Der EU drohen nun die Erfolge von Boris Johnson

Die dem EU-Slogan von der ever-closer-union nicht folgenden Politiker in den 27 Nationalstaaten werden stetig mehr: The Times They Are A Changin'.

Paul Ellis - WPA Pool/Getty Images

Dass von den üblichen Lautsprechern der EU auch nach dem B(rexit)-Day nichts anderes zu hören ist als bisher, wundert niemanden, der den Ungeist der Brüsseler Käseglocke kennt. Völlig gleichgültig, welche ihrer Pläne schief gehen, machen die Funktionäre der Nichtregierungs-Organisation EU ihren nächsten Plan, der auch nichts wird.

Manfred Weber, CSU, zählt nicht zu den politischen Leuchten, weshalb sein Wort nach dem B-Day unabsichtlich ehrlicher ausfällt im Unterschied zu denen, die sich für die Strippenzieher halten: „Wenn der Brexit gefühlt ein Erfolg wird, ist er der Anfang vom Ende der EU.“ Der Mann hat recht. Nicht mit dem, was er daraus folgert, sondern mit dem weiteren Gang der Dinge in der EU und ganz Europa.

Boris Johnson beginnt nun eine Politik des United Kingdom, bei der jeder einzelne Erfolg zugleich eine Niederlage der EU ist. Weil jeder UK-Erfolg den Irrweg einer EU sichtbar machen wird, die immer weiter auf immer mehr Zentralmacht und immer weniger Freiheit der Bürger der bisher verbleibenden 27 Mitgliedsstaaten aus ist – also auf das, dessentwegen das UK ausgetreten ist. Aus der Sackgasse einer solchen EU führen nur zwei Wege hinaus: individueller Austritt oder gemeinsame Umkehr.

Großbritannien: Wirtschaft
Die Brexit-Katastrophe will einfach nicht eintreten - im Gegenteil
Leute vom Schlage Manfred Weber und Guy Verhofstadt wollten lange Großbritannien vor allem deshalb am Austreten hindern, damit andere Länder dem Brexit nicht folgen. Wie sie das versuchten, hat den Appetit in solchen Ländern auf einen radikalen Kurswechsel in der EU von zentralistisch auf dezentral nur noch gesteigert. Die Meinungsmacher in der EU-Kommission stecken in der eigenen Falle. Geben sie Forderungen von Boris Johnson für die künftigen Beziehungen zwischen UK und EU nach, bescheren sie Johnson Erfolge, die andere in der EU auf den Geschmack bringen. Liefern die Verhandler Johnson und den Seinen das gleiche Gefecht wie seit der Volksabstimmung für den Brexit, wartet auf sie auch das gleiche Ergebnis. Nach B-Day braucht Johnson die EU-Funktionäre nicht mehr. Eine Einigung gibt es zu seinen Bedingungen, nicht denen der EU: Sonst macht Johnson am Ende, was er will. It’s that simple.

Kaum war B-Day, fängt der Spiegel an, über den Weg dahin anders zu schreiben, viele werden ihm folgen, Meinungsnomaden gab es unter Journalisten, Politikern, Managern und anderen Angehörigen der Classe Politique schon immer zuhauf. Im nachhinein nennt der Spiegel den Non-Brexit eine Illusion, der die EU bis zuletzt nachhing: „Wenn man gegenüber den Briten nur hart und kompromisslos und einig bliebe, dann – wer weiß – ließe sich der ganze Brexit vielleicht doch noch rückgängig machen.”

Zum weiteren Gang der Dinge fragt Jörg Schindler im Spiegel: „Wird Johnson, all seinen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz, die enge Anbindung an die EU suchen? Oder den Lockrufen des anderen großen Blonden jenseits des Atlantiks folgen?”

Weder noch, Herr Schindler. Boris Johnson hat Großbritannien nicht aus der EU geführt, um die Unfreiheit des Miglieds gegen die Unfreiheit des Assoziierten (wie der Schweiz) einzutauschen: fast alle Pflichten und keine Rechte. Und im Gegensatz zu Macron, Merkel und ihren Vasallen tritt Johnson dem „anderen großen Blonden” Trump auf Augenhöhe gegenüber: Ihre gemeinsamen Interessen – persönlich wie für ihr Land – sind viel größer, als sie mit einer EU, wie sie heute ist, je sein könnten.

Dass die EU ihren Kurs ändern muss, kann nach dem Brexit und seinen direkten wie indirekten Folgen nur noch der Unaufmerksame leugnen: In Verbindung mit den unübersehbaren Zeichen des Zeitgeistwechsels in den USA (mit und ohne Trump) und den nicht überschaubaren aktuellen Entwicklungen in China nach der Virus-Katastrophe, die politisch lange nachhallen dürfte, wird der Kurswechsel in der EU nur noch unausweichlicher.

Die dem EU-Slogan von der ever-closer-union nicht folgenden Politiker in den 27 Nationalstaaten werden stetig mehr und bewegen sich bisher im abgestuften Spektrum zwischen dem kriegerischen Viktor Orbán und dem diplomatischen Sebastian Kurz, was die folgenden Tweets illustrieren. Jede Erfolgsmeldung für Boris Johnson wird ein neuer Ansporn – nicht nur für die beiden.

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Kommentare ( 106 )

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Le Chat Noir
4 Jahre her

ich bin neu hier. wollte erstmal hallo sagen.
mir gefällt die zeitung (magazin ) ganz gut. autoren und user. was ich bisher gelesen habe fande ich echt nur entspannt. ohne hetze, propaganda für die einen oder die anderen.
alles was die leute schreiben ist wahr.
vielen DANK an alle.
ps: bin aus frankreich. ich bitte beim lesen meine beiträge -wegen der rechtschreibung- um nachsehen 😉
merci.

Gruenauerin
4 Jahre her
Antworten an  Le Chat Noir

Willkommen! Sie werden noch viel Freude und viel Erfahrungsgewinn mit den Journalisten hier – die wirklich welche sind – und auch den Kommentatoren verbuchen können.

Joerg Baumann
4 Jahre her

Der Untergang der EU, vorallem in Deutschland ist doch schon damit besiegelt, dass es in Dutschland KEINE Volksabstimmung zu dem Thema gegeben hat und geben wird. Man erinnert in Deutschland zwar unaufhörlich an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs mit dem ständigen Hinweis, dass so was nie wieder passieren darf. Parallel schafft man aber wieder ein politisches System, in dem der Bürger wieder keine direkte Demokratie ausübern kann. Auf diese Weise verschleppt man Entscheidungen über mehrere Wahlperioden bis zum endlichen Untergang des bestehenden Systems mit fatalen Folgen. Ein Volksabstimmung könnte der Regierung einen klaren Handlungsauftrag geben. Diese nimmt ihn an oder… Mehr

Koedoe
4 Jahre her

Dass die EU „ihren Kurs ändern muss“, ist wohl richtig. Allein: sie wird es nicht tun. Dafür ist sie nicht konstruiert, sie kann es nicht. Sie ist ein voll beladener Supertanker mit verklemmten Ruder, bei Kurs auf’s Riff. An Bord geht’s rund: auf der Brücke eine Kapitänsdarstellerin und Rudergänger, die alle nach Kräften am Rade drehen, Möchtegern-Navigatoren wie Guy V., und Maschinisten, die alle auf den Namen Michel hören und die Wellendrehzahl hochhalten. Wenn dann der Kahn absäuft, werden Letztere nicht in der Lage sein, die Boote zu erreichen. Es ist wie immer, nur schlimmer. Für weitere Detaills: Reinhard Mey… Mehr

Mocha
4 Jahre her

Nachdem dies (also D) nicht mehr mein Land ist, unterstütze ich GB wo ich kann.
Made in Britain steht bei mir ganz oben. Hoffentlich ist es in Kürze auch möglich, den kriselnden Euro direkt in GB in starkes Pfund zu tauschen.

Mittlerweile identifiziere ich mich sogar mit denen von Frau Roth und ihren Linksgrünen Freunden getätigten Aussagen – Deutschland verrecke und nie wieder Deutschland. Dauert ja nicht mehr lange. Ich freu mich drauf.

Schon verrückt, die das Land mal geliebt haben verlassen es und die die es immer gehasst haben regieren es.

Koedoe
4 Jahre her
Antworten an  Mocha

Mit CR et alt. würde ich mich niemals identifizieren. Schweigen würd‘ ich höchstens, wenn die behaupteten, die Sonne gehe im Osten auf. – Im Übrigen: kürzlich erwarb ich eine Triumph Speedmaster. Beste englische Ware. Feinstes Classic-Bike. Beim Anlassen singt sie vernehmlich „God save the Queen“ und beim Hochschalten in den Sechsten „Rule, Britannia“ Oooch, wie ich es liebe!! 🙂

Goldenmichel
4 Jahre her
Antworten an  Mocha

Das ist nicht verrückt, das ist der Plan !

Deutsche raus !

pearlnews.snyder
4 Jahre her

https://www.businessinsider.de/international/donald-trump-mike-pompeo-says-brexit-is-fantastic-for-america-2020-1/?r=US&IR=T Trumps Außenminister Mike Pompeo sagt, dass der Brexit für die USA fantastisch sein wird. Bei einer Veranstaltung in London sagte Pompeo, dass der Austritt Großbritanniens aus der EU am 31. Januar die Handelshemmnisse zwischen den beiden Ländern verringern würde. „Ich finde das fantastisch. Ich finde das fantastisch für die USA. Ich finde das fantastisch für das Vereinigte Königreich. „Wir werden in der Lage sein, Transaktionskosten zu senken und [Waren und Dienstleistungen] auf eine Weise zu teilen, die wir nicht konnten, als das Vereinigte Königreich ein Teil der EU war, und ich freue mich darauf, dies zu verarbeiten.“ Pompeo sagte,… Mehr

Ernst-Fr. Siebert
4 Jahre her

Hier eine Deepl-Übersetzung von Orbans Nachricht, für die, die auch kein Englisch können:
Wir kämpfen gegen einen Feind, der sich von uns unterscheidet. Nicht offen, sondern versteckt. Nicht offen, sondern hinterlistig. Nicht national, sondern international. Sie glaubt nicht an die Arbeit, sondern spekuliert mit Geld; sie hat keine Heimat, sondern fühlt sich als Eigentümerin der ganzen Welt“.

Wolfgang Schuckmann
4 Jahre her
Antworten an  Ernst-Fr. Siebert

Man sollte Herrn Orban generell als Übersetzer britischer Depeschen engagieren, dann entgeht man vielleicht Falschübersetzungen aus EU-Land.

Sonny
4 Jahre her

Jahrelang wurde uns suggeriert, dass Deutschland in der EU eines der wichtigsten und wirkmächtigsten Länder ist. Wenn also Bürger unseres Landes gegen die EU und deren Übergriffigkeiten protestieren (z.B. die Landwirte), dann protestieren sie also eigentlich direkt auch gegen Deutschland selbst, welches ja die EU-Politik maßgeblich mitbestimmt. Die Landwirte und andere Interessengruppen müssen sich nichts vormachen – Hilfe ist weder von der einen noch von der „einen“ Seite zu erwarten – der Gegner ist ja identisch. Diesbezüglich kann es also niemals einen Austritt Deutschlands aus der EU geben, dass wäre ein Paradoxon. Wenn Großbritannien nun aus dem EU-Clan austritt, ist… Mehr

Anna-Maria
4 Jahre her

Merkel historische Sünde: sie hat Millionen Migranten ohne Papiere ungeprüft in Europa gelassen, und hat vor so weiter zu machen, und die Briten dazu bewegt, die EU zu verlassen. Diese waren die wiederholte Worte Herrn Orban. Herr Weber hat jetzt ein Interview der Zeit gegeben, via E-Mail. Also auf schriftliche Fragen, schriftliche Antworten. Es lohnt sich das Text zu lesen, wenn jemand sich vergewissern will, wie einfach dieser Mann gestrickt ist. antworten bestehen aus Drohungen und Platte Bausteine. Die EU Mitglieder sind gut beraten, diesen Demagogen sich gegenzustellen.

Thomas
4 Jahre her
Antworten an  Anna-Maria

Die grösste politische Fehlentscheidung seit 1945. Ein unglaublicher Rechts- und Verfassungsbruch.
In der BTW 2017 mit überwältigender Mehrheit (90% plus die Nichtwähler mitberücksichtigt) der Wähler bestätigt. 2020 immer noch fest im Sattel. Da kann man nur emigrieren. Erst nach Innen später dann ganz. Bevor sie (gezwungenermassen) eine (diesmal unsichtbare) Mauer bauen werden.

Alter weiser Mann
4 Jahre her

Die erste Kaste Abgehängter gibt es schon. Es sind alle die Journalisten welche den Weltuntergang beschworen, sollte GB aus der EU austreten. Ähnlich wie bei den Klimahysteriken, wobei die noch nicht einmal wissen was ein Klima ist sondern nur hysterisch sind. So ist es aber wenn man Schule schwänzt statt etwas zu lernen, man bleibt ahnungslos. Den Spruch kennt doch jeder: dumm geboren, nichts dazu gelernt und den Rest wieder vergessen. Jetzt dürfte über ca. 2-3 Jahre die Wirtschaft in GB sich nicht wie gewünscht entwickeln, sondern eine bestimmte Durststrecke benötigen. Es braucht Zeit die Wirtschaft wieder auf die neue… Mehr

Gruenauerin
4 Jahre her
Antworten an  Alter weiser Mann

Und vergessen Sie die baltischen Staaten nicht. Die werden auch nicht bei der Stange bleiben.

Johann Thiel
4 Jahre her

Aus der Sackgasse dieser EU führen nicht zwei, sondern nur eine einziger Weg heraus – die Auflösung der EU und die Abschaffung des Euro. Das ganze Projekt EU ist derart vermurkst und vergiftet, das der einzig richtige Weg zur Bewahrung Europas, ein Komplettabriss der jetzigen EU ist. Alle Länder Europas müssen ihre volle Souveränität zurückgewinnen und den Einfluss von NGO’s zurückdrängen. Erst danach kann über eine neue andere EU nachgedacht werden. Ein Umdenken wird es mit den derzeitigen Akteuren und Profiteuren niemals geben.

Johann Thiel
4 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Möglicherweise habe ich da etwas verpasst, aber mir ist immer noch nicht klar, was Sie mit „überschaubaren Gemeinden“ meinen. Sehen Sie diese als Neuordung eines gemeinsamen Europas oder als strukturelle Erneuerung Deutschlands.

Johann Thiel
4 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Danke Herr Goergen, dann hatte ich es doch richtig verstanden, denn man läuft ein wenig Gefahr, dies mit dem „Europa der Regionen“ zu verwechseln. Auf jeden Fall ein sehr interessanter Ansatz, wobei ich mich freuen würde, wenn Sie diesen weiter ausführen. Ich hatte es sehr bedauert, dass Sie Ihre offene Artikelserie zum Parteienstaat zugunsten tagespolitischer Ereignisse nicht weitergeführt haben. Ein kompletter Neustart, beginnend auf der kleinsten sinnvollen Ebene, der Gemeinde, wäre ein gut denkbarer Weg, sich dieses vergifteten Partei-Apparates zu entledigen. Denn wenn man sich die Frage stellt, ob die Deutschen überhaupt noch genug gemeinsame Identität haben, um sich als… Mehr