Nicht Elite, nur Obrigkeit

Bürger sind nicht einfach käuflich, wie die politische Obrigkeit in ihrer beschämenden Volksverachtung denkt. Sie wollen über tatsächliche und angebliche Wohltaten hinaus wissen, unter welchen Umständen sie und die ihren morgen leben können werden.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

„Die Infrastruktur in Deutschland müsse leistungsfähig bleiben. Die SPD lehne aber nicht generell finanzielle Entlastungen für die Bürger ab. ‚Ja, wir sind für Entlastungen, wenn wir sie bezahlen können‘, sagte Schulz.“ Steht in einem Bericht der FAZ über die „Eckpunkte“ des Wahlprogramms, welche die Obrigkeit der SPD erst noch nicht vorstellen wollte, jetzt aber in Torschluss-Panik, gejagt von den Medien, doch präsentiert.

Martin Schulz steht da nur beispielhaft nach dem Motto, kennst du einen, kennst du alle. Mit Verlaub, „wenn wir sie bezahlen können“? Diese „Wir“ zahlen gar nichts, diese „Wir“ kassieren nur. Diese „Wir“ geben das zwangskassierte Geld so aus, wie sie es für nützlich halten – vor allem nützlich für sich selbst. Einmal für die ständig der gesellschaftlichen Entwicklung der Löhne weit voraus eilenden noch höheren Einkommen für sich selbst und ständig steigenden Ausgaben für ihren Politikbetrieb. Und das andere mal für den Stimmenkauf, der oft abenteuerlich ungekonnt an den tatsächlichen Wünschen der vermuteten Klientel der eigenen Partei vorbei zielt, nur teuer ist und nicht einen Bruchteil dessen bringt, was sich die jeweilige Partei an Wählerwirkung verspricht.

Das drückt sich bei dem Steuerthema so deutlich aus wie kaum sonst. Alle Parteien und Politiker reden beim Steuern einnehmen, ausgeben und senken (das nennen sie „entlasten“) immer nur in Millionen und Milliarden. Als Guido Westerwelle und Hermann Otto Solms das vor 15 Jahren auch taten, gab ich ihnen einen Rat. Sie sollten das den Wählern darstellen, indem sie zeigen Vorher – Nachher: Vater, Mutter, Kind, zwei Kinder, Durchschnittsverdienst monatlich Netto – bisher und nach der Steuerreform der FDP. Solms ließ das rechnen, der Unterschied war nicht vorzeigbar, weil lächerlich minimal. Also, sagte ich, keine überzeugende Botschaft. Also redeten die beiden weiter – wie alle Parteien und Politiker bis heute – in Millionen und Milliarden Steuern rauf und runter. Die Öffentlichkeit lässt sich solchen Sand in die Augen streuen. Und keine Medien machen das durch den Anwendungstest für die Bürger verständlich und sichtbar.

Obendrein gibt es etwas, was der politischen Obrigkeit in ihrer Abgehobenheit von denen, die sie wählen sollen, systematisch und regelmäßig entgeht. Die Bürger wollen jenseits von tatsächlichen und angeblichen Wohltaten eine Richtung im Handeln der Politiker erkennen, möchten sich vorstellen können, wo das hinführt, was „die da oben“ tun und welche Lebens-Wirklichkeit sie selbst und ihre Kinder innerhalb ihrer Lebensspanne erwarten dürfen oder müssen.

Die Bürger sind nicht so vordergründig käuflich, wie das die politische Obrigkeit in einer höchst bedenklichen Volksverachtung offensichtlich meint. Aber wahrscheinlich schließen diese Funktionäre in Politik und Gesellschaft ganz einfach nur von sich selbst auf alle anderen.

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Kommentare ( 50 )

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Matthias Losert
6 Jahre her

„Die Bürger sind nicht so vordergründig käuflich, wie das die politische Obrigkeit in einer höchst bedenklichen Volksverachtung offensichtlich meint.“ – Hr. F. Görgen Die politische Obrigkeit muss Wahlen finanzieren, um Oben zu bleiben. Da das Volk an politischen Kernaufgaben wie Sicherheit interessiert ist, wird der Wähler durch „Idealismus“ mobilisiert. Danach etabliert die Obrigkeit ein „Anreizsystem“, was Kapital vom Steuerzahler zu Kapitalbesitzer umschichtet. Bsp.: Wärmedämmung senkt das Klimarisiko. Die Investoren können Kosten für die Wärmedämmung auf Mieter umlegen. Da die Miete stärker steigt als die Ersparnis durch geringe Energiekosten, ist es ein Minusgeschäft für Mieter. Fazit: – Gierig sind Investoren. –… Mehr

Peter Berger
6 Jahre her

Schulz: „Wir sind für Entlastungen, wenn wir sie bezahlen können.“ Einem aktuellen Bericht zufolge wurden Hartz-IV-Beziehern im Jahr 2016 ca. 175 Mio. Euro vorenthalten. Allein 2016 wurden 939.000 neue Sanktionen verhängt. 35 % der Widersprüche gegen fehlerhafte Bescheide waren zu 100 % erfolgreich, ein weiterer Prozentsatz mindestens teilweise. Für die Betroffenen, meist „schon länger hier in Armut Lebenden“ bedeutet das: Leben unter dem Existenzminimum, Hunger, Frieren, Anstehen bei Tafeln, Stromsperren, monatelange Rechtsquerelen im Kampf um die Existenzgrundlage. http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/jedem-3-hartz-iv-widerspruch-wird-stattgegeben.php Zum Vergleich: Für die Willkommenskultur-Industrie gab die Bundesregierung in 2016 das 124-fache aus, nämlich 21,7 Mrd. Euro (wahrscheinlich mit allen Nebenkosten deutlich… Mehr

Andreas Koch
6 Jahre her

Volltreffer!!! Ich hätt es nicht besser in Worte fassen können. Dieses ganze verlogene Gequatsche unserer selbst ernannten „Eliten“. 1) Die Eliten sind entweder in der Wirtschaft oder in den USA. 2) Politiker sind die einzigen die ich kenne, die sich das Gehalt selber erhöhen. 3) Sie kennen bei Geld/Steuern/Verschuldung nur eine Richtung: Mehr, mehr, mehr. 4) Wenn sie „wir“ sagen, meinen sie „ihr“. Vorschlag: Wir ändern die Gesetze dahin, dass die Diäten nur dann steigen dürfen, wenn über 12 Jahre in Folge die Staatsverschuldung jährlich um 3% gesenkt wurde und die Staatsquote unter 40% liegt. Ich bin überzeugt, die einzigen… Mehr

Hartwig Meier
6 Jahre her

Herr Goergen, wir leben in einer Scheindemokratie seit 1946…konstruiert, um Deutschland fremd zu steuern. Die Parteien und die Politik haben den Staat gekapert und mit den Beamten zur fürstlichen Versorgungsinstitution eingerichtet.
Deswegen gibt es auch keine Volksabstimmungen, obwohl sie im Grundgesetz vorgesehen sind.
Erst nachdem die Finanzströme versiegen wird Normalität einziehen können…
Was mich freut, auch die Wähler von CDU und SPD werden den Preis bezahlen müssen…

Nachdenkerin X
6 Jahre her

Ich lese gerade Hans Herbert von Arnims
neues Buch. Das macht wenig Hoffnung, wenn man sieht, wie die
Parteien sich in der Wolle des Staates festgesogen haben und daraus
ihre exorbitanten Mittel beziehen. Woher sollen wir wachen Bürger
die Kraft (auch die finanzielle) nehmen, um der Propaganda, die auf
uns niederprasselt, irgend etwas entgegenzusetzen?

Ulrich Bohl
6 Jahre her

Die Realität in einem kurzen sehr guten Beitrag dargestellt.
Steuererleichterungen funktionieren überwiegend nach
dem Prinzip – linke Tasche rein, rechte Tasche raus.

Pat McCraw
6 Jahre her

Ich wünschte deine Worte würden stimmen. Nein, die Zahlen der Landtagswahlen sprechen eine andere Sprache. Auch bei der BTW wird man sehen wie die dümmsten Kälber wieder ihre Schlächter selber wählen…

Ralf Pöhling
6 Jahre her

Herr Goergen, Danke für diesen Artikel!

Zitat:“Diese „Wir“ zahlen gar nichts, diese „Wir“ kassieren nur. Diese „Wir“
geben das zwangskassierte Geld so aus, wie sie es für nützlich halten –
vor allem nützlich für sich selbst.“

Wie wahr. Es ist nicht nur Zeit für einen politischen Richtungswechsel, sondern für einen kompletten Politikwechsel. Die bestehenden Strukturen funktionieren nicht.

azaziel
6 Jahre her

Fast immer geben Regierungen mehr aus, als ihnen zur Verfuegung steht. Demokratisch gewaehlte geben mehr aus, als der Buerger ihnen als Steuer zu gewaehren bereit ist. Despotische Regierungen geben mehr aus, als sie ihren Buergern mit Gewalt abpressen koennen. Wenn Schuldenmachen nicht mehr geht, drucken sie sich Geld. Mit dem unausbleiblichen Zerfall der Waehrung bricht auch die Wirtschaft zusammen. Ob das auch zum Zusammenbruch der Regierung fuehrt, ist leider gar nicht sicher. Selbst wenn die Regierung faellt, kann man fast sicher sein, dass dann andere an den Futtertrog draengen, die nicht besser sind, die der gleichen politischen Klasse angehoeren. Buerger… Mehr

Horst Stamm
6 Jahre her

Ich erlaube mir, Ihnen in Nuancen ein wenig zu widersprechen, Herr Goergen. Mein Eindruck ist, dass sehr viele Bürger sedierungswillig sind, also allzu gerne auch medikamentenabhängig sich quasi bereitwillig ruhig stellen lassen. Wenn wir die aktuelle Stimmung mit der von vor einem Jahr beispielsweise vergleichen, dann glauben wir doch heute in einer anderen Welt zu leben. Der offensichtliche Rechtsbruch ist im Bewusstsein der Menschen unbedeutend geblieben. Die gesellschaftlichen Folgen dieser Politik werden nicht erfasst, die bedeutende Mehrheit der Bevölkerung bemüht sich nicht einmal darüber nachzudenken. Anschläge scheinen nur dann Einschläge zu sein, wenn sie persönlich treffen. Ich will keinem zu… Mehr