Kanzlerin und loyale Opposition: der Frieden täuscht

Das veröffentlichte Bild von der alternativlosen Alternativlosigkeit der Kanzlerin bröckelt drinnen im polit-medialen System weit mehr, als es nach draußen dringt. Zitieren lässt sich niemand. Aber reden wollen viele und hören gar nicht mehr auf.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Im November letzten Jahres beendete ich einen Artikel über „Politische gewollte Staatsverwahrlosung“ mit diesem Absatz:

„Die politische Konstellation, die unter dem Stichwort Jamaika zu befürchten ist, wäre die perfekte Kulisse für diesen Zustand der politisch gewollten Staatsverwahrlosung. Noch mehr als bisher würde sich jeder auf jeden rausreden. Fällt das eigentlich niemandem auf? Der Jamaikaparteien einzige Funktion wäre, die Kanzlerin vor dem Parlament zu schützen.“

Nun, fünf Monate später, ist klar, dass es Jamaika dafür gar nicht brauchte, denn nun schützen im Parlament alle Fraktionsparteien, die schon länger dort wohnen, die Kanzlerin vor der AfD, die jetzt halt da ist. Außerhalb des Parlaments schützen die Medien, die schon länger da sind, die Kanzlerin und ihre loyale Opposition gegen die Medien, die halt dazu gekommen sind. Der Kanzlerin ist egal, ob sie schuld an diesem so breiten Zustrom der sie Schützenden ist, jetzt sind sie halt da.

Ob die Kanzlerin weiß, dass ihr überbreiter Schutzgürtel überfüllt von Personen ist, die im Moment ihres Abtritts über sie herfallen, sie in der Luft zerreißen und für alles verantwortlich machen werden, was in Deutschland und EU je schief gelaufen ist, falsch gemacht wurde oder gar nicht angepackt, kann unsereinem egal sein. Wichtig zu wissen ist es nur, weil sonst vieles oder alles, was in der Restlaufzeit der Kanzlerin geschehen oder überwiegend nicht geschehen wird, unverständlich oder schwer erklärbar bliebe.

Hier und da blitzt in den Medien, die schon länger da sind, punktuelle Kritik an der Kanzlerin auf, die ahnen lässt, was da kommt, wenn der Wettbewerb der Medien und Journalisten losbricht, die Kanzlerin, die sie so lange bedingungslos unterstützt haben, nun ebenso gnadenlos fallen zu lassen.

Eine Passage des Berichts von STERN online über die Regierungserklärung werden die meisten überlesen und doch ist sie für mich die interessante:

„Auf der Regierungsbank sitzt CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer neben Scholz, dem neuen Finanzminister. Beide verschränken während Merkels Rede unisono die Arme, stützen den Kopf auf die Hand. Das sind Körperhaltungen, die für Abwehr und Skepsis stehen. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und der neben ihm sitzende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) tuscheln miteinander.“

„Abwehr und Skepsis“ ist die Vorstufe von Ablehnung und Widerstand. Zwischen diesen Polen verläuft die politische Kommunikation hinter den Kulissen und in allen Teilen der Gesellschaft. Nach außen steht die Front der im Internet mit der DDR-Vokabel als Blockparteien Verunglimpften. Innerhalb derselben, und da stimmt das Blockparteien-Bild historisch, rumort es mächtig. In welcher Formation auch immer ich mit denen rede, die dazu jeden Tag bereiter sind, keiner will mehr über das reden, was während der Amtszeit der Kanzlerin noch geschieht, alle drängt es, über ihre Vorstellungen für danach zu sprechen. Alles bereitet sich auf die Zeit nach der Kanzlerin vor – im ganzen Bogen von der CSU bis zur Partei Die Linke.

Nach außen – und auch nur körpersprachlich – Abwehr und Skepsis, drinnen nicht nur Ablehnung und Widerstand, sondern wachsende Ungeduld auf den Abtritt: mit scharrenden Hufen Warten auf K-Day, ein Kürzel aus der CDU selbst.

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Kommentare ( 178 )

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Andreas Huber
5 Jahre her

Unbewusstes Unvermögen – Hauptursache für das Zusammentreffen von krimineller Neigung und Selbstüberhöhung. Der Fall Merkel beweist es.
https://de.wikipedia.org/wiki/Dunkle_Triade

Thomas
5 Jahre her
Antworten an  Andreas Huber

Sie hat die dunkle Triade.

Thomas
5 Jahre her
Antworten an  Andreas Huber

Die Clintons haben sie auch.
Trump nicht. Ihm fehlt die Empathielosigkeit für das Schicksal anderer (Psychopathie. Das einzige Element der DT das man sich nicht aneignen kann. Das ist angeboren).

Edgar Thormeyer
5 Jahre her

Sehr geehrter Herr Goergen, hoffen wir, dass Ihre Analyse in naher Zukunft bestätigt wird. Eine Anmerkung dazu: die Systemparteien werden nicht als Blockparteien „verunglimpft“, denn das hieße ja, diesen Titel zu Unrecht erhalten zu haben. Nein, es sind tatsächlich Blockparteien, die in den vitalen Problemen unseres Landes stets mit einer Stimme reden und entscheiden – stets aber auch gegen die Interessen unseres Landes und seiner Bürger.

Mehr als den K-Day würde ich allerdings den D-Day für die GroKo-Parteien begrüßen, damit diese nie wieder in dieser Konstellation regierungsfähig wären.

Sonni
5 Jahre her

Ihr Wort in wessen Ohr auch immer, allein mir fehlt der Glaube.

Gabriele Kremmel
5 Jahre her

Ein leises Rumoren und ein paar Gewitterwolken in der Ferne sind noch kein Garant für einen Sturm, lieber Herr Görgen, ja noch nicht einmal ein deutliches Vorzeichen. So sehr ich es mir wünschen würde, an eine Veränderung, die nicht von Merkel selbst gesteuert ist, glaube ich nicht mehr. Diejenigen, welche die Arme verschränken haben teils vor zwei Jahren schon offen rebelliert, dennoch ist nichts passiert. Wer Merkel und die Regierung seit vielen, vielen Jahren vor Kritik an allen ihren Fehlleistungen schützt und jetzt erst allmählich beginnt, leise Kritik zu äußern würde vermutlich Jahrhunderte brauchen, um zu der Form auflaufen, die… Mehr

Gero Hatz
5 Jahre her

Ein weiterer Merkel Abgesang im Jahr der Lawine….Wenn Merkel in vier Jahren dann wieder zum Kanzler gewählt ist, sollten wir aufhören Merkel Abgesänge zu dichten und sie zur Kanzlerin auf Lebenszeit machen. Diese Frau hat sich derartig in den Pelz unserer Gesellschaft verbissen, dass ihr selbst die Zecken Bewunderung zollen.

Brettenbacher
5 Jahre her
Antworten an  Gero Hatz

Ach wenn’s so wär ! Da fänd sich schon ein Mittel. Aber es hat diese „Gesellschaft“
eben diese A.M. hervorgebracht. Sie sind Eins. 86 % ! 86 % Malm und Mulm und Schwall.

baucis
5 Jahre her

Den Tag nach Merkel sehnen gewiss Viele herbei. Gleichermaßen erwarte ich mit Grauen all die neuen Vorstellungen der „Feigen“, die im Windschatten ihrer Parteivorsitztenden ihre Karrieren vorangetrieben haben. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass Frau Merkel loyale Unterstützer hatte. Wie wird sich ein „ rette sich wer kann“ wohl gestalten? Die Kanzlerin jedenfalls, wird ihre Macht hartnäckig und unerbittlich verteidigen….

Sabine Schönfeld
5 Jahre her

Vielen Dank, Herr Georgen, für Ihre vielfältigen und treffenden Bezüge auf die alberne Merkel-Sprache, die man ja als Urform der einfachen Sprache schlechthin bezeichnen könnte. Ich konnte mal wieder herzlich lachen und das ist mir als länger hier Lebende schon seit einiger Zeit nicht mehr so häufig vergönnt, wir haben nicht mehr viel zu lachen. Ansonsten macht mich Ihr Artikel aber etwas ratlos, worauf warten denn all jene Abgeordneten noch, die dem K-Day entsprechend dieses Artikels so sehr entgegen fiebern? Was soll denn der Startschuss sein, um endlich aktiv zu werden und Merkel abzusetzen? Braucht es nochmals einen Terroranschlag wie… Mehr

Henryke
5 Jahre her

Man glaubt, dieses Land wird inzwischen nach der Formel „Le roi est mort, vive le roi“ regiert…

Anna
5 Jahre her

Hoffentlich ist dieser Alptraum bald vorbei! Ihr Wort in Gottes Ohr!
Frage mich sowieso wie man eine solche Person mit kommunistischer Vergangenheit über nun 4 Legislaturperioden wählen konnte. Unglaublich!
Werden die Deutschen noch mal aufwachen oder ihren eigenen Untergang weiter selbst betreiben?

WTF
5 Jahre her
Antworten an  Anna

Und hoffentlich gibt es auch keine Pläne für ein Merkel-Mausoleum.

Oblongfitzoblong
5 Jahre her

Wir haben eine Regierung, die es eigentlich gar nicht geben dürfte nach den Wahlergebnissen vom September. Mit Gewalt und Drängen des Bundespräsidenten
ist eine Regierung entstanden, die kurz nach der Entstehung schon in alle Richtungen auseinander driftet. PolitikerInnen mit einem Rest von Format hätten im September 2017 die einzig sinnvolle Konsequenz gezogen, wie Herr Schulz es wollte. Aber vielleicht ist der Deutsche mit den Verhältnissen zufrieden.