DER SPIEGEL, Nr. 36: Aufwachen! Der Kampf ums Kanzleramt

Dem Herausforderer, der trotz seines trostlosen Rückstandes weiterhin alles versucht, um Land zu gewinnen, fällt jetzt der Hype, der anfangs um ihn gemacht wurde, auf die Füße, weil er nur sehr wenig von dem einlösen kann, für das er gehalten wurde.

„In Deutschland rumort es“. Auf diesen Nenner bringt der Leiter des Kölner Rheingold-Instituts, Stephan Grünewald, das Befinden der Wähler zur politischen Lage. Für seine Tiefenanalyse hatten sich 50 Wahlbürger auf die Coach des Psychologen begeben. Die Wichtigsten Ergebnisse: Ein wunder Punkt ist, dass im Wahlkampf das Thema Immigrationskrise „galant ausgespart“ wird, obwohl es die Bürger bewegt wie kein anderes. Es gäbe keine Antworten auf Ängste, keine auf Fragen, wie man Willkommenskultur leben könne. Die Bürger fühlten sich alleine gelassen. Sie hätten gehofft, dass die Politik einen Plan entwickeln würde.

Und welche Erkenntnisse hat Grünewald über die Einschätzungen zu den Parteien und deren Spitzenpersonal gefunden? Die Kanzlerin sei „die Einzige, auf die wir uns verlassen können, also müssen wir uns gut mit ihr stellen.“ Denn nur sie könne die Wüteriche Trump, Erdogan und Putin bändigen. Herausforderer Martin Schulz, nach seiner Nominierung als „zurückgekehrter Vater erlebt, der endlich die Vätervakanz in der deutschen Politik ausfüllt“, konnte die Erwartungshaltungen nicht einlösen. „Er gilt als lieber Onkel“. Die AfD könnte besser abschneiden, wenn sie eine Leitfigur hätte. Für die Grünen werde es „eine knappe Nummer“. Sie würden als „überheblich“ angesehen, „weil ihr Kampf gegen die Natur sich häufig gegen die menschliche Natur richtet.“ Tiefenpsychologisch gesehen ist Rot-Rot-Grün überhaupt keine Option. Das neue Dreamteam lautet nach Grünewald: Merkel und Lindner. Und demnach gibt es bei der Wahl einen schwarz-gelben Sieg. Alles sehr eingängige Botschaften. Keine, auf die Sie nicht selbst gekommen wären. Der SPIEGEL ist also sein Geld wert, wenn er das schreibt, was man weiß?

Blick zurück - nach vorn
Blackbox KW 35 – Der Kandidat, der gradlinig seine Furchen zieht
TV-Duell im Fernsehen am Sonntagabend. Da schickt der SPIEGEL schon mal am Samstag die Matadoren in den Ring („Herz und Härte“). Die Redaktion tritt aber nicht den Beweis an, dass sie ohne beklagte Eingriffe in den Ablauf des TV-Duells durch das Kanzleramt mehr dazu beiträgt, das Wahlvolk zu motivieren. Eine Kanzlerin im SPIEGEL-Gespräch mit René Pfister und Chefredakteur Klaus Brinkbäumer („Ich bin empört“), die genauso sachlich, genauso ausweichend, mit einer kleinen Spitze hier und dort gesetzt, sich jeglichem Erregungsjournalismus widersetzt, und genau das tut, was die Tiefenpsychologie als Makel erkennt: An den schwierigen Themen einfach vorbeiredet. Ein Herausforderer, der trotz eines bisher eher trostlosen Rückstandes weiterhin alles versucht, um Land zu gewinnen. Dem fällt aber jetzt der Hype, der anfangs um ihn gemacht wurde, auf die Füße, weil er nur sehr wenig von dem einlösen kann, für das er gehalten wurde. Ein George Clooney der SPD? Katharina Barley stellte ihn einst bei einer Diskussion im Willy-Brand-Haus so vor. Ein halbes Jahr ist das her. Eine Ewigkeit, in jeder Beziehung. Barley ist inzwischen weggelobt auf den Posten der Familienministerin. Und die SPD hat – als letztem Rettungsanker in Sachen öffentliches Auftreten – für Schulz jetzt Béla Anda engagiert, den Regierungssprecher der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder und späteren stellvertretenden BILD-Chefredakteur.

Jeder hierzulande weiß: Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten (Sepp Herberger) und Bayern München schießt seine wichtigsten Tore in der Nachspielzeit. Wo sind die Macherqualitäten? Wo ist der Biss des Linksverteidigers, der so gerne Profifußballer geworden wäre? Wo ist die professionelle Abgebrühtheit, der Siegeswille in den letzten Sekunden?

Schulz setzt auf mehr Gerechtigkeit, indem er Hand an die Spitzensteuersätze legen will. Da die SPD die Reform der Erbschaftsteuer durchgewunken hat, ist das politisch wichtigste Instrument zur Korrektur der Vermögensverteilung vorerst nicht mehr anwendbar, zumal die Betroffenen recht geschwind reagiert haben, so dass die derzeit günstigen Regelungen bereits flugs rechtssicher festgeschrieben wurden.

Erstaunlicherweise zeigt Sigmar Gabriel, Außenminister und Ex-Parteivorsitzender der SPD, jetzt, wo die Last des Siegenmüssens andere Schultern drückt, Kampfgeist. Er erinnert an den alten Schröderspruch: „Hinten sind die Enten fett“. Tierische Begegnungen hatte er zuletzt bei seinem Besuch bei Emmanuel Macron. Bei dieser Gelegenheit durfte der Außenminister im Elysée-Palast den Hund des Präsidenten streicheln („Ein sehr netter Hund“).

Aber wir wissen ja: Der SPIEGEL schreibt Worum es geht. Wer es kann. Und hat keine Angst vor der Wahrheit.

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Kommentare ( 27 )

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27 Comments
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Rudi
6 Jahre her

Die Wahrheit ist, dass kein neuer Führer gewollt ist. Es geht aber ganz offensichtlich nicht ohne AfD, denn zumindest bindet sie den Volkszorn wie Mondamin die Sauce. Aber auch ein Aufsatz über den Spiegel lenkt mich nicht davon ab, mit zu bekommen, dass in dieser Republik der ‚einfache‘ Mensch auch weiterhin als Köder am Haken hängt. In meinem physischem Umfeld, lieber Herr Canibol, gibt es daher kaum einen Menschen, dem ich nicht brutalstmöglich sage, was mich (an ihm) stört! Und soll ich Ihnen noch sagen, dass mich das noch niemals von irgendeinem Erfolg abgehalten hätte? Als Ökonometriker sollten Sie daher… Mehr

Steuerzahler
6 Jahre her

Wer konnte nur auf die Idee kommen, das die Politiker eine Antwort darauf finden, wie die von ihnen propagierte Willkommenskultur vernünftig zu handhaben ist. Realitätsverweigerer haben noch nie anstehende Probleme gelöst. Sie waren und sind immer noch ganz im Gegenteil stets ein großer Teil des Problems.

treu
6 Jahre her

Sie haben völlig recht, ein Mann wie Schulz, der dermaßen von diesem politischen System auch ganz persönlich und finanziell in dem bekannten ungeheurem Maße profitiert hat, ist doch völlig unglaubwürdig und dürfte doch zum Thema soziale Gerechtigkeit an sich kein Wort verlieren. Das ist schon Hohn!

Frank Stefan
6 Jahre her

Heute, Sonntag, Presseclub u.a. mit Müller-Vogg. Hat sich im übrigen top geschlagen, auf seine Einwürfe kamen keine substantiellen Antworten aus der Pro-Flüchtlings-Runde, konkludent widerlegen konnten sie ihn nicht, mussten ihm sogar in mancher Sache zustimmen. Was die Herrschaften da am liebsten diskutieren ist „unsere Pflicht“, Afrika (und eigentlich allen Beladenen) zu helfen, aber das müsse doch wohl jeder einsehen, auch wenn im August im Mittelmeer nicht mehr ertrunken wurde, man wisse doch zu genau, wie dolle in den libyschen Flüchtlings-Camps vergewohltätigt, gemordet und -foltert würde usf. (Müller-Vogg: „aber das wurde es doch vorher auch schon“, Antwort: blödes Schweigen). Was die… Mehr

hassoxyz
6 Jahre her
Antworten an  Frank Stefan

Für die linksgrünen Flüchtlingsfreunde von spiegel, faz, taz, focus, welt, sueddeutsche, zeit, stern, etc. ist nicht Merkels rechtswidrige Politik der offenen Grenzen das Problem, sondern diese fiesen Rassisten und Nazis der AfD, die alles nur miesmachen wollen. Das ist deutscher Journalismus im Jahre 2017. Pfui Deibel.

Jörg Themlitz
6 Jahre her
Antworten an  Frank Stefan

Ja ja der Herr Müller-Vogg. Ich habe nur zwei Minuten der Sendung gesehen. (Werbepause Sport)
In diesen zwei Minuten hat Herr Müller-Vogg sein ganzes bescheidenes und einseitiges AfD Vokabular über selbiger aus gekübelt.

Rudi
6 Jahre her

Das Gute daran ist das gute darin. Und wenn die SPD jemals damit anfangen würde, zu ihren 150 Jahre jungen Wurzeln zurück kehren zu wollen, fielen sie am Ende der Welt schlicht herunter. Wenn sie denn am Erdkern vorbei graben könnten. BIS dahin, also ungefähr so lange wie es dauert, dass sich durch die Verschiebung der tektonischen Platten ein neuer Kontinent gebildet hat, so lange wird es noch dauern, dass sich die SPD neu erfunden hat, geschweige dessen, alte Wurzeln aus buddeln zu wollen. Naja, vielleicht bildet sie bei den anstehenden Bürgerkriegen noch irgendeine Staffage. DAS war es dann aber… Mehr

Hellweg
6 Jahre her

Mancher Psychologe gehört wohl selbst auf die Couch. Die Schlüsse, die der Herr zieht, sind ja nicht zu toppen. Also, nicht Deutschland hat ein Migrationsproblem, sondern der Couch-Michel, weil bei ihm einfach nicht die verlangte Willkommensfreude aufkommen will. Frau Merkel hat ihm nicht gesagt, wie er das schaffen soll. Der bewegte Michel braucht also Integrationskurse, nicht der illegale Migrant. Bitte, liebe Mutti Merkel, bei all der Probleme, die du sonst noch lösen mußt, nimm uns an der Hand und zeige uns deinen allwissenden Plan, dort am Ende des Tunnels, bitte! Mannohmann! 😉 Wer jetzt glaubt, das Licht am Ende des… Mehr

Bambusratte
6 Jahre her

Das größte Problem von Schulz ist, dass die SPD bei allem mitgemacht hat, was diesem Land geschadet hat. Jegliche Kritik von ihm an der Politik der Bundeskanzlerin wird zwangsläufig wie ein Bumerang zu ihm zurückkehren und er kann dabei nur verlieren.

Das zweite Problem von Schulz ist, dass die SPD in den wirklich wichtigen Fragen die gleiche Meinung wie Merkel vertritt. Deshalb wird auch gar nicht mehr darüber geredet.

Armer Schulz, du hast keine Chance, also nutze sie.

Nichtzufassen
6 Jahre her
Antworten an  Bambusratte

Die SPD ist treibende Kraft bei der Islamisierung, die Grünen auch.

Das sind keine Mitläufer. Ötzogutz ist auch keine wildgewordene Ministerin außer Kontrolle, sondern Erfüllungsgehilfin der Islamisierung in Merkels Auftrag.

Daniela Gmeiner
6 Jahre her

Würde Herr Schulz tatsächlich einen echten Politikwechsel als Ziel haben, dann
müßte er bei dem sogenannten Duell, vor dem Fernsehpublikum der vielen
Sender, eine GROKO, kategorisch ausschließen.
Dann müßte die Union neu planen.
Da er dies nicht tun wird, ist für mich klar, dass der sogenannte Wahlkampf,
eine „Demokratieinszenierung“ ist.

Nichtzufassen
6 Jahre her

Ein Untersuchungsausschuss? Eine großartige Idee.

Warum? Weil immer so gute Ergebnisse dabei herauskommen?!

Und sich dann alles immer zum Besseren ändert? Und alles aufgeklärt wird?!

Einfach weiterschlafen. Und Merkel könnte gar nichts machen, gäbe es in der Union noch Demokraten.

Das größte Problem der deutschen Nachkriegspolitik sind aber die Wähler, die ihr eigenes Grab schaufeln, und sich dabei noch gut fühlen, weil sie die bösen Rächten nicht gewählt haben.

Matt Borg
6 Jahre her
Antworten an  Nichtzufassen

Das schrieb ich heut´einer Freundin, die wohl CDU wählen wird. Nach dem Motto, wenn nicht Merkel wer dann? EINE Gegenfrage: Wer hat es denn gemacht, dass Du nach 21 h nicht mehr allein auf die Strasse gehst. Etc., etc., …Sie: Und die armen Enkelkinder!! Fest steht: „Ab September ist es so: Wir, die deutsche Gesellschaft, haben es in der Mehrheit so gewollt. PUNKT! (Sorry)“

MobilIveco
6 Jahre her
Antworten an  Matt Borg

und die, die es nicht so gewollt haben, müssen für diesen ganzen Irrsinn trotzdem bluten.

bucklalpi
6 Jahre her

Um im Fußball-Jargon zu bleiben: Ein Duell wie einst Deutschland – Österreich in Cordoba (die Älteren wissen Bescheid). Nur daß hier Stürmer „Schneckerl“ Schulz in der Nachspielzeit noch ein Eigentor schießt.
Derweil der Kommentator befürchtet, daß Verteidiger „Katsche“ Merkel sich wundliegt und gewendet werden muß.