Die EU ist kein Staat und hat kein Recht

Das Voßkuhle-Urteil markiert den Wendepunkt der EU, die in der Politikkrise namens Corona wie schon in den Politikkrisen namens Euro und illegale Einwanderung, die ja andauern, wieder zeigt, dass sie außer kleinteiligen und wirklichkeitsfremden Bürokratismen von immer neuen Gängelungen der Bürger und Unternehmen nichts zustande bringt.

© Getty Images

Mit der schon Jahrzehnte währenden politischen Semantik der Classe Politique hat sich in den Köpfen der Leute ein sachlich falsches und politisch-kulturell unredliches Bild verfestigt.

Sie sagen und schreiben europäisch und Europa und meinen nur die EU. Europa ist aber geografisch wesentlich größer und kulturell viel mehr. Aktuell geht es um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen den Gerichtshof der EU. Einen „europäischen Gerichtshof“ gibt es nicht einmal in der Terminologie der EU, nach der dieses Instrument „Gerichtshof der EU“ heißt. Aber die deutschen Musterschüler der EU nennen auch diesen „europäisch“ und verfestigen das durch die Abkürzung „EuGH”.

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In Otto Normalverbrauchers – mit und ohne akademischen Grad – Kopf hat der polit-mediale Komplex das Bild gepflanzt: Landesrecht geht über kommunales Recht, Bundesrecht bricht Landesrecht, EU-Recht bricht Bundesrecht. Fehlt nur noch, UN-Recht bricht EU-Recht. (Wobei es ein unechter Kalauer ist zu sagen, dass UN, EU und die Regierungen etlicher EU-Länder permanent und gewohnheitsmäßig Recht brechen.) Dass das Wort Recht im demokratisch legitimierten und verfassungsrechtlich konstituierten Staat etwas anderes bedeutet als in der EU, ist kein verbreitetes Wissen.

EU-Recht ist kein staatliches Recht, sondern ähnlich den Verträgen zwischen natürlichen und juristischen Personen nur Vertragsrecht: Was Leute wie die Präsidentin der SGO EU, Ursula von der Leyen, korrekt zum Ausdruck bringen, wenn sie von Vertragsverletzungsverfahren sprechen und nicht von einer Klage.

Eine Vertragsverletzung durch die Bundesrepublik Deutschland wäre es nur, wenn sich diese vertraglich verpflichtet hätte, eine Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen den Gerichtshof der EU zu unterbinden. Eine solche Vertragspflicht kann keine Regierung vor Merkel eingegangen sein, weil das  höchste deutsche Gericht so einen Verstoß gegen das Grundgesetz nicht geduldet hätte.

Wozu noch eine Bundesrepublik?
Dann können doch EU, EZB und EuGH gleich alles selbst machen
Wie also werden Merkel und Co. dieses Urteil rückgängig machen? Gar nicht, sie werden es umschiffen. Welchen Winkelzug sie auch machen werden, für jeden lassen sich jede Menge Winkeladvokaten finden.

Dass die EU kein Recht hat, das dem Recht eines Staates entspräche oder gar dem Recht von Staaten übergeordnet wäre, ergibt sich auch daraus, dass Großbritannien wieder ohne EU-Vorschriften auskommen wird. Dass sich London über neue Vertragswerke ähnlich von der EU bestimmen lassen wird, wie sich Bern das von Brüssel abpressen hat lassen, ist höchst unwahrscheinlich.

Das Urteil des BverfG ist eine Bestätigung und Ermunterung für die Obersten Gerichte in anderen Mitgliedsländern der EU, nicht nur wie bisher schon in Polen und Ungarn. Das Voßkuhle-Urteil markiert den Wendepunkt der EU, die in der Politikkrise namens Corona wie schon in den Politikkrisen namens Euro und illegale Einwanderung, die ja andauern, wieder zeigt, dass sie außer kleinteiligen und wirklichkeitsfremden Bürokratismen von immer neuen Gängelungen der Bürger und Unternehmen nichts zustande bringt.

Der Marsch in die Ever Closer Union ist gestoppt. Der Rückzug beginnt.

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Kommentare ( 66 )

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DirDem
3 Jahre her

Ich wünschte so sehr, dass Ihre Einschätzung, Hr. Goergen, zutreffen wird. Aber ich glaube nicht daran. Es müsste in unserem Land viele Veränderungen geben. Die Parteien-Diktatur setzt ALLES daran, es nicht so weit kommen zu lassen, obwohl jedem einzelnen Abgeordneten eigentlich klar sein müsste, dass er damit nur noch zum Durchwink-Zombie und Volksfeind degeneriert. Das Zauberwort heißt „Fraktionszwang“, nach dem GG eigentlich verboten. Wer nicht mitspielt, bekommt die Arschkarte von Listenplatz bei der nächsten Wahl. Wer so bekannt ist, dass er davor keine Angst haben müsste, kriegt in der Partei keinen Posten oder in den Ausschüssen etc. So geht moderne… Mehr

Alexis de Tocqueville
3 Jahre her

„Der Marsch in die Ever Closer Union ist gestoppt. Der Rückzug beginnt.“

In Gottes Ohr, Herr Goergen.

Nachdenkerin X
3 Jahre her

Harbarth wird das Verfassungsgericht schon im Sinne der großen, ewigen und alternativlosen Herrscherin gestalten. Deutschland soll als Staat aufgelöst werden. Ich habe da wenig Illusionen, obwohl ich unendlich froh wäre, wenn Sie recht hätten.

schwarzseher
3 Jahre her

Herr Voßkuhle ist nicht mehr Präsident des Bundsverfssungsgerichts. Sein Nachfolger wird ein Merkel- und v. d. Leyenfolger sein. Die EZB und die zum Teil von Sorros gesponserten Richter des EuGH haben doch schon klargestellt, daß sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht anerkennen. Es wird keinen Wendepunkt geben, im Gegenteil. EU und EuGH werden sich noch selbstherrlicher über nationale Gesetze und Verträge hinwegsetzen. .

Odysseus JMB
3 Jahre her

Eine kluge Analyse. Nur bei dem Schluß, der gezogen wird – der Rückzug beginnt -, geht Herrn Goergen dem Vater des Gedankens, dem Wunsch, auf den Leim, oder auch anders gesagt, der Gaul des Wunsches geht mit ihm durch. Das BVerfG-Urteil wird schnell in Vergessenheit geraten. Man wird abwarten bis Gras über die Sache gewachsen ist. Das dümmste, was UvdL tun könnte, wäre Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, denn dann müsste das Gericht der EU, der „EuGH“, in eigener Sache urteilen und seine Inkompetenz ganz wohl glänzend selbst unter Beweis stellen, was nur allgemeines Gelächter zur Folge haben könnte. Dieser endgültige Schildbürgerstreich könnte… Mehr

christin
3 Jahre her

„Der Marsch in die Ever Closer Union ist gestoppt. Der Rückzug beginnt.“
Zu schön um wahr zu sein. Die einstige „Europäische Wirtschaftsunion hatte das Zeug, die Nationen in einer friedlichen und produktiven Koexistenz zu vereinen.

Luzifer
3 Jahre her

Zitat aus Artikel:
“ Das Voßkuhle-Urteil markiert den Wendepunkt der EU, die in der Politikkrise namens Corona wie schon in den Politikkrisen namens Euro und illegale Einwanderung, die ja andauern, wieder zeigt, dass sie außer kleinteiligen und wirklichkeitsfremden Bürokratismen von immer neuen Gängelungen der Bürger und Unternehmen nichts zustande bringt.“

Leider nicht !!! Denn einem „Wendepunkt der EU“ hat man mit der Berufung systemrelevanter Richter in das BVG schon vorgebaut. Im Rudel der EU-Politiker prangert man Polen und Ungarn an und praktiziert zuhause die gleichen Methoden.

Nibelung
3 Jahre her

Das sieht man schon an der Tatsache, daß Trump die Brüsseler Administration ignoriert und sich allenfalls an die einzelnen Länder wendet. Im Prinzip ist das Gebilde ein Fake News, neudeutsch ausgedrückt und die teuerste Fata Morgana, die wir uns leisten wollen, ohne deren Effizienz zu hinterfragen. Das ganze wurde aus den Trümmern zweier Weltkriege geboren, nur mit dem Fehler, daß die Bürger dazu nicht befragt wurden und deshalb fehlt bis heute die Akzeptanz nach innen und außen und hat keine Zukunft, auch wenn sie es sich noch so herbei wünschen, was verständlich ist bei dieser gut bezahlten Versorgungsanstalt ohne weiteren… Mehr

Sonny
3 Jahre her

Ich halte Ihren letzten Absatz für einen frommen Wunsch, werter Herr Goergen. Es wird wohl noch etwas länger dauern und allenfalls ist ein Schneemann gebaut, der allerdings kaum Möglichkeiten für eine Lawine bietet. Die Briten werden schlußendlich zeigen, dass die Gängelungen durch Brüssel absolut verzichtbar sind und sich besser regieren läßt, wenn man den herrschaftlichen Wünschen von in den Ländern nutzlos gewordenen und nach Brüssel abgeschobenen Politikern entgegentritt. Ein schönes Beispiel ist doch Flinten-Uschi, die einen hochdotierten Job in Brüssel übernehmen durfte, ohne sich im eigenen Land für ihre zweifelhaften Politgeschäfte als Verteidigungsministerin in Untersuchungsausschüssen und vor Gericht verantworten zu… Mehr

Wolfgang Schuckmann
3 Jahre her

Ich bin mit der EU nicht zufrieden und sehe wie sie dazu benutzt worden ist, um an die schönen Scheine aus deren Kassen zu kommen. Das Kapital dafür stammte in der Regel von jenen Ländern , die eine Wertschöpfung und ein BIB hatten, von dem die wirklich begünstigten Volkswirtschaften nur träumen konnten. (Lassen wir die dort ausufernde Korruption mal außer acht) Aber da ist ja nicht nur die Sonnenscheinseite der Medaille sondern auch noch die Politik. Und sie weiß sehr genau wann es Zeit ist gewisse Vorkommnisse in der Vita eines Volkes aufzurufen um sich gegen jeden Anstand und Moral… Mehr

Onan der Barbar
3 Jahre her
Antworten an  Wolfgang Schuckmann

Das Friedensprojekt war die EWG. Die EU hat die Völker Europas wieder gegeneinander aufgebracht.