Jamaika ist kein Projekt

Nach dieser Wahl braucht das Land alles andere als eine Spalter-Regierung. Aber vielleicht kriegen wir sie, damit ihr vorzeitiges Platzen Frischluft in das gelähmte und eingeschläferte Volk bringt. Machen wir uns auf alles gefasst, vorerst auf nichts Gutes.

Im Presseclub bei Jörg Schönenborn sprach am letzten Sonntag Dieter Wonka, Chefkorrespondent RedaktionsNetzwerk Deutschland, einige denkwürdige Sätze. Ich gebe sie aus der Erinnerung wieder:

  • Am Wahlsonntag ist die Bonner Republik verendet.
  • Nach 12 Jahren Lähmung und Einschläferung durch Merkel ist ein Teil der Gesellschaft (im Parlament) wieder abgebildet.
  • Die Bürger brachten am Wahlsonntag zum Ausdruck, uns gibt es auch noch.
  • Merkels ich sehe nicht, was ich verändern sollte, ist eine Veralberung der Demokratie.
  • Bei den Frontfiguren der etablierten Parteien ist keine Haltung zu erkennen.
  • Jamaika ist eine Sturzgeburt, kein Projekt.
  • Im Osten wäre Jamaika eine fremde Regierung.

In seiner Kolumne schreibt Jakob Augstein heute, am 3. Oktober, an diese Wahl würden wir noch lange denken:

«Sie hat ein zerrissenes Land enthüllt. Ost und West, reich und arm – Deutschland zerfällt. Es gehört zu den Aufgaben einer Regierung, das Trennende zu überwinden. Aber die Koalition, die sich unter dem unsinnigen Namen „Jamaika“ zusammenfinden will, wird eine Regierung der Spaltung sein. Das Bündnis aus CDU, Grünen und FDP steht für die Selbstabschottung des westdeutschen Wohlfühlbürgertums. Der Rest soll sehen, wo er bleibt.

Machen wir uns nichts vor: Auch die sogenannten Liberalen wissen, wie man den „Anderen“ ausgrenzt. Wenn der „Stern“ frohlockt, es „könnte sich tatsächlich in Jamaika das aufgeklärte, liberale, leistungsbereite Bürgertum zusammenfinden“ – dann bedeutet das gleichzeitig, dass all die anderen engstirnige, faule Hinterwäldler sind.»

TE-Autor Andreas B. fand heute unter anderem diese Worte:

«Mit der von ihnen kolportierten politischen Kultur, die sich in den USA unter Obama und in Deutschland unter Merkel zur vollen Kraft entfalten konnte, haben die Eliten jahrelang Schwerstarbeit geleistet, deren Erfolge sich sehen lassen können: Sie haben systematisch das zerstört, was unter dem Begriff des „sozialen Kapitals“ einer Gesellschaft zusammengefasst wird.»

Wonka und Augstein bringen es aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln an der entscheidenden Stelle auf den Punkt: Jamaika wäre eine Spalter-Regierung in jeder Hinsicht. In allen entscheidenden Zukunftsfragen der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine Möglichkeit der Übereinstimmung zwischen CDU, FDP, CSU und Grünen. Darüber können keine Formelkompromisse hinwegtäuschen.

Jamaika kann neben den vielen Posten, die zu vergeben sind, nur eines leisten: eine Ermächtigung für Angela Merkel, die Dinge weiter treiben zu lassen wie bisher und das mithilfe der Meinungsführer-Medien (Fachbegriff der Medienanalyse) weiterhin als Führung zu verkleiden. Auf Sicht fahren ist kein Kurs.

Wonka sagt zu recht, eine Sturzgeburt ist kein Projekt. Insofern wäre Jamaika echt Merkel, denn dann wäre es halt da. Ebenso richtig konstatiert Wonka, Jamaika wäre eine fremde Regierung, er denkt dabei stark aus dem Osten, aber es stimmt für ganz Deutschland. Wer die Programme der Jamaika-Parteien als Mitglied oder Anhänger halbwegs ernst nimmt, ihr politisches Profil, die Sprüche ihrer Anführer, dem muss ein solch politisch seelenloses, kaltes und nacktes Funktionärsprodukt fremd sein.

Merkel ist das egal, wenn’s ihren Sessel im Kanzleramt sichert, Schulz ist’s gleichgültig, wenn er (besoldeter) Parteivorsitzender bleibt. Mit den Mitgliedern einer Jamaika-Regierung, den ebenfalls lukrativ ausgestatteten Mitgliedern der Fraktionsführungen verhält sich das nicht anders, mit den vielen affiliierten Mitarbeitern und Journalisten ebenso. Jamaika würde die schon bestehende Mehrfach-Spaltung weiter vertiefen – kulturell, gesellschaftlich, sozial und regional. Gerade nach dieser Wahl braucht das Land alles andere als eine Spalter-Regierung. Aber vielleicht kriegen wir sie, damit ihr vorzeitiges Platzen Frischluft in das gelähmte und eingeschläferte Volk bringt. Machen wir uns auf alles gefasst, vorerst auf nichts Gutes.

Übrigens wird am 15. Oktober in Niedersachsen der Landtag gewählt (in Österreich der Nationalrat) – und am 6. Mai 2018 sind in Schleswig-Holstein Kreistage, Stadt- und Gemeindevertretungen dran.

Fußnote: Spalterregierung nannte die kommunistische Propaganda die erste Regierung der Bonner Republik, als Moskau und Pankow noch von Gesamtdeutschland sprachen.

Unterstützung
oder

Kommentare ( 35 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

35 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
gymmat
6 Jahre her

of topic:
Lieber Admin, mein Beitrag von vor nunmehr ca. 60 Minuten gehört, ordinär betrachtet, an erste Stelle.

T. Pohl
6 Jahre her

Ich hoffe immer daß wir es besser machen als die Blockparteien und der Wähler doch irgendwie noch selbständig denkt.
Die Hoffnung stirbt, allerdings, zuletzt.

gymmat
6 Jahre her

Ich muss zugeben, dass mir all die Schlafmützen um mich herum schon mächtig auf den Keks gehen. Damit meine ich freilich nicht solche Politiker, die fern vom Alltagsleben davon selber natürlich gar keine Ahnung haben können, also sämtliche Berufspolitiker, die natürlich weiterhin auch keine Idee davon haben, was das Wort Beruf überhaupt bedeutet, geschweige dessen, dass man unter uns Malochern unter Beruf eine Art ‚ARBEIT‘ vermutet. Nein, ich meine den Deutschen Michel schlechthin, der, darf man dem Wahlergebnis trauen, immer noch in der Mehrzahl solche Nullnummern wählt. Tja, das kann man dann auch nur noch mit der Anhäufung schierer Ängste… Mehr

Gregor
6 Jahre her

Kein Problem, für wen? Ich habe damit ein Problem, denn in der Asylantenproblematik wird sich nichts ändern. Das hofften allerdings die Wähler als sie glaubten, und der FDP ihre Stimme gaben. Nun müssen sie feststellen, dass die Grünen und Gelben sogar schon Gemeinsamkeiten feststellen. T-Online gelesen.

Fritz Goergen
6 Jahre her

Was kann bei Jamaika Konstruktives rauskommen? Für jeden Tipp dankbar.

Fan_ohne_Gewalt
6 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Gespant bin ich auch, wenig erwartungsfroh ebenso, aber ich kritisiere nicht schon im Vorfeld…zumal ich keine wünschenswerte Alternative sehe (welch widerliches Wortspiel). Wer glaubt schon an ein besseres Ergebnis nach Neuwahlen – nur Narren und die Anhänger der Nichtalternative. Ich würde gerne den Kretschmann klonen, den Trittin sowie den Hofreiter in den politischen Ruhestand versetzen und C. Roth die Leitung der Zeitschrift Emma übertragen. Damit wäre Deutschland gedient. Vermutlich müssten bei der CDU ebenfalls andere Menschen Verantwortung übernehmen, aber am CDU Bashing beteilige ich mich nicht, es ist mir zu billig. Das schafft Tichys Einblick allein ganz gut.

der schöne Karl
6 Jahre her

Jamaica, Merkels Machtgeilheit und ihr Bekenntnis zum Weiterso wird die Lage verschlimmern. Beschaubar wird das am 15. Oktober werden. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und sage eine hammermäßige Niederlage für die CDU in Hannover vorraus, daß denen, die ihr täglich Brot verlieren, die Tränen kommen.

Max Biber
6 Jahre her

„und damit die repräsentative Republik zum Auslaufmodell wird.“

Das sehe ich nicht so. Repräsentative Demokratie heißt doch, dass sich einzelne Menschen sehr intensiv mit einem Problem beschäftigen können, für das sie dann Lösungen aufzeigen können.
Das Problem ist doch: Dass die Vertreter (des Volkes) auch über eine Liste in das Parlament kommen können.

Gerd Sommer
6 Jahre her
Antworten an  Max Biber

Denken Sie nochmal über das Modell unserer repräsentativen Republik nach…..

Und wie es eben nicht, besser falsch, funktioniert!

Wilhelm Müller
6 Jahre her

Die CSU sollte inzwischen realisiert haben, dass Jamaika für sie nur zum Desaster werden kann. Auch in der CDU gibt es sicher viele potentielle Parteitagsdelegierte, welche in ihren Ansichten näher bei der CSU als bei Frau Merkel sind. Die Duracellhäschen mit einer Laufzeit von über zehn Minuten sind ganz schnell in der Versenkung verschwunden, wenn sich der Wind erst einmal deutlich wahrnehmbar gedreht hat. Und ich habe das Gefühl, dass sich der Wind gerade deutlich wahrnehmbar dreht! Noch senden die Medien des Establishments tapfer Durchhalteparolen. Die älteren Ossis kennen so eine Situation bestens. Der letzte Arbeitstag von Angela Merkel steht… Mehr

Zebulon Zunder
6 Jahre her

ich betrachte eine solche Koalition als Untergang von Deutschland.In den nächsten 4 Jahren werden dann mit Familiennachzug mindestens 5 Millionen Menschen dazu kommen, für die weder Arbeit noch Geld vorhanden ist.Wir werden dann 2021 mindestens 10 Millionen Muslime hier im land haben, die man nicht mehr los wird.Abschiebungen wird es nicht geben, da dank Grüner kein sicheres Drittland mehr existiert und auch Verbrecher nicht abgeschoben werden.Es wird einen Schuldenschnitt für GR und unzählige Milliarden mehr für die EU geben.Wir werden in einen Agrarstaat verwandelt ohne stabile Energieversorgung, aber mit fast 100 Millionen Menschen.Alle Andersdenkenden und Kritiker werden verleumdet , angeklagt… Mehr

Silverager
6 Jahre her

Meine Befürchtung: es wird „Jamaika“ geben.
Die Grünen? Da riecht man förmlich, dass sie um jeden Preis an die Regierung wollen.
Die FDP? Die geht mit jedem ins Bett, der ihnen Regierungspöstchen verspricht.
Die CSU? Mit „Heißluft-Horsti“ hat doch eine Frau Merkel kein Problem.
Die CDU? Die Größte Kanzlerin aller Zeiten (GröKaZ) thront wie ein lächelnder Buddha über allem, während die CDU-Parteimitglieder ohne Ende klatschen.
Die einzige Hoffnung besteht meines Erachtens darin, dass dieses Bündnis der Herrschafts-Gier nicht lange hält, nicht lange halten kann.