SPD scheinbar allein zuhaus‘

Der Tag der Wahrheit naht - spätestens zur Mitte einer kleinen GroKo oder bei deren Nichtzustandkommen am 16. Oktober dieses Jahres gleichzeitig mit der Landtagswahl in Bayern. In der CDU wird das hinter den Kulissen vorbereitet.

Umfrageergebnisse bewerten wir bei TE nicht als Prognosen. Kommen mehrere Institute auf ähnliche Ziffern, hält das länger an, könnten sie einen Trend abbilden, nicht mehr, nicht weniger. Die SPD muss der gegenwärtige Pegelstand nicht nur alarmieren, sondern von einem Dilemma ins andere stürzen. Wenn aber die anderen Parteien meinen, das wäre nur ein Problem der SPD, irren sie.

Ob sich die SPD für oder gegen eine kleine GroKo entscheidet, kann es – gemessen an weiteren Umfragen – immer nur noch schlechter machen. Dass die CDU in den Umfragen bisher weniger betroffen ist, verdankt sie ihrem kaum sichtbaren Agieren im Windschatten der SPD. Das gilt auch für die Grünen, die zudem auf ihrem Milieusockel unter der 10-Prozent-Marke relativ sicher sitzen. Für Linkspartei und FDP fallen – nach dem inzwischen verbreiten Volksspott „AfD für Feiglinge“ – Krümel vom Erfolgstisch der AfD ab. Die AfD selbst ist – bis auf weiteres – eine eigene Kategorie, die ja ihr Entstehen und ihr Wachstum dem Versagen der schon lange und länger etablierten Parteien verdankt.

Dieses Versagen bestand und besteht weiter im krampfhaften Ausklammern der irreführend Flüchtlingskrise genannten Massenzuwanderung und ihrer Folgen sowie aller Euro- und EU-kritischen Fragen. Das sogenannte Bürgertum bei den Wählern von CDU, CSU, FDP, Grünen und SPD fühlt sich bei den Folgen materiell nicht getroffen. Das hält diese Bürgerlichen trotz mentaler Betroffenheit bei der Stange.

Die alte SPD-Klientel der Geringverdiener hingegen ist zur AfD gewechselt, eine Minderheit zur Linkspartei. Die sozial schwächsten unter ihnen im Niedriglohnsektor erfahren die direkte Konkurrenz der Zuwanderer, die dort Fuß fassen. Hier geht es oft um die nackte Existenz.

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CDU-Unzufriedene, denen der Sprung zur AfD zu groß ist, parken bei der FDP. Die FDP selbst hat noch mehr unzufriedene Funktionäre an die AfD verloren als einfache Mitglieder und Wähler. Zwischen Linkspartei und AfD gibt es Wählerbewegungen in beide Richtungen, die quantitativ nicht groß sind, aber die Führungen beider Parteien beschäftigen: der gemeinsame Nenner von Antikapitalismus, Antiamerikanismus und Antiglobalismus sticht ins Auge. Das alles wissen Mitarbeiter in seriösen Instituten der Sozialwissenschaften und auch der Meinungsforschung. Es ist nur „oben“ unerwünscht, dass sie öffentlich darüber reden. Es gibt auch genügend Journalisten in vielen Redaktionen, denen das und mehr bewusst ist. Verständlicherweise wollen alle ihre relativ sicheren Jobs nicht verlieren. In den Redaktionen und Instituten selbst sprechen die Kollegen miteinander nur noch höchst selten und nur in vertraulichen Zirkeln darüber.

Im real existierenden Parteienstaat stehen nicht nur Abgeordnete, sondern auch ihre Mitarbeiter und jene im öffentlichen Dienst, deren Karriere von ihren Parteien abhängt, in der Gehorsamspflicht. Das gilt genauso für die Mitarbeiter in der sehr gestiegenen Zahl von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) von den alten der politischen Stiftungen bis zu den inzwischen hinzugekommenen. Wir reden hier vermutlich von zehntausenden Berufsexistenzen. Für sie alle steht und fällt alles mit dem Parteienstaat, wie er ist.

Doch der Tag der Wahrheit naht – spätestens zur Mitte einer kleinen GroKo oder bei deren Nichtzustandkommen am 16. Oktober dieses Jahres mit Bundestagswahlen gleichzeitig mit der Landtagswahl in Bayern. In der CDU wird das hinter den Kulissen vorbereitet. Gleichzeitig hören Kundige aus den Parteiversammlungen in Bayern und Hessen, dass die Unzufriedenheit groß ist. Das interessanteste Indiz: Wagt es jemand, Merkel zu kritisieren, erfährt er keinen Widerspruch, sondern verlegene bis schadenfreudige Zustimmung in den Mienen und Gesten, nicht verbal.

Davor werden am 6. Mai in Schleswig-Holstein die Kreistage, Stadtvertretungen und Gemeindevertretungen gewählt: ein für die Bundesebene nicht repräsentativer Test, den aber die Medien so werten werden.

Geht die Bundestagswahl zugleich mit der bayerischen Landtagswahl für die Union verloren, worauf ich wette, mündet das bei der hessischen Landtagswahl am 28. Oktober in einer Katastrophe für die CDU.

Danach ist kein einziges, denkbares Szenario ausgeschlossen. In jedem Fall verlieren dann Tausende ihre Jobs. Weshalb bis dahin nichts ausgeschlossen werden kann, was diese Tausenden zu tun bereit sind, damit ihr Fall nicht stattfindet.

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Kommentare ( 149 )

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Habe mich vor Wochen...
6 Jahre her

…schon gewundert, warum die bayerische LTW auf Mitte Oktober verschoben werden muss, damit sich ein seit Jahren an vorderster Front agierender Politiker namens Söder als „Minsterpräsident besser einarbeiten kann“. Danke für die Aufklärung, Herr Goergen.
Passt da nicht dazu, dass die Grünen gestern ihrem Herrn Habeck erlaubt haben, 8 Monate (Feb bis OKT= 8 Monate!) Umweltminister von SH und gleichzeitig Bundesvorsitzender zu sein; oder werde ich langsam paranoid?

Egbert
6 Jahre her

Ein interessanter Beitrag, der ueber das übliche „Vertonen“ der Umfragen hinausgeht. Ob sich nach weiteren Schlappen etwas aendern wird, darf aber bezweifelt werden. Das eigentliche Kuriosum ist doch, dass die Führung trotz miserabler Ergebnisse weder bei CDU/CSU noch bei der SPD ausgewechselt wird, vielmehr an ihren Sitzen zu kleben scheint.

Klaus Müller
6 Jahre her

Wunderbarer, scharfsinniger Artikel zum Ende des Tages. Ja, das Beben naht. Und jeder in weiß-blau sollte sich bitte seiner Verantwortung bewußt sein und sie wahrnehmen. Und danach wartet viel Arbeit auf uns an allen Ecken und Enden.

Leonor
6 Jahre her

Herr Georgen, Sie sind echt ein hit. Habe heute von Herzen gelacht. Ein Kollege hat mir berichtet, was für schönen Artikel er bei Tichy gelesen hat. Und habe festgestellt, der TE ist den meisten ein Begriff, wobei Sie auch als Favorit gelten.
Fand ich toll. Wollte den Kollegen nicht mit Leseempfehlungen kommen und sie bedrängen. Da stellt sich glatt heraus, es sind einige schon die Fans von Tichy.
Vielleicht ist doch noch nicht alles verloren, dachte ich mir heute..und das machte mich glücklich!

Leonor
6 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Sorry, habe nicht vollständig berichtet, bei dem Gespräch mit dem schwer beeindruckten Kollegen ging es um den Artikel “Spd scheinbar alleine zuhaus“.
Danke für dieses Werk

Markus
6 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Herr Goergen,
Ihren Artikel finde ich unglaublich gut gelungen.
Was aber die Geduld angeht, stimme ich nur teilweise zu, und da habe ich auch durchaus bekannte Unterstützer:
„Die Geduld ist eine niedere Form von Verzweiflung, die als Tugend verkleidet ist.“ (Ambrose Pierce)
„Es gibt eine Grenze, wo Zurückhaltung aufhört, eine Tugend zu sein.“ (E. Burke)
„Lange Bänke soll man lieben.
Vieles läßt sich darauf schieben.“ (E. Bellermann)
„Wo Geduld träge und lethargisch wird, nennt sie sich doch gern noch Toleranz.“ (Peter Rudl)

Riffelblech
6 Jahre her

Beim Lesen des Artikels sind mir doch einige widerspenstige Gedanken gekommen . All das aufgezeigte und tatsächlich vorhandene Elend in der deutschen Politik. Ist ja nun mal Realität . Scheußlich ,aber Tatsache .Welche Richtungsänderung gibt es eigentlich ? Nenne mir einer eine der sog . etablierten Parteien die Willens und Kräftens sind ,das Ruder herumzureißen . Bleibt nur der Neuankömmling . Geächtet ,geschmäht,verrissen ,denunziert ,dennoch offensichtlich die wortwörtliche Alternative. Also alles und Alle zur AfD ? Freilich scheint der Gedanke für eine Menge Menschen undenkbar . Aber bitte,wo ist die andere aufzeigbare Richtung ? Alles was bis jetzt im Bundestag… Mehr

Jürgen M. Backhaus
6 Jahre her
Antworten an  Riffelblech

Die Richtung wurde bereits 2011 vom sog. wissenschaftlichen Beirat formuliert, der den Staat als den Motor der großen (3.) Transformation der Menschheit postuliert und „die“ Politik ermutigt der allgemeinen Erleuchtung durch den neuen Akteur „Wissenschaftsexperte“ zu folgen. Selber denken ist überflüssig, die Nennung des Bürgers erübrigt sich, (nun eben auch in Demokratien). https://www.bundestag.de/blob/434158/6fbf11d713565fa35d4387383389407d/adrs-18-228-data.pdf Zur Erinnerung, was Zynismus bedeuten könnte: Peter Sloterdijk schrieb in seiner Abhandlung Kritik der zynischen Vernunft 1983, dass „Interaktionen von nicht entspannbaren Subjektivismen“ die „kommunikative Vernunft“ durch „Kommunikationsvortäuschungen ihren Privatbedingungen unterwerfen“. Kommunikationsmangel, Kommunikationsvortäuschung und Kommunikationsverweigerung seien „geradezu die Kennzeichen des modernen Machtzynismus, der Werte wie Liebe, Wahrheit,… Mehr

Klaus Müller
6 Jahre her

Weiterhin weigern sich die etablierten Parteien, das Problem illegaler Massenimmigration anzuerkennen und zu diskutieren. Diese Realitätsverweigerung aus Karrieregründen kennt man aus den Brezhnew-Jahren der späten Sowjetunion, sowie aus später bankrottierten Unternehmen, in denen das Management offene (ergo unbequeme) Diskussionen verhindert, bis es zu spät für eine Lösung ist.

Klaus Müller
6 Jahre her
Antworten an  Klaus Müller

Hoppla, ein Zwilling!

Timo Leary
6 Jahre her

Wie kommen Sie dazu, der AFD Antikapitalismus und Antiamerikanismus zu bescheinigen? Gibt es dafür Belege oder ist es der Lindner-Philie geschuldet?

Schlewig
6 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Nee Herr Goergen, Gauland wird ihnen einen Antiamerikanismus nicht bestätigen können. Weil es den einfach nicht gibt. Man hegt in der AfD große Sympathie für Trump. Na ja, wenn das Antiamerikanismus ist das soll es so sein.

Egbert
6 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Antikapitalismus bei AFD zu entdecken, fällt mir bei aller Heterogenität dieser Partei ebenfalls schwer. Meiner Ansicht macht sie den entscheidenden Fehler, nicht viel entschiedener die wirtschaftlichen und sozialen Interessen des kleinen Mannes, der sie wählt, zu vertreten. Taete die AFD dies, anstatt sich in bizarren Aussagen und Ansichten zu verheddern, waere sie nicht bei 12%, sondern bei 25%.

Delinix
6 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Ich denke, es wird vielleicht nicht deutlich genug, dass es nicht wirklich einen Antamerikanismus in der AfD gibt, aber sehr wohl eine starke Abneigung gegen die Globalisierung. Und weil – in der Vergangenheit – die größten und mächtigsten Beschleuniger und Befürworter der Globalisierung aus den USA kamen, sah es aus wie Antiamerikanismus. Die offen geäußerte Sympathie der AfD mit der Politik Trumps zeigt aber deutlich, dass es in Wahrheit gegen eine Globaliserung geht – und eben nicht gegen die USA. Ebenso kann man an den unfairen Reaktionen unserer MSM gegen einen demokratisch gewählten US-amerikanischen Präsidenten, die unverfrorensten „Berichte“ über einen… Mehr

Wolfgang Johansen
6 Jahre her

Mein Problem seit längerer Zeit: Viele erkennen und beklagen die Folgen der Masseneinwanderung. Aber keiner tut aktiv etwas dagegen! Mich eingeschlossen!

MM - Ruf aus der Stille
6 Jahre her
Antworten an  Wolfgang Johansen

Was schlagen Sie konkret vor, außer jene pol. Gruppierungen abzuwählen, die für gen. Masseneinwanderung verantwortlich zeichnen bzw. jene publizistischen Formate zu unterstützen, die gegen diese Entwicklung anschreiben?

MichaelM
6 Jahre her

Die Angst vor dem Endszenario ist durchaus berechtigt. Sollte Merkel fallen könnten auf einmal sehr unangenehme Wahrheiten zutage kommen, die zur Zeit noch zensiert und relativiert werden.

Die Konsequenzen für Kultur und Wirtschaft und letzlich auch für jeden einzelnen werden gigantisch sein und sind bisher gänzlich unabsehbar. Solange das Geld am Ende des Monats noch auf das Konto fließt regt sich kaum einer auf.

Deutschland ist zur Zeit schwerkrank, war aber noch nicht beim Arzt um eine Diagnose und einen Behandlungsvorschlag zu bekommen.

Hand Meier
6 Jahre her
Antworten an  MichaelM

Wenn jährlich zweistellige Milliarden-Summen durch Berliner Parlamentsbeschlüsse zu einer Lobby fließen, dann geht das nur, wenn Politiker anonyme Auslandskonten haben, wo sie dafür bezahlt werden, so zu handeln. Da haben so Viele garantiert „Dreck am Stecken“.

Jürgen J. G.
6 Jahre her

Die nächste Hiobsbotschaft, das angedachte Gruselkabinett der kleinen GroKo.
Bleibt uns denn nichts erspart? Deutschland, das Land der Politkatastrophen. 1914-2018

https://m.focus.de/politik/deutschland/groko-postengeschacher-fuer-merkels-bisherigen-aussenminister-wird-es-ploetzlich-eng_id_8350107.html?inappcomments=true&inapp=true