer (der) Person allein. Vielmehr ist diese Person Ergebnis der Positionierung der Partei.

Winni
4 Jahre her

Nachgetragen: Unser jetziger Bundestagsabgeordneter heißt Sensburg Dr. der Juristerei und nennt sich mitlerweile sogar Professor an der Fernuni in Hagen. Die Frage muß erlaubt sein: Wie kann ich beides gleichzeitig sein? Mein Antwort: Die CDU ist total verkommen und auch nicht mehr reformierbar.

Dyl Ulenspegel
4 Jahre her

Meister Merz hat sich doch schon mit seiner Forderung nach längerer Lebensarbeitszeit ins ‚Aus‘ befördert und das hat er meiner Meinung nach mit dieser Forderung auch verdient.
Das war nicht sehr clever von ihm. In Frankreich kann Macron nicht einmal die Renteneintrittszeit mit 62 durchsetzen. Aber der dumme Michel arbeitet ja bis zum umfallen und finanziert nebenbei Röschens kommende Umweltpolitik wahrscheinlich mit dem Großteil der benötigten 2.3 Billionen aus der deutschen Portokasse!!!
Unsere Politiker – egal welcher Couleur – sollten vielleicht einmal anfangen an das eigene Volk zu denken! Wie sagte doch Adenauer: ‚Man muss auch jönne künne!‘

Winni
4 Jahre her

Laschet ist mit seiner rheinisch-fröhlichen Hinterhältigkeit nur zum MP von NRW geworden, weil Die SPD vollständig versagt hat. Was man Frau Kraft zugute halten muß, ist die Einsicht ihrer eigenen Unfähigkeit zur Kanzlerkandidatin der SPD. Bei der nächsten Wahl in NRW wird wieder Links gewählt, darauf halte ich jede Wette. Laschet als Kanzler, wäre der nächste Witz.

Winni
4 Jahre her

Friedrich Merz, Sohn eines Richters, und Assistent von Hermann Kroll-Schlüter, eines Bundestagabeortneten des HSK, der seinerzeit auch gewählt worden wäre, wenn die CDU einen Ziegenbock aufgestellt hätte, hat in Saarbrücken Jura studiert. Danach ging es ins EU-Parlament. Ein Schelm, der böses dabei denkt. Übrigens: Der chancenlose Dauerkandidat der SPD im HSK hieß Franz Müntefering.